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Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010. Vorlesung Europarecht Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M. § 6 Gesetzgebung. I. Die Unterscheidung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung Bedeutung: Ausdruck des Demokratieprinzips, Art. 10 Abs. 1, 2 EUV Ausdruck der Gewaltenteilung
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Friedrich-Schiller-UniversitätJenaSS 2010 Vorlesung Europarecht Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M.
§ 6 Gesetzgebung • I. Die Unterscheidung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung • Bedeutung: • Ausdruck des Demokratieprinzips, Art. 10 Abs. 1, 2 EUV • Ausdruck der Gewaltenteilung • Unionsspezifische Ausprägung: institutionelles Gleichgewicht, Art. 13 Abs. 2 EUV • Vorbehalt des Gesetzes? • Nicht ausdrücklich im Unionsrecht nachweisbar • Anerkennung aber durch Art. 52 Abs. 1 GRCh: Einschränkung von Grundrechten „muss gesetzlich vorgesehen sein“ • Unterscheidung der Funktionsbereiche nach handelnden Organen? • Europäisches Parlament: kein exklusives Gesetzgebungsrecht • Kein Initiativrecht, vgl. Art. 293 AEUV • Kein Gesetzgebungsmonopol • Rat: Mischfunktionen • exekutive Funktionen: z.B. Art. 121, 126, 218 Abs. 2 AEUV • legislative Funktionen (überwiegend geteilt mit EP und z.T. exklusiv) • Kommission: Exekutivorgan mit legislativen Ingerenzrechten • Initiativmonopol für Gesetzgebungsakte, Art. 293 AEUV (Ausnahmen gem. Art. 289 Abs. 4 AEUV) • Recht zur delegierten Rechtssetzung, Art. 290 AEUV • Recht zur Durchführungsgesetzgebung, Art. 291 AEUV • Eigenständige Gesetzgebungsbefugnis, Art. 106 Abs. 3 AEUV
§ 6 Gesetzgebung • I. Die Unterscheidung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung • Unterscheidung nach Handlungsformen bzw. Regelungsinhalten? • Verordnung, Art. 288 Abs. 2 AEUV • Grds. abstrakt-generelle Regelung von Sachverhalten • Regelung echter Einzelfälle aber möglich • Richtlinie, Art. 288 Abs. 3 AEUV • Grds. abstrakt-generelle Regelung von Sachverhalten • Beschluss, Art. 288 Abs. 4 AEUV • Grds. rein exekutive Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls • Neufassung durch Vertrag von Lissabon • Gesetzgebungsakte sind Rechtsakte, die gemäß einem Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen sind, Art. 289 Abs. 3 AEUV • Unterscheidung nach ordentlichem und besonderen Gesetzgebungsverfahren • Maßgeblich für die Wahl des Verfahrens und damit die Einordnung als „Gesetzgebungsakt“ ist die jeweilige Ermächtigungsnorm in den Verträgen • Gegenschluss: Rechtsakte, die nicht in einem Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen sind, sind als Verwaltungsmaßnahmen zu qualifizieren • Durchführungsrechtsakte • Auf Unionsebene: je nach Ermächtigungsgrundlage entweder Gesetzgebungsakte oder Verwaltungsmaßnahme • Auf mitgliedstaatlicher Ebene: abhängig von verfassungsrechtlicher bzw. einfach-rechtlicher Zuordnung
§ 6 Gesetzgebung • II. Gesetzgebungszuständigkeiten - Überblick • Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ist stets zu beachten, Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV • Das anwendbares Gesetzgebungsverfahren ergibt sich aus der konkreten Rechtsgrundlage (siehe z.B. Art. 114 Abs. 1 AEUV) • Die Wahl der richtigen Kompetenzgrundlage richtet sich nach Inhalt und Ziel des geplanten Gesetzgebungsaktes • Kommen mehrere Rechtsgrundlagen mit abweichenden Gesetzgebungsverfahren in Betracht, ist der Schwerpunkt der geplanten Regelung maßgeblich • Herangezogen wird der Kompetenztitel (und das diesem entsprechende Verfahren), auf dem Gesetzgebungsakt im Schwerpunkt beruht • Nur in den Fällen, in denen eine Regelung mehreren Rechtsgrundlagen gleichzeitig zugeordnet werden muss, sind die Verfahrensanforderungen aller Verfahren kumulativ anwendbar • Insoweit besteht eine Begründungspflicht des Unionsgesetzgebers für die Wahl der Rechtsgrundlage • Umfassende gerichtliche Kontrolle durch EuGH im Verfahren nach Art. 263 Abs. 1 AEUV
§ 6 Gesetzgebung • III. Aufgaben der Gesetzgebungsorgane (Überblick) • Initiativrecht nahezu ausschließlich bei Kommission • Keine Pflicht zum Initiativwerden, reines Ermessen • Parlament kann Kommission zum Tätigwerden auffordern, Art. 225 AEUV • Änderung des Vorschlags der Kommission durch Rat nur einstimmig möglich, Art. 293 Abs. 1 AEUV • Kommission kann jederzeit vor dem Beschluss des Rates ihren Entwurf ändern, Art. 293 Abs. 2 AEUV • Konsequenz: hohe Durchsetzungskraft der Kommission bei der gesamten sekundären Rechtsetzung • Rat ist in allen Verfahren als Gesetzgeber involviert • Seine demokratische Legitimation wird indirekt über mitgliedstaatliche Parlamente vermittelt • Parlamentarische Kontrolle seiner Tätigkeit auf mitgliedstaatlicher Ebene gegenüber nationalen Vertreter im Rat • Parlament heute bei der überwiegenden Zahl der Kompetenztitel gleichberechtigter Gesetzgeber • Grundlage: ordentliches Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 1, Art. 294 AEUV • Unmittelbare demokratische Legitimation des EP durch Direktwahlen gesichert • Ungelöstes Problem: Ungleiche Repräsentation der Völker der EU im Parlament, vgl. Art. 14 Abs. 2 EUV
§ 6 Gesetzgebung • IV. Gesetzgebungsverfahren in der EU • Ordentliches Gesetzgebungsverfahren, Art. 289 Abs. 1, Art. 294 AEUV • Früher: Mitentscheidungsverfahren, Art. 251 EGV • Wichtigstes Gesetzgebungsverfahren der Union • Gleichberechtigung von Rat und EP als Unionsgesetzgeber • Wesentliche Merkmale • Zwang zur Einigung von Rat und Parlament • Vermittlungsausschuss • Besondere Gesetzgebungsverfahren, Art. 289 Abs. 2 AEUV • Zustimmungsverfahren • Merkmal: Rat entscheidet einstimmig • Merkmal: Parlament hat nur das Recht der Zustimmung/Ablehnung im Ganzen • Beispiele: Art. 19 Abs. 1, Art. 25 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 AEUV • Recht des EP zum suspensiven Veto • Anhörungsverfahren • Merkmal: Rat entscheidet einstimmig • Merkmal: Beteiligung des EP auf Anhörung zum Gesetzbegrenzt • Anhörungsrecht des EP geschützt durch den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts, vor EuGH gerichtlich durchsetzbar • Beispiele: Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1, 2, Art. 23, Art. 64 Abs. 3 AEUV • Originäre Parlamentsgesetzgebung • Art. 223 Abs. 2, Art. 226 Abs. 3, Art. 228 Abs. 4 AEUV
§ 6 Gesetzgebung • V. Delegierte Gesetzgebung, Art. 290 AEUV • Möglichkeit der Übertragung (Delegation) von Gesetzgebungsaufgaben auf Kommission • Ungeklärtes Problem: Verhältnis zu Art. 291 Abs. 2 AEUV • Voraussetzungen der Übertragung, Abs. 1 • Ermächtigung ausschließlich durch Gesetzgebungsakt • Ergänzung oder Änderung nicht-wesentlicher Vorschriften des Gesetzgebungsaktes • Zweck: Entlastung der anderen Gesetzgebungsorgane • Delegation muss nach Ziel, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer ausdrücklich festgelegt sein • Gesetzgebungsverfahren der Kommission, Abs. 2 • Möglichkeit des Widerrufs der Delegation • Möglichkeit, Inkrafttreten des delegierten Rechtsaktes an Zustimmung des EP oder des Rates zu binden • Rechtsnatur der delegierten Handlungen, Abs. 3 • Sämtliche Handlungsformen nach Art. 288 AEUV mit Ausnahme von Beschlüssen, da es sich um „Rechtsakte mit allgemeiner Geltung“ handeln muss, vgl. Abs. 1 • Kein Gesetzescharakter • Kennzeichnung durch das Wort „delegiert“
§ 6 Gesetzgebung • VI. Durchführungsgesetzgebung, Art. 291 Abs. 2 – 4 AEUV • Weiter Begriff der „Durchführung“ von Sekundärrecht • Möglichkeit der Ermächtigung der Kommission zum Erlass von Durchführungsrechtsakten, Art. 291 Abs. 2 AEUV • Zweck: Sicherung der einheitlichen Durchführung auf mitgliedstaatlicher Ebene; Nutzung von Fachkenntnissen der Kommission und spezieller Ausschüsse • Voraussetzungen • Erfordernis einheitlicher Bedingungen für die Durchführung auf ms Ebene • Ermächtigung im jeweiligen Sekundärrechtsakt (Basisrechtsakt), der nicht Gesetzgebungsakt sein muss • Grenze der Übertragung: wesentliche Fragen müssen durch Rat und Parlament selbst entschieden werden • Rechtssetzungsverfahren („Komitologieverfahren“) • Grundlage: Art. 291 Abs. 3 AEUV • Beschluss 1999/468 (Komitologiebeschluss) • Zusammenwirken von Kommission und Ausschüssen aus Vertretern der Mitgliedstaaten in verschiedenen, typisierten Verfahren • Wahl des Verfahrens erfolgt durch Basisrechtsakt • Rechtsnatur der Durchführungsrechtsakte • Alle Handlungsformen nach Art. 288 AEUV • Kennzeichnung durch das Wortteil „Durchführungs-“