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Steuerlehre II (Abgabenordnung und Umsatzsteuer) . Veranstaltungsinformationen.
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Steuerlehre II Veranstaltungsinformationen • Die Vorlesungsfolien geben den prüfungsrelevanten Stoff lediglich in Stichworten wieder. Sie verdeutlichen die Struktur der Veranstaltung und reduzieren den Umfang der Mitschrift in der Vorlesung, sie sind aber kein Ersatz für den Besuch der Veranstaltung und das Studium der gesetzlichen Regelungen. • Der prüfungsrelevante Stoff ergibt sich aus der angegebenen Literatur sowie den Erläuterungen in der Vorlesung. • Rechtsstand: Die Folien entsprechen dem Rechtsstand 2011. • Auf Gesetzesänderungen wird in der Vorlesung hingewiesen. • Prüfung • im Rahmen des Moduls Institutionelle Rahmenbedingungen • schriftliche Prüfung, 1 Zeitstunde • Benotung zusammen mit den anderen Veranstaltungen des Moduls Institutionelle Rahmenbedingungen
Steuerlehre II Veranstaltungsinformationen • Zugelassene Hilfsmittel: • Beck´sche Textausgaben: Aktuelle Steuertexte (aktuelle Ausgabe) • oder • Besch´sche Textausgaben: Steuergesetze I, Textsammlung aktuelle Stand (Loseblattsammlung) • oder • NWB-Textausgabe: Wichtige Steuergesetze mit Durchführungsverordnung (aktuelle Ausgabe) • geräuschloser, nicht programmierbarer Taschenrechner • Bitte beachten Sie bereits während der Klausurvorbereitung: • Gesetztes- und Verordnungstexte sind nur ohne handschriftliche Zusätze zulässig; also unkommentiert. • Allein Unterstreichungen und farbliche Markierungen sind zulässig! • Die Markierung einzelner Paragraphen mit Klebezetteln, sowie Paragraphenverweise sind nicht gestattet.
Steuerlehre II Veranstaltungsinformationen • Auswahl an Lehrbüchern: • Bornhofen, „Steuerlehre 1 Rechtslage 2011“, 32. Auflage, 2011, Gabler Verlag, ca. € 19,90 • Stobbe, „Steuern kompakt“, 10. Auflage, 2011, Verlag Wissenschaft & Praxis, ca. € 10,00 • Grefe, „Unternehmenssteuern“, 14. Auflage, 2011, Kiehl Verlag, ca. € 30,00 • Warsönke, „Abgabenordnung leicht gemacht“, 3. Auflage, 2010, Ewald v. Kleist, ca. € 10,90 Wegen der ständigen Änderung des Steuerrechts ist darauf hinzuweisen, dass sinnvoller Weise nur mit Lehrbüchern der aktuellen Auflage gearbeitet wird, da nur diese den aktuellen Rechtsstand enthalten können.
Steuerlehre II Ziele der Veranstaltung • Vermittlung der Grundzüge der Abgabenordnung (Verfahrensrecht) • Steuerverwaltungsakt • Fristen • Ermittlungsverfahren • Festsetzungs- und Feststellungsverfahren • Bekanntgabeverfahren • Erhebungsverfahren • Rechtsbehelfsverfahren • Straf- und Bußgeldverfahren • Vermittlung der Grundzüge der Umsatzsteuer • Einordnung der Umsatzsteuer • Steuerbare Lieferungen und sonstige Leistungen • Steuerbare Einfuhr • Steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb • Steuerbefreiungen und Vorsteuerabzug • Bemessungsgrundlage und Steuersatz • Besteuerungsverfahren, Steuerfestsetzung und Erhebung
Steuerlehre II Gliederung A. Abgabenordnung B. Umsatzsteuer
Steuerlehre II Inhaltsübersicht • A. Abgabenordnung • 1. Abgabenordnung allgemein • 1.1. Einführung • 1.2. Ablauf des Besteuerungsverfahrens • Zuständigkeit der Finanzbehörden • Steuerverwaltungsakt • 4. Fristen • 4.1. Begriffe • 4.2. Arten der Fristen • 4.3. Berechnung der Fristen • 4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand • 4.5. Folgen der Fristversäumnis • 4.5.1. Verspätungszuschlag • 4.5.2. Säumniszuschlag • 4.5.3. Zinsen • 4.5.4. Zwangsgelder • 4.5.5 Verzögerungsgeld • 5. Ermittlungsverfahren 6. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren 6.1. Grundzüge des Festsetzungs- und Feststellungsverfahrens 6.2. Nicht endgültige Steuerfestsetzung 6.3. Festsetzungsverjährung bei Steuern 6.4. Berichtigung von Steuerbescheiden 6.4.1. Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten 6.4.2. Aufhebung oder Änderung fehlerhafterendgültiger Steuerbescheide 6.4.3. Aufhebung oder Änderung v. Steuer-bescheiden wg. neuer Tatsachen/Beweis-mittel 6.4.4. Fälle 7. Erhebungsverfahren 8. Rechtsbehelfsverfahren 8.1. Außergerichtliche Rechtsbehelfs-verfahren 8.2. Gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren
Steuerlehre II Inhaltsübersicht 9. Straf- und Bußgeldverfahren 9.1. Steuerstraftaten und Steuermaße 9.2. Steuerordnungswidrigkeiten 9.3. Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung und leichtfertiger Steuerverkürzung
Steuerlehre II Gliederung A. Abgabenordnung B. Umsatzsteuer
Steuerlehre II A 1. Abgabenordnung allgemein1.1. Einführung Warum Abgabenordnung ? Grundlegendes Gesetz für das deutsche Steuerrecht, regelt alle grundsätzlichen Fragen für die verschiedenen Steuerarten, wie Begriffsbestimmungen, Zuständigkeit der Finanzbehörden, Steuergeheimnis, Steuerschuldverhältnis, Haftung, Verfahrensgrundsätze, Steuerbescheide, Durchführung der Besteuerung, Erhebungsverfahren, Vollstreckung, außergerichtliche Rechtsbehelfe, Straf- und Bußgeldvorschriften. Im Jahr 1977 wurde die bis dahin geltende Reichsabgabeordnung von 1919 und einen erheblichen Teil ihrer Nebengesetze durch die neue Abgabenordnung ersetzt. Die Abgabenordnung soll sicherstellen, dass das materielle Steuerrecht gleichmäßig und dem Gesetz entsprechend, zugleich aber möglichst unbürokratisch und unter Beachtung rechtsstaatlicher Erfordernisse angewendet werden kann. Sie gilt als Rahmengesetz für das gesamte Steuer- und Zollrecht, das Abschöpfungsrecht und den Bereich der Steuervergünstigungen (zum Beispiel Investitionszulagen), die durch Bundes-Abkommensrecht oder Recht der Europäischen Union (EU) definiert und von Bundes- oder Landesbehörden verwaltet werden. Außerdem gelten ihre Bestimmungen auch in Bezug auf Kommunalabgaben (zum Beispiel Erschließungs-, Rohrnetzkostenbeiträge usw.), soweit die Kommunalabgabengesetze der Bundesländer auf einzelne Bestimmungen der Abgabenordnung verweisen. Fazit: Jeder muss sich im geschäftlichen und privaten Bereich mit der Abgabenordnung auseinander setzen.
Steuerlehre II A 1. Abgabenordnung allgemein1.1. Einführung Geltungsbereich der Abgabenordnung Abgabenordnung BewG GewSt ErbSt ESt KSt USt
Steuerlehre II A 1. Abgabenordnung allgemein1.1. Einführung Zwecke, Funktionen und Aufbau der Abgabenordnung Zwecke • Entlastung der Einzelgesetze AO enthält Vorschriften, die bei der Ermittlung, Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung für alle einzelnen Steuergesetze gelten • Vereinheitlichung des Steuerrechts Mantelgesetz kein Einzelsteuergesetz ist alleine anwendbar: • AO enthält allgemeine Regeln für alle Steuergesetze Funktionen • Regelung von verfahrensrechtlichen Vorschriften zum Entstehen und Erlöschen von Steueransprüchen, z.B. • - Steuerfestsetzung durch Bescheide • - Verjährung von Ansprüchen zum Rechtsbehelfsverfahren • - Einspruch zu den Änderungsmöglich- keiten von Steuerbescheiden • - Korrekturvorschriften Aufbau • Grundlage für den Aufbau der AO ist der Ablauf des Besteuerungsverfahrens Gliederung in 9 Teile
Steuerlehre II A 1. Abgabenordnung allgemein1.2. Ablauf des Besteuerungsverfahrens Ermittlungsverfahren § 134 ff. AO Steuererklärung Steueranmeldung Festsetzungs- und Feststellungsverfahren § 155 ff. AO Bekanntgabeverfahren § 122 ff. AO Steuerbescheid Berichtigungsverfahren Rechtsbehelfsverfahren Erhebungsverfahren § 218 ff. AO Vollstreckungsverfahren § 249 ff. AO
Steuerlehre II A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden Bei den Zuständigkeitsregeln wird unterschieden zwischen Sachliche Zuständigkeit § 16 AO Bestimmt den Aufgabenbereich einer Behörde. Sachlich zuständig für die Verwaltung der Steuern sind die Finanzbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden, z.B. Für den Erlass von Einkommensteuerbescheiden die Finanzämter: § 17 FVGWelches der Finanzämter im Einzelfall konkret zuständig ist, ergibt sich erst aufgrund der örtlichen Zuständigkeit. Entscheidungen einer sachlich nicht zuständigen Behörde sind fehlerhaft [§ 130 Abs. 2 Nr. 1 AO] Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Verwaltungsakts z.B. nach §§ 130, 131 AO nichtig [§ 125 Abs. 1 AO] nur bei besonders schwerwiegenden Fehlern ist der Verwaltungsakt ganz oder teilweise unwirksam • Örtliche Zuständigkeit §§ 17- 29 AO • Regelt die Aufgabenverteilung der sachlich zuständigen Behörde in räumlicher Hinsicht: Welches der Finanzämter ist zuständig? • Zwei Zuständigkeitszuordnungen • sind zu unterscheiden: • Örtliche Zuständigkeit nach der Steuerart • ESt • KSt • USt • Realsteuern Örtliche Zuständigkeit nach der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungs-grundlagen
Steuerlehre II A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden Örtliche Zuständigkeit nach Steuerart * nur Steuermessbetrag
Steuerlehre II A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden Örtliche Zuständigkeit nach der Steuerart • Einkommensteuer natürlicher Personen [§ 19 (1) AO] • Wohnsitzfinanzamt • Wohnsitz [§ 8 AO] - objektiv zum Wohnen geeignete Räume - Innehaben bedeutet, dass tatsächlich darüber verfügt wird - An- und Abmeldung beim Ordnungsamt sind Indizien für den Wohnsitz des Steuerpflichtigen • Gewöhnlicher Aufenthalt [§ 9 AO] - Zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten - Kurzfristige Unterbrechungen sind unbeachtlich • Umsatzsteuer [§ 21 AO] • Inländische Unternehmer: • Betriebsfinanzamt • Ausländische Unternehmer, die im Inland steuerpflichtig sind • Zentralfinanzamt • z.B.für Unternehmer aus Belgien: FA Trier • Natürliche Person (Nichtunternehmer) Wohnsitzfinanzamt [siehe § 19 (1)] • z.B. beim Erwerb neuer Fahrzeuge • Realsteuern [§ 18 AO] • Gewerbesteuer (Gemeindesteuer) • - Festsetzung und Zerlegung des • Gewerbesteuermessbetrages • Betriebsfinanzamt . • - Gewerbesteuerbescheid • Grundsteuer (Gemeindesteuer) • - Festsetzung und Zerlegung des • Grundsteuermessbetrages • Lagefinanzamt • - Grundsteuerbescheid • Körperschaftsteuer juristischer Personen [§ 20 AO] • Geschäftsleitungsfinanzamt • Geschäftsleitung [§ 10 AO] - wo der für die Geschäftsleitung maßgebende Wille gebildet wird - i.d.R. die Büroräume des Unternehmens • Sitz des Unternehmens [§ 11 AO] • - Sitz: An dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder • Satzung bestimmt ist
Steuerlehre II A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden Örtliche Zuständigkeit nach gesonderter und einheitlicher Feststellung v. Besteuerungsgrundlagen • Steuern werden in einem Steuerbescheid festgesetzt [§ 157 (1) AO]. • Bestimmte Besteuerungsgrundlagen werden in einem Feststellungsbescheid gesondert festgestellt [§ 179 (1), § 180 AO]. • Sind mehrere Personen an einer Besteuerungsgrundlage beteiligt, so wird die gesonderte Feststellung gegenüber den Beteiligten einheitlich vorgenommen (gesonderte und einheitliche Feststellung) [§ 179 (2) S. 2 AO]. • Die gesonderte Feststellung in einem Feststellungsbescheid ist zweckmäßig, wenn sie für mehrere Steuerbescheide von Bedeutung ist, weil sonst die Besteuerungsgrundlagen für jeden Steuerbescheid erneut ermittelt und festgesetzt werden müssten. • Nach § 180 AO werden gesondert festgestellt: • Die Einheitswerte nach Maßgabe des BewG [§ 180 (1) Nr. 1 AO], z. B. für Grundstücke • Die ESt- und KSt-pflichtigenEinkünfte und mit diesen im Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlagen, wenn mehrere Personen daran beteiligt sind [§ 180 (1) Nr. 2a AO] • Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder freiberuflicherTätigkeit, wenn das für die Feststellung der Einkünfte zuständige Finanzamtnicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist [§ 180 (1) Nr. 2b]. • Örtliche Zuständigkeit für die Feststellungen nach § 180: • Für Gewinneinkünfte § 18 (1) Nr. 1 bis 3 AO • - Lage-, Betriebs- bzw. Tätigkeitsfinanzamt • Für Überschusseinkünfte: § 18 (1) Nr. 4 AO • - Verwaltungsfinanzamt Lagefinanzamt - Einheitswert der Grundstücke [§ 180 (1) Nr. 1 i.V.m. § 19 (1) BewG] - Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft [§ 180 (1) Nr. 2a u. 2b AO] Betriebsfinanzamt Gewinn aus Gewerbebetrieb [§ 180 (1) Nr. 2a u. 2b AO] Tätigkeitsfinanzamt Einkünfte aus selbständiger Arbeit [§ 180 (1) Nr. 2a u. 2b AO] Verwaltungsfinanzamt - Einkünfte aus Kapitalvermögen [§ 180 (1) Nr. 2a AO]- Einkünfte aus Ver- mietung und Verpachtung [§ 180 (1) Nr. 2a AO]
Steuerlehre II A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden Fall 1: Der ledige Steuerberater C wohnt in Mannheim in einem eigenen Einfamilienhaus und betreibt seine Kanzlei mit fünf Mitarbeitern in Mannheim in eigenen Büroräumen. Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig? Fall 2: Der ledige Steuerberater C wohnt in Mannheim in einem eigenen Einfamilienhaus und betreibt seine Kanzlei mit fünf Mitarbeitern in Ludwigshafen in eigenen Büroräumen. Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig? Fall 3: Der ledige Steuerberater C wohnt in Mannheim in einem eigenen Einfamilienhaus und betreibt die Kanzlei in Form einer BGB-Gesellschaft mit dem in Heidelberg wohnenden D in Ludwigshafen in angemieteten Büroräumen. Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig? Fall 4: B, der in Mannheim wohnt, gehört zur Erbengemeinschaft S, die Eigentümerin eines in Würzburg gelegenen Mietwohngrundstückes ist. Die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft wohnen in Heidelberg. Die Verwaltung des Mietwohngrundstückes obliegt einem Immobilienbüro in Stuttgart. Darüber hinaus ist B an der gewerblich tätigen ABC OHG beteiligt, die in Karlsruhe die Betriebsräume hat. Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig?
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt • Steuern werden von den Finanzbehörden grundsätzlich durch Steuerbescheide festgesetzt [§ 155 (1) S. 1 AO]. • Steuerbescheide sind (Steuer-) Verwaltungsakte [§ 155 (1) S. 2 AO]. • Unter einem Verwaltungsakt versteht man jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist [§ 118 Satz 1 AO]. • Diese Gesetzesdefinition enthält folgende Begriffsmerkmale: • Es muss sich um eine (finanz-) behördliche Maßnahme handeln, • Willensäußerung einer Finanzbehörde • auf Rechtsfestsetzung oder Rechtsgestaltung gerichtet • häufig auch als Bescheide bezeichnet • zur Regelung eines Einzelfalles, • Eingriff in die Rechtsverhältnisse einer einzelnen Person oder Personengruppe • auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (Steuerrecht), • eine behördliche Maßnahme aufgrund von steuerrechtlichen Vorschriften • keine zivilrechtliche Maßnahme des Finanzamtes • mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen. • der Steuerpflichtige muss unmittelbar in seinen Rechten und Pflichten berührt sein
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt S t e u e r v e r w a l t u n g s a k t e begünstigende Steuerverwaltungsakte belastende Steuerverwaltungsakte .. sind Verwaltungsakte, die für einen Steuerpflichtigen ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründen oder bestätigen [§ 130 (2) AO]. Beispiele: Fristverlängerung [§ 109 AO] Gewährung von Buchführungs-erleichterungen [§ 148 AO] Steuerstundung [§ 222 AO] Steuererlass [§ 227 AO] .. sind Verwaltungsakte, die für den Steuerpflichtigen einen Nachteil begründen. Beispiele: Steuerbescheid [§ 155 AO] Aufforderung zur Buchführung [§ 141 (2) AO] Prüfungsanordnung [§ 196 AO] Pfändung [§ 281 AO]
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt Voraussetzung für das Wirksamwerden eines Verwaltungsaktes • Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird [§ 124 (1) AO] • Bekanntgabe bedeutet, dem Beteiligten, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Möglichkeit zu verschaffen, von dem Inhalt des Verwaltungsakts Kenntnis zu nehmen. • Bis zur Bekanntgabe ist ein Verwaltungsakt nur ein behördeninterner Vorgang ohne Wirkung für den Betroffenen. • Vorraussetzung für die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes: (1) Inhaltlich hinreichende Bestimmung des Verwaltungsaktes [§ 119 (1) AO] und • Bekanntgabedes Verwaltungsaktes [§ 124 (1) AO] • Deshalb ist beim Erlass von schriftlichen Verwaltungsakten festzulegen, • an wen er sich richtet (Inhaltsadressat bzw. Steuerschuldner [§§ 37, 43 AO]), • wem er bekannt gegeben werden soll (Bekanntgabeadressat [§ 122 (1) AO]), • welcher Person er zu übermitteln ist (Empfänger [§ 80 AO], z.B. Steuerberater) und • ob eine besondere Form der Bekanntgabe erforderlich oder zweckmäßig ist. Beispiel: Der Steuerinspektor Willig fertigt einen ESt-Bescheid für den Steuerpflichtigen Silbermann aus. Aus Versehen bleibt der Steuerbescheid in der Steuerakte liegen. → Er wird nicht wirksam, weil er nicht bekannt gegeben wurde.
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt Fall: Max Müller (acht Jahre) hat Kapitalvermögen geerbt und dadurch erhebliche Einkünfte. Seine Eltern (Hans und Erna) haben einen Steuerberater (Dr. Kaiser) mit der Wahrnehmung der steuerlichen Interessen des Max beauftragt (§ 80 AO) und ihn zum Empfangsbevollmächtigten bestellt. Die schriftliche Empfangsvollmacht liegt dem Finanzamt vor. Aufgabe: a) Wer ist materieller Adressat (Inhaltsadressat)? b) Wer ist formeller Adressat (Bekanntgabeadressat)? c) Wem wird der Steuerbescheid zugestellt (Empfänger)?
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt Lösung: Materieller Adressat (Inhaltsadressat) ist ................................ . Er ist Steuerschuldner. Sein Name muss im Bescheidkopf genannt werden. Formeller Adressat (Bekanntgabeadressat) sind ............................... (§ 34 (1) AO). Ihre Namen sowie das Vertretungsverhältnis müssen ebenfalls im Bescheid aufgeführt werden. Empfänger ist ............................. Sein Name ist im Anschriftfeld anzugeben. Postalisches Anschriftenfeld ..................... Postfach 1176 68165 Mannheim Bescheidkopf: ...................... Blumenweg 17 68165 Mannheim Bescheid für: ......................................................................................................................, Blumenweg 17, 68165 Mannheim
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt Formen der Bekanntgabe schriftlich mündlich elektronisch konkludent (schlüssiges Verhalten) § 122 (2) – (5) AO nennt vier Formen für die Bekanntgabe schriftliche Bestätigung, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffenen dies unverzüglich verlangt (§ 119 (2) S. 2 AO) Übermittlung per Post § 122 (2) AO mittels gewöhnlichem Brief Bekanntgabefiktion: a) im Inland: am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post b) im Ausland: einen Monat nach Aufgabe zur Post. Besonderheiten: 1) Fällt der Bekanntgabetag auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so verlängert sich die Bekanntgabefiktion auf den nächsten Werktag (AEAO zu § 108 AO). 2) Bekanntgabefiktion gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Behörde muss Zugang nachweisen. Elektronische Übermittlung § 122 (2a) AO Bekanntgabe-fiktion: am 3. Tag nach Absendung. Besonderheiten: siehe 1) und 2) „Übermittlung per Post“. Öffentliche Bekanntgabe § 122 (3) AO a) Möglich, wenn dies durch Rechtsvorschriftzugelassen ist. b) Allgemeinverfügung sind z.B. Öffentliche Aufforderung zur Abgabe der Steuerer- klärung § 149 (1) S. 3 AO c) Die öffentliche Bekanntgabe von Einzelverwaltungs- akten hat in der Praxis eine geringe Bedeutung. (Ausnahme: Adresse nicht bekannt) • Zustellung § 122 (5) AO • Förmliche Übergabe eines Schriftstückes in der gesetzlich vorgeschrieb-enen Art und Weise. • Rechtsgrundlage: Verwaltungszustellungs- gesetz • nur erforderlich wenn gesetzlich vorgeschrieben oder behördlich angeordnet. • Zustellungsarten (Post): • a) Postzustellungs- urkunde • b) Einschreiben (§7 VwZG) ; Zweck: Eindeutiger Nachweis!
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt Rechtswirkungen und Nichtigkeit eines bekannt gegebenen Verwaltungsaktes • Ein Verwaltungsakt ist mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird [§ 124 (1) S. 2 AO] • Ein Verwaltungsakt bleibt nach der Bekanntgabe so lange und so weit wirksam, als er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben, durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist [§ 124 (2) AO]. • An den bekannt gegebenen Verwaltungsakt sind das Finanzamt und der Steuerpflichtige gebunden, falls • keine Korrekturvorschrift zur Anwendung kommt z.B. die §§ 130, 131 AO bzw. §§ 172 ff. AO • oder der Steuerpflichtige nichts gegen den Steuerbescheid unternimmt z.B. Einspruch einlegt. • Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam [§ 124 (3) AO]. • Ein Verwaltungsakt ist nur nichtig, wenn er einen besonders schweren und offenkundigenFehler enthält [§ 125 (1) AO]. Ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet keine Rechtswirkung. z.B. die telefonische Bekanntgabe des Steuerbescheids [§ 157 (1) AO] • Ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines offenkundigen Fehlers ist ein Verwaltungsakt nichtig[§ 125 (2) AO], • der schriftlich erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt, • den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann (z.B. Steuerbescheid an einen Verstorbenen), • der gegen straf- oder bußgeldrechtliche Vorschriften verstößt, • der gegen die guten Sitten verstößt (hat keine praktische Bedeutung). • Keine Nichtigkeit eines Steuerbescheids z.B. wegen: • örtlicher Unzuständigkeit des Finanzamts [§ 125 (3) AO] • fehlender Begründung des Verwaltungsakts [§ 121 (1) AO]
Steuerlehre II A 3. Steuerverwaltungsakt Aufgabe: Prüfen Sie in folgenden Fällen ob es sich um Steuerverwaltungsakte handelt und geben Sie die Wirkung an: • Bewilligung einer Stundung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Steuerpflichtigen W. • Interne Niederschlagung einer Einkommensteuer-Abschlusszahlung nach § 261 AO. • Vertrag zwischen dem Vorsteher des Finanzamtes und der Stadt Ludwigshafen über die Anmietung von Diensträumen. • Festsetzung eines Säumniszuschlages gegen die H-GmbH wegen rückständiger Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen. In welchen Fällen gilt der Steuerbescheid als wirksam bekannt gegeben? • Der Einkommensteuerbescheid wird dem Steuerpflichtigen persönlich im Finanzamt übergeben. • Der Briefträger hat den Einkommensteuerbescheid in den Türbriefkasten des Steuerpflichtigen M geworfen. Der Hund vernichtet den Steuerbescheid ohne das M dies bemerkte. • Der mit einfachem Brief übermittelte Einkommensteuerbescheid weist einen sachlichen Fehler aus, der zu einer überhöhten Steuerschuld führt.
Steuerlehre II A 4. Fristen4.1. Begriffe Die Fristbestimmung und die Einhaltung von Fristen haben in der Praxis der steuerberatenden Berufe und der Finanzbehörden eine große Bedeutung. • Frist • Verweis in § 108 AO auf die §§ 187 - 193 BGB • ein abgegrenzter, bestimmbarer Zeitraum, vor dessen Ablauf eine Handlung oder ein Ereignis wirksam werden muss, um fristgerecht zu sein, z.B.: • Rechtsbehelfsfrist von einem Monat [§ 355 (1) S. 1 AO] • Steuerliche Verjährungsfristen [§§ 169 ff. AO] • Fristverlängerung zur Abgabe der ESt-Erklärung [§ 149 AO] • Termin • Ein bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder zu dem eine Wirkung eintritt. • Die verlangte Handlung kann weder vorher noch nachher erbracht werden. • Fälligkeitstermin • der Endzeitpunkt einer Frist; er gibt das Ende einer Frist an • Bedeutung • Fristen, die an einem Wochenende oder an einem gesetzlichen Feiertag regulär enden, verlängern sich bis zum Ablauf des folgenden Werktages [§ 108 (3) AO]. • Termine, die auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fallen, werden nicht verschoben z.B. behördliche Termine [§ 108 (5) AO]
Steuerlehre II A 4. Fristen4.2. Arten der Fristen F r i s t e n behördliche Fristen gesetzliche Fristen sind Fristen, die im Einzelfall von der Behörde festgelegt werden: Beispiele: Stundungsfrist [§ 222 AO] Frist zur Aussetzung derVollziehung [§ 361 AO] sind Fristen, die gesetzlich genau bestimmt sind. Beispiele: Einspruchsfristen [§ 355 AO] Erklärungsfristen [§ 149 AO] Zahlungsfristen [§ 222 AO] Behördliche Fristen, Erklärungsfristen und Zahlungsfristen (z.B. durch (§ 361 (2)) können von den Finanzbehörden verlängert werden [§ 109 (1) AO]. Gesetzliche Fristen sind nur dann verlängerbar, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist, andernfalls können diese nicht verlängert werden. Die nicht verlängerbaren gesetzlichen Fristen werden auch Ausschlussfristen genannt.
Steuerlehre II A 4. Fristen4.3. Berechnung der Fristen Für die Berechnung von Fristen gelten grundsätzlich die Vorschriften des BGB [§ 108 AO]. • Beginn der Frist • Ereignisfristen [§ 187 (1) BGB] • - die Frist beginnt mit Ablauf des Ereignistages (z.B. Bekanntgabe des ESt-Bescheides), • - der Tag des Ereignisses bleibt unberücksichtigt, z.B. • - Einspruchsfrist [§ 355 AO], • - Festsetzungsfrist [§ 169 (2) AO] • Beginnfristen [§ 187 (2) BGB] • Der Anfangstag zählt bei der • Fristberechnung mit, d.h. die Frist • beginnt mit Ablauf des Vortages z.B.: • - Zahlungsfrist f. Vorauszahlungen • [§ 18 (1) UStG], • - Lebensalterberechnung • [§ 187 (2) BGB]. • § 108 (3) AO gilt auch für Drei- Tage-Regelungen, die Monats-Rege- lung und die Zweiwochen-Regelung zum Zeitpunkt der Bekanntgabe (vgl. AEAO zu § 108 Nr. 2). Dauer der Frist Eine Frist kann nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sein - Jahresfristen, z.B.: Festsetzungsfrist [§ 169 (2) AO] Verjährungsfrist [§ 228 AO] Aufbewahrung von Unterlagen [§ 147 (3) AO] - Monatsfristen, z.B.: Einspruchsfrist [§ 355 (1) AO] Klagefrist [§ 47 (1) FGO] - Wochenfristen, z.B.: Mahnfrist [§ 159 AO] Vollstreckungsschutzfrist [§ 254 (1) AO] - Tagesfristen, z.B.: Schonfrist bei Zahlung [§ 240 (3) AO] • Ende der Frist • Das Fristende ist abhängig von der Fristdauer • Tagesfristen enden mit Ablauf des letzten Tages der Frist um 24:00 Uhr [§ 188 (1) BGB]. • Wochenfristen enden mit Ablauf des Tages, der in seiner Benennung (z.B. Mittwoch) dem Anfangstag entspricht. • Monatsfristen enden mit Ablauf des Tages, der in seiner Zahl (z.B. 14.) dem nicht mit- gezählten Anfangstag entspricht. • Fällt das Ende einer Tages-, Wochen- oder Monatsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages [§ 108 (3) AO].
Steuerlehre II A 4. Fristen4.3. Berechnung der Fristen Fall 1: Dem Steuerpflichtigen Müller aus Frankfurt am Main wird am 28.09.2008 (= Sonntag) sein ESt-Bescheid bekannt gegeben. Wann endet die Rechtsbehelfsfrist? Fristbeginn: Ereignisfristen beginnen grundsätzlich mit Ablauf des Ereignistages, d.h. mit Ablauf des 28.09.2008; da der 28.09.2008 aber ein Sonntag ist, beginnt die Frist erst mit Ablauf des 29.09.2008. Fristdauer: einen Monat (§ 355 Abs. 1 AO) Fristende: Monatsfristen enden grundsätzlich mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Zahl (29.) dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, d.h. am 29.10.2008 um 24.00 Uhr. Fall 2: Dem Steuerpflichtigen A ist am Freitag, dem 29.08.2008, eine Mahnung zugegangen. In der Mahnung wird eine (Ereignis-) Frist zur Zahlung von einer Woche gesetzt. Fristbeginn: Ereignisfristen beginnen mit Ablauf des Ereignistages, d.h. mit Ablauf des 29.08.2008. Fristdauer: eine Woche Fristende: Wochenfristen enden grundsätzlich mit Ablauf des Tages in der nächsten Woche, der den gleichen Wochentagsnamen hat, wie der Ereignistag, nämlich am Freitag, d.h. am 5.09.2008 um 24.00 Uhr. Fall 3: Dem Steuerpflichtigen B wird am Mittwoch, dem 3.09.2008, sein ESt-Bescheid bekannt gegeben. Wann endet die Rechtsbehelfsfrist? Fristbeginn: Ereignisfristen beginnen mit Ablauf des Ereignistages, d.h. mit Ablauf des 3.09.2008. Fristdauer: einen Monat (§ 355 Abs. 1 AO) Fristende: Monatsfristen enden grundsätzlich mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Zahl (3.) dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, d.h. am 3.10.2008 um 24.00 Uhr. Da der 3.10.2008 ein Feiertag ist, kommt die Feiertagsregelung zur Anwendung. Feiertagsregelung: Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages (§ 108 III AO), d.h. am 6.10.2008 um 24.00 Uhr.
Steuerlehre II A 4. Fristen4.3. Berechnung der Fristen Fall 4: Das Finanzamt Freiburg gibt am Dienstag, 1.07.2008, einen Einkommensteuerbescheid mittels gewöhnlichem Brief zur Post. Wann endet die Rechtsbehelfsfrist? Fristbeginn: Fristdauer: Fristende: Fall 5: Die Steuerpflichtige Karin Killing erhält ihren Einkommensteuerbescheid 2007 am Donnerstag, 28.02.2008. Der Einkommensteuerbescheid wurde vom Finanzamt am Mittwoch, 27.02.2008, zur Post gegeben (Datum des Poststempels).Wann endet die Rechtsbehelfsfrist? Fristbeginn: Fristdauer: Fristende: Fall 6: Dem Steuerpflichtigen Müller wird am Donnerstag, 27.03.2008, ein Einkommensteuerbescheid bekannt gegeben. Gegen diesen Bescheid will Müller Einspruch einlegen. An welchem Tag endet die Rechtsbehelfsfrist? Fristbeginn: Fristdauer: Fristende:
Steuerlehre II A 4. Fristen4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand [§ 110 (1) AO] • War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Nachsicht) zu gewähren, d.h. der Steuerpflichtige wird so gestellt, als hätte er die Frist nichtversäumt. • Verhinderung bedeutet, dass jemand wegen äußerer Umstände oder persönlicher Gründe die Frist nicht wahren kann (z.B. plötzlich eintretende schwere Krankheit). • Kein Verschulden an der Fristversäumnis liegt vor, wenn der Antragsteller alles Zumutbare getan hat, um eine Frist einzuhalten. Arbeitsüberlastung ist aber kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. • Das Verschulden des Vertreters (z.B. des Steuerberaters) wird dem Steuerpflichtigen als eigenes Verschulden zugerechnet. Steuerberater führen deswegen grundsätzlich ein Fristenkontrollbuch. • Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist auch die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. • Die Frist ist nicht verlängerbar. Bei Versäumung der Frist ist jedoch wiederum Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. • Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich nicht mehr gestellt werden [§ 110 (3) AO].
Steuerlehre II A 4. Fristen4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Aufgabe Der Steuerpflichtige V. aus Ludwigshafen geht am 07.05.2010 zum zuständigen Finanzamt um einen schriftlichen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 04.04.2010 persönlich in den Briefkasten zu werfen. An einer ungesicherten Baustelle stürzt er. Wegen einer schweren Gehirnerschütterung wird er ins Krankenhaus eingeliefert, wo er bis zum 26.05.2010 bleiben muss. Am Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus findet er in seiner Jacke das Einspruchsschreiben. Kann V. nach Entlassung aus dem Krankenhaus noch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid einlegen ?
Steuerlehre II A 4. Fristen4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Aufgabe Der Steuerpflichtige V aus Ludwigshafen will sich nach seinem Unfall erholen und fährt daher in einen ausgedehnten Urlaub nach Australien. Dieser dauert vom 10. Juni 2010 bis 30.Sepember 2010. Am Tag der Rückkehr von seinem Urlaub stellt V fest, dass er Post vom Finanzamt erhalten hat. Der Brief mit dem Einkommensteuerbescheid 2009 trägt das Postdatum „Donnerstag 22.07.2010“. Kann V noch Einspruch gegen Einkommensteuerbescheid einlegen?
Steuerlehre II A 4. Fristen4.5. Folgen der Fristversäumnis Bei Fristversäumnis können sich für den Steuerpflichtigen negative Folgen ergeben: Verspätungszuschläge [§ 152 AO], Säumniszuschläge [§ 240 AO], Zinsen [§§ 233 bis 237 AO], Zwangsgelder [§ 329 AO], Verzögerungsgeld [§ 146 AO].
Steuerlehre II A 4. Fristen4.5. Folgen der Fristversäumnis Folgen der Fristversäumnis Verspätungszuschlag § 152 AO Säumniszuschlag § 240 AO Zinsen § 233 ff. AO Zwangsgeld § 329 AO Verzögerungs-geld § 146 AO Der Verspätungs-zuschlag darf 10 % der festgesetzten Steuer nicht über-steigen und höchstens 25.000 € betragen. Der Säumniszuschlag beträgt 1% für jeden angefangenen Monat der Säumnis. Der rückständige Steuerbetrag ist auf volle50 € abzurunden. Die Zinsen betragen 0,5 % für jeden vollen Monat des Zinslaufs. Der zu verzinsende Betrag ist auf volle 50 € abzurunden. Das Zwangsgeld darf im Einzelnen 25.000 € nicht übersteigen. Verzögerungs-geld nach Ermessen von 2.500 € bis 250.000 € möglich. § 233 a AO Erstattungs- und Nachzahlungszinsen Bsp.: STE 2008 Beginn 1.4.2010 Ende: Bekanntgabe des Steuerbescheids 2008
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.1. Verspätungszuschlag • Verspätungszuschlag [§ 152 AO] Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht fristgerecht nachkommt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden [§ 152 (1) S. 1 AO]. Es kann von einem Verspätungszuschlagabgesehen werden, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint [§ 152 (1) S. 2 AO]. Berechnung: max. 10 % der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Messbetrages, höchstens 25.000 EUR [§ 152 (2) S.1 AO]
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.1. Verspätungszuschlag • Säumniszuschlag [§ 240 AO] Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt, so hat der Steuerpflichtige einen Säumniszuschlag zu entrichten [§ 240 (1) S. 1 AO]. Der Säumniszuschlagentstehtkraft Gesetz allein durch Zeitablauf. Auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen kommt es nicht an. Der Säumniszuschlag wird nicht erhoben bei einer Säumnis bis zu drei Tagen bei einer Überweisung an die Finanzkasse (nicht bei Scheck oder Barzahlung) [§ 240 (3) S. 2 AO]. Besonderheit Scheckzahlung: Zahlungseingang bei Scheckzahlungen ist erst drei Tage nach Eingang des Schecks! Auf diese Schonfrist hat der Steuerpflichtige einenRechtsanspruch. Fällt der letzte Tag der Schonfrist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so tritt an seine Stelle der nächstfolgende Werktag. Berechnung: Für jeden angefangenen Monatder Säumnis 1 % des rückständigen auf 50 €abgerundeten Steuerbetrages [§ 240 (1) S. 1 AO]. Der Säumniszeitraum beginnt mit dem Ablauf des Fälligkeitstages, nicht erst nach Ablauf der Schonfrist. Eine Säumnis tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist [§ 240 Abs. 1 S. 3 AO], d.h. beispielsweise, dass bei Voranmeldungen (USt, LSt) Säumniszuschläge erst nach der Abgabe der Voranmeldung entstehen können. Der Säumniszeitraum endet mit dem Erlöschen der Steuerschuld. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen im Regelfall durch Zahlung [§ 47 AO], in anderen Fällen durch Aufrechnung, Erlass oder Verjährung.
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.2. Säumniszuschlag Fälle zum Säumniszuschlag: Fall 1: Die Steuerpflichtige Mayer hat ihre USt-Voranmeldung für den Monat April 2007 fristgerecht dem Finanzamt übermittelt, jedoch ihre am 10.05.2007 fällige USt- Schuld i.H.v. 190 € nicht fristgerecht gezahlt. Die Zahlung ging durch Banküberweisung erst am 11.05.2007 bei der Finanzkasse ein. → Fall 2: Die Steuerpflichtige Heike Utler reicht ihre USt-Voranmeldung für den Monat Mai 2007 mit einer USt-Schuld von 49 € erst am 8. August 2007 ein, ohne eine Zahlung zu leisten. → Fall 3: Frau Müller hat ihre USt-Voranmeldung für den Monat März 2007 fristgerecht übermittelt. Die am 10.04.2007 fällige Zahlung i.H.v. 1.140 € geht aber erst am 16.05.2007 bei der Finanzkasseein. → Fall 4: Die Steuerpflichtige Müller hat ihre USt-Voranmeldung für den Monat Oktober 2007 fristgerecht übermittelt. Die am 12.11.2007(10.11. ist ein Samstag) fällige Zahlung i.H.v. 2.140 € geht erst am 10.12.2007 bei der Finanzkasse ein. →
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen • Zinsen [§ 233 bis 237 AO] Berechnung: Die Zinsen betragen 0,5 % für jeden vollen Monat des Zinslaufs des auf 50 € abgerundeten Betrages; angelaufene Monate bleiben außer Ansatz [§ 238 AO]. Zinsen werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 € betragen [§ 239 (2) AO]. Steuernachforderungen bzw. -erstattungen Aussetzung der Vollziehung (AdV) Steuerhinterziehung Stundung Prozesszinsen auf Erstattungen
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen Zinsen von Steuernachforderung und Steuererstattung Grund: Die Verzinsung nach § 233a AO (Vollverzinsung) soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Die Verzinsung ist gesetzlich vorgeschrieben und steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde Die Verzinsung ist beschränkt auf ESt, KSt, USt und GewSt [§ 233a (1) AO] Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (Karenzzeit) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (Bekanntgabe des Steuerbescheids). Der Tag der Bekanntgabe ist immer ein Werktag.Zinsen sind nur für volle Monate zu zahlen [§ 238 (1) S. 2 AO]. (Beginn des Zinslaufs am 01.04. und Bekanntgabe des Steuerbescheids am 30.04. ergibt einen vollen Zinsmonat) (Beginn des Zinslaufs am 01.04. und Bekanntgabe des Steuerbescheids am 29.04. ergibt keinenvollen Zinsmonat) Der zu verzinsende Betrag ist die festgesetzte Steuer abzüglich anzurechnender Steuerabzugsbeträge und festgesetzte Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag) [§ 233a (3) AO] Berechnung: • festgesetztes Soll lt. Steuerbescheid • ./. festgesetzte Vorauszahlungen • = Unterschiedsbetrag (Mehrsoll/ Mindersoll) Mindersoll => Zugunsten des Steuerzahlers (Erstattung) Mehrsoll => Zuungunsten des Steuerzahlers (Nachzahlung) beachte: Ein Mindersoll ist ebenfalls Grundlage der Zinsberechnung. Die Zinsen daraus stellen steuerpflichtige Einnahmen dar. Erstattungszinsen werden nur auf entrichtete Vorauszahlungen festgesetzt, d.h. nur der tatsächlich zu erstattende Betrag wird verzinst. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der (Voraus-) Zahlung (§ 233a (3) S.3 AO). Bei Nachzahlungszinsen wird dagegen mit dem Vorauszahlungssoll gerechnet. Keine Verzinsung von freiwilligen Vorauszahlungen, d.h. nur der Unterschiedsbetrag (Mindersoll) wird verzinst.
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen Fälle: Das Finanzamt gibt am 4.12.2008 den ESt-Bescheid 2006 zur Post Der Zinslauf beginnt am ____________________________ Der Zinslauf endet am ______________________________ Mehrsoll Fall 1. Festgesetzte ESt lt. Bescheid 40.000 € ./. Festgesetzte und geleistete Vorauszahlungen (VZ)26.000 € Unterschiedsbetrag (Nachzahlung) ______€ Nachzahlungszinsen: ______€ Mindersoll Fall 2. Festgesetzte ESt lt. Bescheid 0 € ./. Festgesetzte und geleistete Vorauszahlungen (VZ)26.000 € Unterschiedsbetrag (Erstattung) ______€ Erstattungszinsen: ______€ Es wurde allerdings nur 10.000 € am 6.06.2008 als VZ bezahlt. Erstattungszinsen: ______€ V-Zahlung Fall 3. Lösung
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen Stundungszinsen [§ 234 AO] Für die Dauer einer gewährtenStundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis werden Stundungszinsen erhoben [§ 234 (1) AO]. Voraussetzungen für eine Stundung [§ 222 AO]: - Steuerzahlung ist eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen - Steueranspruch wird durch die Stundung nicht gefährdet Grundsatz der Sollverzinsung gilt: - vorzeitige Zahlungen ändern an der Zinspflicht grundsätzlich nichts - verspätete Zahlung löst zusätzliche Säumniszuschläge aus Berechnung: - Der Zinslauf beginnt mit dem ersten Tag der Stundung, i.d.R. der Tag nach dem Fälligkeitstag. - Der Zinslauf endet mit dem in der Stundungsverfügung genannten letzten Tag der Stundung. Beispiel: Der Steuerpflichtigen A wurde die am 14.08.2008 fällig gewesene ESt-Abschlusszahlung 2007 in Höhe von 3.730,- € bis zum 31.10.2008 gestundet. • Der Zinslauf beginnt am 15.08.2008 und endet am 31.10.2008. Die Stundungszinsen betragen 37 € (2 volle Monate x 0,5% = 1% von 3.730 €).
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.4. Zwangsgelder • Zwangsgelder [§ 329 AO] Erfüllt ein Steuerpflichtiger nicht die ihm obliegende Mitwirkungspflicht, so kann ihm die Finanzbehörde ein Zwangsgeld auferlegen [§ 328 AO]. • Das Zwangsgeld muss schriftlich angedroht werden [§ 332 AO] und • darf im Einzelnen 25.000 €nicht übersteigen [§ 329 AO]. Beispiel: Der Steuerpflichtige Müller hat seine Einkommensteuererklärung 2007 bis zum 2.6.2008 abzugeben. Er hat die Erklärung noch nicht abgegeben. Mit welchen Maßnahmen des Finanzamtes muss er rechnen, wenn er seine Einkommensteuererklärung 2007 nicht abgibt?
Steuerlehre II A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.5. Verzögerungsgeld • Verzögerungsgeld [§ 146 Abs. 2b AO] / 2 Fälle Steuerpflichtiger verstößt gegen Pflichten im Zusammenhang mit dem Transfer der elektronischen Buchführung ins Ausland oder kommt Mitwirkungspflichten im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung nicht in angemessener Weise nach. • Höhe des Verzögerungsgeldes von 2.500 € bis 250.000 € nach Ermessen möglich. • Steht in Konkurrenz zum Zwangsgeld [§ 329 AO]. • Gegen ein Verzögerungsgeld ist der Einspruch statthaft. • Beispiele: • Steuerpflichtiger kommt Pflicht zur Rückverlagerung elektronischer Buchführung nicht nach. • Steuerpflichtiger hat seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung des Finanzamtes in das Ausland verlagert. • Steuerpflichtiger räumt den Datenzugriff bei einer Außenprüfung innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nicht ein. • Steuerpflichtiger legt Unterlagen bei einer Außenprüfung innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nicht vor. • Steuerpflichtiger erteilt eine Auskunft bei einer Außenprüfung innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nicht.
Steuerlehre II A 5. Ermittlungsverfahren Die Festsetzung der Steuern setzt voraus, dass zuvor die Besteuerungsgrundlagen ermittelt worden sind. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen haben sowohl die Finanzbehörden als auch die Steuerpflichtigen mitzuwirken (Mitwirkungspflichten). Ermittlungsverfahren Pflichten der Finanzbehörde Pflichten der Steuerpflichtigen • Besteuerungsgrundsatz (§ 85 AO) • Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergünstigungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. • 2. Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO) • Die Finanzbehörden haben den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sie haben auch die für den Steuerpflichtigen günstigen Umstände zu berücksichtigen. • Allgemeine Mitwirkungspflicht (§ 90 AO) • Die Steuerpflichtigen sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. • 2. Besondere Mitwirkungspflichten • a) Personenstands- und Betriebsaufnahme • b) Anzeigepflicht bei der zuständigen Gemeinde • bzw. dem Finanzamt • c) Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten • d) Steuererklärungspflicht • 3. Auskunftspflicht (§ 93 AO) • a) Der Steuerpflichtige und Dritte haben den Finanzbehörden die für die Besteuerung erforderlichen Auskünfte zu erteilen. b)Die Kreditinstitute müssen seit dem 1.4.2005 über bestimmte Konten- und Depot- verbindungen Auskünfte erteilen.
Steuerlehre II A 5. Ermittlungsverfahren • Anzeigepflichten: • Wer einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, einen gewerblichenBetrieb oder eine Betriebsstätte eröffnet, hat dies nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck der zuständigen Gemeinde mitzuteilen. Die Gemeinde unterrichtet unverzüglich das zuständige Finanzamt [§ 138 (1) AO]. • Wer eine freiberufliche Tätigkeit aufnimmt, hat dies dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen [§ 138 (1) AO]. • Seit dem 1.1.2003 sind die Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten ausgeweitet worden [§ 90 (3) AO]. • Grundstückseigentümer haben die Personen anzugeben, die auf dem Grundstück eine Wohnung, Wohnräume, eine Betriebsstätte, Lagerräume oder sonstige Geschäftsräume haben [§ 135 (1) AO]. • Abgabe von Steuererklärungen • Wer zur Abgabe von Steuererklärungen/Steueranmeldungen verpflichtet ist, bestimmen die Steuergesetze. • Einkommensteuererklärung [§ 25 (3) EStG] • Schenkungsteuererklärung [§ 30 ErbStG] • Zur Abgabe einer Steuererklärung ist auch verpflichtet, wer hierzu persönlich oder durch öffentliche Bekanntmachung von der Finanzbehörde aufgefordert wird [§ 149 AO]. • Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen [§ 150 (2) AO]. • Erkennt ein steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine Erklärung unrichtig oder unvollständig ist, und dass er dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen [§ 153 (1) AO]. • Auskunftspflichten: • Die Steuerpflichtigen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. • Im Besteuerungsverfahren hat der Steuerpflichtige selbst als Beteiligter kein gesetzliches Auskunfts-verweigerungsrecht [AEAO zu § 101 Nr. 1 AO].Andere Personen können ein Auskunftsverweigerungsrecht haben, z.B. Angehörige [§ 101 (1) AO, § 15 AO] • Andere Personen als die Steuerpflichtigen sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Steuerpflichtigen nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht. • Seit dem 1.4.2005 können die Finanzbehörden bei den Kreditinstituten über das Bundeszentralamt für Steuern Stammdaten über Konto- und Depotverbindungen abrufen (§ 93 (7) und (8) AO i.V.m. § 93 b (2) AO).
Steuerlehre II A 5. Ermittlungsverfahren Steuerrechtliche Buchführungspflicht abgeleitete (derivative) Buchführungspflicht [§ 140 AO] originäre Buchführungspflicht [§ 141 AO] Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen (z.B. HGB) Bücher zu führen hat, hat die Verpflichtung auch für die Besteuerung zu erfüllen. Gewerbetreibende sowie Land- und Forstwirte sind auch dann buchführungspflichtig, wenn eine der folgenden Grenzen überschritten ist: 1. Umsätze > 500.000,- € 2. Wirtschaftswert > 25.000,- € 3. Gewinn aus Gewerbebetrieb > 50.000,- € 4. Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft > 50.000,-€ Kaufleutekraft Eintragung/ Betätigung Bestimmte Gewerbetreibende undLand- und Forstwirte Die Ordnungsvorschriften (vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet) des § 146 AO müssen beachtet werden.
Steuerlehre II A 5. Ermittlungsverfahren Wie bei den Buchführungspflichten kann auch bei den Aufzeichnungspflichten zwischen originären und abgeleiteten Aufzeichnungspflichten unterscheiden werden. • Abgeleitete Aufzeichnungspflicht Aus anderen, nicht steuerlichen Vorschriften, wenn diese für die Besteuerung von Bedeutung sind, z.B.: • Apotheker → Herstellungsbücher • Banken → Depotbücher • Bauträger und Baubetreuer → Bücher nach der Gewerbeordnung • Fahrschulen → Ausbildungsbücher • Hotel, Gaststätten und Pensionsgewerbe → Fremdenbücher • Metallhändler → Einkaufsbücher • Reisebüro → Bücher nach der Gewerbeordnung • Originäre Aufzeichnungspflicht Aus rein steuerlichen Vorschriften, z.B.: • Umsatzsteuerliche Aufzeichnungen [§ 22 UStG] • Aufzeichnung des Wareneingangs [§ 143 AO] • Aufzeichnung des Warenausgangs [§ 144 AO] • Aufzeichnung bestimmter Betriebsausgaben [§ 4 (5) und (7) EStG]
Steuerlehre II A 5. Ermittlungsverfahren Aufbewahrungspflichten und Ordnungsvorschriften Bücher und Aufzeichnungen sind zehn Jahre aufzubewahren [§ 257 (1) und 4 HGB, § 147 (1) und (3) AO], die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres [§ 257 (5) HGB, § 147 (4) AO]. • Allgemeine Ordnungsvorschriften • Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen [§ 238 (1) HGB, § 145 (1) AO]. • Die Aufzeichnungen sind so vorzunehmen, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird [§ 145 (2) AO]. • Besondere Ordnungsvorschriften [§ 239 HGB, §§ 146 und 154 AO] • Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und –ausgaben sollen täglich festgehalten werden. • Sie sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Bei anderen Sprachen als der deutschen Sprache können Übersetzungen verlangt werden. • Sie dürfen nicht so verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. • Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, die es ungewiss lassen, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind. • Werden diese auf Datenträgern geführt, muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar und unverzüglich lesbar gemacht werden können. • Im Einzelfall muss die Bedeutung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbolen eindeutig festliegen.