300 likes | 430 Views
Öffentlich ist wesentlich: Nachhaltigkeit und gute Arbeitsbedingungen – untrennbare Merkmale einer zukunftsfähigen Daseinsvorsorge. Beitrag von Erhard Ott, ver.di-Bundesvorstand, Zur Veranstaltung von AÖW, DBVW und ver.di am 24. Februar 2011 in Berlin. Gliederung.
E N D
Öffentlich ist wesentlich: Nachhaltigkeit und gute Arbeitsbedingungen – untrennbare Merkmale einer zukunftsfähigen Daseinsvorsorge Beitrag von Erhard Ott, ver.di-Bundesvorstand, Zur Veranstaltung von AÖW, DBVW und ver.di am 24. Februar 2011 in Berlin
Gliederung 1. Warum öffentliche Daseinsvorsorge? 2. Wasser als öffentliche Aufgabe 3. Die ökologischen Anforderungen sind hoch – die Wasserrahmenrichtlinie, mit Privaten nicht zu machen 4. Die sozialen Anforderungen: Gute Arbeitsbedingungen in der Wasserwirtschaft und der demografische Wandel 5. Die Diskussion um die Preise – Kartellamtsverfahren und wie man damit umgehen muss 6. Der Trend der Vergangenheit: Privatisierung 7. Rekommunalisierung als Trend der Zukunft? 8. Die Konzessionsrichtlinie - Privatisierung mit der Brechstange und wie wir uns dagegen wehren sollten
1. Warum öffentliche Daseinsvorsorge? • Öffentliche Daseinsvorsorge ist wesentlich für die wichtigsten Bereiche der Infrastruktur und der sozialen Dienste • Auch EU erkennt dies an: „Dienste von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse“ unterliegen nicht Wettbewerbskriterien der Privatwirtschaft • Universalität – ist unmittelbar von Bedeutung für Lebensverhältnisse der Bürger, jeder hat Anrecht darauf • Qualität der Dienstleistung • Kostendeckende Preise: keine Sozialtarife, aber auch keine Gewinnmaximierung • Zwar nicht explizit gefordert, aber wesentliches inhaltliches Kriterium dafür, ob Daseinsvorsorge erfüllt: ökologische Nachhaltigkeit und gute Arbeitsbedingungen
2. Wasser als öffentliche Aufgabe • Wasser ist öffentliches Gut; jeder hat Anrecht auf qualitativ einwandfreies Trinkwasser zu bezahlbaren Preisen • Wasserversorgung wurde mit Recht ausgenommen aus der Liberalisierung der leitungsgebundenen Versorgung in Deutschland • Öffentliche Wasserwirtschaft mit hohem qualitativem Niveau • Werte der Trinkwasserverordnung – lassen sich nur mit vorsorgendem Gewässerschutz dauerhaft und sicher realisieren • Schieflage in Europa und Deutschland: keine ausreichende soziale Absicherung der öffentlichen Dienste. Aber für Gewerkschaften und Beschäftigte elementar: Tarifbindung und gute Arbeitsbedingungen • Nur mit gut ausgebildeten, hoch qualifizierten und angemessen bezahlten Beschäftigten lässt sich hohe Qualität dauerhaft sichern
Die ökologischen Anforderungen sind hoch – die Wasserrahmenrichtlinie, mit Privaten nicht zu machen
3. Die Anforderungen sind hoch: Die Wasserrahmenrichtlinie, mit Privaten nicht zu machen • Wasserrahmenrichtlinie (WRRL): Das bislang ambitionierteste Projekt der EU, die Gewässerqualität in Gänze auf „gutes“ Niveau zu verbessern • Orientierung an Wassereinzugsgebieten • Hohe ökologische Sanierungskosten insbesondere in Flusseinzugsgebieten, die industriell oder landwirtschaftlich stark beeinträchtigt sind • WRRL setzt im wesentlichen auf Vorsorgemaßnahmen für die Wassergewinnung • Sanierungskosten nicht direkt Wasserlieferanten zuzuordnen, sondern öffentliche Aufgabe – durch die Gemeinschaft öffentlicher Unternehmen der Wasserwirtschaft zu bewältigen • Umsetzung nicht vorstellbar durch Summe privater Wasserlieferanten
Die sozialen Anforderungen: Gute Arbeitsbedingungen in der Wasserwirtschaft und der demografische Wandel
4. Die sozialen Anforderungen: Gute Arbeitsbedingungen in der Wasserwirtschaft und der demografische Wandel • Wasserwirtschaft unterliegt laufendem Modernisierungsprozess – Prozesse werden effizienter gemacht und neu geordnet im Hinblick auf ökologische Optimierung • Öffentliche Daseinsvorsorge heißt auch: gute Arbeit und vorbildliche Arbeitsbedingungen • Arbeitsprozesse ändern sich • Outsourcing, obwohl vielfach von Unternehmensberatern angepriesen, ist keine sozial verträgliche Lösung • Die Prozessänderungen erfordern hohe Wandlungsbereitschaft der Beschäftigten • Qualifikation und Weiterbildung haben zentrale Bedeutung
4. Die sozialen Anforderungen: Gute Arbeitsbedingungen in der Wasserwirtschaft und der demografische Wandel • Der demografische Wandel verschärft die Probleme: Wie mit einer Belegschaft mit hohem Altersdurchschnitt die notwendige Modernisierung bewältigen? • Ältere haben mehr Erfahrung („job performance“), höheres Qualitäts- und Verantwortungsbewusstsein, handeln eher selbstständig; jüngere zeigen größere Lerngeschwindigkeit und physische Kapazitäten – es gilt, diese unterschiedlichen Fähigkeiten zu bündeln • Wichtig ist, dass Ältere ihre Erfahrungen vor der Pensionierung weitergeben können • Also: Trend zur Überalterung der Belegschaft stoppen - Zahl der Auszubildenden erhöhen und v.a. derjenigen, die nach der Ausbildung übernommen werden
4. Mit dem demografischen Wandel leben – Welche Handlungsfelder stehen zur Verfügung? • Arbeitszeitverkürzung und gleitende Übergänge in den Ruhestand • Variable Zeitangebote für unterschiedliche Lebensphasen; Teilzeitarbeit • Weiterbildung für alle Mitarbeiter adäquat anbieten • Bei Zielvereinbarungen auch gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen berücksichtigen • Ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement: Arbeits- und Gesundheitsschutz, Betriebliche Gesundheitsförderung, Betriebliche Eingliederung
Die Diskussion um die Preise – Kartellamtsverfahren und wie man damit umgehen muss
5. Die Diskussion um die Preise – Kartellamtsverfahren und wie man damit umgehen muss • Und wie dies alles –hohe soziale und ökologische Qualität- zu angemessenen Preisen bewerkstelligen? • Trotz aller Effizienzsteigerungen Generalverdacht in der Öffentlichkeit: Sich selbst versorgende Versorger • Kartellrechtliche Preiskontrollen/Vergleichsverfahren • Urteil des BGH zu Wetzlar: Verdacht überhöhter Preise nicht aus der Welt geräumt – harte Auflagen könnten ganze Branche in Gefahr bringen • Mangelnde Begründung des im Verhältnis hohen Wasserpreises durch Unternehmen Wetzlar: Allein topografische Lage reicht nicht, wenn entscheidendes Datenmaterial und rechnerische Nachprüfbarkeit fehlen • Wasserversorger sind zur Nacharbeit aufgefordert
5. Die Diskussion um die Preise – Kartellamtsverfahren und wie man damit umgehen muss • Klar zu machen ist, dass Faktoren für Preisunterschiede verschiedene Ursachen haben: - Topografie und Untergrund nicht so wesentlich, nachhaltige Instandhaltung und solide Finanzierung wichtiger - Verkehrs- und Leitungsdichte - Herkunft und Beschaffenheit des Rohwassers • Beispiel: Wenn die Stadtwerke München oder Hannover heute günstige Wasserpreise haben, liegt dies auch daran, dass sie in der Vergangenheit ausreichend in nachhaltigen Gewässerschutz investiert haben (Isarsanierung, ökologische Land- und Forstbewirtschaftung in Wassereinzugsgebieten etc.)
6. Der Trend der Vergangenheit: Privatisierung • Viele Kommunen haben innerhalb der Laufzeit der bisherigen Konzession ihre eigenen Unternehmen teilweise oder vollständig an Private verkauft – dabei ging auch die Netzkonzession über • Hintergrund: Liberalisierung und Diskussion, ob eigene Stadtwerke/Wasserunternehmen lebensfähig, vermischt mit Stopfen von Haushaltslöchern aus dem Verkauf • Privatisierung wurde zunehmend als Fehler erkannt, weil a) Erträge fließen wie zuvor, doch jetzt an neue Anteilseigner b) Kommunen haben weniger bzw. keinerlei Einfluss auf Geschäftspolitik, z.B. bei Verpflichtung auf kommunales Wasserschutzkonzept etc.
6. Privatisierung und Beschäftigte • Die Beschäftigten haben die Privatisierung als „Leidende“ erlebt. • Sie sind – von öffentlichen Eigentümern – gegen ihren Willen mit den Netzen, Werkstätten und Verwaltungen verkauft, ausgegliedert oder umgewandelt worden. • Viele Arbeitsplätze wurden wegrationalisiert. • Es erforderte große Anstrengungen von ver.di, die Arbeitsbedingungen tariflich zu regeln, eine betriebliche Altersversorgung zu vereinbaren, die Standorte im Wesentlichen zu sichern und den Erhalt der Arbeitsplätze unterschiedlich lange zu garantieren.
6. ver.di-Position zur Privatisierung • ver.di bzw. ihre Vorläufer haben Privatisierung immer abgelehnt, weil Energie- und Wasserversorgung Kernbereich der kommunalen Daseinsvorsorge (§ 28 GG) • Das war manchmal sogar erfolgreich, im Verbund mit weitsichtigen Kommunalpolitikern und/oder Bürgerinitiativen (z.B. Hamburger Wasserwerke) • Die Gewerkschaften haben in denjenigen Fällen, in denen ein (Teil-) Verkauf durchgeführt wurde (z.B. Berliner Wasserwerke, TWS Stuttgart) darauf bestanden, dass a) die Beschäftigten abgesichert wurden, b) die Kommunalfinanzen nicht übermäßig Schaden leiden, c) auch die neuen Anteilseigner auf ein kommunales Wasserkonzept verpflichtet wurden. (Das war nicht immer vollständig erfolgreich.)
7. ver.di-Position zur Rekommunalisierung I • Die Städte und Gemeinden sollen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge selbst entscheiden, welches Unternehmen die besten Leistungen erbringt, unter Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Standrads und zu günstigen Preisen für die Dienstleistung. Das entspricht dem geltenden Konzessionsrecht. • Bei der politischen Beurteilung der Vergabeentscheidung kommt es in jedem Fall auf die Ausgestaltung der Konzessionsverträge an. • Eigene Betriebe garantieren prinzipiell große Gestaltungs-möglichkeiten im Sinne einer nachhaltigen Aufgabenerfüllung. Dies erfordert aber einen hohen finanziellen, organisatorischen und rechtlichen Aufwand.
7. ver.di-Position zur Rekommunalisierung I I Daraus ergibt sich: • ver.di unterstützt Bestrebungen zur Rekommunalisierung nicht bedingungslos. Es muss vielmehr im Einzelfall sicher gestellt werden, dass in den Konzessionsverträgen auch tatsächlich ehrgeizige Anforderungen im Sinne nachhaltiger ökonomischer, ökologischer und sozialer Entwicklung fest geschrieben werden. • Mit anderen Worten: Die Rekommunalisierung muss einen „Mehrwert“ gegenüber der bisherigen Vergabe bringen, für die Beschäftigten, die Netzqualität, die Ökologie und die kommunale Finanzlage. • Keine Verschlechterungen darf es insbesondere bei den Lohn- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, der Anzahl der Arbeitsplätze und der Sicherung der Ausbildungskapazitäten geben.
7. ver.di-Anforderungen im Detail: Soziales • Die vorhandenen tariflichen Niveaus, die Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die freiwilligen sozialen Leistungen und die Altersversorgung müssen beim Betriebsübergang übernommen und weiterentwickelt werden. Ergänzend sind tarifliche Regelungen zur Beschäftigungssicherung und Standortsicherung abzuschließen. • Die Altersversorgung sollte mindestens den in der kommunalen Zusatzversorgungskasse geltenden Regelungen entsprechen. Bestehende Regelungen für die Beschäftigten, sofern sie besser sind als in der ZVK, dürfen in ihrem Niveau nicht in Frage gestellt werden, sondern müssen dauerhaft weiter geführt werden. • Die vorhandenen Ausbildungskapazitäten, die Anzahl der Ausbildungsplätze und bestehende Übernahmeregelungen für Ausgebildete müssen insbesondere mit Blick auf den demografischen Wandel unverändert fortgeführt werden.
7. ver.di-Forderungen im Detail: Fiskalisches • Die notwendigen Investitionen in den Erwerb von Infrastruktur müssen rentierlich sein. • Bei dem Rückkauf der Netze muss auch das notwendige Know-how aufgebaut oder zugekauft werden. • Die zusätzliche Verschuldung der Kommune muss gesamtpolitisch verantwortbar sein. • Um die Bedingungen auf dem Kapitalmarkt zu verbessern, muss das kommunale Unternehmen ein angemessenes Verhältnis von Fremd- und Eigenkapital aufweisen. • In den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen darf keine Erhöhung der Preise einfließen.
7. ver.di-Forderungen: Ökologie • Vorrangig sind aus Überschüssen notwendige Investitionen in die Verbesserung der ökologischen Qualität der Energie- und/oder Wasserdienstleistung zu tätigen. • In den Konzessionsverträgen muss die Verpflichtung auf kommunale Energie- und Wasserkonzepte festgeschrieben werden. Das Unternehmen leistet präzis beschriebene Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, auch wenn dies die Gewinnerwartung schmälert (z.B. Verbesserung der Gewässer-/Wasserqualität etc.). • Ein ehrgeiziges regionales Wasserschutzkonzept muss gemeinsam von Kommune und den betroffenen Unternehmen erarbeitet und fortgeschrieben werden.
Die Konzessionsrichtlinie - Privatisierung mit der Brechstange und wie wir uns dagegen wehren sollten
8. Die Konzessionsrichtlinie - Privatisierung mit der Brechstange und wie wir uns dagegen wehren sollten • Die Konzessionsrichtlinie kommt im Frühjahr – zu groß das Interesse der privaten weltweiten Wasserkonzerne, das Rad wieder in Richtung Privatisierung zurückzudrehen • Vermutlicher Inhalt: Konzessionsrecht wird dem Vergaberecht angeglichen, das heißt die Freiheit der öffentlichen Konzessionsgeber, ökologische und soziale Kriterien zu verlangen, wird eingeschränkt • Wenn Preis entscheidend wird, wird industrielle Wasseraufbereitung vor nachhaltigem Gewässerschutz Vorrang erhalten – die kleinräumige, ökologische deutsche Wasserversorgung ist in Gefahr
8. Die Konzessionsrichtlinie - Privatisierung mit der Brechstange und wie wir uns dagegen wehren sollten • Das Vorgehen des Kommissars Barnier ist nicht zu rechtfertigen: • Vergabe von Dienstleistungen (gegen Bezahlung) und Dienstleistungskonzession (Vergabe der Berechtigung zu wirtschaftlicher Betätigung mit Dritten) sind zwei ganz unterschiedliche Paar Schuh • Die strenge Regulierung der Vergabe von Konzessionen schränkt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung grundgesetzwidrig ein • Transparenz und Nichtdiskriminierung der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen muss bereits heute gewährleistet sein (EU-Primärrecht)
8. Die Konzessionsrichtlinie - Privatisierung mit der Brechstange und wie wir uns dagegen wehren sollten • Die Beschäftigten sind alarmiert - In der Wasserwirtschaft, aber auch in den anderen betroffenen Bereichen: Energie, Abfall, Häfen, Verkehr… • Wie bei der Dienstleistungsrichtlinie geht es um die Zukunft der öffentlichen Daseinsvorsorge und der dort Beschäftigten. • Warum nicht die nächste ver.di-Großdemo in Brüssel abhalten – hoffentlich mit der tatkräftigen Unterstützung der deutschen Wasserwirtschaft !
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Erhard Ott ver.di-Bundesvorstand erhard.ott@verdi.de