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40 Jahre Arbeitsmarktpolitik und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – Arbeitsmarktreformen und ihre Wirkungen Einschätzungen aus sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht. Joachim Möller, Vortrag Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, 24. März 2009. Übersicht.
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40 Jahre Arbeitsmarktpolitik und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – Arbeitsmarktreformen und ihre Wirkungen Einschätzungen aus sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Joachim Möller, Vortrag Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, 24. März 2009
Übersicht • 40 Jahre (systematische) Arbeitsmarktpolitik • Ziele der Arbeitsmarktpolitik • Deutschland im internationalen Vergleich • Aspekte der Ungleichheit • Haben die Hartz-Reformen gewirkt? • Wissenschaft und Arbeitsmarktpolitik
Die Geburt des AFG 1969 aus dem Geist der Krise • Schock des kurzen, aber heftigen Einbruchs 1966/ 1967 • Ende der ungebrochenen Aufwärtsbewegung • Ambivalenz des technischen Fortschritts • Beschleunigung des Strukturwandels Lit.: Hrsg. BMAS und Bundesarchiv: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945
Konzeption: Arbeitsmarktpolitik im Kontext • Beschäftigungspolitik Herstellung von Vollbeschäftigungsbedingungen auf der Makroebene (mit keynesianischen Instrumenten) • Globalsteuerung • Konzertierte Aktion • Mittelfristige Finanzplanung • Arbeitsmarktpolitik systematische Unterstützung der Beschäftigungspolitik auf der Mikroebene verwandte Politikbereiche: Strukturpolitik, Sozialpolitik
Der damalige Zeitgeist • „technokratischer Ansatz“ aus heutiger Sicht: Überschätzung von … • … Machbarkeit, Planbarkeit, Steuerbarkeit • … Prognostizierbarkeit (z.B. Berufsbedarfsprognosen) Vernachlässigung von … • … Rückwirkungen auf Anreizstrukturen • … Verhaltenskomponenten
Was hat sich geändert? • Neueinschätzung der Möglichkeiten makroökonomischer Beschäftigungspolitik • Wirkungslosigkeit bei angebotsseitigen Störungen (z.B. Ölpreiskrisen) • Neubewertung arbeitsmarktpolitischer Instrumente • Rolle der Evaluationsforschung • Stärkere Betonung von Aktivierungsstrategien • „Fordern und Fördern“
Ökonomische Ziele • Mobilisierung von Arbeitskraftressourcen • Erhöhung der Erwerbsbeteiligung • Steigerung der Produktivität durch Qualifizierung • Verbesserung der Matching-Effizienz • Marktausgleich • Vermeidung von Überschussnachfrage/ -angebot • Erhöhung der Anpassungsfähigkeit durch berufliche, räumliche, sektorale Mobilität
Ökonomische Ziele • Mobilisierung von Arbeitskraftressourcen • Erhöhung der Erwerbsbeteiligung • Steigerung der Produktivität durch Qualifizierung • Verbesserung der Matching-Effizienz • Marktausgleich • Vermeidung von Überschussnachfrage/ -angebot • Erhöhung der Anpassungsfähigkeit durch berufliche, räumliche, sektorale Mobilität
Sozialpolitische Ziele • Chancengleichheit und Ausgleich • keine Benachteiligung aufgrund von Herkunft, Geschlecht … • Berücksichtigung von sozialen Lagen • Integration und Teilhabe • kein Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen • Absicherung und Befriedung • Schutz vor Willkür, Ausbeutung, Existenznot • Versicherung gegen Risiken
Beschäftigungsfähigkeit • … „Verfügbarkeit von produktiven Fähigkeiten, die den Zugang zu auskömmlichen Jobs sichern“ • Bringschuld der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber? Aufgabe des Staates? • people fit for the market oder market fit for the people?
Erwerbsbeteiligung: Deutschland vs. G7(Erwerbspersonen/ Erwerbsbevölkerung) CLF/ Working Age Population 1960-2007, Quelle: OECD
Erwerbstätigkeit: Deutschland vs. G7(Erwerbstätige / Erwerbsbevölkerung) Civilian Employment / Working Age Population 14-64, Quelle: OECD
Erwerbsbeteiligung von Frauen (Deutschland vs. G7; Erwerbspersonen/ Erwerbsbevölkerung) Civilian Female Labor Force / Female Working Age Population 14-64, Quelle: OECD
Erwerbstätigkeit von Frauen (Deutschland vs. G7; Erwerbstätige/ Erwerbsbevölkerung) Civilian Female Employment / Female Working Age Population 14-64, Quelle: OECD
Frauenerwerbstätigkeit im internationalen Vergleich (Erwerbstätige/ Erwerbsbevölkerung) Civilian Female Employment / Female Working Age Population 14-64, Quelle: OECD
Teilzeitquoten (Frauen) im internationalen Vergleich Females Part-time in % fem civ emp, Quelle: OECD (Durchschnitswerte über Ländergruppen)
Entwicklung der Lohnungleichheit (1984=1)(Perzentilverhältnisse im oberen und unteren Bereich der Verteilung)
Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten (Männer und Frauen, in Prozent) dd
Kann die Wissenschaft eine Antwort geben? • kein “Quasi-Experiment” • Beobachtungszeitraum zu kurz • Mikrodaten nur mit großer Verzögerung verfügbar • (noch) keine kausalen Analysen möglich keine Beweise, jedoch klare Indizien
Wirkung der Arbeitsmarktreformen Indizien • Abschwächung des „Zurückbleibe-Effekts“ (Hysteresis) • Veränderung der Mismatch-Arbeitslosigkeit • Verhaltensänderungen der Arbeitssuchenden • Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit
Mismatch-Arbeitslosigkeit: Der Zusammenhang zwischen Arbeitslosen und Offenen Stellen 450 Offene Stellen v u*: Mismatch-Arbeitslosigkeit v2 v*= u* v1 Arbeitslosigkeit u u* u1 u2
Mismatch-Arbeitslosigkeit: Der Zusammenhang zwischen Arbeitslosen und Offenen Stellen (2) 450 Offene Stellen v Auswärtsverschiebung der Kurve bedeutet Anstieg der Mismatch-Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit u
Mismatch-Arbeitslosigkeit: Der Zusammenhang zwischen Arbeitslosen und Offenen Stellen (3) Quelle: Deutsche Bundesbank, saisonbereinigte Zahlen; Quelle für Ausgangswerte: BA
Mismatch-Arbeitslosigkeit: Der Zusammenhang zwischen Arbeitslosen und Offenen Stellen (4)
Das Verhalten von Arbeitssuchenden aus Sicht der Betriebe: Konzessionsbereitschaft bei der Bezahlung Quelle: Erhebung des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots, verschiedene Wellen
Konzessionsbereitschaft bei den Arbeitsbedingungen Quelle: Erhebung des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots, verschiedene Wellen
Entwicklung der Langzeitarbeitslosenquote 1998-2009 Eigene Berechnungen; Langzeitarbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen, saisonbereinigte Werte, Daten für 2005 wegen Bruchs in der Statistik nicht interpretierbar
Was wussten wir vor zehn Jahren über die Wirkungen aktiver Arbeitsmarktpolitik? • Quantitativer Umfang der „Entlastungseffekte“ von Maßnahmen • (Teil-) Kenntnis der Erwerbsbiographien von Maßnahmeteilnehmern ausschließlich Analyse der scheinbaren Wirkungen
Ausgangslage am Ende der letzten Dekade • Ausgabevolumen in den neunziger Jahren > 400 Mrd. DM (208 Mrd. €) • keine geeignete Kontrolle von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit scharfe Kritik, z.B. „Angesichtes immenser Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik ist ihre wissenschaftlich fundierte und aussagekräftige Evaluation seit längerer Zeit mehr als überfällig.“ (W. Franz)
Was hat sich geändert? • Verfügbarkeit von Mikrodaten • Rasante Entwicklung von Evaluationsmethoden • Fokussierung der Forschung auf Evaluationsstudien • Hohes Interesse der Politik an Evaluationsergebnissen (Mittelbereitstellung) • Schließen der Forschungslücke (im Vergleich z.B. zu den USA) „Ende des Blindflugs“
Was wissen wir heute über die Wirkung aktiver Arbeitsmarktpolitik? Differenziertes Bild: • Programme mit höherem und niedrigerem Wirkungsgrad • zu den ersteren: betriebsnahe Instrumente • zu den letzteren: z.B. FbW, nicht-betriebliche Trainingsmaßnahmen • Programme, die hinsichtlich der Wiedereingliederung eher schaden als nutzen • z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Warum kommen unterschiedliche Studien (teilweise) zu unterschiedlichen Ergebnissen? • Enge oder weite Definition der Zielvariablen • Länge der Beobachtungszeit nach der Maßnahme • Einfluss von Konjunkturphasen • (Nicht-) Berücksichtigung von Maßnahmekarrieren • Konstruktion der Kontrollgruppe • Regionale Differenzierung
Was wissen wir heute (noch) nicht über die Wirkung aktiver Arbeitsmarktpolitik? • Evaluationslücken (z.B. bei Bildungsgutscheinen, Maßnahmen für Jugendliche, Reha-Maßnahmen) • Makroeffekte/ Allgemeine Gleichgewichtseffekte • Warum wirken Maßnahmen (oder eben nicht)? • Welche Rolle spielt die betriebliche Ebene? Welche der Maßnahmeträger? • Sind effektive Maßnahmen auch effizient?
Fazit • in der Vergangenheit: Licht und Schatten • Aufholprozess im internationalen Vergleich • Klare Indizien für eine Wirkung der Hartz-Reformen • Arbeitsmarktpolitik als ein lernendes System • Neue Rolle der Wissenschaft im Sinne einer „evidence-based policy“
Qualifikationsbedingte Lohnunterschiede bei vollzeit-beschäftigten Männern in Westdeutschland 1984 bis 2004(Basis Geringqualifizierte, in Prozent) Quelle: IABS, eigene Berechnungen
Frauenerwerbs(personen)quoten im internationalen Vergleich Civilian Female Labor Force / Female Working Age Population 14-64, Quelle: OECD
Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik – Fünf Länder im Vergleich Quelle: OECD