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Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Kulturwissenschaftliches Institut. Institut Arbeit und Technik. Gerhard Bosch Arbeitszeitverlängerungen: Ein Weg zur Sicherung und Schaffung von Beschäftigung?
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Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Kulturwissenschaftliches Institut Institut Arbeit und Technik Gerhard Bosch Arbeitszeitverlängerungen: Ein Weg zur Sicherung und Schaffung von Beschäftigung? Neue Zeiten – Anforderungen an die Arbeitszeitpolitik Fachtagung Gesprächkreis Arbeit und Soziales der FES und WSI in der HBS Berlin, 05. September 2005 Prof. Dr. Gerhard Bosch Institut Arbeit und Technik, Munscheidstr. 14, D - 45886 Gelsenkirchen Tel: +49 209/1707147, Fax: +49 209/1707124, email: bosch@iatge.de Institut Arbeit und Technik Gerhard Bosch
Arbeitszeitverlängerungen: Ein Weg zur Sicherung und Schaffung von Beschäftigung? „Kürzeste Arbeitszeiten rund um den Globus“ (IW) „Freizeitparadies“ (Sinn) • Im „Freizeitparadies“ D werden 1444 Jahresstunden gearbeitet. Vorletzter Platz hinter den NL • Notwendig Verlängerung um 15 Prozent von 1444 auf 1661 • entspricht Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 44 Stunden • 10 Prozent AZV ohne Lohnausgleich ergibt zusätzlich 4 Millionen neue Arbeitsplätze Gerhard Bosch
Arbeitszeitverlängerungen: Ein Weg zur Sicherung und Schaffung von Beschäftigung? Gliederung des Vortrags • Wie lang sind die Arbeitszeiten in Deutschland? • Arbeitszeit und Wettbewerbsfähigkeit • Effekte von Arbeitszeitverlängerungen • Arbeitszeit und demographische Entwicklung • Ausnahmeregelungen • Die Alternative „Besser statt billiger“ Gerhard Bosch
NL 1312 D 1360 F 1360 DK 1406 B 1441 A 1481 I 1519 IRL 1576 FIN 1622 GB 1646 P 1690 E 1746 EL 1803 HUN 1806 TSC 1900 SVK 1913 PL 1957 Quelle: OECD 2005: Employment Outlook 1.1 Durchschnittliche Jahresarbeitszeiten abhängig Beschäftigter laut OECD-Statistik (2004, in Stunden) Gerhard Bosch
1.2 Probleme der OECD-Statistik • Enthält Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte • Keine harmonisierten Daten: Daten werden unterschiedlich erhoben (Komponentenmethode oder Befragungen) • Deutsche Zahlen des IAB beruhen auf der Komponentenmethoden und ergeben Zahlen am untersten Rande – wahrscheinlich Unterschätzung der tatsächlichen Arbeitszeit aufgrund abnehmender Tarifbindung • OECD: „Die Daten sind für Vergleiche und Trendbeschreibungen über die Zeit gedacht; sie sind ungeeignet für Vergleiche der Höhe der durchschnittlichen Jahresarbeitseiten“ • Daher eigene Berechnung auf der Basis der Europäischen Arbeitskräftestichprobe (gewöhnlich gearbeitete Arbeitszeit) für Vollzeitkräfte Gerhard Bosch
40 39 39 38,8 38,5 38,5 38,4 38 38 37,5 37,5 37,35 37,2 37 37 35 F NL DK GB D FIN NOR B I P A E S L IRL EL (West) 1.3 Durchschnittliche tarifvertragliche Wochenarbeitszeitenin der EU 15 + NOR, 2004 (Std.) Gerhard Bosch Quelle: EIRO (2005): Working time developments – 2004
1.4 Vereinbarte Arbeitszeiten in Deutschland, 2002 Privatwirtschaft: 38,9 Stunden Öffentlicher Dienst: 38,7 Stunden Warum liegen vereinbarte Arbeitszeiten höher als tarifliche? • Viele Beschäftigte sind nicht tarifgebunden(2003: 30% West und 46% Ost) • Tarifverträge werden z.T. nicht respektiert • Ausnahmeregelungen aus Tarifverträge greifen • AT-Beschäftigte unterliegen nicht Tarifverträgen Gerhard Bosch
42,8 40,9 40,3 40,1 40,1 40,0 39,9 39,8 39,3 39,2 39,2 39,1 39,0 38,8 38,8 38,5 N NL F B FIN IRL I DK D S A* L P E EL GB (West) * Zahl von 2003 1.5 Durchschnittliche tatsächliche Wochenarbeitszeiten von Vollzeit-ArbeitnehmerInnen in der EU 15 + NOR, 2004 (Std.) Gerhard Bosch Quelle: Europäische Arbeitskräftestichprobe
1.6 Durchschnittliche gewöhnliche Jahresarbeitszeiten von abhängig Vollzeit-Beschäftigter in der EU 15 + NOR, 2004, Std. 1937 1847 1831 1813 1811 1795 1789 1782 1756 1747 1745 1742 1727 1722 1720 1712 NL DK S I NOR FIN F D A* L B IRL P E EL GB * Zahl von 2003 Quellen: EIRO 2005; eigene Berechnungen Gerhard Bosch
1.7 Entwicklung der durchschnittlichen tarifvertraglichen und tatsächlichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von Vollzeit-ArbeitnehmerInnen in Deutschland (in Std. pro Woche) 42 41 West (tatsächlich) Ost (tatsächlich) West (tariflich) 40 Ost (tariflich) 39 Durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche 38 37 36 35 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Gerhard Bosch Quellen: BMWA 2004; Europäische Arbeitskräftestichprobe
Schweden 25,4 Großbritannien 25,2 USA 19,6 Irland 19,4 15,6 Dänemark Niederlande 11,9 Frankreich 8,4 7,4 EU 15 Belgien 6,4 Spanien 5,4 Österreich 2,8 Italien 2 -0,9 Deutschland 2.1 Arbeitszeit und Wettbewerbsfähigkeit: Reallohnentwicklung in Deutschland, Europa und den USA 1995 -2004 (in Prozent) Gerhard Bosch Quelle: DIW-Einblick 12/05
2.2 Arbeitszeit und Wettbewerbsfähigkeit: Lohnstückkosten im internationalen Vergleich1995 – 2004 (1995 = 100) Quellen: Europäische Kommission; statistische Bundesamt. Berechnungen des DIW, 2004 Gerhard Bosch
2.3 Arbeitszeit und Wettbewerbsfähigkeit:Zusammenhang zwischen durchschnittlicher Wochenarbeitszeit und Produktivität pro geleisteter Arbeitsstunde 2003, EU 25 und Norwegen 140 NOR L B F 120 IRL NL D DK A 100 GB S I E FIN 80 Stundenproduktivität EL P 60 SLK TSC POL 40 LIT EST 20 38 39 40 41 42 43 44 Wochenarbeitszeit Vollzeitarbeitnehmer Gerhard Bosch Quelle: Eurostat Strukturindikatoren, Europäische Arbeitskräftestichprobe
2.4 Arbeitszeit und Wettbewerbsfähigkeit: Psychische Erschöpfung Quelle: Bauer, F.& Groß, H.& Lehmann, K. & Munz, E (2004): Arbeitszeit 2003. Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsorganisation und Tätigkeitsprofile. Köln: ISO Gerhard Bosch
2.5 Arbeitszeit und Wettbewerbsfähigkeit:Durchschnittliche indirekte Betriebszeiten vertragliche und tatsächliche Arbeitszeiten im Vergleich Quellen: Groß et al. 2004, Europäische Arbeitskräftestichprobe, BMWA 2004 Gerhard Bosch
3.1 Arbeitszeitverlängerung: Die Sicht eines Unternehmers „Bei einer 40-Stunden-Woche müsste ich Stellen streichen“ Horst-Werner Maier-HunkePräsident der NRW-Arbeitgeber Quelle: Westfälische Rundschau, 8. Juli 2004, S. RWI1 Gerhard Bosch
IAB Studie: Firmenbefragung: per Saldo mehr Entlassungen als Einstellungen Sachverständigenrat JG 2004: Plausibilitätsanalyse: kurzfristig negativ – mittelfristig eher positiv IAT u. a.: Kurz- und langfristig negativ: Keine Engpässe auf dem Arbeitsmarkt; bei Engpässen An- und Entsparen beschäftigungsintensiver 3.2 Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich und Beschäftigung: Aktueller Diskussionsstand Gerhard Bosch
Arbeitszeitverlängerung um 1 Stunde Potentielles Arbeitsvolumen steigt um 2,5% Arbeitsproduktivität bleibt stabil Lohnstückkosten sinken um 2,5% Stückkosten und Preise sinken um 1,25% Benötigtes Arbeitsvolumen steigt um 1,25% Vorhandenes Arbeitsvolumen liegt 2,5% höher Beschäftigtenzahl sinkt um 1,25% 3.3 Arbeitszeitverlängerung: Sicht von Gesamtmetall Kann das richtig sein???? Gerhard Bosch
Kurzfristig weniger Personalbedarf,aber Schwachstellen der mechanischen Betrachtung Mechanische Betrachtung vernachlässigt dynamische Wirkungszusammenhänge: Synergien: Längere Arbeitszeiten ermöglichen längere Betriebszeiten und senken Kapitalkosten Flaschenhälse: Personalengpässe werden abgebaut, schnellerer Marktzutritt Rückkoppelungen: Längere Arbeitszeiten bremsen Trend zu höherer Kapitalintensität Fernwirkungen: Längere Arbeitszeiten führen zu weniger Schwarzarbeit Konsumneigung: Einkommen werden nicht beschnitten, Konsumneigung steigt Der psychologischeFaktor: Unternehmer lieben längere Arbeitszeiten 3.4 Arbeitszeitverlängerung: Sicht von Gesamtmetall Gerhard Bosch
Betriebszeitenverlängerung: Neue Schichtsysteme Engpässe: Im Moment keine Engpässe, ansonsten Qualifizierung und flexible Arbeitszeiten Trend zu höherer Kapitalintensität: Innovationsschwäche Schwarzarbeit: Kein Zusammenhang nachweisbar; andere Gründe für Schwarzarbeit Standortentscheidungen: Qualifikation, Kosten, Markt etc. wichtiger Konsumneigung: wird geschwächt durch weniger Beschäftigte Unternehmer lieben längere AZ: stimmt, aber nicht alle brauchen mehr Stunden! 3.5 Gegenargumente Gerhard Bosch
Beispiele der Arbeitsplatzsicherung durch temporäre Arbeitszeitverkürzungen oder Nicht-Verlängerung der Arbeitszeit berechnen und personalisieren Arbeitsplatzverluste bei AZ-Verlängerungen quantifizieren 3.6 Positive Erfahrungen mit Arbeitszeitverkürzungen schaffen und verbreiten Gerhard Bosch
Beschäftigungsquote der 55-64 Jährigen 2004 in Deutschland = 41,4% Anteil der 55-64 Jährigen am Erwerbspersonen-potential steigt von 10,4 Mio. 2005 auf 14,4 Mio. 2020 Ziel des Stockholmer Gipfels der EU: 50% Beschäftigungsquote der 55-64 Jährigen Dazu bis 2010 zusätzlich 800 000 Arbeitsplätze für diese Gruppe notwendig 4.1 Arbeitszeit und demographische Entwicklung Gerhard Bosch
Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch Verkürzung der Arbeitslosengeldanspruchs der über 55 Jährigen von 32 auf 18 Monate Verkürzung des Struktur-KUG von 24 auf 12 Monate Auslaufen aller Regelung für abschlagsfreien früheren Renteneintritt Gleichzeitig steigende Anzahl von Jugendlichen bis 2017 4.2 Arbeitszeit und demographische Entwicklung Gerhard Bosch
Index 2000 = 100 120 AusbildungsbevölkerungWestdeutschland 100 80 60 AusbildungsbevölkerungOstdeutschland ohne Berlin 40 2000 2004 2008 2012 2015 2002 2006 2010 2014 4.3 Arbeitszeit und demographische Entwicklung Veränderung der Ausbildungsbevölkerung bis 2015:17 – 20-Jährige Quelle: BMBF, 2004: Infoservice-Paket zur Ausbildungssituation. Ausgewählte Aspekte der Ausbildungssituation im dualen System, Stand November. Gerhard Bosch
Arbeitszeitverlängerung ist eine Kriegsansage an die nachwachsende Generation Arbeitszeitverlängerung führt morgen zum Fachkräftemangel 4.4 Arbeitszeit und demographische Entwicklung Gerhard Bosch
Eher Einschnitte an anderer Stelle als AZ-Verlängerung akzeptieren: Arbeitszeitverlängerungen haben unmittelbar negative Effekte auf Beschäftigung Konzessionen stunden, befristen und rückholbar machen Erfolgsbeteiligung bei besserer wirtschaftlicher Situation 5.1 Ausnahmeregelungen Gerhard Bosch
Bei Arbeitszeitverlängerungen: Klare Definition der Anlässe: Kriterien einer betrieblichen Krisensituation (z.B. Verluste) Gegenleistungen aushandeln Allgemeine Standortsicherung (oft nicht viel wert) Investitionszusagen Zusätzliche Stunden zum Teil in Fond für Weiterbildung (Stihl, VW 5000X5000) Ausbildung erhöhen 5.2 Ausnahmeregelungen Gerhard Bosch
- + AUSPRÄGUNG DER KRISENSYMPTOME - + SANIERUNG RESTRUKTURIERUNG IV. Existenzkrise Handlungsspielraum Handlungsbedarf III. Liquiditätskrise II. Ertragskrise - I. StrategischeKrise + Fremd-steuerung Selbst-steuerung 5.3 Ausnahmeregelung nur in der Phase der Fremdsteuerung Gerhard Bosch
6.1 Innovation einzige Standortgarantie • Trotz geringer Lohnsteigerungen und sinkender Lohnstückkosten bleibt Deutschland ein Hochlohnland und kann nur über Innovationen konkurrieren • Innovation bezieht sich auf die Verbesserung der Qualität und die Senkung von Kosten, also auf Produkt- und Prozessmodernisierung • Qualität hat verschiedene Dimensionen: Haltbarkeit, Design, Service, maßgeschneiderte Lösungen, Zuverlässigkeit, Flexibilität • Viele Qualitätsaspekte sind raumgebunden Gerhard Bosch
6.2 Innovative Produktions-Betriebe haben bessere Beschäftigungsbilanz Typ 1 Kein ausgeprägter Innovationsfokus (n = 83) 0,9 Typ 2InnovationsfokusFuE(n=75) 8,4 Typ 3 InnovationsfokusProdukt-Dienstleistung- Kombination (n=74) 17,9 Typ 4InnovationsfokusProzessmodernisierung(n=40) 18,1 Typ 5Innovator auf allen Ebenen(n=21) 17,9 Mitarbeiter/in Quelle: Fraunhofer ISI, 2004, PI–Mitteilung 33, S. 9 MittleresbetrieblichesBeschäftigungswachstums(2000bis2002) Gerhard Bosch
Arbeitszeitverlängerungen führen zu Personalabbau sind Kriegsansage an die nachwachsende Generation und produziert Fachkräftemangel lenken von den Zukunftsherausforderungen Innovation und Qualifikation ab Reine Blaupausenproduktion führt zur Arbeitsplatzverlagerung Für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland müssen Innovationen stärker mit Qualifizierung und Veränderungen der Unternehmensorganisation verknüpftwerden Produktionsmodernisierung muss in der Innovationspolitik ein größeres Gewicht bekommen Fazit (I) Gerhard Bosch
„Der Neo-Liberalismus ist eine Eroberungswaffe. Er verkündet einen ökonomischen Fatalismus, gegen den jeder Widerstand zwecklos erscheint. Er ist wie AIDS. Er greift das Abwehrsystem seiner Opfer an“ (Bourdieu) Gerhard Bosch
Feste Weltbilder kann man nicht mit Fakten allein erschüttern Man muss plausible alternative Weltbilder entgegensetzen Guter Ansatz“ „Besser statt billiger“ Fazit (II) Gerhard Bosch