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Einführung in das Individualarbeitsrecht. Albert Scheiblauer. Übersicht 1. Einheit. Stufenbau der Rechtsordnung Zentrale Begriffe des Arbeitsrechts Dienstnehmer, freie Dienstnehmerin, Werkvertrag. Stufenbau der Rechtsordnung. Unionsrecht. Verfassungsrecht. Zwingende Gesetze.
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Einführung in das Individualarbeitsrecht Albert Scheiblauer
Übersicht 1. Einheit • Stufenbau der Rechtsordnung • Zentrale Begriffe des Arbeitsrechts • Dienstnehmer, freie Dienstnehmerin, Werkvertrag
Stufenbau der Rechtsordnung Unionsrecht Verfassungsrecht Zwingende Gesetze Verordnungen Kollektivverträge, Satzungen Betriebsvereinbarungen Individualvereinbarungen Nachgiebiges Recht Weisungen des Arbeitgebers
Verdrängungsregeln • Norm höherer Stufe schlägt Norm niederer Stufe • Bei Gleichrangigkeit:Spezialnorm schlägt Generalnorm!Später erlassene Norm verdrängt frühere Norm!
Beispiele • Generalnormen:ABGB; StGB • Spezialnormen:AngG ist Spezialnorm für Angestellte zum ABGBGeWO ist Spezialnorm für Arbeiter zum ABGB
Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht • Stufenbau der Rechtsordnung wird durchbrochen, wenn die „niedrigere“ Norm für den Arbeitnehmer günstiger ist. • Günstigkeitsvergleich ist anzustellen
Beispiele • Ein Kollektivvertrag spricht von einer zweiwöchigen Kündigungsfrist. Ein Einzelvertrag von drei Wochen. Wie ist die Rechtslage?
Beispiele • Das Angestelltengesetz regelt die Kündigungsfrist im §20 AngG. Das ABGB sieht eine zweiwöchige Kündigungsfrist vor. Wie ist die Rechtslage? • Variante: Was gilt, wenn die Regelung des § 20 AngG gegen EU-Recht verstößt?
Beispiel • Ein Kollektivvertrag sieht die Auszahlung eines 13. und 14. Lohnes vor. Der 13. wird im Juli, der 14. im November ausgezahlt. Dienstnehmer A erhält einen Dienstvertrag vorgelegt, der die Auszahlung des 13. und 14. zusammen im August vorsieht. Wie ist die Rechtslage?
Beispiel • Ein Dienstnehmer vereinbart mit dem Dienstgeber, dass er an Stelle des 14. Gehaltes 5 Urlaubstage mehr erhält. Dies ist dem Dienstnehmer lieber, da Freizeit unbezahlbar ist. • Wie ist die Rechtslage?
Zentrale Begriffe I • Rechtsnorm: Bestimmung mit Rechtscharakter • Vertrag: eine von zwei oder mehreren Rechtspersonen getroffene Willensübereinkunft • Arbeitsverhältnis: ein auf Dauer abgeschlossenes Schuldverhältnis.Beispiel: • A verpflichtet sich für B drei Monate lang zu arbeiten.
Zentrale Begriffe II • Dauerschuldverhältnis: ein auf Dauer abgeschlossenes Vertragsverhältnis. Geschuldet wird die Erbringung einer Leistung für eine bestimmte Zeit. • Man unterscheidet zwischen befristeten und unbefristeten Dauerschuldverhältnissen.
Zentrale Begriffe III • Zielschuldverhältnisgeschuldet wird die Erbringung eines bestimmten Erfolges.Beispiel:Tischler A verpflichtet sich bis Ende November einen Tisch für B herzustellen.
Zentrale Begriffe IV • Kollektivvertrag: ein von den Sozialpartnern ausverhandelter Vertrag zur Regelung bestimmter arbeits- und sozialrechtlicher Sachverhalte für bestimmte Berufsgruppen. • Sozialpartner:Die durch Rechtsnorm zur Vertretung von Dienstnehmer und Dienstgeber berufenen Rechtspersönlichkeiten
Zentrale Begriffe V • Kündigung: eine einseitige Willenserklärung eines Vertragsteils zur Beendigung des Vertrages. Beendigung ist an Frist gebunden. • Einvernehmliche Auflösung:beide Vertragspartner beenden ein Arbeitsverhältnis durch Einigung.
Zentrale Begriffe VI • Entlassung: eine sofortige Beendigung des DV durch den Arbeitgeber auf Grund eines vom Gesetz festgeschriebenen Entlassungstatbestandes • Vorzeitiger Austritt: sofortige Beendigung des DV durch den Arbeitnehmer auf Grund eines vom Gesetz dazu berechtigenden Grundes.Achtung: kann auch unberechtigt sein
Historische Entwicklung Ab Mitte 19 Jhdt: verbandsweise Einigungen auf betrieblicher Ebene (keine rechtliche Bindung) Meilensteine: • 1867: Grundrecht auf Vereinsfreiheit • 1870: Koalitionsgesetz: Aufhebung der Strafandrohung für Verabredungen und Streiks • 1896: Erster Kollektivvertrag (Buchdrucker) • Betriebsrätegesetz 1919 • Gesetz über die Einrichtung der Einigungsämter und über kollektive Arbeitsverträge 1920, AK-Gesetz 1920
Historische Entwicklung Rückschlag für Interessensvertretung: • Mit Änderung der Staatsform in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhundert und der nachfolgenden NS-Herrschaft: Abschaffung einer demokratischen Interessensvertretung Arbeitsbedingungen werden staatlich vorgegeben
Historische Entwicklung Nach 1945: • Wiedereinführung des AK-Gesetzes 1945 • KV-Gesetz 1947 • Betriebsräte-Gesetz 1947 • Art 11 EMRK: Recht auf Bildung von Gewerkschaften zum Schutz von Interessen • ARBEITSVERFASSUNGS-GESETZ (ArbVG) 1974 Bildet auch die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit des BR !
Betrieb 1 Betrieb 2 Betrieb 3 Unternehmen 1 Unternehmen 2 Konzern
Betrieb 1 Betrieb 2 Betrieb 3 Betriebsrat Betriebsversammlung Betriebsrat Betriebsversammlung Betriebsrat Betriebsversammlung Zentralbetriebsrat Zentralbetriebsrat Unternehmen 1 Unternehmen 2 Konzernvertretung Konzern
Betrieb 1 Betrieb 2 Betrieb 3 Der Betrieb
Werkvertrag I • Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Werkunternehmer für den Werkbesteller ein bestimmtes Werk zu vollbringen. • Der Werkunternehmer kann sich durch andere vertreten lassen. • Der Werkvertrag ist jedenfalls als selbstständige Tätigkeit zu verstehen.
Werkvertrag II • Geschuldet wird ein Ziel. (Zielschuldverhältnis), also die Erbringung eines bestimmten Werkes. • Werkverträge unterliegen den arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften NICHT!
Dienstverhältnis I • Wer ist Dienstnehmer?Dienstnehmer sind Personen, die ein Dienstverhältnis eingehen. Sie verpflichten sich zur persönlichen Arbeitsleistung für einen Dienstgeber.Es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis.
Was wird geschuldet? • Geschuldet wird die Erbringung der persönlichen Arbeitsleistung, kein bestimmter Erfolg. • Es genügt ein ernsthaftes Bemühen. Dieses muss nach subjektiven Maßstaben beurteilt werden.
Merkmale des Dienstverhältnisses • Persönliche Erbringung der Arbeitsleistung. • Weisungsgebundenheit. • Einbindung in die Organisation des Dienstgebers. • Keine freie Arbeitszeiteinteilung.
Freier Dienstvertrag • Merkmale:Die wichtigsten Merkmale eines freien Dienstvertrages sind: • geringe oder keine persönliche Abhängigkeit • Freie Dienstnehmer können sich in der Regel vertreten lassen
Fortsetzung • sie sind nicht in die Organisation des Betriebes eingegliedert • sie können eigene Arbeitsmittel verwenden • sie übernehmen keine Erfolgsgarantie • sie werden normalerweise nach Stunden bezahlt
Unterscheidung zum echten Dienstvertrag • Beim freien Dienstvertrag gibt es keine oder nur eine sehr geringe „persönliche Abhängigkeit“ (keine Bindung an Arbeitszeit, an Weisungen etc). • Das Arbeitsrecht und seine Schutzbestimmungen (5 Wochen bezahlten Mindesturlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit usw.) gelten für Sie nicht.
Fortsetzung • Es gibt keinen Mindestlohntarif, Kollektivvertrag etc., auf den Sie sich berufen können, wenn Ihnen die Bezahlung zu gering erscheint. • Sie müssen Ihr Einkommen selbst versteuern
Argumentationen • Lehrer bietet DL an • Lernunterlagen nicht so relevant, auch wenn das für Arbeitsvertrag sprichtKrankenstandsvertretung selbst – gegen Arbeitsvertrag • Arbeitsvertrag, musste sich Betrieb in jeder Form beugen, zu niedrig eingestuft, Urlaubsvertretung muss der Firma bekannt sei
Argumente • Freier DV, weil Urlaub selber eintragen (3 Monate!) • Werkvertrag: Ziel vorgegeben, freie Zeiteinteilung, zur Verfügung gestellte Arbeitsmittel • Verfehlungen haben Konsequenzen zur Folge
Vorschau 2. Einheit • Dienstverhältnisse zu Körperschaften öffentlichen Rechts • Dienstvertrag, Dienstzettel • Angestellte und Arbeiterin
Angestellte gem. AngG • Gem. §2 AngG sind Angestellte Personen, die im Geschäftsbetriebes eines Kaufmannes • Kaufmännische Tätigkeit oder höhere nichtkaufmännische Tätigkeit verrichten. • Die in §2 Abs. 1. Z1 – 9 beschriebenen Berufsbilder und –sparten.
Angestellte durch Vertrag • Auch Dienstnehmerinnen denen keine Angestellteneigenschaft zukommt, können durch vertragliche Vereinbarung Angestellte sein. • Sie unterliegen dann den Regeln des AngG
Kaufmännische Tätigkeit • Hier stellt das AngG auf den Begriff des Handelsgehilfen ab. • Sind zur Leistung kaufmännischer Tätigkeit verpflichtete angestellte Dienstnehmer.
Höhere nichtkaufmännische Tätigkeit • Hochqualifizierte manuelle und geistige nichtkaufmännische Tätigkeit • Die nicht ohne Weiteres von einem anderen gemacht werden kann und für die jedenfalls Vorkenntnisse notwendig sind. • Z.B. Ing.-Tätigkeiten, technisches Studium, langjährige Berufspraxis
§8 Abs. 3 AngG • Bezahlte Dienstabwesenheit aus persönlichem, wichtigem Grund • Auffangtatbestand; sehr weite Auslegung • Richtwert bis zu einer Woche, Einzelfallprüfung! • Großer Vorteil für Angestellte!
Arbeiter • Wer nicht Angestellte ist, ist Arbeiterin. • Gesetzliche Regelungen: ABGB und GeWO 1859
Vorteile des Angestelltenverhältnisses • Längere Kündigungsfristen. • §8 Abs. 3 AngG • Vorteile bei der Entgeltfortzahlung
Übungsbeispiele • Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei, der Haustechniker ist. Arbeiter oder Angestellter? • Leiter einer kleinen KFZ-Werkstatt? Arbeiter oder Angestellter? • Außendienstmitarbeiter, der Whirlpools serviciert, aber auch Skonti auf Ersatzteile einräumen darf? Arbeiter oder Angestellter …