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Einführung in die Grundbegriffe der Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie. 2. Vorlesung: Arbeit Wintersemester 2011/2012 PD Dr. Thomas Haipeter. Was ist Arbeit?. Zentrale Stellung des Arbeitsbegriffs in der Arbeits- und Industriesoziologie Aber: Was ist Arbeit?
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Einführung in die Grundbegriffe der Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie 2. Vorlesung: Arbeit Wintersemester 2011/2012 PD Dr. Thomas Haipeter
Was ist Arbeit? • Zentrale Stellung des Arbeitsbegriffs in der Arbeits- und Industriesoziologie • Aber: • Was ist Arbeit? • Was unterscheidet Arbeit von Nichtarbeit oder Freizeit? • Welche Arbeit ist Gegenstand der Arbeits- und Industriesoziologie? • Was ist das Gemeinsame in der Vielfalt der Arbeitstätigkeiten?
Was ist Arbeit? Was für Arbeiten gibt es? • Produktionsarbeit • Dienstleistungsarbeit – Interaktionsarbeit – emotionale Arbeit • Wissensarbeit…. • Einfache – komplizierte Arbeit • Qualifizierte – unqualifizierte Arbeit • Planende/Kontrollierende – ausführende Arbeit • Autonome - fremdbestimmte Arbeit • Mechanisierte – nicht-mechanisierte Arbeit Zudem : • Hausarbeit • Beziehungsarbeit • Arbeit der alltäglichen Lebensführung und Work Life Balance…
Was ist Arbeit? Ökonomische Theorie • Arbeit als Leid: Arbeitsangebot Abwägung Leid – Freizeit • Arbeit als Voraussetzung für Konsum • Arbeit als Tätigkeit zur Herstellung von Gütern • Lohn als Preis der Arbeit • Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt
Was ist Arbeit? Kategorie Arbeit Erfindung der Neuzeit • Lösung feudaler und zünftiger Abhängigkeitsbeziehungen • Freisetzung der Arbeitskraft in Person „freier Arbeiter“ • Arbeit als Quelle des gesellschaftlich produzierten Reichtums (Moralphilosophie - Politische Ökonomie) • Arbeit als Integrationsfaktor / Determinante gesellschaftlicher Positionen/Status – Arbeitsgesellschaft • Deshalb: Arbeit beobachtbar Vorkapitalistische Gesellschaften: • Arbeit als Notwendigkeit - Ausgrenzungskriterium • Keine Soziale Wertschätzung: Arbeitende unterste Schicht • Antike: Sklavenarbeit im Oikos (plus Bauern, Händler und Frauen) – Freie Bürger unabhängig von Arbeit und außerhalb des Oikos • Mittelalter: Knechte, Tagelöhner, unfreie Bauern – Handwerker keine Arbeiter - Werk
Was ist Arbeit? Arbeits- und Industriesoziologie • Kaum explizite Behandlung in Lehrbüchern • Erwerbsarbeit (Hirsch-Kreinsen) • Fremdbestimmte, durch Herrschaftsstrukturen geprägte Tätigkeit (Vilmar/Kißler) • Aneignung der Natur – planvolle Tätigkeit (Wachtler) • Besonderes der Arbeit unter besonderen gesellschaftlichen Bedingungen (betrieblich organisierte Lohnarbeit) - Kein allgemeiner Arbeitsbegriff Beobachtung ja, konzeptionelle Arbeit kaum: Was ist Arbeit schlechthin?
Der Arbeitsbegriff bei Karl Marx • Arbeit als Prozess der Entäußerung und Selbsterzeugung (Hegel) • Aber nicht als Denken, sondern als praktisches Tun (Feuerbach) • Arbeit und Arbeitsprozess allgemein und unabhängig von gesellschaftlicher Form • Arbeit konstituiert Mensch als freies Gattungswesen • Instrumenteller und emanzipatorischer Gehalt (192)
Der Arbeitsbegriff bei Karl Marx Arbeit ist… • Naturprozess des Gattungswesens Mensch • Arbeit ist körperliche und geistige Arbeit • Aneignung und Umformung der natürlichen Welt • Bewusste und zweckgerichtete Tätigkeit • Beherrschung und Veränderung der Welt und der Arbeitenden selber • Entfaltung der menschlichen Potenziale • Ausdruck der Kreativität des menschlichen Handelns
Der Arbeitsbegriff bei Karl Marx Ganzheitliches und emanzipatorisches Arbeitsverständnis – gesellschaftliche Wirklichkeit der Lohnarbeit • Entfremdung: • Von der Natur und den Arbeitsmitteln • Vom Produkt • Von der eigenen Tätigkeit • Von anderen Menschen (Herrschaft) • Abstrakte Arbeit: • Gebrauchswert und Tauschwert der Arbeit in der Warenproduktion • Nützliche Arbeit: Konkrete Arbeit zur Herstellung nützlicher Produkte (und allgemeine Existenzbedingung des Menschen) - Qualität • Abstrakte Arbeit: Verausgabung einfacher menschlicher Arbeitskraft als Grundlage des Wertes und der Wertgröße - Quantität (58) • Abstraktion von konkreten Eigenschaften und Potenzialen der Arbeit und des Arbeitsprozesses • Einfache Arbeit als Grundlage
Der Arbeitsbegriff bei Karl Marx Stellenwert des Arbeitsbegriffs für die Theorie gesellschaftlicher Entwicklung: Drei Argumentationswege • Spannung entfremdete Realität – ganzheitliches Ideal: Handlungstheoretisches Problem individuelle Entfremdung – kollektives Handeln? • Kollektive Sozialisation als Lohnarbeiter: Massenhafte Angleichung Arbeitstätigkeiten; kollektive Organisation im Großbetrieb und Kooperationsfähigkeiten; Disziplinierung und Gründung kollektiver Organisationen (Arbeitsbegriff zweitrangig) • Dialektik Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse: Systemische Entwicklungen (Arbeits- und Handlungsbegriff negiert)
Arbeitsbegriff nach Marx Anknüpfung: Zwei Argumentationsstrategien • Emanzipation als kollektiver Lernprozess der Arbeiterklasse ohne Bezug auf Arbeit (Lukacs): • Proletariat als revolutionärer Akteur • Kann Entfremdung und Verdinglichung durchschauen, je weiter sie fortgeschritten sind • Führende Rolle einer Avantgarde • Arbeit als instrumentelle Arbeit (Adorno und Horkheimer): • Arbeit als technische Verfügung über äußere Natur • Geht einher mit einer Unterdrückung der inneren Natur (Objektivierung) • Herrschaft technischer Rationalität / instrumentelle Vernunft (Verlust der inneren Natur durch soziale Verdinglichung) • Befreiung nur als Ästhetik: als ästhetische Kooperation / mimetischer Umgang mit der Natur (Musik, Kunst)
Arbeitsbegriff nach Marx • Kritik Monismus: • Kreativität des Handelns nur in Arbeit (Spiel, Kunst) • Vernachlässigung symbolisch vermittelter sozialer Interaktionen (kommunikatives Handeln) als Grundlage der Entwicklung von Identität Vita Activa (Arendt) • Arbeit: Erstellung lebenswichtiger Produkte in und mit der Natur • Herstellen: Veränderung, Erstellung dauerhafter Dinge und einer künstlichen Umwelt • Handeln: Identität und Gemeinschaft in sozialer Verständigung • Diagnose: Siegeszug technischer Handlungsweisen Instrumentelles und kommunikatives Handeln (Habermas) • Instrumentelles Handeln: Zweckrationale Orientierungen in Systemwelten • Kommunikatives Handeln: Intersubjektive Verständigungsprozesse (Geltungsansprüche) in Lebenswelt • Befreiungspotenzial in herrschaftsfreier Kommunikation (nicht in Arbeit) • Diagnose: Kolonialisierung der Lebens- durch die Systemwelten
Arbeitsbegriff nach Marx • Emanzipatorische Entkleidung des Arbeitsbegriffs • Reduzierung Arbeit auf Notwendigkeit – technische Verfügungspraxis über Natur • Zugunsten symbolisch vermittelter sozialer Interaktion Gegenkritik: Unterschätzung des Arbeitsbegriffs Honneth: • Instrumenteller Arbeitsbegriff undifferenziert: autonome und ganzheitliche Arbeit gleichgesetzt; • Keine Ansatzpunkte Kritik empirische Entwicklung; „Kontrastfolie der Logik und Pathologien“ aktueller Arbeitsprozesse • Moralisch-praktisches Wissen produktionstechnisch zerstörter Arbeitshandlungen (nicht nur verzerrter Kommunikationsverhältnisse) • Soziales Unrechtsbewusstsein: Moralischer Anspruch aus Enteignung der eigenen Arbeitstätigkeit • Behauptung der Autonomie in fremdbestimmten Arbeitsverhältnissen – Befreiung aus entfremdeten Arbeitsverhältnissen • Handlungslogik der Aneignung: Alltägliche Widerstandspraktiken und Regelverletzungen (auch unterhalb von Artikulation und Konflikt)
Zusammenfassung Lohnarbeit im Kapitalismus: Arbeitsgesellschaft • Zentrale Stellung der Arbeit • Ware Arbeitskraft – Existenzsicherung • Statuszuweisungen - Klassenlage • Ambivalenz: • Aufwertung der Arbeit und emanzipatorischer Gehalt der Arbeit • Herrschaft und Fremdbestimmung • Unternehmen und Betrieb • Ort der Arbeit • Organisation der Arbeit • Problem der Transformation – Arbeitskraft unbestimmbar: Leistung und Kreativität • Handlungslogik der Aneignung – Kontrastfolie autonomer und ganzheitlicher Arbeit • Kauf und Verkauf der Arbeit • Verteilung Arbeit und Kapital • Verteilung zwischen unterschiedlichen Arbeiten und Arbeitern
Zusammenfassung: Zukunft der Arbeit? Das Ende der Arbeitsgesellschaft (Offe/Gorz)? • Technologischer Fortschritt / Entwicklung der Arbeitsproduktivität • Arbeitslosigkeit und Polarisierung Arbeitszeiten • Umverteilung der Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich • Befreiung der Zeit (Gorz): sinnvolle Tätigkeiten jenseits ökonomischer Zweckbestimmungen • Frage: Schaffung von Erwerbsarbeit und Dienstleistungen in gesellschaftlich sinnvollen Tätigkeitsfeldern (soziale Dienstleistungen, Pflege, Bildung) – neue Arbeitsgesellschaft Das Ende der Wachstumsgesellschaft und das Ende des Kapitalismus? • Ökologische Grenzen des Wachstums: Ressourcen und Verschmutzung • Kann es Kapitalismus ohne Wachstum geben? • Was heißt das für die Arbeit in einer Postwachstumsgesellschaft? – Ist sie noch Lohnarbeit? Wird sie noch fremdbestimmt?