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Der Sport als Aktionsfeld zur Realisierung der NS-Volksgemeinschaft. Prof. Dr. Lorenz Peiffer (Leibniz Universität Hannover). Aspekte des Vortrags.
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Der Sport als Aktionsfeld zur Realisierung der NS-Volksgemeinschaft Prof. Dr. Lorenz Peiffer (Leibniz Universität Hannover)
Aspekte des Vortrags • Wie verlief der Prozess des Ausschlusses der jüdischen Sportlerinnen und Sportler aus den sogen. paritätischen Turn- und Sportvereinen sowie aus den -verbänden nach dem 30. Januar 1933? • Wie gingen Vereine und Verbände nach dem erfolgten Ausschluss mit der Erinnerung an ihre ehemaligen jüdischen Mitglieder um? • Wie entwickelte sich der jüdische Sport in den Jahren 1933 – 1938?
Peter Longerich „Tendenzen und Perspektiven der Täterforschung“(2007) • Ausschluss der Juden aus der deutschen – und später der europäischen – Gesellschaft war von Beginn an der zentrale Aspekt der nationalsozialistischen Politik • Ziel: Die Schaffung einer „rassisch homogenen Volksgemeinschaft“. Und dies konnte - so Longerich - durch „Negativmaßnahmen (wie) Diskriminierung, Entfernung, Ausschaltung und Beseitigung von Fremden“ erfolgen. Für diesen Prozess bedurfte es aber einerseits der „Hilfe bloßer Befehlsempfänger“ (SA etc.) und andererseits „solcher Akteure, die Eigeninitiative entwickelten und intuitiv verstanden, was die Führung (NS-Regierung) von ihnen wollte“.
Zu diesen „Akteuren“ zählten auch nichtstaatliche und parteiungebundene Organisationen: Turn- und Sportvereine und ihre Verbände • Erste Schritt: Entdemokratisierung der Vereins- und Verbandsstrukturen • Zweite Schritt: Aufgabe der parteipolitischen Neutralität (z.B. Deutsche Turnerschaft: Tragen von SA-und SS-Uniformen bei Veranstaltungen der DT gestattet <23. März 1933>) • Dritter Schritt: Einführung des Arierparagraphen Ausschluss jüdischer Sportler im Spiegel von Verbandszeitschriften, 24.Mai 2010
Osterbotschaft von DT-Führer E. Neuendorff in der DTZ, 19.4.1933: „Darum haben wir den Arier-Paragraphen angenommen. Er verpflichtet alle Vereine, alle jüdischen Mitglieder aus ihren Reihen auszuscheiden. Mit dieser Ausscheidung ist sofort zu beginnen und sie ist so durchzuführen, daß es zur Zeit des Deutschen Turnfestes in Stuttgart keine jüdischen Turner mehr unter uns gibt. Der Begriff des Juden aber wird nicht durch den Glauben, sondern durch das Blut bestimmt. Jude ist, wer von jüdischen Eltern stammt. Dazu genügt, dass ein Teil der Großeltern jüdischen Blutes ist. Jüdische Turner, die am Weltkriege als Frontkämpfer teilgenommen haben oder deren Söhne oder Väter im Weltkriege gefallen sind, können in allen Ehren in der Turnerschaft bleiben.“
Arisierung im DFB 9. April 1933: 14 Vereine aus dem Süden und Südwesten des Deutschen Reiches stellen sich „freudig und entschieden“ der nationalen Regierung zur Verfügung und bieten ihre Mitarbeit „insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen“ an
Brief des FCN-Verwaltungsrats an seine jüdischen Mitglieder, 28. April 1933
Arisierung im DFB 19. April 1933: Mitteilung des DFB und der DSB: „Der Vorstand des DFB und der DSB halten Angehörige der jüdischen Rasse (…) in führenden Stellungen der Landesverbände und Vereine nicht für tragbar (…)“
Arisierung im DFB Mai 1933: Mitteilung des Verbandsführers des WSV, Josef Klein: An den Verbandsspielen des WSV dürfen „nur Deutschstämmige“ teilnehmen 18. Februar 1934 Die Aufgaben des Deutschen Fußball-Bundes sind: 2. Seine Mitglieder zu staatsbejahenden, einsatzbereiten Volksgenossen des nationalsozialistischen Staates her-anzubilden. Linnemann
Resolution des Verbandes Deutscher Faustkämpfer (VDF) vom 4.4.33: • 1. Sämtliche Juden, auch getaufte, sind von der Mitgliederliste zu streichen. Alle neu aufzunehmenden Mitglieder müssen arischer Abstammung sein. • 2. Alle Juden, die sich im Besitz der Ehrenmitgliedschaft des VDF befinden, werden aufgefordert, diese umgehend niederzulegen. • 3. Jeder deutsche Berufsboxer ist mit sofortiger Wirkung von der weiteren Erfüllung eines mit einem Juden eingegangenen Arbeits- oder Managervertrages entbunden. • 4. Allen Juden ist das Betreten der Verbandsräume verboten. • 5. Den lizensierten technischen Leitern ist es untersagt, sich bei Ausrichtung von Box-Veranstaltungen jüdischen Kapitals oder jüdischer Personen zu bedienen. • 6. Den Verbandsmitgliedern ist verboten, jüdische Ärzte, Dentisten oder Rechtsanwälte in Anspruch zu nehmen. • 7. Nicht reichsdeutsche Mitglieder und Funktionäre sind bis auf Weiteres zu suspendieren.
Der Deutsche Ruderverband beschloss im Mai 1933, fortan ausschließlich arische Mitglieder in seine Vereine aufzunehmen • Der Deutsche Skiverband beschloss im April/Mai 1933 den Ausschluss von „Rassefremden“ aus den Vorständen der Verbände und der Vereine und sprach die Erwartung aus, dass die Neuaufnahme von „Rassefremden“ unterbleibt. • !! Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen!!! • Magistrat der Stadt Hannover verpflichtete gemäß eines Ratsbeschlusses vom 23.6.1933 alle Turn- und Sportvereine am Ort, einen Arierparagraphen in die Vereinssatzung aufzunehmen, um weiterhin städtische Zuschüsse zu erhalten.
Wie reagierten die jüdischen Sportlerinnen und Sportler auf den Ausschluss aus ihren ‚alten‘ Vereinen?
Wie gingen Vereine und Verbände nach dem erfolgten Ausschluss mit der Erinnerung an ihre ehemaligen jüdischen Mitglieder um?
Beispiel Fußballwoche Berlin Fußballwoche Juni 1933 Tabelle Kreisliga Westen […] 12. BFC Nordwest 14 - 22 13. Wacker 05 8 - 28 Fußballwoche Mai 1933 Tabelle Kreisliga Westen […] 12. BFC Nordwest 12 - 22 13. Hakoah Berlin 10 - 24 14. Wacker 05 6 - 28 • Der jüdische Klub wird einfach aus der laufenden Tabelle herausgerechnet: als ob es ihn nie gegeben hätte
Beispiel TKH-Nachrichten Hannover …ab Ausgabe 3/1933 …bis Ausgabe 1/1933
Festschriften Turnverein Lemgo Festschrift 1937 Festschrift 1932
Neu- bzw. Selbstorganisation nach dem 30. Januar 1933 November 1933 Reichssportführer von Tschammer und Osten genehmigt die Gründung jüdischer Vereine und erkennt Makkabi und Sportbund Schild als Spitzenverbände an Januar 1934 „Richtlinien für den Sportbetrieb von Juden und sonstigen Nichtariern“ Sondersituation in Bayern Jüdische Vereine durften aufgrund behördlicher Bestimmungen weder Makkabi noch dem Sportbund Schild angehören
Esens Bremerhaven Aurich Emden Leer Oldenburg Bremen Uelzen Twistringen Fürstenau Peine Braunschweig Hannover Bentheim Osnabrück Wolfenbüttel Hildesheim Hameln Stadt-oldendorf Vereine nach Verbandszugehörigkeitblau = Makkabi, rot = RjF, weiß = freie Klubs Göttingen Hann. Münden
Jüdische Vereine: Erste und letzte Nennung in Quellen <1933 1933 1934 1935 1936 1937 1938 Aurich Bentheim Braunschweig Bremen Bremerhaven Emden Esens Fürstenau Hameln Hannover Hildesheim Göttingen Leer Oldenburg Osnabrück Peine Stadtoldendorf Twistringen Uelzen Wolfenbüttel
183 jüdische Fußballvereine in Deutschland insgesamt Aufteilung nach heutigen Ländern: 52 NRW 23 Hessen 21 Frühere Ostgebiete 18 Baden-Württemberg 16 Rheinland-Pfalz 12 Bayern 9 Niedersachsen 8 Sachsen je 5 Berlin, Sachsen-A. u Thüringen 4 Hamburg 2 Bremen je 1 MV, Saarland, Schleswig-H.
Ostkreis Westkreis RjF Beuthen Meister Oberschl. 1 Endspiel, 4. September 1935 Schild Frankfurt – Schild Leipzig 3 : 2 RjF Stuttgart 15. Mai RiF Breslau Meister Schlesien 2 3 Meister Württemberg 1 RjF Breslau RjF Bruchsal Meister Baden 1 6 Schild Leipzig RjF Meiningen Meister Mitteldt.. ? 23. Juni 16. Juni, Berlin 3 0 RjF Stuttgart Schild Leipzig Schild Leipzig Meister Sachsen ? 1 3 Schild Frankfurt BSG 33 Berlin VTH Hannover Meister N‘sachsen 20. Mai 0 Schild Frankfurt Meister Südwesten 4 1 Schild Hamburg Schild Hamburg Meister Nordmark 1 RjF Bonn Meister Westen 2 1 BSG 33 Berlin BSG 33 Meister Berlin spielfrei Sportbund Schild “Playoff“- Runde um die Deutsche Meisterschaft 1934/35
Epilog: Wie gingen deutsche Turn- und Sportvereine und ihre Verbände nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer eigenen Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus um? • Das deutsche Sportgedächtnis ist hinsichtlich seiner jüdischen Wurzeln und seiner jüdischen Mitglieder gekennzeichnet durch eine über 40-jährige Kollektivamnesie • Hitlers Sportfunktionärselite und der bundesdeutsche Sport (Carl Diem, Ritter von Halt, Peco Bauwens, Guido von Megden u.a.)
Gefeiert wurden wieder ehemalige Stars der 20er und 30er Jahre wie Otto ‚Tull‘ Harder, der als Kommandant eines Außenlagers des KZ-Neuengamme und SS-Mitglied in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt war, während die Erinnerung an Gretel Bergmann, Lilli Henoch, David Prenn, die Cousins Alfred und Gustav Felix Flatow, Walter Bensemann, Julius Hirsch oder Gottfried Fuchs und den Sinto Johann Trollmann erloschen blieb.