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Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie. Einteilung der Philosophie:. I. Theoretische Philosophie Gegenstände : Sein und Erkennen Bereiche : Natur, Kultur, Gedanken
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Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
Einteilung der Philosophie: I. Theoretische Philosophie Gegenstände: Sein und Erkennen Bereiche: Natur, Kultur, Gedanken Sinnlich, Übersinnlich II. Praktische Philosophie Handeln, Gesellschaft, Normen Individuum, Familie, Gruppe, Staat Philosophische Logik, Ontologie, Handlungstheorie, Ethik, polit. Disziplinen: Erkenntnistheorie Philosophie • Historische Einteilungen der praktischen Philosophie: • Ethik, Ökonomik, Politik (Aristoteles bis 18. Jh.) • (Einteilung nach Gegenstand: Individuum, Haus, Stadt) • Naturrecht, Moral, Staatsphilosophie (Hobbes bis 19. Jh.) • (Einteilung nach Normursprung und Geltungsbereich) • Ethik, Sozialphilosophie, Rechtsphilosophie, Staatsphilosophie (19./20. Jh.) • (Einteilung nach Gegenstand und Begründungsart) Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
Hauptteileder Vorlesung: 1. Einleitung: A. Epocheneinteilung der politischen Philosophie B. Begriff des Politischen C. Wesens- und Normfragen (die Vorlesung legt den Schwerpunkt auf die Normfragen) D. Wurzeln der europäischen politischen Philosophie • Mensch und Staat: Soll der Mensch im Staat leben? Notwendig, vernünftig, vorteilhaft? Zwei systematische Antworten: • „Ja“. • Begründung: • a) der Staat liegt in der Natur des Menschen (Aristoteles) • b) der Staat ist ein der Natur entgegengesetztes (aber notwendiges bzw. nützliches) Kunstprodukt (durch menschliche Übereinkunft – Hobbes) Historische Schwerpunkte: Aristoteles und Hobbes, Entwicklung der neuzeitlichen politischen Philosophie, Theorie des gewaltenteiligen Verfassungs- und Rechtsstaates von Locke bis Rawls Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
„Nein“. • Begründung: Der Staat stellt ein Unrecht und eine Schädigung durch überflüssigen Zwang dar. • Historisch: Kyniker, Anarchisten. 3. Freiheit und Gerechtigkeit als zentrales Thema der politischen Philosophie (Begriffe und historischer Querschnitt von Aristoteles bis Rawls. Verhältnis von Rechts- und Sozialstaat) 4. Aktuelle Themen der politischen Philosophie Terrorismus und gerechter Krieg, Kommunitarismus-Liberalismus, Globalisierung 5. Nicht-normative Definitionen von Politik und Staat (Beispiel: Max Weber und Carl Schmitt) Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
1. Einleitung A.Epochen und Gestalten der politischen Philosophie I. Antike (ca. 500 v. Ch. bis 400 n. Ch.): Thukydides (Historiker) 460 bis ca. 399 v. Ch. Platon 427- 347 v. Ch. Aristoteles 384-322 v. Ch. Cicero 106-43 v. Ch. II. Mittelalter (ca. 400 bis 1400 n. Ch.) Augustinus 354-430 (historisch noch „Spätantike“) Thomas von Aquin 1225-1274 Marsilius von Padua 1280-1343 • III. Neuzeit • Niccolò Machiavelli 1469-1527 • Thomas Hobbes 1588-1679 • Baruch Spinoza 1632-1677 • John Locke 1632-1704 • David Hume 1711-1776 • Jean-Jacques Rousseau 1712-1778 • Immanuel Kant 1724-1804 • J. G. Fichte 1762-1814 G.W.F. Hegel 1770-1831 J. St. Mill 1806-1873 Karl Marx 1818-1883 Friedrich Nietzsche 1844-1900 Max Weber 1864-1920 Carl Schmitt 1888-1985 John Rawls 1921-2002 Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
Zwei Politik-Begriffe • Beispiel: Max Weber, Politik als Beruf (1919) • Weiter Begriff: „Politik einer klugen Frau, die ihren Mann zu lenken trachtet“; • Schulpolitik einer Kommune • Enger Begriff: „die Leitung oder die Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes, heute also: eines Staates“ (vgl. unten Teil 5 der Vorlesung) • (in: Gesammelte Politische Schriften, UTB 1491, S. 7) • Weiter Begriff allgemein: Tätigkeit des Machterwerbs oder der Machtausübung in einer Gruppe, mit Zustimmung statt bloßem Zwang („Mafia“) • Enger Begriff allgemein: Tätigkeit des Menschen, die auf den Staat bezogen ist (ihn erhält und seine „Handlungen“ ausführt) - offen, welche Art von Staat Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
C. Zwei grundsätzlich verschiedene wiss. Beschäftigungen mit Politik und Staat: • a) erklärend: • 1. Was ist das Gemeinsame aller politischen Gebilde, v.a. der Staaten? Was ist der Staat? Wie hängt er mit den Menschen, ihrer „Natur“ ihren Veranlagungen zusammen? (politische Theorie, polit. Soziologie, „Ideengeschichte“, politische Anthropologie) • 2. Wie funktioniert der Staat bzw. andere politische Gemeinschaften? • (pol. Theorie, Regierungslehre, juristische allgemeine Staatslehre, Systemtheorie, funktionale Staatssoziologie etc.) • b) bewertend: • 1. Ist das Leben im Staat gut für den Menschen? • 2. Wie lebt er richtig im Staat? • 3. Wann ist ein Staat gut (gerecht etc.)? Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
C. Zwei grundsätzlich verschiedene wiss. Beschäftigungen mit Politik und Staat • (Forts.) • Die politische Philosophie hat es zu tun mit den Fragen • a) 1. Was ist der Staat? Wie hängt er mit der Natur des Menschen zusammen? • Sie ist nicht primär empirische Erklärung, sondern sie fragt nach Gründen - und das möglichst grundsätzlich (Frage nach den „letzten“ Gründen, aber nicht notwendig Antwort). • b) 1.-3. Der Schwerpunkt liegt auf den normativen Fragen (ist es gut, im Staat zu leben; was ist ein gerechter Staat; wie lebt man richtig im Staat?) • Zur politischen Philosophie gehören also: • (a) Die grundsätzlichen „Was“- Fragen (Begriffsfragen: was bedeutet „Politik“ - und Wesensfragen: was ist der Mensch) • (b) Die Fragen, ob das Politische bzw. der Staat für den Menschen gut ist und wann etwas ein guter Staat, eine gute Politik ist. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
D. Wurzeln der europäischen politischen Philosophie Thukydides (460 – ca. 399 v. Ch.) Geschichte des Peloponnesischen Krieges (431-404) 1. Melierdialog (Buch 5) Die Athener überfallen die neutrale Insel Melos und wollen sie zur Unterstützung ihres Krieges gegen Sparta zwingen. Die athenischen Gesandten treten als Verteidiger des Pri-mates der Macht vor dem Recht auf, während die Melier vergeblich versuchen, ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen, auch mit Appell an Athens langfristigen Vorteil. Athens Argumente: “da ihr so gut wisst wie wir, dass im menschlichen Verhältnis Recht gilt bei Gleichheit der Kräfte, doch das Mögliche der Überlegene durchsetzt, der Schwache hin-nimmt.“ Die Unterwerfung sei den Meliern zumutbar „weil ihr, statt das Entsetzlichste zu leiden, euch unterordnen dürftet und wir, wenn wir euch nicht vertilgen, dabei gewönnen“ (weil sie über die Ressourcen verfügen). Allgemeine „Anthropologie“ der Athener (Thukydides selber?): „Wir glauben nämlich (ver-mutungsweise), dass das Göttliche, gewiss aber dass alles Menschenwesen allezeit nach dem Zwang seiner Natur, soweit es Macht hat, herrscht. Wir haben dieses Gesetz weder ge-geben noch ein vorgegebenes zuerst befolgt, als gültig überkamen wir es, und zu ewiger Geltung werden wir es hinterlassen, und wenn wir uns daran halten, so wissen wir, dass auch ihr und jeder, der zur selben Macht wie wir gelangt, ebenso handeln würde.“ Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
2. Rede des Perikles auf die Gefallenen des ersten Kriegsjahres (I. Buch) „Frei leben wir im Staat ... ohne dem lieben Nachbarn zu grollen, wenn er einmal seiner Laune lebt, und ohne jenes Ärgernis zu nehmen, das zwar keine Strafe (verdient), aber doch kränkend anzusehen ist. Bei so vieler Nachsicht im Umgang von Mensch zu Mensch erlauben wir uns doch im Staat, schon aus Furcht, keine Rechtsverletzung, im Gehorsam gegen die jährlichen Beamten und gegen die Gesetze, vornehmlich die, welche zu Nutz und Frommen der Verfolgten bestehen... Unsere Stadt verwehren wir keinem, und durch keine Frem-denvertreibungen (periodisch in Sparta!) missgönnen wir jemandem eine Kenntnis oder einen Anblick, dessen unverstellte Schau einem Fremden vielleicht nützen könnte ... Wir lieben das Schöne und bleiben schlicht, wir lieben den Geist und werden nicht schlaff. Reichtum dient bei uns der wirksamen Tat, nicht dem prahlenden Wort, und Armut ist einzugestehen keinem schimpflich, ihr nicht tätig zu entgehen schimpflicher. Wir vereinigen in uns die Sorge um unser Haus (oikos) zugleich und unsere Stadt (polis), und den verschiedenen Tätigkeiten zu-gewandt (Arbeitsteilung!), ist doch auch in staatlichen Dingen keiner ohne Urteil (keine Expertenkultur!). Denn einzig bei uns heißt einer, der daran keinen Teil nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter (idiotes), und nur wir entscheiden in den Staats-geschäften selbst oder denken sie doch richtig durch. Denn wir sehen nicht im Wort eine Ge-fahr für die Tat, wohl aber darin, sich nicht durch Reden zuerst zu belehren, ehe man zur nötigen Tat schreitet.“ Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
Am Ende klar gegen die Position der Athener im Melierdialog: „Auch in Edelmut und der Treue ist ein Gegensatz zwischen uns und den meisten. Denn nicht mit Bitten und Empfangen, sondern durch Gewähren gewinnen wir uns unsere Freunde. Zuverlässiger ist aber der Wohltäter, da er durch Freundschaft sich den, dem er gab, verpflichtet erhält - der Schuldner ist stumpfer, weiß er doch, er zahlt seine Leistung nicht zu Dank, sondern als Schuld. Und wir sind die einzigen, die nicht so sehr aus Berechnung des Vorteils wie aus sicherer Freiheit furchtlos anderen Gutes tun.“ Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
Thukydides (460-399 v. Ch.) a) negativ (Melierdialog): Die Menschen sind determiniert durch Machtsucht, Verlangen nach Vorteil und das Gesetz des Stärkeren. Es gibt nur die pure Machtausübung oder den Vorteilstausch (vernünftig kalkulierte Macht) b) positiv (Gefallenenrede des Perikles): Athen ist eine Stadt, die sich auf bestimmte Ideale verpflichtet und sie auch weitgehend verwirklicht. Dazu gehören: Toleranz nach innen (Nachbarn, Arme), Offenheit gegenüber Fremden, Großzügigkeit gegenüber anderen Städten, Bürgersinn und Gemeinwohlorientierung statt Beschränktheit aufs Private, Arbeitsteilung und Kunstschaffen, Debatten und öffentliche Reden vor politischen Entscheidungen. An a) knüpfen an: Machiavelli, Hobbes und der neuzeitliche „Realismus“ An b): Platon, Aristoteles, Thomas und die klassische Lehre vom guten Staat Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
2. Teil der Vorlesung: Mensch und Staat: Soll der Mensch im Staat leben? Aristoteles (384-322 v. Ch.): „Ja-Antwort“: Der Mensch braucht den Staat. Der Staat (polis) ist Bedingung der Verwirklichung der Natur des Menschen. Zwei Naturbegriffe: a) alles, was sich von selbst zu einem Ziel entwickelt b) das Wesen und das Ziel eines Prozesses bzw. Gebildes Zwei Definitionen des Menschen: a) Vernunftwesen (zoon logon echon) b) Politisches Lebewesen (zoon politikon) Verbindung: Der Mensch unterscheidet das Nützliche und Schädliche, Gerechte und Ungerechte - nicht instinktiv, sondern in Kommunikation, letztlich in öffentlicher Rede in der „Stadt“ bzw. dem Staat (Polis). Dieser ist die Gemeinschaft, die Haus und Dorf umfasst und die Bedingung ihrer gesicherten Entwicklung ist. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
A.Natürlich-genetische Betrachtungsweise („Politik“, I. Buch): • Der Staat ist die Vollendung des menschlichen Lebens und der Gemeinschaftsbildung. Erst der Staat ist eine selbständige und dauerhafte Gemeinschaft. Der Mensch ist „von Natur politisch“. • B. Rechtlich institutionelle Betrachtungsweise (Politik, III. Buch) • Zu A. „Von Natur politisch“ hat drei Bedeutungen: • 1. Der Mensch kann nur in einem Staat „menschlich“ leben, seine Anlagen und Fähigkeiten entwickeln. • 2. Er wird durch seine Veranlagung dazu gedrängt, Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungsgemeinschaften zu bilden (Familie, Oikos). • Dieser Prozess hat seinen natürlichen Abschluss, sein Ziel, in einer Gemeinschaft, in der durch Arbeitsteilung verbesserte, „anspruchsvolle“ Selbsterhaltung und Verteidigung nach außen möglich ist. • 3. Nur durch Entsprechung seiner inneren Harmonie mit der Ordnung des Staates und der Welt kann er sich verwirklichen und glücklich werden (Analogie von Psyche-Polis-Kosmos). Das Vernünftige muss in allen drei Bereichen das Triebhafte und Emotionale mäßigen und anleiten. • (im Folgenden werden Bedeutung 2 und 3 erläutert, dann folgt B.) Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
Erläuterung der 2. Bedeutung von „politische Natur des Menschen“: • Die Polis ist „autarker“ Abschluss der natürlichen Entwicklung des Menschen in dreifachem Sinne: • Er kann darin seine spezifisch-menschlichen, vernünftigen Fähigkeiten entwickeln. Er unterscheidet sich vom Tier durch den „Logos“ (Vernunft, Begriff, Sprache, Rede). • Das erfordert die öffentliche Rede und die gemeinsame Entscheidung und Gesetzgebung in der Polis. • b) Er kann darin auch seine körperlichen Bedürfnisse auf eine zivilisierte, anspruchsvolle Weise erfüllen (vgl. Bedeutung 1). • c) Er ist in der Gruppe „autark“, unabhängig von anderen und ihren möglichen Störungen. Er lebt auch emotional befriedigt und gesichert (angstfrei, freundschaftlich, mutig – „tugendhaft“). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 15
Erläuterung der 3. Bedeutung von „politische Natur des Menschen“: • Analogie Psyche-Polis-Kosmos. • Begründung in der Psychologie des Aristoteles: • Intellekt, Emotionalität und der Trieb-Bedürfnisbereich (Körperlichkeit) machen die psychische Struktur des Menschen aus. • Damit sich alle drei „Ebenen“ entwickeln können (Spezialisierung wie in der Natur und der arbeitsteiligen Gesellschaft), sich nicht wechselseitig stören (Psychopathologien), muss es eine „tolerante Hierarchie“ geben: • Der Intellekt muss die Triebe und Emotionen steuern, ihnen Rechnung tragen, aber auch ihre ungehemmte Wachstumstendenz eindämmen (gegen „ausrasten“, „süchtig werden“ etc.). Nur dann ist der Mensch überhaupt gemeinschaftsfähig. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 16
B.Rechtlich-institutionelle Betrachtungsweise des Staates bei Aristoteles (Pol. III). Was ist ein guter bzw. legitimer Staat und was ein guter Bürger? Der Staat beruht auf einer Festlegung dessen, was der Einzelne und die Gruppe tun soll und darf (das „Gerechte“). In diesem Sinne ist der Staat ein Verband von Bürgern mit einer Verfassung (Politeia), d.h. einer Organisation der öffentlichen Aufgaben und festgelegten Rechte. Die politische Philosophie fragt, welche dieser Verfassungen der Natur bzw. Vernunft des Menschen entspricht. Aristoteles unterscheidet vor allem vernünftig-legitime und illegitime Verfassungen. Unter den legitimen noch einmal die besten unter gewöhnlichen Umständen realisierbare und die ideale Verfassung (Pol. VII). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 17
Für die gesamte europäische Geschichte wirksam: sein Schema der sechs Staatsformen: Drei legitime, drei illegitime. Unterscheidungskriterium legitim/illegitim: Legitim = gemeinwohl-orientiert („im Interesse der Regierten“) Illegitim = herrscher-orientiert („nur im Interesse der Regierenden“) Kombiniert mit einem quantitativen, an der Zahl der Regierenden orientierten Kriterium: einer, mehrere, die gesamte (aktive) Bürgerschaft. Daraus ergeben sich sechs Staatsformen (drei davon legitim, drei illegitim). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 18
a) legitim: • Monarchie (einer – gemeinwohlorientiert) • Aristokratie (mehrere – gemeinwohlorientiert) • Politie, Demokratie im positiven Sinne (die gesamte Bürgerschaft, der Demos – gemeinwohlorientiert) • b) illegitim: • Tyrannis (einer – im eigenen Interesse) • Oligarchie (mehrere, wenige, oligoi – im eigenen Interesse) • Demokratie im negativen Sinne, Ochlokratie (die Masse der Bevölkerung, die Armen, die Abhängigen „ohne Haus“ – im eigenen Interesse, gegen die Vollbürger, die Tugendhaften etc. Gesetzlose Massenherrschaft) Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 19
Platon, (427- 347 v. Ch.) Der vollkommene Staat (Politeia) Grundprinzip: Gerechte Ordnung zwischen Menschen unterschiedlicher Fähigkeiten und Standeszugehörigkeit (von Fähigkeiten abhängig, aber im Kindesalter festge-legt). Jeder soll seine Fähigkeiten am besten entwickeln (Tugend) und seinen besonderen Beitrag zum Ganzen leisten („Jeder das Seine“). Die Ständeordnung entspricht der Ordnung der Seelenkräfte (Polis – Psyche). In den „Gesetzen“ (Nomoi) entwirft Platon den „zweitbesten“ Staat, in dem statt der Wissenschaftler („Philosophenkönige“) die Gesetze herrschen. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 20
Die Stände der platonischen Politeia: • Der oberste Stand sind die Weisen, die die Begriffe und das Wesen (Idee) von allem erkennen, vor allem die Ideen des Guten und der Gerechtigkeit. • Sie sind „philosophische Könige“. • Tugend: Weisheit • 2. Ihnen unterstehen als zweiter Stand die „Wächter“, die dieser Leitung mit Überzeugung und ganzem Einsatz folgen. Sie dienen dem Staat und seiner Ordnung, brauchen sich um ihre Selbsterhaltung nicht zu kümmern (später: Staatsbeamte). Damit sie untereinander nicht in Streit geraten, erhalten sie kein Privateigentum und bilden keine Familien („Kommunen“ mit Zuchtaspekten, aber - außer im Krieg - gleichberechtigte Frauen). • Tugend: Tapferkeit • 3. Darunter steht der dritte Stand der für das Leben sorgenden Handwerker und Bauern. Sie haben Eigentum und Einzelfamilien. • Tugend: Maß, Rechtschaffenheit Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 21
Aristoteles´ Gegenmodell zu Platon: • Die platonische Herrschaftsform passt zum Haus (oikos) nicht zum Staat (polis) (Haus: Herrschaft des Vernünftigen über „Ungleiche“ – Staat: abwechselnde Herrschaft von Freien/Gleichen kraft gemeinsamer Einsicht und Gesetzgebung). • Das Prinzip der Eigentumslosigkeit („Kommunismus“) der Bürger ist falsch. Es macht sie vom Staat abhängig. Der Staat muss aber ein Verband selbständiger Bürger mit Eigentum und Familie sein („organische“ statt undifferenzierte Einheit). Eigentum erhöht auch das Interesse und die Sorge für das Eigene und die Möglichkeit, damit Tugenden zu entwickeln (Freundschaft, Gemeinsinn etc.). • Durch Eigentumsfreiheit und Selbständigkeit der „Häuser“ entstehen statt politischer Stände soziale Schichten. Die Differenz zwischen ihnen darf nicht zu groß werden, sonst versucht jede Schicht, den Staat seinen Interessen zu unterwerfen. Das führt zu den entarteten Staatsformen der Herrschaft der Reichen (Oligarchie), der Masse der unausgebildeten und unbeherrschten Armen (Ochlokratie) oder zur Alleinherrschaft des „Egomanen“, der über alle Machtmittel verfügt (Tyrannis). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 22
Aristoteles‘ Ausgleich dagegen: • Politische und ökonomische Stärkung des „Mittelstandes“ durch breite Eigentumsstreuung und Verhinderung zu großer Reichtümer bzw. zu zahlreicher Armen (auch: Verpflichtung der Reichen für Rüstung, religiöse Feiern, Mahlzeiten). • Beteiligung aller (Voll-) Bürger an der Herrschaft und Begrenzung der Macht der Regierenden durch zeitlich begrenzte Ämter. Der unter normalen Umständen beste Staat (politie) ist eine Mischung aus Formen der Aristokratie und Demokratie, eine Gesetzesherrschaft und eine Teilung der Gewalten zwischen Gesetzgebung (demokratisch), Regierungsämtern (aristokratisch) und Rechtsprechung – allerdings eher eine Funktionstrennung als eine Personentrennung. • Die ideale Verfassung hat stärker aristokratische Elemente mit einer intensiven Bildung („paideia“) der zur Leitung Bestimmten (Annäherung an Platons „Staat“). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 23