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Vorlesung Aganglionose (M. Hirschsprung). F. Schier Kinderchirurgie Universität Mainz. Original-Prüfungsfrage (1). Welche Aussage zum kongenitalen Megakolon (Morbus Hirschsprung) trifft nicht zu? A Es erkranken überwiegend Knaben.
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Vorlesung Aganglionose (M. Hirschsprung) F. Schier Kinderchirurgie Universität Mainz
Original-Prüfungsfrage (1) Welche Aussage zum kongenitalen Megakolon (Morbus Hirschsprung) trifft nicht zu? A Es erkranken überwiegend Knaben. B Bei dieser Erkrankung wirkt ein aganglionäres Darmsegment als Passagehindernis. C Bevorzugte Lokalisation des aganglionären Darmsegments ist das Colon transversum. D Biochemisch ist im Bereich des aganglionären Darmsegments die Aktivität der Acetylcholinesterase erhöht. E Bei der operativen Therapie wird das aganglionäre Darmsegment reseziert.
Original-Prüfungsfrage (2) Welche Aussagen treffen für den Morbus Hirschsprung zu? 1 Fehlende oder verzögerte Mekoniumpassage bei Neugeborenen, gefolgt von Verstopfung und Leibblähung. 2 Gelegentlich erbricht der junge Säugling, trinkt und gedeiht schlecht. 3 Bei der digitalen Untersuchung ist das Rektum in der Regel leer und eng. 4 Die Diagnose wird durch Rektummanometrie, Schleimhautbiopsien und Röntgendarstellung (Kolonkontrasteinlauf) gestellt. A nur 1 und 4 sind richtig B nur 3 und 4 sind richtig C nur 1, 2 und 3 sind richtig D nur 2, 3 und 4 sind richtig E 1 — 4 = alle sind richtig
M. Hirschsprung = Fehlen der parasympathischen Ganglien-zellen in der Darmwand (= Aganglionose)
bei Neugeborenen • aufgetriebener Bauch • massive Verstopfung • kein Mekoniumabgang in den ersten 48 Stunden
bei älteren Kindern • aufgetriebener Bauch • massive Verstopfung • Malnutrition
Ursache • unbekannt • kommt auch bei Tieren vor (Pferde, Kühe, Mäuse, Ratten, Katzen, Hunde) • kraniokaudale Migrationsstörung • (Ganglien wandern embryonal • entlang des Vagus von oral nach • aboral bis in den Anus - wo sie • in der 12. Schwangerschafts- • woche ankommen)
Folgen • von oben kommende Peristaltik setzt sich nicht nach unten fort • fehlende Relaxation des Sphinkter internus • bei der digitalen Untersuchung ist das Rektum in der Regel leer und eng
betroffen immer im Anorektum, nach oben in abnehmender Häufigkeit 14% 2% 84%
Sonderformen - „tiefes ultrakurzes Segment“: aganglionäres Segment im Anorektum, max. 0,5 cm lang - „Zuelzer-Wilson-Syndrom“: Aganglionose des gesamten Kolons - „totale intestinale Aganglionose“: Aganglionose des gesamten Darms
Statistik • - nicht häufig: 1 zu 5000 Geburten • also rund 200 Kinder pro Jahr in Deutschland • 70-80% Jungen • Mütter vererben es eher als Väter • 10% familiäre Häufung (dann 25% assoziierte Fehlbildungen; bei nicht-familiären 10%) • 90% sporadisch vorkommend
assoziierte Fehlbildungen • 10-30% • urogenital 10% • kardiovaskulär 5% • gastrointestinal 5% • Augen, Gaumenspalten etc • Trisomie 21: 3% (4 mal soviel wie normal)
proximal gestaut Distal kontraktes Segment, proximal davon sekundäre Dilatation durch aufgestauten Kot („Megacolon congenitum„)
Übergangsbereich konischer Übergangsbereich („Trichter“) beim Neugeborenen
Symptome • - manchmal sofort und schwer, manchmal nur leicht • manchmal erst bei Nahrungsumstellung (Brust zu Kuhmilch oder zu fester Nahrung) • rektal: manchmal explosionsartige Entleerung, Sphinkterdruck erhöht, Ampulle leer • in 30% Durchfall • gefährlichste Komplikation: Enterokolitis
Enterokolitis • - in bis zu 50% der Fälle • Ursache unklar (Stau? Mukosaschaden? bakterielle Infektion? Translokation?) • Fieber, Galle-Erbrechen, explosiver Durchfall und Gasentleerung, geblähter Bauch, Dehyd- ratation, Schock, Tod, Darm-Ulzeration, ischä- mische Nekrose, Peritonitis, Sepsis, Pneuma- tose, Perforation
M. Hirschsprung dänischer Pädiater Harald Hirschsprung, beschrieb 1888 erstmals das Krankheitsbild, hielt aber das Megacolon congenitum für die Ursache (statt Folge): H. Hirschsprung: Stuhlträgheit Neugeborener infolge Dilatation und Hypertrophie des Colons. Jahresbericht Kinderheilkunde 27:1 (1888)
Geschichte - Tittel wies 1901 das kontrakte distale Segment als Ursache nach - Swenson und Bodian erkannten 1948 das Fehlen der Ganglienzellen - Swenson führte 1 Jahr später die erste Rektosigmoidektomie durch
Diagnose • Abdomen-Übersicht • Kolon-Kontrasteinlauf • Manometrie • Rektoskopie mit Biopsie für Histologie
Abdomen-Übersicht • schon in ersten Lebenstagen tiefer Ileus mit starker Kolon-Blähung (Spiegel) • kleines Becken luftleer • bei verstärkter Gasbildung nach Keim- besiedlung Faezes schaumig luftdurchsetzt
Röntgen mit Kontrastmitte (1) Konus von seitlich besser zu sehen
Röntgen mit Kontrastmittel (2) • bei schwerkranken Kindern erst nach Kolitis- Therapie und Ileusbeseitigung • aganglionäres Segment meist eng und leer • Kalibersprung („Übergangssegment“) • z.T. Pseudohaustrierung
Schleimhaut-Biopsie • full-thickness- oder Saugbiopsie • in 2, 3 und 5 cm Höhe (oder 2, 4, 8) • einschließlich Submukosa
Pathophysiologie (1) Bei Fehlen der Ganglienzellen keine Modulation des Parasympathikus, d.h. Dauerkontraktur
Pathophysiologie (2) • Acetylcholin als Transmitter • Ganglienzellen im Plexus myentericus (Auerbach) und Plexus submucosus (Meissner) • Ganglien modulieren Parasympathikus-Wirkung • Darmkontraktion durch Para-Sympathikus
Grundlage der Schleimhaut-Biopsie Normal: ACh-haltige Fasern d. extramuralen Parasympathicus laufen durch die äußere Längsmuskulatur zum Plexus myentericus. Bilden dort Synapsen. Laufen weiter durch innere Ringmuskelschicht hindurch und bilden Netzwerk bis in die Submukosa. Hirschsprung: Fasern kommen wieder von extramural. Treffen aber keinen Plexus (denn er fehlt). Deshalb fehlen weitgehend auch Synapsen. Folge: Fasern vermehren sich diffus -nicht nur da wo sonst der Plexus wäre- sondern weit über ihr normales Verbreitungs-gebiet hinaus bis in die Spitzen der Mukosa.
Schleimhaut-Biopsie Folge: AChE sichtbar bis nach vorne in die Mukosa Acetylcholinesterase erhöht (normalerweise sind diese Fasern in der Mukosa nicht sichtbar)
Manometrie • Druckmessung im Anorektalkanal • bei guter Durchführung hohe Genauigkeit (85%) • abhängig von der Patienten-Kooperation • bei Kindern unter 2 Wochen noch kein normaler rektosphinkterischer Reflex • wegweisend für Morbus Hirschsprung: fehlende Internus-Relaxation
Differential-Diagnose „Mekonium-Pfropf-Syndrom“ zu unterscheiden: Mekonium-Pfropf-Syndrom: Pfropf (Pfeil) Gastrografin umspült Mekonium
Einlauf bei „Mekonium-Pfropf-Syndrom“ Einlauf: Mekonium-Pfropf ausgeschieden (Pfeil): Problem beseitigt
Differentialdiagnose 1.) Chagas-Krankheit: Trypanosoma cruzi - Mega-Ösophagus - Megakolon („Mega-Syndrom“ mit Dys- und Aperistaltik durch toxisch-allergische Schädigung des intramuralen Plexus durch Neurotoxin) 2.) Colitis ulzerosa
Behandlung - wenn kaum Symptome: warten - wenn deutliche Symptome: „Entlastung“ = Entleerung des Rektums mit Magensonde und Spülungen - wenn nicht ausreichend zu entlasten: Kolostoma
Kolostoma Entlastung und Zeitgewinn
Operation Prinzip: Entfernen des aganglionären Segments • „anteriore Resektion“ nach Rehbein oder • „Durchzugsoperationen“ nach • Swenson • Duhamel • Soave
Swenson aganglionärer Ausstülpen des Stumpfes Abschnitt reseziert Durchzug durch perineale Anastomose den Stumpf
Swenson im Detail, „offen“ Biopsie Entfernen des engen Abschnittes (plus Übergangszone)
Swenson laparoskopisch (1) postop nach laparoskopische „offener“ Technik Technik
Swenson laparoskopisch (2) Prinzip gleich wie bei „offener“ Technik laparoskopische Präparation innen, konventionelle Naht außen
Swenson laparoskopisch (2) ausgestülptes Rektum
Duhamel = retrorektaler transanaler Durchzug
Soave = submuköser endorektaler Durchzug
Rehbein, anteriore Resektion Originalabbildungen: Resektionsränder und Anastomose
Myektomie n. Lynn für ultrakurzes Segment (2-4 cm) 0.5 x 5 cm
Komplikationen (1) • - Swenson und Duhamel: Inkontinenz und Konstipation • Rehbein: Anastomoseninsuffizienz mit Striktur • Soave: Abszeß, Retraktion, Stenose • insgesamt alle etwa gleich gut: 90% erfolgreich