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Paradigmatische Analysen Gattungen und Textgebrauch

Paradigmatische Analysen Gattungen und Textgebrauch. Lyrik des Mittelalters I. II. Paradigmatische Analysen Gattungen und Textgebrauch. Gattung (s. RLW 1, 1997, S. 651-655) - literarische Reihe: Ordnungsbegriff für Bildung von Textgruppen. Gattung bestimmt

emberlynn
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Paradigmatische Analysen Gattungen und Textgebrauch

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Presentation Transcript


  1. Paradigmatische AnalysenGattungen und Textgebrauch Lyrik des Mittelalters I

  2. II. Paradigmatische AnalysenGattungen und Textgebrauch • Gattung (s. RLW 1, 1997, S. 651-655) - literarische Reihe:Ordnungsbegriff für Bildung von Textgruppen. • Gattung bestimmt - durch ein Bündel fester Merkmale, - durch Merkmale, die im historischen Prozess Veränderungen unterworfen sein können. • Gattung fungiert als literaturwiss. Ordnungskategorie in zweierlei Hinsicht: • Synchron: welche Gruppen von Texten existieren zeitgleich nebeneinander? • Diachron: in welchem Verhältnis stehen die Texte ein und derselben Gruppe in zeitlicher Abfolge (-> Gattungsgeschichte, s. RLW 1, S. 655-658)

  3. Gattungen und Textgebrauch • Gattungsbewusstsein - seitens des Verfassers, der sich mit seinem Werk in den Rahmen einer bereits geprägten Konvention eingliedert oder die Merkmalskonventionen der Gattung ändert/erweitert/überschreitet/negiert. - seitens der Rezipienten, die ein Werk mit dem Hintergrund der Gattungserfahrung abgleichen, es bewerten und ihre Vorstellung von der Gattung modifizieren bzw. erweitern.

  4. Gattungen und Textgebrauch • Textgebrauch – Umgang der Rezipienten mit Texten • synchron /im histor. Kontext des Textentstehung: - von den Konventionen der Gattung gesteuert und an sie gebunden. - die konventionellen Formen des Textgebrauchs erweiternd und/oder überschreitend • diachron / im histor. Abstand zur Textentstehung: - neue Formen des Textgebrauchs, des Umgangs mit einem Werk, - neue Funktionalisierung des Textes, -neues (zeitgebundenes) Verständnis des Textes bis hin zum „Missverständnis“

  5. Lyrik des Mittelalters I • Waz ist minne? • Liebe als Gesellschaftliches Diskursthema - Klerikal; innerhalb der Geistlichkeit und der Vermittlung an die Laien; - Adlig: innerhalb der Höfischen Kultur des Hohen und Späten Mittelalters; - Innerhalb der literarischen Kultur des europäischen Intellektuellen.

  6. Waz ist minne? Konstanten: • Liebe als anthropologisches Phänomen • Liebe als sozialpsychologisches Phänomen Historische Differenzen: • Wertung der Liebe/Ambivalenz • Liebe und Individuum • Liebe und Gesellschaft

  7. Liebe als Thema gesellschaftlicher Diskurse um 1200 • als Phänomen der (geistlichen) Brautmystik des 12. Jahrhunderts (Bernhard von Clairvaux u.a.) • Ausgangspunkt: das Hohe Lied (Canticum canticorum) des Alten Testaments (lesen!!!). • Mittelalterliche Deutung: Liebe zwischen Braut und Bräutigam als Abbild der Liebe zwischen Christus und der Kirche oder zwischen Christus und der Seele des Menschen.

  8. Williram von Ebersberg, Bearbeitung des Hohen Liedes lat.-mhd. (um 1060/70)

  9. Williram von Ebersberg, Bearbeitung des Hohen Liedes lat.-mhd.(um 1060/70) München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 10

  10. Minne um 1200: Adelskultur • als Phänomen der Adelskultur des Hochmittelalters (Höfische Minne) • Sprechen über Minne innerhalb der höfischen Gesellschaft (Minne als Diskursthema) • literarisches Sprechen über Minne in unterschiedlichen Formen/Gattungen: Roman, Lied, Sangspruch, Traktat.

  11. Minnesang • Öffentlichkeit des Vortrags • Rollenkonstellationen: Ich als Liebender – Sie, die edle Dame (vrouwe) • Themen des Minnelieds: • Leiden an der Liebe (Minneklage) • Glück erfüllter Liebe • Schmerz der Trennung (u.a. Kreuzlieder) • Abschied nach gemeinsamer Nacht (Tagelied)

  12. Minnediskurs im Höfischen Roman Modelle: • Entstehung von Liebe (Quinque lineae amoris: Visus, colloquium, tactus et basia – actus) • Liebe und Landesherrschaft (Veldeke, ,Eneasroman‘) • Verhältnis von Liebesbindung des Einzelnen und gesellschaftlicher Verpflichtung (Hartmann von Aue, ,Erec‘, ,Iwein‘) • Liebe als absolute und die gesellschaftlichen Normen sprengende Macht (,Tristan‘)

  13. Minnediskurse in weiteren Gattungen • Liebe als Thema in der lateinischen Dichtung der europäischen Intellektuellen (litterati). • Minne als Gegenstand einer deutschsprachigen Vortragsdichtung für den (illitteraten) Adel, z.B. - Sangspruchdichtung - Minnerede - lehrhafte Dichtung

  14. Liebe in der Kultur der europäischen IntellektuellenLateinischen Lyrik des europäischen Mittelalters • Träger sind die intellektuellen Eliten Europas: Studenten (Scholaren, „Vaganten“), Lehrer, Klerus. • Entstehung, Vortrag, Sammlung und Aufzeichnung im Verfügungsbereich/Kulturraum der Intellektuellenbedeutendste Sammlung: ,Carmina Burana‘ (um 1230/50); Zeitgenössische Dichtung neben z.T antiken Texten. • Thematische Ordnung der‚Carmina Burana‘: - Zeitklage, Kirchenkritik, moralisch-satirische Belehrung - Liebes (u.a. Liebesklage, Pastourelle) - Trinken, Geselligkeit, Glücksspiel - Geistliche Themen (u.a. mehrere geistliche „Dramen“)

  15. Codex Buranus,f.1r: Rota Fortunae (München, Bayer. Staatsbibl., Clm 4686)

  16. Codex Buranus, f. 72v. Suscipe flos florem, quia flos designat amorem.

  17. Codex Buranus, f. 89v (um 1230), Szene zu den Trink- und Spielerliedern. Anfang des Liedes Potatores exquisiti, licet sitis sine siti / et bibatis expediti ... (CB 202).

  18. Minne als Gegenstand deutschsprachiger Adelsdichtung: 1. Wortgeschichte von Minne • ahd. minna, mhd. minne • ,Erinnerung, freundliches Gedenken‘: Sant Johans minne trinken; • ze minnen (adverbial) ,zum Dank‘ • ,Liebe, religiös‘ = caritas • ,Liebe, weltlich‘ = amor • Bedeutungsverengung im 15. Jh.: • minne ,Beischlaf‘ (→ „unanständiges“ Wort, Tabu)

  19. Minne: Wortgeschichte • mhd. liebe ,Freude, Glück‘ • liep ane leit mac niht gesin • mhd. liebe erscheint ab etwa 1180/1200 neben minne in der Bedeutung ,Liebe‘

  20. Minnesang als Aufführungsform • öffentlicher Vortrag vor der Gesellschaft des Adelshofes • einstimmiger Gesang • Begleitung durch Melodie- und Rhythmusinstrumente • z.T. Verwendung als Tanzlied

  21. Meister Heinrich Vrouwenlob, um 1300 (aus: Cod. Manesse, Zürich, um 1320)

  22. Der Kanzler, Mitte 13. Jh. (aus: Cod. Manesse, Zürich, um 1320)

  23. Margrave otte von Brandenburg (aus: Cod. Manesse, Zürich, um 1320)

  24. Schreittanz Her Hiltbolt von Swanegau (aus: Cod. Manesse, Zürich, um 1320)

  25. Einzelstrophe aus: Des Minnesangs Frühling, MF 3,1 Ausschnitt, aus: Paul/ Wiehl/Grosse, Mhd. Grammatik, Abb. 2

  26. Erste Fragen • Wer spricht? • Wer ist angesprochen? • Form: ich dein – du mein (Chiasmus) • Bildsprache: • Wohnen im Herzen; • Herz als Kammer; • Schlüssel zum Herzen; • „Ewige Bindung“: Ohne zeitliche Begrenzung.

  27. 1. Anonymus, Dû bist mîn, MF 3,1 • Überlieferung innerhalb der ‚Tegernseer Liebesbriefe‘ (um 1160/80, s. VL): Sammlung stilistisch ausgearbeiteter lateinischer Musterbriefe: Liebesklagen eines Mädchens, Briefe zwischen Lehrer und Schülerin, zwischen Magister und seiner Geliebten. • Kontext von Dû bist mîn: Liebesbrief einer Schülerin an den geliebten Magister.

  28. Argumentationsgang • (lat.) ‚Wenn meine Begabung die des Vergil, meine Redegabe die Ciceros überträfe ...Du bist ins Innerste meines Herzens vorgedrungen ... Keinen anderen Geliebten werde ich nach dir haben. Gruß: Sua suo sibi se (‚die Seinige dem Ihrigen – ihm [gibt sie] sich‘) • Mehr zu sagen ist unnötig‘: (dt.) Dû bist mîn ... • dt. Strophe: eine Zusammenfassung des Briefes. • Frage: woher kommt die Strophe?

  29. Du pist mîn, Detail

  30. Tegernseer Liebesbriefe (s. VL 9, 1995, Sp. 671-673) Handschrift: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 19411, f. 114v

  31. Der von Kürenberg (um 1150/60) Der von Kürenberg, Cod. Manesse, um 1320

  32. 2. Der Kürnberger, Vil lieben vriunt verkiesen (MF 7,1): Handwerk • verkiesen, stv. II, mit gramm. Wechsel im Präteritum 2. ‚verachten, preisgeben‘ • verkiesen, ich verkiuse, verkôs, wir verkurn, verkorn (s. nhd. Kür). • Swer verallg. Pronomen ‚jeder, der‘ (vgl. swaz ‚alles, was‘; swie ‚wie auch immer‘) • holt ‚gewogen, zugetan‘ • manen swv. ‚ermahnen, erinnern‘ • ze jungest ‚jüngst, beim letzten Mal‘

  33. Wörtliche Übersetzung MF 7,1 Auf einen überaus lieben Freund zu verzichten, bringt Schaden. (Jeder, der ..) Wenn einer seinen Freund festhält, ist das lobenswert. Diese Einstellung will ich lieben/achten. Bitte ihn, dass er mir gewogen sei, wie er es zuvor war. Und erinnere ihn an das, was wir sagten, als ich ihn das letzte Mal sah.

  34. Der Kürnberger, Lied MF 7,1: Leitfragen • Wer spricht? • Zu wem wird gesprochen? • An wen richtet sich der Vortrag der Strophe vor der Gesellschaft? • Was ist die Botschaft der Strophe?

  35. Kommunikationsmodell des Minnelieds

  36. Kürnberger, Wes manst dû mich(MF 7,10): Handwerk • manen ‚mahnen, erinnern‘ m. Gen. d. Sache (gs) • müezen an.v. ‚bestimmt sein, sollen, mögen, können, dürfen‘ • verliesen stv II ‚verlieren‘, m. gramm. Wechsel (ich verlôs, wir verlurn, verlorn) • entstân stv. m. gen. ‚mangeln‘; tr. ‚merken, verstehen‘ • umbe präp. (her-)um; kurz vor- oder nachher; ungefähr; hinsichtlich.

  37. Kürnberger, Falkenlied MF 8,33/9,5 • Der Jagdfalke als Motiv von Liebesdichtung. • Erzählen im Lied: Lyrik als Narration • Wer spricht? Frauenstrophen • Verständnis der Strophen erst rückblickend eröffnet: Got sende sî zesamene • Verbindung zum Falkentraum der jungen Kriemhilt im ‚Nibelungenlied‘ (Str. 13-19).

  38. Falkenthematik in der Adelskultur des hohen Mittelalters

  39. Minnekästchen, Frankreich, 13. Jh. (New York, Metropolitan Museum)

  40. Kürnberger, Fehdeansage MF 8,1/9,29 • Fehdeansage der höfischen Dame (Herrin) • Entgegnung des Ritters. • Frage: an wen ist die Botschaft der beiden Strophen gerichtet • MF 8,9: der „Wechsel“ • Zu verstehen als Parodie?

  41. Merkmale des frühen Minnesangs(sog. Donauländischer Minnesang, um 1160/70) • Vertreter: Kürnberger, Meinloh von Sevelingen, Burggraf von Regensburg; • In der Regel einstrophige Lieder; • Form: Langzeilenstrophe, z.T. mit Steg; Paarreim; z.T. unreine Reime (Assonanzen); • Themen: Werbung, Sehnsucht; Trennung; • Mannes- und Frauenstrophen, dazu: Wechsel

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