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Placebos in der Medizin/Psychiatrie Karl C. Mayer Seit 1992 niedergelassener Nervenarzt in Heidelberg www.neuro24.de Vortrag vom 27.10.2009 In der Ameos Klinik Neustadt i.H Gesponsert von Bristol-Myers Squibb. Placebo. Bei jeder 3. Depression liegt eine bipolare Störung vor.
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Placebos in der Medizin/Psychiatrie Karl C. Mayer Seit 1992 niedergelassener Nervenarzt in Heidelberg www.neuro24.de Vortrag vom 27.10.2009 In der Ameos Klinik Neustadt i.H Gesponsert von Bristol-Myers Squibb
Canadian Network for Mood and Anxiety Treatments (CANMAT) and International Society for Bipolar Disorders (ISBD)collaborative update of CANMAT guidelines for the management of patients with bipolar disorder: update 2009 Bipolar Disorders 2009: 11: 225–255
Auch wirksame first line Medikamente bei bipolaren Störungen schneiden gegen Placebo nicht bei allen Altersgruppen und in allen Studien besser als Placebo ab. Was sind Placebos und wie wirken Sie? Wirken Sie überhaupt?
Hooper's Medizinisches Lexikon 1811 • Placebo : "jede Medizin, die mehr dazu da ist, den Patienten zu gefallen als ihnen zu helfen". • Placebos waren bis 1955 überwiegend sehr schlecht angesehen • Nur andere Quacksalber nutzten sie
Placebo = ich gefalle • Der Begriff wurde 1955 mit einer Arbeit von Henry K. Beecher wichtiger Bestandteil der med. Forschung. • 1/3 der Patienten spricht auf Placebos an. • Placebogruppen wurden als Standard in klinischen Studien eingeführt. • Placebos können aus Worten, Gesten, Pillen, Hilfsmitteln, oder chirurgischen Eingriffen bestehen • Bei Eingriffen wird oft stattdessen von “sham” oder “pseudo” vorgetäuschtem bzw. Scheineingriff gesprochen
Ob Placebos aber überhaupt eine Wirkung haben, ist nach einer Studie die 2001 veröffentlicht wurde, noch zu beweisen. Die Autoren bemängeln, dass nur wenige Studien eine Gruppe von nicht behandelten Patienten als Vergleichgruppe haben. Wenn man nur diese (kleinen) Studien berücksichtigt, gibt es nur eine (fragliche) Wirkung auf das subjektive Befinden- das uns natürlich auch wichtig ist.
Manchmal ist Placebo in Studien auch eindeutig überlegen- was nicht immer veröffentlicht wird.
Auch wenn Placebo aufgrund der Studienlage gleichwertig und im Gegensatz zur aktiven Medikation mit weniger Nebenwirkungen belegt ist, führt das nicht immer zu Konsequenzen bei der Behandlung OFFIZIELLES MITTEILUNGSBLATT DER KV SACHSEN-ANHALT Stand der Bearbeitung: März 2004
96 Studien mit 9566 Patietnen in den Placebguppen • Die Placebowirkung ist in neueren Studien zu Antidepressiva größer, als in alten Studien • Im Vergleich zu 1980 war die Placebowirkung nach einer Metaanalyse 2005 doppelt so groß. • Dies betrifft allerdings überwiegend die Beurteilung durch die Studienärzte, und weniger die Wirksamkeitsbeurteilung durch die Patienten • In dieser Metaanalyse erreichte die Placebowirkung 68% der Medikamentenwirkung
Gibt es also wirklich eine Placebowirkung?oder wünschen wir uns nur, dass es eine Placebowirkunggibt?
Placebos werden auch in der Behandlung bewusst eingesetzt • 86% der dänischen Allgemeinärzte Umfrage an der Medizinischen Hochschule Hannover: • 131 von 180 Befragten Ärzten und Krankenpflegern (74%) verwenden Placebos. • 47% glauben, das Placebos oft wirkten • Häufigere Anwender- mindestens monatlich- waren 13% der Ärzte und 42% der Krankenpfleger. • 19% der Ärzte und 29% der Pfleger verwendeten Placebos um zu testen ob die Symptome echt sind.
Art. 32 der WMA Declaration of Helsinki 2008 • The benefits, risks, burdens and effectiveness of a new intervention must be tested against those of the best current proven intervention, except in the following circumstances: • The use of placebo, or no treatment, is acceptable in studies where no current proven intervention exists; or • Where for compelling and scientifically sound methodological reasons the use of placebo is necessary to determine the efficacy or safety of an intervention and the patients who receive placebo or no treatment will not be subject to any risk of serious or irreversible harm. Extreme care must be taken to avoid abuse of this option. • http://www.wma.net/e/policy/b3.htm
Es kann aber auch ein Frage der Dauer der Nichtbehandlung sein • Eine Metaanalyse von 6 Studien zu Patienten mit der 1. oder 2. Episode einer Schizophrenie N=623 zeigte keine Nachteile für die Patienten, die kurze Zeit nicht mediziert wurden. Schizophrenia Bulletin vol. 32 no. 2 pp. 288–296, 2006
Wie lange darf die Placebophase gehen, kann sie verkürzt werden
The British Journal of Psychiatry (2009)194, 40–48. doi: 10.1192/bjp.bp.108.049965
Hätte man nur die PET- Flurodopa-Bilder betrachtet wäre der Eingriff ein Erfolg gewesen
40 Pat, 20 sham- Eingriff, 20 embryonale Dopamin Neurone Die Erwartung trägt wesentlich zum Therapieerfolg bei
Klinische Besserung und Feuerungsfrequenz im N. subthalamicus, der als Schrittmacher in den Basalganglien gilt, gehen parallel
Auch bei chirurgischen Eingriffen ist manchmal die Wirksamkeit der einer Placebobehandlung gleichwertig.
Mehr als 650,000 Eingriffe pro Jahr in den USA mit Kosten von je $5,000 In unkontrollierten Studien zur Kniearthroskopie für Osteoarthritis berichtet die Hälfte der Patienten über eine Besserung- worauf diese Besserung zurückgeht ist unklar, Erheblich ökonomische Konsequenzen solcher Studien
Nachweis der Placebowirkung im PET • Das PET zeigt Veränderungen im Glukosemetabolismus bei Placebowirkung, die ähnlich der Wirkung eines Antidepressivums sind • Genau genommen sind die Veränderungen im Glukosemetabolismus allerdings zunächst Zeichen der Besserung der Depression • Placebo- Wirkungen sind auch sonst im PET und der f-MRT krankheitsspezifisch • Placebo- Wirkung ist kein Hinweis, ob Symptome echt sind oder vorgetäuscht werden.
Versuch einer Darstellung der Placebowirkung alleine • 5%ige Kochsalzlösung in den Masseter infundiert) („Test neues Schmerzmittel“) • Als Placebo alle 4 min i.v. isotone Kochsalzlösung • Die Placebo Schmerzmittelinfusion wurde jeweils per Computerstimme angekündigt • Die Wirksamkeit wurde mit 48 v 100 auf der VAS antizipiert und im Versuch auf 42/100 von den VP geschätzt. Im Median eine Schmerzminderung um 50%. • Je höher die Erwartung, umso größer die Wirkung Arch Gen Psychiatry. 2008;65(2):220-231
Resümee der funktionellen Bildgebung zur Placebowirkung • Placebowirkungen sind "top-down" Prozesse • Frontale Rindengebiete, die Erwartungen erzeugen und aufrechterhalten, steuern die Placebowirkung. • Dopaminerge Bahnen im Hirnbelohnungssystem liegen der Auslösung der Placebowirkung zugrunde • krankheitsspezifische Placebo-induzierte positive Wirkungen, die über krankheitsspezifische neuronale Bahnen zu neurofunktionalen oder neurochemischen Veränderungen führen, die denen gezielter pharmakologischer Behandlungen ähnlich sind. • Es gibt hierzu aber unterschiedliche Modellvorstellungen Faria V, Fredrikson M, Furmark T. (2008) Imaging the placebo response: a neurofunctional review. Eur Neuropsychopharmacol. 18(7):473-85
Fedele L, Marchini M, Acaia B, et al. Dynamics and significance of placebo response in primary dysmenorrhea. Pain 1989;36:43–7.
regression to the mean, nicht nur bei Antidepressiva gibt es hohe Placeboresponderaten
Die Dropout Rate für alle Atypika ist in Studien gegen Placebo deutlich höher als gegen eine aktive Vergleichssubstanz, was die Signifikanz der Ergebnisse beeinträchtigt. Ein Argument für aktive Kontrollen
Atypika vs Placebo • Atypika sind gegen aktive Vergleichssubstanzen fast doppelt so wirksam, wie gegen Placebo • Studien gegen aktive Vergleichssubstanz unterliegen damit möglicherweise einem Bias
Was wirkt hauptsächlich beim Placeboeffekt Studie bei Reizdarmpatienten, 3 Gruppen: • a) Beobachtung, • b) Placebo- Akupunktur alleine oder • c) Placebo- Akupunktur mit warmem, aufmerksamem vertrauensvollen Kontakt durch den behandelnden Allgemeinarzt Ergebnis: die Zuwendung ist entscheidend
Components of placebo effect: randomised controlled trial in patients with irritable bowel syndrome BMJ 2008;336;999-1003; originally published online 3 Apr 2008;