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Gliederung der Vorlesungen zum römischen Privatrecht

Sommersemester Historischer Überblick: Deliktsrecht Stellvertretung Vertrags- und Obligationensystem Leistungsstörungen Struktur des Kaufvertrags Sach- und Rechts-mängelhaftung Eigentumserwerb Eheschließung und Ehegüterrecht. Wintersemester Historischer Überblick: Eigentumserwerb

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Gliederung der Vorlesungen zum römischen Privatrecht

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Presentation Transcript


  1. Sommersemester Historischer Überblick: Deliktsrecht Stellvertretung Vertrags- und Obligationensystem Leistungsstörungen Struktur des Kaufvertrags Sach- und Rechts-mängelhaftung Eigentumserwerb Eheschließung und Ehegüterrecht Wintersemester Historischer Überblick: Eigentumserwerb Verdingung (Miet-, Pacht-, Werk- und Dienstvertrag) Darlehen Bereicherungsrecht Eigentums- und Besitzschutz Deliktsrecht Pfandrecht, Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt Testamentserrichtung und -auslegung Gliederung der Vorlesungen zum römischen Privatrecht

  2. Das geltende deutsche Deliktsrecht Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung bei Verletzung eines absoluten Rechts (§ 823 Abs. 1 BGB) vorsätzlicher Schädigung (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB) kein Ersatz fahrlässig verursachter reiner Vermögensschäden quasivertragliche Haftung im Umfeld eines Vertrags: §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 3 BGB

  3. Zwölftafel- gesetz 450 v. Chr. Untergang Westroms 476 n. Chr. Wiederentdeckung der Digesten rep. Jurispr. klass. röm. Jurisprudenz 0 533/534 Corpus Iuris civilis oström. Kaiser Justinian 1050 Wiederentdeckung der Digesten ius commune = gemeineuropäisches römisches Recht Glossatoren Kommentatoren Humanisten Vernunftrechtler Pandektisten 1050 1250 1500 1650 1800 Naturrechts- gesetzbücher ALR, CC, ABGB 1900 BGB

  4. Das Zwölftafelgesetz (lex duodecim tabularum) … wird 451/450 v. Chr. von einem Zehnmännerkollegium mit Regierungsgewalt erarbeitet. … ist für fast 1000 Jahre die einzige Kodifikation des römischen Rechts, das später vor allem Juristenrecht ist. … enthält Neuerungen vor allem im Recht der Zwangsvollstreckung, die im Interesse des beim Adel, den Patriziern, verschuldeten gemeinen Volkes, den Plebejern, gemildert wird.

  5. Deliktstatbestände im Zwölftafelgesetz XII-T 8,2: Si membrum rupsit, ni cum eo pacit, talio esto. Hat jemand (einem anderen) ein Glied abgerissen, soll dies, wenn deshalb kein Sühnevertrag zustande kommt, mit Gleichem vergolten werden. XII-T 8,3: Manu fustive si os fregit libero CCC, si servo CL poenae sunto. Hat jemand mit der Hand oder mit einem Stock einem Freien einen Knochen gebrochen, soll die Strafe 300 As betragen, hat er den Knochen eines Sklaven gebrochen, 150 As. XII-T 8,4: Si iniuriam alteri faxsit, XXV poenae sunto. Fügt jemand einem anderen etwas Widerrechtliches zu, soll die Strafe 25 Ass sein.

  6. Die Deliktstatbestände im Zwölftafelgesetz … … sind auf bestimmte schädliche Erfolge ausgerichtet und differenzieren nicht nach dem Verschulden. … knüpfen an die Talion mit strafbegrenzender Funktion an. … lassen statt der Talion eine Geldzahlung zu, der die Funktion von Strafe und Schadensersatz zukommt. … setzen voraus, dass der Strafanspruch privat und nicht staatlich ist. … zeigen, dass Sklaven und Freie nicht als wesensverschieden, sondern nur unterschiedlich wertvoll angesehen wurden.

  7. Die republikanische Verfassung seit 367 v. Chr. Zenturiatskomitien Ritter, 1. Vermögensklasse haben Mehrheit concilia plebis (Volksversammlung, einberufen und geleitet von Volkstribunen) Wahl Senat (600 ehemalige Magistrate) 2 Konsuln (Höchstmagistrat, 1 Plebejer) Prätor(en) (Gerichtsmagistrat) 2 kurulische Ädilen (Polizeibehörde) plebiscita seit lex Hortensia 287 v. Chr. verbindlich 2 Quästoren (Staatskasse, -archiv) senatus consulta (rechtl. unverbindliche Empfehlungen) wegen auctoritas senatus tatsächlich verbindlich vom Senat über die Tribunen gesteuert

  8. Das erste Kapitel der lex Aquilia D 9.2.2 pr. Gai 7 ad ed prov Lege Aquilia capite primo cavetur: ‚ut qui servum servamve alienum alienamve quadrupedem vel pecudem iniuria occiderit, quanti id in eo anno plurimi fuit, tantum aes dare domino damnas esto’. Im ersten Kapitel der lex Aquilia wird bestimmt: ‚Tötet jemand einen fremden Sklaven oder eine fremde Sklavin oder ein (fremdes) vierfüßiges Herdentier widerrechtlich, soll er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Geld zu zahlen, wie die Sache in diesem Jahr maximal wert gewesen ist’.

  9. In der lexAquilia … … werden Sklaven wie Tiere und damit als Sachen behandelt. … ist nur noch eine widerrechtliche Tat (iniuria) sanktioniert. Dies lässt Raum ... … für einen Ausschluss der Haftung durch einen Rechtfertigungsgrund. … für eine Anknüpfung an das Verschulden des Täters. … richtet sich die zu leistende Buße nach dem Wert des geschädigten Sklaven oder Tieres, wodurch ihre Schadensersatzfunktion hervortritt. … kommt der Höchstwert des Opfers im letzten Jahr vor der Tötung in Ansatz, damit der Täter nicht von der eigenen Tat profitiert, wenn er das Opfer zunächst nur tödlich verwundet hat.

  10. Das dritte Kapitel der lex Aquilia D 9.2.27.5 Ulp 18 ad ed Tertio autem capite ait eadem lex Aquilia: ‚ceterarum rerum praeter hominem et pecudem occisos si quis alteri damnum faxit, quod usserit fregerit ruperit iniuria, quanti ea res [erit] <fuit> in diebus triginta proximis, tantum aes domino dare damnas esto’. Im dritten Kapitel der lex Aquilia heißt es: „Fügt jemand, ohne Sklaven oder Herdentiere zu töten, einem anderen Schaden zu, indem er etwas widerrechtlich verbrennt, zerbricht oder zerreißt, soll er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Geld zu zahlen, wie die Sache in den nächsten 30 Tagen wert gewesen ist.“

  11. Die lex Aquilia … … enthält in ihrem dritten Kapitel den Auffangtatbestand der Schadenszufügung (damnum facere), der auch die bloße Verletzung oder Beschädigung einschließt und diese auch bei anderen Tieren als den im 1. Kapitel genannten sowie bei Sachen erfasst. … knüpft die Haftung aber immer noch an bestimmte Tathandlungen des Verbrennens, Zerbrechens oder Zerreißens (urere, frangere, rumpere). … wird schon von den Juristen der republikanischen Periode in einen regelrechten Generaltatbestand umgedeutet, indem rumpere als corrumpere verstanden wird: D 9.2.27.13 Ulp 18 ad ed Inquit lex ‚ruperit’. rupisse verbum fere omnes veteres sic intellexerunt ‚corruperit’. Das Gesetz sagt: ‚zerrissen hat’. Fast alle alten Juristen haben den Ausdruck: ‚zerrissen haben’, in der Bedeutung: ‚beschädigt haben’, verstanden.

  12. Gai 3.217 Capite tertio de omni cetero damno cauetur. itaque si quis seruum uel eam quadrupedem, quae pecudum numero est, vulnerauerit siue eam quadrupedem, quae pecudum numero non est, uelut canem, aut feram bestiam, uelut ursum, leonem, vulnerauerit uel occiderit, hoc capite actio constituitur. in ceteris quoque animalibus, item in omnibus rebus, quae anima carent, damnum iniuria datum hac parte uindicatur. si quid enim ustum aut ruptum aut fractum fuerit, actio hoc capite constituitur, quamquam potuerit sola rupti appellatio in omnes istas causas sufficere; ruptum enim intellegitur, quod quoquo modo corruptum est; unde non solum usta aut rupta aut fracta, sed etiam scissa et collisa et effusa et quoquo modo uitiata aut perempta atque deteriora facta hoc verbo continentur. Im dritten Kapitel [der lex Aquilia] werden alle anderen Schäden behandelt. Daher ist eine Klage aus diesem Kapitel gegeben, wenn jemand einen Sklaven oder ein vierfüßiges Tier, das zu den Herdentieren zählt, verletzt hat oder wenn er ein vierfüßiges Tier, das nicht zu den Herdentieren zählt, wie einen Hund oder ein wildes Tier, wie einen Bär oder einen Löwen, verletzt oder getötet hat. Auch bei allen anderen Tieren sowie bei unbelebten Sachen wird der Ersatz des widerrechtlich zugefügten Schadens nach diesem Abschnitt des Gesetzes verlangt. Die Klage ist aus diesem Kapitel nämlich gegeben, wenn etwas verbrannt, zerrissen oder zerbrochen worden ist, obwohl der Ausdruck: „zerrissen“, in allen diesen Fällen genügt hätte. Als zerrissen gilt nämlich, was auf irgendeine Weise beschädigt worden ist. Daher wird von der gesetzlichen Formulierung nicht nur erfasst, was verbrannt, zerrissen oder zerbrochen worden ist, sondern auch, was geschnitten, zerschlagen, ausgeschüttet oder auf irgendeine andere Art verdorben, untergegangen oder verschlechtert worden ist.

  13. Die Interpretation der lex Aquilia durch die republikanischen Juristen … … lässt jedes körperliche Beschädigen (corrumpere) genügen, wodurch … … einerseits der Tatbestand auf jede widerrechtliche Schadenszufügung (damnum iniuria datum) ausgedehnt wird. … andererseits noch immer eine körperliche Einwirkung erforderlich, also keine Haftung für reine Vermögensschäden begründet ist.

  14. Die Jurisprudenz in der römischen Republik … … lag ursprünglich in Händen der Priester. … wandelt sich durch öffentliche Gutachten und öffentlichen Rechtsunterricht ab der Mitte des 3. Jh. v. Chr. … bringt als erstes bekanntes Werk einen Kommentar zum Zwölftafelgesetz hervor, den Sextus Aelius 198 v. Chr. verfasst. … wird zur regelrechten Rechtswissenschaft im Gelehrtenkreis um Mucius Scaevola (Konsul 133 v. Chr.). … bringt eine erste systematische Darstellung des ius civile durch Quintus Mucius hervor (Konsul 95, ermordet 82 v. Chr.). … findet ihren bedeutendsten Vertreter in Servius Sulpicius Rufus (Konsul 51, gestorben 43 v. Chr.).

  15. Das Honorarrecht … … ist das Gegenstück zum Zivilrecht (ius civile), dessen Rechtsinstitute nur den römischen Bürgern zugänglich sind. … leitet seinen Namen vom Amt des Prätors ab, der als zweithöchster Magistrat für das Gerichtsverfahren zuständig war. … erhält einen Schub 242 v. Chr. durch die Einrichtung des Amtes eines Fremdenprätors, der für Prozesse mit Ausländerbeteiligung zuständig ist und Institute des sogenannten Völkergemeinrechts (ius gentium) rezipiert, die auch Ausländern zugänglich sind. … findet seine Quelle im prätorischen Edikt, einer Rechtsschutzverheißung, … die der Prätor am Anfang seiner einjährigen Amtszeit verkündet, … an die er seit einer lex Cornelia von 67 v. Chr. gebunden ist und … die später zu einem festen Text, dem ewigen Edikt (edictum perpetuum) wird.

  16. Die Arglistklage (actio de dolo) D 4.3.1.1 Ulp11 ed Verba autem edicti talia sunt: ‚quae dolo malo facta esse dicentur, si de his rebus alia actio non erit et iusta causa esse videbitur, iudicium dabo.’ Der Wortlaut des Edikts aber ist folgender: ‚Wird vorgetragen, dass etwas arglistig geschehen ist, werde ich, wenn in dieser Sache keine andere Klage gegeben ist und ein berechtigter Grund vorliegt, eine Klage erteilen’. D 4.3.1.2 Ulp 11 ad ed Dolum malum Servius quidem ita definiit machinationem quandam alterius decipiendi causa, cum aliud simulatur et aliud agitur. Labeo autem posse et sine simulatione id agi, ut quis circumveniatur: posse et sine dolo malo aliud agi, aliud simulari, sicuti faciunt, qui per eiusmodi dissimulationem deserviant et tuentur vel sua vel aliena: itaque ipse sic definiit dolum malum esse omnem calliditatem fallaciam machinationem ad circumveniendum fallendum decipiendum alterum adhibitam. Labeonis definitio vera est. Servius hat Arglist zwar definiert als eine Art Machenschaft, um andere zu betrügen, indem das eine vorgetäuscht, das andere getan wird. Aber Labeo sagt, es könne einerseits auch ohne Täuschung bewirkt werden, dass jemand übervorteilt wird; man könne andererseits auch ohne Arglist das eine tun, das andere vortäuschen, wie die, die sich verstellen und dadurch eigenes oder fremdes Gut schützen. Er selbst definierte daher Arglist als jede Hinterlist, Betrügerei oder Machenschaft zu dem Zweck, einen anderen zu übervorteilen oder zu täuschen. Die Definition Labeos ist richtig.

  17. Zwölftafelgesetz 450 v. Chr. lex Aquilia 286 v. Chr. Fremdenprätur 241 v. Chr. Quintus Mucius Konsul 95 v. Chr. Aquilius Gallus Prätor66 v. Chr. veteres Servius Konsul 51 v. Chr. Labeo † 10/11 n. Chr. Sabinus † 60 n. Chr. veteres Frühklassiker 27 v. Chr. Prinzipat

  18. Die Verfassung im Prinzipat … … entspricht der Verfassung der Republik, wird aber dadurch ausgehöhlt, dass Augustus … 27 v. Chr. das imperium pro consulare: die militärische Befehlsgewalt außerhalb Roms, erwirbt. … 23 v. Chr. die tribunicia potestas: die Amtsgewalt der Tribunen, erlangt. …19 v. Chr. das imperium consulare: die Amtsgewalt der Konsuln, erwirbt. … macht Tribunat und Konsulat zu reinen Ehrenämtern ohne Amtsgewalt. … spiegelt sich in der Stellung des Kaisers im Senat wieder: Er ist primus inter pares, also einfaches Senatsmitglied, aber mit höchster Autorität. … führt dazu, dass die Gesetzgebung nun fast nur noch durch Senatsbeschlüsse erfolgt, wobei den Gesetzestext schon die Rede des Kaisers (oratio prinicipis) enthält.

  19. Die klassische Jurisprudenz … … gewinnt ihre Bedeutung für die Rechtsentwicklung nicht zuletzt durch das vom Kaiser verliehene Respondierrecht (ius respondendi): Sein Träger kann ein Gutachten mit kaiserlicher Autorität erstatten, das die Richter praktisch und bei zwei übereinstimmenden Gutachten sogar von Rechts wegen bindet. … teilt sich in zwei Juristenschulen auf, … … die Prokulianer mit ihrem Vorläufer Labeo († 5/22 n. Chr.), der noch kein Respondierrecht hatte und mit Kaiser Augustus im Streit lag, und … … die Sabinianer mit ihrem Gründer Sabinus († 60 n. Chr., der das Respondierrecht von Kaiser Tiberius erhält und Autor der später vielfach kommentierten „Drei Bücher vom Zivilrecht“ (iuris civilis libri tres) ist.

  20. Pomponius Gaius Celsus † ca. 130 Julian † ca. 165 Papinian † 212 Ulpian † 223 Hochklassiker Spätklassiker Codex Theodosianus 438 Diokletian 284-305 Hermogenian Paulus † ca. 230 Nachklassik 284 Dominat 476 Untergang Westroms

  21. Die hochklassischen römischen Juristen • Celsus (129 Konsul zum zweiten Mal): Erfinder vieler Neuerungen, Oberhaupt der prokulianischen Rechtsschule, Autor einer „Gesamtausgabe“ (libri digestorum) • Julian (148 Konsul): bedeutendster römischer Jurist überhaupt, Oberhaupt der sabinianischen Rechtsschule, Redaktor des „ewigen Edikts“ (edictum perpetuum), ebenfalls Autor von libri digestorum • Pomponius: Autor einer römischen Rechtsgeschichte (als Teil eines kurzen Handbuchs, des enchiridium) und eines Kommentars ad Sabinum • Gaius (etwa zeitgleich mit Pomponius): Autor der institutiones, der einzigen Originalquelle des klassischen römischen Rechts (entdeckt 1816 in Verona in einer Handschrift aus dem 5. Jh., die später überschrieben worden ist)

  22. Die spätklassischen römischen Juristen • Papinian (212 von Kaiser Caracalla hingerichtet, weil er dessen Brudermord an Geta nicht rechtfertigen wollte): Leiter der kaiserlichen Kanzlei a libellis, Prätorianerpräfekt (Stellvertreter des Kaisers), „dunkler“ Schriftsteller, gilt in der Spätantike als bedeutendster römischer Jurist, Autor der „Gutachten“ (responsa) und „Rechtsfragen“ (quaestiones) • Ulpian (223 bei einem Aufstand der Prätorianergarde ermordet): Schüler Papinians, Leiter der kaiserlichen Kanzlei und Prätorianerpräfekt, Autor von umfangreichen Kommentaren zum prätorischen Edikt und zum Zivilrechtslehrbuch des Sabinus • Paulus: Autor von umfangreichen Kommentaren zum prätorischen Edikt und zum Zivilrechtslehrbuch des Sabinus sowie von responsa und quaestiones

  23. Pomponius Gaius Celsus † ca. 130 Julian † ca. 165 Papinian † 212 Ulpian † 223 Hochklassiker Spätklassiker Codex Theodosianus 438 Diokletian 284-305 Hermogenian Paulus † ca. 230 Nachklassik 284 Dominat 476 Untergang Westroms

  24. Die Nachklassik … … ist durch einen Verlust der Juristenindividualität gekennzeichnet: Statt als Gutachter sind die Juristen jetzt als Mitarbeiter der kaiserlichen Kanzlei tätig. … prägt eine Verlagerung des Gewichts von der Rechtswissenschaft auf die kaiserliche Rechtsprechung und Gesetzgebung, die zum absolutistischen Kaisertum im spätantiken Dominat (ab Kaiser Diokletian 284-305) passt. … bringt einen ersten Ansatz zur Kodifikation in dem 438 im Ostreich und 439 im Westreich erlassenen Codex Theodosianus hervor, in dem kaiserliche Entscheidungen gesammelt werden.

  25. Die justinianische Kodifikation • Auftrag von Kaiser Justinian (527-565) an Tribonian, den Vorsteher der kaiserlichen Kanzlei, der als Mitarbeiter vor allem Rechtslehrer aus den Rechtsschulen von Berytos (Beirut) und Konstantinopel (Istanbul) auswählt • 528 Einsetzung einer Kommission zur Sammlung der Kaiserkonstitutionen • 529 Veröffentlichung des ersten Codex Iustinianus • 530 Auftrag zur Sammlung des Juristenrechts: aus 2000 Büchern der klassischen römischen Juristen mit 3 Millionen Zeilen werden 150.000 Zeilen (1/20) übernommen: vor allem aus Ulpian (1/3) und Paulus (1/6) • 533 Veröffentlichung der Sammlung als Digesten („Gesamtausgabe“) und kurz davor der Institutionen, einer modernisierten Fassung von Gaius‘ Institutionen • 534 Veröffentlichung der zweiten, an die Digesten angepassten Fassung des Codex Iustinianus

  26. IJ 4.3.16 Ceterum placuit, ita demum ex hac lege actionem esse, si quis praecipue corpore suo damnum dederit. ideoque in eum qui alio modo damnum dederit, utiles actiones dari solent: veluti si quis hominem alienum aut pecus ita incluserit ut fame necaretur, aut iumentum tam vehementer egerit ut rumperetur, aut pecus in tantum exagitaverit ut praecipitaretur, aut si quis alieno servo persuaserit ut in arborem ascenderet vel in puteum descenderet, et is ascendendo vel descendendo aut mortuus fuerit aut aliqua parte corporis laesus erit, utilis in eum actio datur. sed si quis alienum servum de ponte aut ripa in flumen deiecerit et is suffocatus fuerit, eo quod proiecerit corpore suo damnum dedisse non difficiliter intellegi poterit ideoque ipsa lege Aquilia tenetur. sed si non corpore damnum fuerit datum neque corpus laesum fuerit, sed alio modo damnum alicui contigit, cum non sufficit neque directa neque utilis Aquilia, placuit eum qui obnoxius fuerit in factum actione teneri: veluti si quis, misericordia ductus, alienum servum compeditum solverit, ut fugeret. Im Übrigen hat sich die Meinung durchgesetzt, dass nach diesem Gesetz eine Klage nur gegeben ist, wenn jemand den Schaden vornehmlich durch körperliche Einwirkung zugefügt hat. Deshalb pflegt man gegen den, der den Schaden auf andere Weise zugefügt hat, analoge Klagen zu gewähren. Eine solche wird zum Beispiel gegen den gewährt, der einen fremden Sklaven oder fremdes Vieh einsperrt, so dass sie verhungern, oder ein Zugtier so heftig antreibt, dass es Schaden nimmt, oder Herdenvieh so antreibt, dass es zugrunde geht, oder einen fremden Sklaven überredet, auf einen Baum oder in einen Brunnen zu steigen, wenn der Sklave beim Hinaufklettern oder Hinabsteigen entweder zu Tode kommt oder sich an irgendeinem Körperteil verletzt. Stößt aber jemand einen fremden Sklaven von einer Brücke oder vom Ufer in den Fluss und ertrinkt dieser, kann man unschwer erkennen, dass er, indem er stößt, den Schaden durch körperliche Einwirkung verursacht und deshalb aus der lex Aquilia selbst haftet. Wird der Schaden jedoch nicht durch körperliche Einwirkung zugefügt und auch kein Körper verletzt, sondern entsteht jemandem auf andere Weise ein Schaden, haftet der Schuldige, weil weder die unmittelbare noch eine analoge aquilische Klage in Betracht kommt, nach allgemeiner Meinung mit einer auf den Sachverhalt zugeschnittenen Klage: wie zum Beispiel, wenn jemand aus Mitleid einem fremden Sklaven die Fesseln löst, damit er fliehen kann.

  27. Zwölftafel- gesetz 450 v. Chr. Untergang Westroms 476 n. Chr. Wiederentdeckung der Digesten rep. Jurispr. klass. röm. Jurisprudenz 0 533/534 Corpus Iuris civilis oström. Kaiser Justinian 1050 Wiederentdeckung der Digesten ius commune = gemeineuropäisches römisches Recht Glossatoren Kommentatoren Humanisten Vernunftrechtler Pandektisten 1050 1250 1500 1650 1800 Naturrechts- gesetzbücher ALR, CC, ABGB 1900 BGB

  28. Die Rezeption des römischen Rechts … … nimmt ihren Ausgang von der Wiederentdeckung einer Handschrift der Digesten, die anders als die Institutionen und der Codex nach der Verdrängung der Byzantiner durch die Langobarden in Italien in Vergessenheit geraten sind. Die Handschrift, seit 1406 in Florenz und deshalb Florentina genannt, soll bei der Eroberung Amalfis durch Pisa erbeutet worden sein. … erfolgt zunächst durch wissenschaftliche Bearbeitung des CIC an der Universität von Bologna, wo Irnerius (gestorben 1130) wirkt, auf den die Schule der Glossatoren zurückgeht. Deren Hauptwerk ist die Glossa ordinaria des Accursius (gestorben 1260), in der die wichtigsten der von den Glossatoren verfassten Glossen aufgeführt sind. … wird fortgesetzt im Werk der Kommentatoren (Postglossatoren), deren bedeutendster Vertreter Bartolus de Saxoferratis (1314-1357) ist, der den fortan maßgeblichen Kommentar zum CIC verfasst. … gewinnt durch die humanistische Jurisprudenz zwei neue Aspekte: die Textkritik der im CIC überlieferten Quellen und die Systematisierung des überlieferten Rechtsstoffs unter freiem Umgang mit den Quellen, für die vor allem Donellus (Hugo Doneau, 1527-1591) steht. … gewinnt eine besondere Gestalt in Deutschland in Form des usus modernus pandectarum, der das römische Recht nicht mehr als Gesetz, sondern nur noch als Gewohnheitsrecht akzeptiert und seine Geltung von seiner Anwendung in der Praxis abhängig machen will.

  29. Die Naturrechtslehre … … geht statt vom römischen Recht von der Vorstellung eines stets richtigen naturgegebenen Rechts aus, das der Vernunft zugänglich ist. … gelangt im Bereich des Privatrechts manchmal zu anderen, in der Regel aber zu denselben Lösungen wie die Gemeinrechtslehre, die jedoch mit anderen Begründungsmustern unterlegt werden. … hat in ihrer profanen Variante als ersten Vertreter den niederländischen Gelehrten Hugo Grotius (Huigh de Groot, 1583-1645), der die Lehre der spanischen Spätscholastik in vielen Einzelfragen übernimmt, aber von der Gottesvorstellung trennt. Sein Hauptwerk sind die Bücher über das „Recht von Krieg und Frieden“ (De jure belli ac pacis). … wirkt vor allem auf die drei an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erlassenen Naturrechtsgesetzbücher ein: - das preußische Allgemeine Landrecht (ALR) von 1794 - den französischen Code civil von 1804 - das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) von 1811.

  30. Die deliktische Generalklausel Grotius (1583-1645), De jure belli ac pacis, 2.17.1 Maleficium hic appellamus culpam omnem, sive in faciendo, sive in non faciendo, pugnantem cum eo quod aut homines communiter, aut pro ratione certae qualitatis facere debent. Ex tali culpa obligatio naturaliter oritur si damnum datum est, nempe ut id resarciatur. Delikt nennen wir jede Schuld, bestehe sie im Handeln oder Unterlassen, die dem widerspricht, was die Menschen überhaupt oder nach ihrer besonderen Eigenschaft zu tun haben. Aus einer solchen Schuld entspringt kraft des Naturrechts die Verpflichtung, den zugefügten Schaden zu ersetzen.

  31. Die Generalklausel in den Naturrechtsgesetzbüchern Das preußische ALR (1794) § 10 I 6: „Wer einen Andern aus Vorsatz oder grobem Versehen beleidigt, muß demselben vollständige Genugthuung leisten.“ § 12 I 6: „Wer aus mäßigem Versehen den Andern durch eine Handlung oder eine Unterlassung beleidigt, der haftet nur für den daraus entstandnen wirklichen Schaden.“ Der Code civil (1804) Art. 1382: Tout fait quelconque de l'homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la duquel il est arrivé, à le réparer. Das österreichische ABGB (1811) § 1295: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.“ § 1324: „In dem Falle eines aus böser Absicht, oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugtuung; in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtigt.“

  32. Die historische Rechtsschule … … nimmt die Gegenposition zur Naturrechtslehre ein, indem sie das Recht (zumindest in der Theorie) nicht als unwandelbares Vernunftprodukt, sondern als zeitgebundenes Kulturgut betrachtet. … nimmt das römische Recht wieder als geltendes Recht hin, widmet sich jedoch weniger seinen Abwandlungen durch die Gemeinrechtslehre, sondern unterzieht es einer neuen systematisierenden Interpretation, vor allem mit Hilfe der Denkfiguren der Naturrechtslehre (z. B. der Willenserklärung). … hat als bedeutendsten Vertreter des romanistischen Zweigs den Wissenschaftler und preußischen Gesetzgebungsminister Friedrich Carl von Savigny (1779-1861). … wirkt in der Pandektenwissenschaft fort, die ihren wichtigsten Vertreter in Bernhard Windscheid (1817-1892) hat, der mit seinem ab 1862 erscheinenden Pandektenlehrbuch das Standardwerk für das Gemeine Recht verfasst.

  33. Das BGB von 1900 … … folgte der Vereinheitlichung des deutschen Handelsrechts durch das gemeindeutsche ADHGB von 1861 und des Zivilprozessrechts durch die RCPO von 1879 (die mit der Einrichtung des (Reichs-) Oberhandelsgerichts und seiner Überleitung in das RG einhergehen). … wird durch einen 1888 vorgelegten Entwurf der später sogenannten „ersten Kommission“ vorbereitet, die unter Beteiligung von Windscheid von 1874 bis 1887 tagt. … erhält seine nahezu endgültige Fassung durch den zweiten Entwurf von 1895, der von der zweiten Kommission unter Gottlieb Planck geschaffen wird. … steht ebenso wie das schweizerische Obligationenrecht (OR 1883) und ZGB (1911) als Frucht der Pandektenwissenschaft dem römischen Recht noch näher als die Naturrechtsgesetzbücher.

  34. Das Deliktsrecht des BGB … … soll nach seinem ersten Entwurf ebenso wie das OR (Art. 41) gleichfalls eine Generalklausel erhalten. § 704 E I lautet: „(1) Hat jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung - Thun oder Unterlassen - einem anderen einen Schaden zugefügt, dessen Entstehung er vorausgesehen hat oder voraussehen musste, so ist er dem anderen zum Ersatze des durch die Handlung verursachten Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens vorauszusehen war oder nicht. (2) Hat jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht eines anderen verletzt, so ist er den durch die Rechtsverletzung dem anderen verursachten Schaden diesem zu ersetzen verpflichtet. Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen.“ … wird dann von der zweiten BGB-Kommission aus Furcht vor einer zu großen Ausweitung der außervertraglichen Haftung wieder auf die beiden Haftungstatbestände der Rechtsgutsverletzung und des Vorsatzes beschränkt, die der gemeinrechtlichen Haftung aus der lex Aquilia und mit der actio de dolo entsprechen. … lässt so eine Lücke für die fahrlässige Herbeiführung reiner Vermögensschäden, die vor allem im Geschäftsverkehr entstehen.

  35. Die Stellvertretung … … und der Vertrag zugunsten Dritter sind im geltenden Recht zwei völlig getrennte Institute: - Bei der Stellvertretung treten die Rechtswirkungen, die belastend und begünstigend, meist beides zugleich, sind, nur in der Person des Vertretenen ein. - Beim Vertrag zugunsten Dritter können der Versprechensempfänger, der Dritte oder beide das Recht auf die Leistung erwerben (§ 335); eine Verpflichtung des Dritten ohne dessen Mitwirkung ist ausgeschlossen. … setzt nach § 164 Abs. 1 BGB Vertretungsmacht und ein Handeln im Namen des Vertretenen, also Offenkundigkeit, voraus. … kann auch an die Fiktion einer Vollmacht anknüpfen: gesetzlich gemäß § 56 HGB, im Übrigen nach den Grundsätzen über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht.

  36. Ein Grundsatz des römischen Rechts … … ist, dass niemand ein Recht durch einen anderen Freienerwerben kann: per extraneam personam nobis adquiri non potest. So scheiden Stellvertretung und echter Vertrag zugunsten Dritter eigentlich aus. … ist ferner, dass man sich nicht die Leistung an einen anderen versprechen lassen kann: alteri stipulari nemo potest („niemand kann sich die Leistung an einen anderen versprechen lassen“). So scheidet auch ein unechter Vertrag zugunsten Dritter aus. Dieser zweite Grundsatz ist aber dadurch stark aufgeweicht, dass man das Versprechen der Leistung an einen Dritten zulässt, wenn der Gläubiger selbst hieran ein - und sei es nur mittelbares - Interesse hat.

  37. Der römische Familienverband pater familias (Hausvater) rechts- und geschäftsfähig patria potestas servi (Sklaven) filii/filiae familias (Hauskinder) uxor (Ehefrau) Gewaltunterworfene nicht rechtsfähig, aber geschäftsfähig: verpflichten den Hausvater

  38. Geschäfte der Gewaltunterworfenen Vertragsschluss Gewaltunter- worfener Vertragspartner Sachübergabe Sache Anspruch Verpflichtung Eigentum pater familias • automatischer Sach- und Anspruchserwerb des pater familias • Verpflichtung des pater familias nur mit Hilfe ergänzender („adjektizischer“) Klagen

  39. Die Klagen wegen Geheißes (quod iussu), wegen eines Vorteils (de in rem verso) oder wegen des Sondervermögens (de peculio) Gai 4.70, 72a, 73 Inprimis itaque si iussu patris dominive negotium gestum erit, in solidum praetor actionem in patrem dominumve conparavit; et recte, quia qui ita negotium gerit, magis patris dominive quam filii servive fidem sequitur. … (72a) Est etiam de peculio et de in rem verso actio a praetore constituta. Licet enim negotium ita gestum sit cum filio servove, ut neque voluntas neque consensus patris dominive intervenerit, si quid tamen ex ea re quae cum illis gesta est, in rem patris dominive versum sit, quatenus in rem eius versum fuerit, eatenus datur actio … (73) Cum autem quaeritur, quantum in peculio sit, ante deducitur, quod patri dominove quique in eius potestate sit, a filio servove debetur, et quod superest, hoc solum peculium esse intellegitur. (70) Zunächst stellte der Prätor eine Klage gegen den Vater oder Herrn auf den vollen Betrag für den Fall bereit, dass ein Geschäft auf ihr Geheiß geführt worden ist; und zu Recht, weil wer so ein Geschäft abschließt, eher dem Vater oder Herrn als dem Sohn oder Sklaven vertraut. (72a) Auch die actio de peculio und die actio de in rem verso sind vom Prätor geschaffen worden. Auch wenn nämlich ein Geschäft mit einem Haussohn oder Sklaven so abgeschlossen worden ist, dass weder das Einverständnis noch die Zustimmung des Vaters oder Herrn vorlag, wird, wenn etwas aus dem Geschäft, das mit ihnen geführt worden ist, in das Vermögen des Vaters oder Herrn gelangt ist, eine Klage auf so viel gewährt, wie in das Vermögen gelangt ist. (73) Wenn aber gefragt wird, wie viel in dem Sondergut ist, wird zunächst abgezogen, was dem Vater oder Herrn oder einem anderen in seiner Gewalt von dem Sohn oder Sklaven geschuldet wird, und nur, was übrig bleibt, gilt als Sondergut.

  40. Die adjektizische Haftung … … ist begrenzt bei der Klage wegen eines Vorteils (actio de in rem verso): Ist durch das Geschäft des Gewaltunterworfenen etwas in das Vermögen des Gewalthabers geraten (vor allem die Gegenleistung), haftet er auf die von dem Gewaltunterworfenen zugesagte Leistung in Höhe seiner Bereicherung. … tritt auch mit bei der Klage wegen eines Sondervermögens (actio de peculio) nur beschränkt ein: Ist dem Gewaltunterworfenen ein Sondervermögen (peculium) eingeräumt, das ein abgesonderter Teil des Vermögens des Gewalthabers ist, haftet dieser nur in Höhe des aktuellen Bestands des Sondervermögens. … ist unbegrenzt bei der Klage wegen Geheißes (actio quod iussu): Hat der Gewaltunterworfene auf Anordnung des Gewalthabers gehandelt, muss sich dieser das Geschäft voll zurechnen lassen.

  41. Die Reeder- und die Betriebsleiterklage Gai 4.71 Eadem ratione comparavit duas alias actiones, exercitoriam et institoriam. tunc autem exercitoria locum habet, cum pater dominusve filium servumve magistrum navi praeposuerit et quid cum eo eius rei gratia cui praepositus fuerit negotium gestum erit. cum enim ea quoque res ex voluntate patris dominive contrahi videatur, aequissimum esse visum est in solidum actionem dari; quin etiam licet extraneum quisque magistrum navi praeposuerit, sive servum sive liberum, tamen ea praetoria actio in eum redditur. ideo autem exercitoria actio appellatur, quia exercitor vocatur is, ad quem cottidianus navis quaestus pervenit. institoria vero formula tum locum habet, cum quis tabernae aut cuilibet negotiationi filium servumve aut quemlibet extraneum, sive servum sive liberum, praeposuerit et quid cum eo eius rei gratia cui praepositus est contractum fuerit. ideo autem institoria vocatur, quia qui tabernae praeponitur, institor appellatur. quae et ipsa formula in solidum est. Aus dem gleichen Grund hat er [der Prätor] zwei Klagen eingeführt, genannt excercitoria und institoria. Die actio exercitoria greift Platz, wenn der Vater oder Herr seinen Sohn oder Sklaven als Schiffskapitän einsetzt und ein Geschäft mit ihm wegen dieses Schiffs, für das er eingesetzt ist, abgeschlossen wird. Da er nämlich auf Geheiß des Vaters oder Herrn abschließt, ist es höchst gerecht, gegen diesen eine Klage auf den vollen Betrag zu geben. Auch wenn jemand einen nicht zum Hausverband gehörenden Dritten einsetzt, sei er Sklave oder Freier, wird gegen ihn trotzdem diese Klage gewährt. Actio excercitoria wird sie deshalb genannt, weil exercitor heißt, wem das tägliche Schiffsgeschäft zukommt. Die actio institutoria greift Platz, wenn jemand einen Haussohn oder Sklaven oder einen nicht zum Hausverband gehörenden Dritten zum Leiter einer Gaststätte oder irgendeines Geschäftsbetriebes eingesetzt hat und mit ihm aus diesem Grund ein Geschäft abgeschlossen worden ist. Actio institutoria wird sie deshalb genannt, weil institor heißt, wer zum Leiter einer Gaststätte bestimmt ist. Auch diese Klage geht auf den vollen Betrag.

  42. Die adjektizische Haftung … … ist auch bei der Reeder- (actio exercitoria) und Betriebsleiterklage (actio institutoria) unbegrenzt, weil in der Bestellung zum Schiffskapitän und als Betriebsleiter eine Generalermächtigung zum Abschluss der hiermit verbundenen Geschäfte gesehen wird. … wird in diesen Fällen auch auf rechtlich selbständige Kapitäne und Betriebsleiter ausgedehnt. … wird hierfür um eine analoge Klage für den Geschäftsherrn ergänzt, mit der dieser den eigentlich vom rechtlich selbständigen Kapitän oder Betriebsleiter erworbenen Anspruch auf die Gegenleistung geltend machen kann.

  43. Ein allgemeines Vertretungsrecht? D 19.1.13.25 Ulp 32 ed Si procurator vendiderit et caverit emptori, quaeritur, an domino vel adversus dominum actio dari debeat. et Papinianus libro tertio responsorum putat cum domino ex empto agi posse utili actione ad exemplum institoriae actionis, si modo rem vendendam mandavit: ergo et per contrarium dicendum est utilem ex empto actionem domino competere. Hat ein procurator eine Sache verkauft und dem Käufer gegenüber eine Garantie für Rechtsmängel übernommen, stellt sich die Frage, ob dem Geschäftsherrn und gegen ihn eine Klage zu gewähren ist. Und Papinian meint im dritten Buch seiner Rechtsgutachten, gegen den Geschäftsherrn, der den Verkauf angeordnet hat, könne eine analoge Klage aus dem Kaufvertrag nach dem Vorbild der Geschäftsleiterklage erhoben werden. Also ist zu sagen, dass auch dem Geschäftsherrn eine analoge Klage aus dem Kaufvertrag zusteht. Die Bedeutung dieses Textes hängt von dem Begriff procurator ab: Ist damit jeder vom Geschäftsherrn Beauftragte oder nur der Vermögensverwalter (procurator omnium bonorum) gemeint, der in aller Regel ein ehemaliger Sklave des Geschäftsherrn war und deshalb so behandelt wurde, wie er früher als Gewaltunterworfener gestanden hatte?

  44. Ein willenstheoretisches Konzept der Stellvertretung Grotius, JBP 2.11.18 Quod si promissio in nomen eius collata est, cui danda res est, distinguendum est, an qui acceptet aut speciale mandatum habeat acceptandi, aut ita generale ut talis acceptatio ei inclusa censeri debeat: an vero non habeat. Ubi mandatum tale antecessit, distinguendum ultra non puto sitne persona sui iuris necne, quod Romanae leges volunt, sed plane ex tali acceptatione promissionem perfici: quia consensus potest per ministrum interponi ac significari. Velle enim censeor, quod in alterius voluntate posui, si et ille velit. ... Ist aber das Versprechen im Namen dessen abgeschlossen, dem der Gegenstand zu leisten ist, muss unterschieden werden, ob der, der das Versprechen annimmt, einen besonderen Auftrag hierzu oder einen generelles Mandat hat, das die Versprechensannahme einschließt, oder ob er es nicht hat. Wo ein solcher Auftrag vorangeht, ist nach meiner Ansicht nicht mehr länger mit den römischen Gesetzen danach zu unterscheiden, ob der Versprechensempfänger rechtlich selbständig ist oder nicht, sondern das Versprechen wird ohne weiteres durch seine Annahme wirksam, denn der Konsens kann durch einen Vertreter abgegeben oder erklärt werden. Ich werde nämlich so angesehen, als ob ich selbst will, was ich der Entscheidung eines anderen überlassen habe und von diesem gewollt ist.

  45. Das moderne Stellvertretungsrecht … … lässt sich auf die Naturrechtslehre zurückverfolgen, die Stellvertretung und Vertrag zugunsten Dritter klar getrennt hat, nachdem beide im mittelalterlichen Recht zusammengeflossen waren. … kommt ohne eigene Berechtigung und Verpflichtung des Stellvertreters aus. … ist erst seit dem 19. Jh. von der für den Handelsverkehr entwickelten Abstraktion von Vertretungsmacht und Grundverhältnis geprägt. … kennt aber noch den Rechtsgedanken der Reeder- und Betriebsleiterklage in Form von der Vollmachtsfiktion sowie der Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht: § 56 HGB Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen.

  46. Das Prinzip der Vertragsfreiheit … … hat zwei Komponenten: die Abschluss- und die Gestaltungs- oder Inhaltsfreiheit. … ist heute in § 311 Abs. 1 BGB vorausgesetzt und mit einem einheitlichen Vertragsbegriff verbunden. … galt als Gestaltungsfreiheit nach herkömmlicher Auffassung in Rom noch nicht, wo angeblich Typenzwang herrschte. Hierfür spricht insbesondere die Unterscheidung zwischen contractus und pacta: D 2.14.7 Ulp 4 ed Iuris gentium conventiones quaedam actiones pariunt, quaedam exceptiones. (1) Quae pariunt actiones, in suo nomine non stant, sed transeunt in proprium nomen contractus: ut emptio venditio, locatio conductio, societas, commodatum, depositum et ceteri similes contractus. (4)… igitur nuda pactio obligationem non parit, sed parit exceptionem. Die nach dem gemeinen Recht aller Völker abgeschlossenen Vereinbarungen bringen zuweilen eine Klage, zuweilen eine Einrede hervor. (1) Die Vereinbarungen, die eine Klage hervorbringen, bleiben nicht bei ihrer Bezeichnung stehen, sondern nehmen einen besonderen Vertragsbegriff an wie Kauf, Verdingung, Gesellschaft, Leihe, Verwahrung und andere ähnliche Verträge. (4) … daher bringt das bloße pactum keine Verpflichtung, sondern nur eine Einrede hervor.

  47. Vertragsarten im römischen Recht Gai 3.88 ff. (88) Nunc transeamus ad obligationes, quarum summa divisio in duas species diducitur: omnis enim obligatio vel ex contractu nascitur vel ex delicto. et prius videamus de his, quae ex contractu nascuntur. harum autem quattuor genera sunt: aut enim re contrahitur obligatio aut verbis aut litteris aut consensu. … Nun kommen wir zu den Obligationen, deren oberste Einteilung zwei Kategorien ergibt. Jede Obligation entsteht nämlich entweder aus Vertrag oder aus Delikt. Wir betrachten zunächst die Obligationen, die aus Vertrag entstehen. Von diesen gibt es vier Arten: eine Obligation wird nämlich entweder durch Sachhingabe, durch mündliche Formel, durch schriftlichen Akt oder durch bloßen Konsens vereinbart. … (89)Et prius videamus de his, quae ex contractu nascuntur. harum autem quattuor genera sunt: aut enim re contrahitur obligatio aut verbis aut litteris aut consensu. Und zunächst wollen wir die Verpflichtungen betrachten, die aus Vertrag entstehen. Hiervon gibt es vier Arten: Eine Verpflichtung wird nämlich entweder durch Sachhingabe, durch Wortformel, Schriftakt oder Konsens begründet. (90) Re contrahitur obligatio velut mutui datione … Eine Verpflichtung durch Sachhingabe kommt zum Beispiel durch Darlehensgewährung zustande ...

  48. Vertragsarten im römischen Recht (92)Verbis obligatio fit ex interrogatione et responsione, velut DARI SPONDES? SPONDEO, DABIS? DABO, PROMITTIS? PROMITTO, FIDEIPROMITTIS? FIDEIPROMITTO, FIDEIIUBES? FIDEIIUBEO, FACIES? FACIAM. Durch Wortformel kommt eine Verpflichtung im Wege von Frage und Antwort zustande, wie zum Beispiel: „Versprichst du, dass gegeben wird?“ – „Ich verspreche.“, „Wirst du geben?“ – „Ich werde geben.“, „Versprichst du?“ – „Ich verspreche.“, „Verbürgst du dich?“ – „Ich verbürge mich.“, „Wirst du tun?“ – „Ich werde tun.“ (135)Consensu fiunt obligationes in emptionibus et venditionibus, locationibus conductionibus, societatibus, mandatis. (136) ideo autem istis modis consensu dicimus obligationis contrahi, quia neque verborum neque scripturae ulla proprietas desideratur, sed sufficit eos, qui negotium gerunt, consensisse. unde inter absentes quoque talia negotia contrahuntur ... (137) Item in his contractibus alter alteri obligatur de eo, quod alterum alteri ex bono et aequo praestare oportet, cum alioquin in verborum obligationibus alius stipuletur alius promittat ... . Durch Konsens entstehen die Verpflichtungen beim Kauf, bei der Verdingung, bei der Gesellschaft und beim Auftrag. (136) Wir sagen, dass diese Verpflichtungen durch Konsens begründet werden, weil sie weder einer wörtlichen noch einer schriftlichen Formalität bedürfen und es genügt, wenn die Geschäftspartner einig sind ... (137) Ferner werden bei diesen Verträgen beide Vertragspartner einander dazu verpflichtet, was jeder dem anderen nach Treu und Glauben zu leisten schuldig ist, während bei den Verbalverpflichtungen der eine sich versprechen lässt, der andere verspricht ...

  49. contractus re consensu verbis emptio venditio (Kauf) locatio conductio (Verdingung) societas (Gesellschaft) mandatum (Auftrag) erfordern nur Konsens, unterliegen der Beurteilung nach der guten Treue (bona fides) stipulatio ist wortförmliches Schuldversprechen mutuum (Darlehen) depositum (Verwahrung) commodatum (Leihe) erfordern Sachhingabe

  50. Die Stipulation … … ist die älteste bekannte römische Vertragsart, die sich schon im Zwölftafelgesetz findet. … stellt einen wesentlichen Beitrag der Römer zur Rechtskultur dar, weil sie die Idee einer Verpflichtung aus Versprechen verwirklicht. … kann als einseitig verpflichtendes Geschäft jeden Inhalt annehmen. … ist auf eine mündliche Abschlussform festgelegt, die aber nur in einem einfachen Frage-Antwort-Schema besteht, das die Parteien, für sich genommen, vor keine Hindernisse stellt. … kennzeichnet, dass der Gläubiger in seiner Frage den Leistungsinhalt abschließend beschreiben und auf eine vollstreckungsfähige Formel bringen muss.

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