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Störung des Sozialverhaltens und Angststörung im Kindes- und Jugendalter: Ätiologie, Diagnostik und Intervention Andrea M. Beetz Dipl.-Psych., Dr. phil. . Literatur.
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Störung des Sozialverhaltens und Angststörung im Kindes- und Jugendalter: Ätiologie, Diagnostik und Intervention Andrea M. Beetz Dipl.-Psych., Dr. phil.
Literatur • Gasteiger-Klicpera, Julius und Klicpera (Hrsg.) (2008). Sonderpädagogik der sozialen und emotionalen Entwicklung. Band 3. Hogrefe Verlag. • Julius, Schlosser und Goetze (2000). Kontrollierte Einzelfallstudien. Hogrefe Verlag. • Suess und Pfeifer (1999). Frühe Hilfen. Psychosozial-Verlag. • Thurmair und Naggl (2007). Praxis der Frühförderung. Reinhardt Verlag.
Literatur • Essau, C. (2003). Angst bei Kindern und Jugendlichen. Reinhardt,UTB. • Hillenbrand, C. (2008). Einführung in die Pädagogik bei Verhaltensstörungen • Papousek, Schieche, Wurmser (2004). Regulationsstörungen der frühen Kindheit. Hans Huber Verlag. • Heisig, K. (2010). Das Ende der Geduld. Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter. Herder.
Struktur Tag 1 und Tag 2 • Angststörungen Übersicht • Selektiver Mutismus (Maik Herrmann) • Ätiologie der Angststörung (Entwicklungspsychopathologie) • Bindung und Caregiving • Diagnostik der Angststörung • Prävention und Interventionsprogramme • Attributionstheorien
Struktur Tag 3 • Verhaltensstörung Übersicht • Ätiologie der Verhaltensstörung • Diagnostik der Verhaltensstörung • Prävention und Interventionsprogramme • Jugendkriminalität
Störungen in der Kindheit Kissgen (2008): • Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Störungen • sind persistent • ungünstige Prognose • hohe Kosten • Intervention: • Meist gerichtet auf Verhalten des Kindes • Grund: Belastung der Eltern und Erzieher/Lehrer
Angst Erscheinungsbild • Symptome s. sozial unsichere Kinder • Unterscheidung: habituelles Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit vs. aktueller Angstzustand (trait vs. state anxiety) • Angst: eher diffus, wenig spezifisch • Furcht: eindeutig bestimmbare Gefahr mit der Möglichkeit der Flucht/Vermeidung • Entwicklungstypische Ängste: Fremdeln, Trennungsangst, Dunkelangst, Moster, Gespenster,Verletzungen, Gewitter; später schulbezogene Ängste, Leistungsangst; gesundheitsbezogene Ängste • Meist mehrere Ängste gleichzeitig
Angst Unterscheidung „normale“ vs. pathologische Angst • Angst ohne wahrnehmbare Bedrohung • Der Situation, Dauer, Intensität unangepaßt • Kann nicht von Person unter Kontrolle gebracht werden • Beeinträchtig Befindlichkeit massiv • Nachteiliges Flucht – und Vermeidungsverhalten • Chronischer Verlauf • Behinderung bei den Entwicklungsaufgaben, Probleme in Familie, Peergroup, Schule
Angst ICD-10: • Emotionale Störung des Kindesalter (phobische Störung, soziale Ängstlichkeit) • Phobische Störungen • Sonstige Angststörungen (Panik, generalisierte Angststörung etc.) • Zwangsstörung (Zwangsgedanken und -handlungen) • Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (akute Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung)
Angst Prävalenz • 10-15% (Petermann 1999) • Für 8-Jährige bei 9,5%; für 14-24 Jährige bei 18,6% Verlauf und Prognose • Früher Beginn (vor 13. Lebensjahr) : oft chronischer Verlauf • Je höher der Schweregrad, desto stabiler Geschlechtsspezifisch: • Mädchen haben 2-4mal so häufig eine Angststörung (v.a. ab 15. Lebensjahr)
Angst - Symptome Fight – Flight – Reaction: • Aktivation des sympathischen Nervensystems • des gesamten Stoffwechsels, Muskelanspannung, • Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol • Suche nach der Gefahrenquelle, Aufmerksamkeit, Anspannung, • Vermeidung (Flucht) oder Kampf (Aggression) • Vermeidung auch: Ablenkung, Distanzierung, Beschäftigung mit Dingen, Starren, Dissoziation; auch weinen, schreien (Essau)
Angst - Furcht – Phobie - Panik Angst: • Gefühlszustand: negative Emotion und körperliche Anspannung • Zukunftsorientiert: Befürchtung, etwas nicht bewältigen zu können • Normale Angst: natürliches Alarmzeichen, macht Körper bereit einer Bedrohung gegenüberzutreten oder zu entfliehen • Diffuser und weniger spezifisch als Furcht und Phobie
Angst - Furcht – Phobie - Panik Furcht • Unmittelbare Alarmreaktion auf gegenwärtige Gefahr • Gegenwartsbezogen, Fluchttendenzen, Sympathikusaktivierung • Kurzlebig
Angst - Furcht – Phobie - Panik Phobie • Intensiver Wunsch die furchtauslösende Situation zu vermeiden • Ist den Erfordernissen der Situation nicht angemessen (kleine Spinnen, etc.) • Nicht willentlich kontrollierbar • Fehlangepaßt
Angst - Furcht - Phobie - Panik Panik • plötzliche, • überwältigende, • intensive Furcht • mit körperlichen Symptomen
Kinder-Zwänge • Zwangsähnliches Verhalten in der Kindheit häufig • V.a. im Alter von 2-4 • Teil der normalen Entwicklung • Dinge richtig machen • wiederholungsorientiertes Verhalten • Rituale
Kulturelle Unterschiede • Internalisierende/Externalisierende Störungen kulturabhängig • Z. B. (Weisz et al. 1987) in Thailand mehr internalisierende Störungen, mit körperlicher Symptomatik • In USA mehr externalisierende Probleme • In Thailand mehr Wert auf Respekt und Zurückhaltung
Anormale Angst Angst ist anormal wenn: • Dauer und Intensität nicht angemessen • Harmlose oder nicht bedrohliche Situation • Chronisch • Keine Erklärung, Möglichkeit der Reduktion oder Bewältigung • Lebensqualität beeinträchtigt
Agoraphobie • Deutliche und anhaltende furcht vor oder Vermeidung von mindestens 2 der folgenden Situationen: Menschenmengen Öffentliche Plätze Alleine Reisen Reisen mit weiter Entfernung von zuhause
Agoraphobie Wenigstens einmal müssen in der Situation zwei Angstsymptome vorhanden gewesen sein • Vegetative Symptome (Schweißausbruch, Tremor, Herzklopfen) • Thorax-Abdomen-beschwerden: Atembeschwerden, Beklemmung, Übelkeit • Psychische Symptome: Schwindel, Unsicherheit, Schwäche, Derealisation, Depresonalisation, Trennungsangst
Spezifische Phobie • Entweder: deutliche Furcht vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation (nicht soziale oder Agoraphobie) • ODER deutliche Vermeidung solcher Objekte und Situationen (s.o.) • Häufige Objekte: Tiere, Vögel, Insekten, Höhe, Donner, Fliegen, kleine geschlossene Räume, Blut und Verletzungen, Injektionen, Arzt oder Krankenhausbesuche • Angstsymptome in den gefürchteten Situationen (aber darauf beschränkt) • Deutliche emotionale Belastung durch Symptome oder Vermeidung
Spezifische Phobie Typen: • Tiertyp (Spinnen, Hunde, etc.) • Naturgewalten (Sturm, Wasser) • Blut-Injektionen-Verletzung • Situativer Typ (Fahrstuhl, Tunnel, Brücken) • Andere Typen
Soziale Phobie Situationen die gefürchtet werden: • Prüfung in der Schule • Vor anderen sprechen • Mit anderen Menschen sprechen (Angst, nichts zu sagen zu haben, oder Unsinn zu reden) • In Gegenwart anderer essen oder trinken, schreiben, reden • An einer Party, Veranstaltung teilzunehmen
Soziale Phobie • Folgende Angstsymptome treten auf • Erröten oder Zittern • Angst zu erbrechen • Miktions-oder Defäkationsdrang oder Angst davor
Zwangsstörung • Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen • Zwangsgedanken (Kinderreime, Lieder, Sätze hören, sexuelle Vorstellungen • Zwangshandlungen (Waschen, Kontrollieren, Zählen, • Die Handlungen lindern zeitweise die Angst, jedoch verfestigen sie diese auch
Generalisierte Angststörung • Sich ständig Sorgen machen über: z. B. was man anzieht, dass die Welt untergeht, Krieg, umgebracht zu werden, einen Unfall zu haben etc. • Unkontrollierbarkeit der Besorgnis • Körperliche Symptome: Anspannung, Kopfschmerzen, Übelkeit, Reizbarkeit, Müdigkeit, Einschlafschwierigkeiten, unruhiger Schlaf
Posttraumatische Belastungsstörung • Wiederkehrende und eindringliche belastende Erinnerungen an das Ereignis in Form von Bildern, Gedanken oder Wahrnehmungen • Wiederkehrende belastende Träume vom Ereignis • Handeln oder Fühlen, als ob das Ereignis wiederkehren würde, wiedererleben, Illusionen • Intensive psychische Belastung • Körperliche Reaktionen bei Erinnerungen an das Ereignis
Posttraumatische Belastungsstörung Anhaltende Reizvermeidung und mind. 3 Symptome • Gedanken, Gefühle, Gespräche • Aktivitäten, Orte, Menschen • Unfähigkeit, sich an wichtigen Aspekt des Traumas zu erinnern • Vermindertes Interesse an wichtigen Aktivitäten • Gefühl der Losgelöstheit oder Entfremdung • Eingeschränkter Affekt • Gefühl einer eingeschränkten Zukunft Insgesamt seitdem erhöhtes Arousal
Posttraumatische Belastungsstörung Arousal: Ein-oder Durchschlafstörung Reizbarkeit oder Wutausbrüche Konzentrationsschwierigkeiten Hypervigilanz Erhöhte Schreckhaftigkeit
Akute Belastungsstörung Während oder innerhalb eines Monats nach dem extrem traumatischen Stressor. Mindestens drei der Symptome: • Emotionale Taubheit • Derealisierung • Verringerte Wahrnehmung der Umgebung • Depersonalisation • Dissoziative Amnesie Das Ereignis wird wiedererlebt, man vermeidet Reize die Erinnerungen auslösen.
Andere Phobien und Ängste Schulvermeidungsverhalten • Weigerung, den Unterricht zu besuchen, dann aber doch gehen • Zur Schule gehen, aber während des Unterrichts wieder heimkommen • Gar nicht zur Schule gehen Gründe: • Vermeidung von Reizen die negativen Affekt auslösen • Ausweichen unangenehmer sozialer oder Prüfungssituationen • Aufmerksamkeit (zuhause) • Positive Verstärkung (lieber mit Freunden, als in Schule)
Andere Phobien und Ängste Prüfungsangst • Intensive körperliche, kognitive und behaviorale Symptome von Angst, vor und während einer Prüfungssituation, wodurch die Leistung beeinträchtigt wird • Schlechtere Schulleistungen • Manchmal Fächerspezifisch • Selbstkonzept: wenig Selbstachtung, mehr Sorgen
Andere Phobien und Ängste Selektiver Mutismus • Sprechen mit Personen zuhause (oder enge Freunde) normal, aber nicht mit Personen außerhalb der Familie • Ängstlich • Sprechen nur in Umgebung in der sie sich wohlfühlen • Beginn oft im Alter 3-5 • Länger als 4 Wochen (z. B. wenn in Kindergarten oder Schule)
Andere Phobien und Ängste Phobien kulturspezifisch: s. S. 82/83
Sozial unsichere Kinder Erscheinungsbild: • schüchtern, gehemmt, kontaktscheu • fallen nicht gleich als problematisch auf • Vor allem im Kontext mit anderen und Anforderungen • Durchsetzen eigener berechtigter Ansprüche • Kontaktaufnahme mit Gleichaltrigen, Verabredungen • Äußern eigener Meinung Eher still, erzählen kaum etwas, sprechen leise und undeutlich, wenig Emotionsausdruck, wirken apathisch oder weinerlich, kaum Blickkontakt, zappeln, bewegen sich kaum frei im Raum
Sozial unsichere Kinder Häufigkeit • 15% irgendeine Art von Angststörung • 3-4% mit Funktionseinschränkung • 5-6% sozialer Rückzug • 5% körperliche Beschwerden • 12,5% der Jungen, 8,6% der Mädchen ängstlich/depressiv • Anscheinend eine Zunahme der Störung im Jugendalter • 50% komorbid mit depressiven Symptomen (28-75%) • Bereits im Vorschulalter diagnostizierbar – Stabilität (Veränderung zu anderer Angststörung möglich • Beeinträchtigung im Sozialkontakt; evtl. Panikstörung, Agoraphobie
Sozial unsichere Kinder Ursachen Biologische Faktoren: Irritierbarkeit im Säuglingsalter (limbisch-hypothalamisches System – erniedrigte Erregungsschwelle) Psychische Faktoren: verzerrte soziale Wahrnehmung, bedrohliche Interpretation, weniger sozial kompetent, Erwartung von Ablehnung; erhöhte Selbstaufmerksamkeit, intensive Sorgen, negative Selbstbewertung, kein Selbstvertrauen Soziale Faktoren: Trennungs- und Verlusterfahrungen (Scheidung, Tod, Umzug), übermäßiges Verwöhnen; Angstniveau der Mutter. Vermeidungsverhalten wird verstärkt; inkonsistentes Erziehungsverhalten
Depression Erscheinungsbild • Über längeren Zeitraum depressive Symptome (mind. 2 Wochen) • Major Depression vs. dysthyme Störung (weniger starke Ausprägung) • „double depression“: dysthyme Störung plus Phasen einer Major Depression Symptome: • Depressive oder reizbare Stimmung • Verlust von Interesse oder Freude • Reduzierung der körperlichen Aktivität • Körperliche Symptome: Müdigkeit, mehr oder weniger Schlaf, Gewichtsveränderung • Verlangsamtes Denken, Gefühle der Wertlosigkeit, Konzentrationsprobleme
Depression Komorbidität: • Bei 40% auch Angststörungen • Bei 25% expansive Verhaltensstörungen • ADHS/HKS, Essstörungen
Depression Häufigkeit - 4,4% bei Kindern im Alter von 8-18 Jahren • Im Kleinkind – und Vorschulalter: ca 1% • Lebenszeitprävalenz bei 14-18 Jährigen: 15-20% • Dysthyme Störung: 0-2% im Schulalter, 1-8% der Jugendlichen Verlauf • Man wächst nicht einfach heraus, chronischer Verlauf, hohe Rückfallrate, große Beeinträchtigung • Risiko für suizidale Handlungen
Essstörungen Erscheinungsbild • Essen und Beziehung hängen eng zusammen • Veränderung des modernen Familienlebens • Aussehen, Gewicht: Körperideal des Modells • Fast nur in industriellen Wohlstandsgesellschaften (Habermas 2001) • Suche nach Identität
Essstörungen Prävalenz • Hohe Dunkelziffer • Frauen: Männer 7:1 bis 10:1 • Frauen: 1% Anorexie, 2-4% Bulimie • v.a. 13-25 Jahre • Kaum Zugehörigkeit zur unteren sozialen Schicht • berufliche Risikogruppen (Models) • Häufig eine Leistungsthematik; Selbstkontrolle als Leistung • Wahrnehmung des Körpers gestört • Oft fehlende Krankheitseinsicht
Essstörungen Verlauf Anorexie: • 40% fast vollständige Genesung; • 30% partiell • Chronifizierung bei 15-20% • Exitus: 10-15% Bulimie: • 40-50% vollständige Genesung • 20-30% partiell • 20% Chronifizierung • 0,5% Exitus Overeating, binge eating, Adipositas
Modelle der Angststörung Klassische Konditionierung Bsp. Kleiner Albert • Generalisierung und Diskriminierung Kritik: • Betroffene berichten oft kein traumatisches Ereignis am Beginn der Phobie • Oft durch Beobachtungslernen
Modelle der Angststörung Zwei-Faktoren-Theorie der Vermeidung (Mowrer 1969) • Klassische Konditionierung • Vermeidung verstärkt (negativer Verstärker) Kritik (Solomon et al 1953): • Geht auch ohne Furcht, nur reines Vermeidungsverhalten • Kein gutes Modell
Modelle der Angststörung Lernen durch Beobachtung Stellvertretende Erfahrungen, Selbstwirksamkeitserwartung niedrig Kinder teilen häufig die Ängste ihrer Eltern
Modelle der Angststörung Rachmans Modell (1977) 3 verschiedene Wege wie Phobien erworben werden • Direkte klassische Konditionierung • Modell- Lernen • Informationsvermittlung/Wissensvermittlung
Modelle der Angststörung Krankheits-Vermeidungs-Modell (Matchett/Davey 1991) Ekelreaktion, Ekel-Sensitivität adaptiver Nutzen ist die Prävention von Krankheitsübertragungen Tiere (Ratten, Schnecken, Spinnen), Schmutz (Krankheitserreger)
Modelle der Angststörung Kognitive Modelle Beck and Emery (1985) Gefahren werden überbewertet Panikattacken (Clark 1988) Fehlinterpretation von Körperwahrnehmungen bei normaler Angstreaktion - Periode erhöhter Angst (durch Streit etc.) bei Beginn - Die Angst vor Attacken führt zur Hypervigilanz und Prüfung des Körpers auf Symptome