350 likes | 841 Views
Evozierte Potentiale. Josef Zeitlhofer, Christian Wöber Univ.-Klinik für Neurologie Wien. Evozierte Potentiale Grundlagen (1). ► Evozierte Potentiale: Reizantworten, die durch externe Stimuli ausgelöst werden ► Ziel: Prüfung der Funktionsfähigkeit von Bahnsystemen im
E N D
Evozierte Potentiale Josef Zeitlhofer, Christian Wöber Univ.-Klinik für Neurologie Wien
Evozierte Potentiale Grundlagen (1) ► Evozierte Potentiale: Reizantworten, die durch externe Stimuli ausgelöst werden ► Ziel: Prüfung der Funktionsfähigkeit von Bahnsystemen im Bereich des zentralen und/oder peripheren Nervensystems ► Reizantworten: Abfolge von Wellen bestimmter Latenz, Ampli- tude und Polarität ► Visuell bzw. akustisch evozierte Potentiale (VEP bzw. AEP): visuelle bzw. akustische Reize treffen auf das periphere Sinnesorgan, Registrierung der Reizantwort über den ent- sprechenden kortikalen Zentren
Evozierte Potentiale Grundlagen (2) ► Somatosensibel evozierte Potentiale (SSEP): elektrische Stimula- tion eines peripheren Nerven (N. medianus, N. tibialis), Ablei- tung der Reizantworten über den proximalen Extremitäten, über dem Rückenmark und über dem somatosensiblen Kortex ► Motorisch evozierte Potentiale (MEP): magnetische Stimulation des motorischen Kortex und ggf. auch des Rückenmarks, Ableitung der Reizantwort von Extremitätenmuskeln (Mm. abductor digiti V, abductor hallucis; Oberflächenelektroden) ► VEP, AEP, SSEP: Mittelung einer großen Zahl (100 bis 1000) von Reizantworten ► MEP: Einzelreiz
Evozierte Potentiale Grundlagen (3) ► die frühen Reizantworten liefern reizspezifisch Informationen über die Funktion des jeweiligen Bahnsystems ► die Ergebnisse werden durch medikamentöse Einflüsse oder Vigi- lanzstörungen kaum beeinflußt ► pathologisches Ergebnis: Rückschluß, daß im Bereich der betref- fenden Bahn eine Funktionsstörung vorliegt; das Ergebnis ist allerdings ätiologisch unspezifisch ! ► Einsatz der Methoden auch bei Verdacht auf Simulation oder auf psychogene Funktionsstörung (Diskrepanz zwischen subjekti- ven Angaben und objektivem Befund)
Visuell evozierte Potentiale (VEP) Grundlagen ► Stimuli: Lichtreize (Schachbrettmuster mit Kontrastumkehr auf einem Fernsehschirm, Lichtblitze über Diodenbrille), mon- okulär angeboten; Ableitung okzipital ► Beurteilung der Leitungsbahn des primären visuellen Systems von der Retina bis zur okzipitalen Sehrinde ► Voraussetzung: Patient kooperationsbereit, -fähig (Fixieren für Musterumkehr-VEP) ► Voraussetzung: Ausschluß von Refraktionsanomalien, einer Trübung der brechenden Medien, von Erkrankungen der Retina, von Papillenveränderungen, eines Glaukoms
Visuell evozierte Potentiale (VEP) Demyelinisierende Läsionen (1) Folgen segmentaler demyelinisierender Läsionen: ► umschriebene Verlangsamung ► Leitungsblock ► „dissoziierte“ Leitungsverzögerung (im Falle einer graduell unter- schiedlichen Demyelinisierung) ► partieller Refraktärzustand (die verzögert oder verspätet fortge- leiteten Impulse werden inhibiert) ► die verzögerte Fortleitung der Impulse führt zu einer Verlängerung der Latenz der Hauptkomponente P100 (positive Welle, normal nach einer Latenz von etwa 100 msec) Ätiologie demyelinisierender Läsionen: ► in erster Linie entzündliche Erkrankungen
Visuell evozierte Potentiale (VEP) Demyelinisierende Läsionen (2) Ursachen: ► Retrobulbärneuritis (isoliert oder im Rahmen einer Multiplen Skle- rose): v.a. Verlängerung der Latenz der Komponente P100, ev. auch Abnahme der Amplitude, ev. Formveränderung (Ver- plumpung) der Potentiale; pathologische Befunde bei minde- stens 60% der Patienten mit Multipler Sklerose ► weitere entzündliche Prozesse des N. opticus: z.B. Neuro-Lues, Neuro-Borreliose, chronische inflammatorische demyelinisie- rende Polyneuropathie (CIDP), AIDS ► DD: im Rahmen primär axonaler Prozesse kann es zu einer se- kundären Demyelinisierung kommen ► DD: jeder Prozeß, der die zentralen Abschnitte der Sehbahn be- einträchtigt, kann pathologische VEP-Befunde verursachen
Visuell evozierte Potentiale (VEP) Axonale Läsionen Folgen axonaler Läsionen (Degenerationen): ► Reduktion der Amplitude, sobald mindestens 60% der Fasern be- troffen sind ► Unterbrechung der Impulsfortleitung Ursachen: ► Tumoren, die den N. II bzw. das Chiasma mechanisch komprimieren ► traumatische Läsionen ► vaskuläre Läsionen (auf ischämischer Basis) ► toxische Einflüsse (z.B. Tabak-Alkohol-Amblyopie) ► ophthalmologisch bedingte Leitungsbeeinträchtigungen ► hereditäre degenerative Erkrankungen (z.B. Friedreich-Ataxie)
Akustisch evozierte Potentiale (AEP) Grundlagen ► Stimuli: einseitig angebotene akustische Reize (z.B. Klicklaute), die 15-20 positive und negative Potentiale auslösen, die von der Kopfoberfläche abgeleitet werden können ► „frühe akustisch evozierte Potentiale“ (FAEP, „Hirnstammpotentiale“): treten reizkorreliert auf, entsprechen den Wellen I-V der AEP ► Vorteil: unabhängig von der Kooperationsfähigkeit (Anwendung auch bei Bewußtlosen, bei Kleinkindern) ► Vorteil: keine maßgebliche Beeinflussung durch Sedierung, Analge- sie oder Relaxation (Anwendung auch an Intensivstationen) ► mögliche Probleme: Hirndrucksonden, Kopfverbände, Respiratoren, Perfusoren (elektromagnetische oder mechanische Faktoren) ► Cave: Cerumen, Mittelohr-Prozesse, Innenohr-Schwerhörigkeit
Akustisch evozierte Potentiale (AEP) Störungen des Hörvermögens Objektive Hörschwellenbestimmung: ► z.B. bei Kleinkindern, bei unkooperativen Erwachsenen Lokalisationsdiagnostik von Läsionen, die eine Hörminderung verur- sacht haben: ► Cochleäre Läsionen (Innenohr-Schwerhörigkeit): Amplituden- Reduktion bzw. Ausfall der Komponente I ► retrocochleäre Läsionen (Funktionsstörung im Verlauf des N. acusticus): Veränderungen der Welle II; z.B. findet man bei Kleinhirnbrückenwinkel-Tumoren (Acusticus-Neurinomen) eine Verlängerung der Latenzen, deformierte Potentiale und ev. Amplituden-Reduktionen in diesem Abschnitt
Akustisch evozierte Potentiale (AEP) Hirnstamm-Läsionen, Hirntod-Diagnostik Hirnstamm-Läsionen: ► pathologische Veränderungen der Wellen III-V ► kein eindeutiger Rückschluß auf die Ätiologie möglich ► Multiple Sklerose, andere demyelinisierende Erkrankungen: meistens primär Verlängerung der Latenzen ► intrazerebrale Blutungen, Hirnstamminfarkte, Tumoren: eher Amplitudenreduktion, deformierte Potentiale Neuro-Monitoring, Hirntod-Diagnostik: ► bei Patienten im Bulbärhirnsyndrom können die zentralen Komponenten der FAEP nicht mehr abgeleitet werden ► Hirntod: Ausfall der zentralen Komponenten (ab Kompo- nente III)
Somatosensibel evozierte Potentiale (SSEP) Grundlagen ► Stimuli: einseitig angebotene elektrische Impulse ► Fortleitung: peripherer Nerv (i.a. N. medianus oder N. tibialis) → Plexus → Nervenwurzeln → Rückenmark (v.a. Hinter- stränge) → kontralateral gelegenes, somatotopisch ent- sprechendes sensibles Kortex-Areal ► Ableitung der evozierten Potentiale: über den Extremitäten (Plexus), über dem Rückenmark, über dem Gehirn ► pathologische Befunde: Latenz-Verlängerung, Amplituden- Reduktion, signifikante Seitendifferenzen
Somatosensibel evozierte Potentiale (SSEP) Läsionen im Bereich der peripheren Neurone Demyelinisierende Läsionen: ► können sich auch auf die SSEP auswirken (Verlängerung der Latenz) Axonale Läsionen: ► können sich auch auf die SSEP auswirken (Reduktion der Amplitude) ausgeprägte Polyneuropathien, Plexus-Läsionen: ► normale zentrale Überleitungszeiten Läsionen von Nervenwurzeln: ► Latenz-Verlängerung und Amplituden-Reduktion möglich
Somatosensibel evozierte Potentiale (SSEP) Rückenmarks-Läsionen (1) traumatisch bedingte komplette Querschnitts-Läsion: ► Bestimmung der Läsionshöhe – es werden Reize in mehreren be- nachbarten Dermatomen gesetzt; Reize, die kaudal der Läsion gesetzt werden, können nicht nach kranial fortgeleitet werden traumatisch bedingte inkomplette Querschnitts-Läsion: ► v.a. Reduktion der Amplitude, Latenzen unauffällig oder ev. ver- längert intraspinale Tumoren, Syringomyelie, operative Läsionen: ► v.a. Reduktion der Amplitude, ev. deformierte Potentiale
Somatosensibel evozierte Potentiale (SSEP) Rückenmarks-Läsionen (2) Multiple Sklerose: ► v.a. Verlängerung der Latenzen bzw. der zentralen Leitungszeit Operative Eingriffe im Bereich Wirbelsäule / Rückenmark: ► intraoperatives Monitoring der sensiblen Leitungsfunktionen
Somatosensibel evozierte Potentiale (SSEP) Gehirn-Läsionen, Hirntod-Diagnostik Gehirn-Läsionen: ► Hirnstamm-Läsionen führen meistens v.a. zu einer Amplituden- Reduktion ► Myoklonus-Epilepsie: charakteristische Zunahme der Amplitude der SSEP („Riesen-SSEP“) ► prächirurgische Epilepsie-Diagnostik: exakte topographische Vermessung des Kortex und funktionell wichtiger Areale Neuro-Monitoring, Hirntod-Diagnostik: ► komatöser Patient, beidseits fehlende kortikale Komponenten (bei erhaltenen spinalen Antworten): Prognose infaust ► Hirntod: Ausfall der kortikalen Antworten (beidseits)
Motorisch evozierte Potentiale (MEP) Grundlagen ► transkranielle Stimulation des Kortex mittels Magnetpulsgene- rator („kortikale Magnetstimulation“) ► Fortleitung: Kortex → zentrales motorisches Neuron → peri- pheres motorisches Neuron → Muskel ► Ableitung der Reizantworten: über der Muskeloberfläche (nicht invasiv) ► aus der Gesamtleitzeit (Kortex – Muskel) wird durch die Be- stimmung der peripheren Leitzeit (mittels F-Wellen-Latenz) die zentrale Leitzeit (Kortex – Rückenmark) errechnet ► Beurteilung der Funktion der Pyramidenbahn
Motorisch evozierte Potentiale (MEP) Gefahren und Kontraindikationen Die Ableitung motorisch evozierter Potentiale ist kontraindiziert ► bei Patienten mit intrakraniellen ferromagnetischen Metallen ► bei Patienten mit Herzschrittmachern ► bei Patienten mit Epilepsien
Motorisch evozierte Potentiale (MEP) Läsionen des zentralen motorischen Neurons ► verlängerte zentrale motorische Leitungszeit: spricht für eine Funk- tionsbeeinträchtigung des zentralen motorischen Neurons, der Befund ist allerdings ätiologisch unspezifisch ► demyelinisierende Erkrankungen: oft verlängerte zentrale motori- sche Leitungszeit ► degenerative Systemerkrankungen, die das zentrale motorische Neuron mitbetreffen (z.B. spastische Spinalparalyse, Fried- reich-Ataxie): ebenfalls ► vaskulär bedingte Läsionen: Aussagewert begrenzt ► intraoperatives Monitoring der motorischen Leitungsfunktionen während operativer Eingriffe im Bereich Wirbelsäule / Rücken- mark ► intraoperative direkte Stimulation von Nervenwurzeln