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Grundlagen: Kredit & fiktives Kapital. Zur Zyklik von Kredit, Zins, Aktienkursen. Salz Sommerwoche 2008 Guenther Sandleben Stand: Juli 2008. Kredit & fiktives Kapital (Marx, Kapital III, 25. Kapitel, S. 413 ff).
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Grundlagen:Kredit & fiktives Kapital. Zur Zyklik von Kredit, Zins, Aktienkursen Salz Sommerwoche 2008 Guenther Sandleben Stand: Juli 2008
Kredit & fiktives Kapital (Marx, Kapital III, 25. Kapitel, S. 413 ff) • Entgegen mancher Vorurteile ist die Marxsche Analyse der „Finanzmärkte“ systematisch ausgelegt; sie ist klar, zeigt die inneren Zusammenhänge zum „wirklichen Kapital“ (=produktives + Warenkapital). Sie ist bis heute eine Goldgrube für die Analyse der Finanzmärkte. Marx unterscheidet zwei Seiten des Kreditwesens: • Kommerzieller Kredit (= den die in der Reproduktion beschäftigten Kapitale einander geben) • Bankkredit (= Kredit in Geldform, meist fortgegeben von Banken) G. S.
Kommerzieller Kredit („Basis des Kreditsystems“) • Aus der einfachen Warenzirkulation heraus bildet sich die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel und damit ein Verhältnis von Gläubigern und Schuldnern unter den Warenproduzenten und Händlern • Verkauf der Ware nicht gegen Geld, sondern gegen ein Zahlungsversprechen (=„Handelsgeld“ wie Wechsel, Schuldscheine etc. mit bestimmten Zahlungsterminen) • Wechsel zirkulieren unter Kaufleuten als Zahlungsmittel (=Übertragung der Schuldforderung) oder werden zum Diskont an die Bank weitergereicht. G. S.
Geldkredit (durch Banken und andere Geldverleiher) • Wesentlich verschieden vom kommerziellen Kredit. • Ausgangspunkt ist nicht die Warenzirkulation sondern der Geldhandel („Geldhandlungskapital“, Kapital III, 19. Kapitel) • Daraus entwickelt sich die andere Seite des Kreditwesens: Banken verwalten das zinstragende Kapital. Sie konzentrieren selbst kleine Geldbeträge (brachliegende Gelder, Reservefonds der Handelswelt, Depositen, Geldersparnisse aller Klassen, Revenuen, die nur allmählich verzehrt werden). • Der Profit des Bankiers besteht in der Zins-Differenz • Das Verleihen geschieht durch Diskontierung von Wechseln und durch Vorschüsse (mit oder ohne Sicherheiten) G. S.
Formen der Kreditvergabe seitens der Banken Formen der Kreditvergabe (MEW 25, S. 417, 474f): • Krediteröffnungen/Buchkredit (=Schuldner wird zum imaginären Depositor, durch bloße Kredittransaktionen lassen sich Zahlungen vermitteln) • Wechsel oder Schecks auf andere Banken • Bei Privatnotenbanken: Eigene Banknoten (=Kreditgeld). Jetzt: Notenausgabemonopol der Zentralbanken • (Zentralbanknoten) G. S.
Zur Höhe des Zinses • Zins als Teil des Profits ist bestimmt durch die allgemeine Profitrate und durch besondere Tendenzen: a) Zunahme der Klasse der Rentiers; b) Entwicklung des Kreditsystems) (MEW 25, S. 373f) • Die Höhe des Zinses wird bestimmt („Stand des Vertrauens gleichgesetzt“ MEW 25, S. 516) durch die Konkurrenz auf dem Geldmarkt. Das gesamte leihbare Geld (Verleiher= Bankiers und sonstige Geldverleiher) steht hier als Angebot der Gesamtmasse der Nachfrage (fungierende Kapitalisten und andere Borger) gegenüber G. S.
Leihkapital kein Moment der Reproduktion (Kritik des Begriffs „Finanzkapital“). G –G – W – G‘– G‘(MEW 25, S. 353) • Doppelte Verausgabung des Geldes als Kapital, doppelter Rückfluss • Zinstragendes Kapital G – G‘ ist kein Moment der Warenmetamorphose oder der Reproduktion des Kapitals. „Dasselbe Kapital erscheint in doppelter Bestimmung, als leihbares Kapital in der Hand des Verleihers, als industrielles oder kommerzielles Kapital in der Händen des fungierenden Kapitalisten. Aber es fungiert nur einmal und produziert selbst den Profit nur einmal. Im Produktionsprozess selbst spielt der Charakter des Kapitals als verleihbares keine Rolle.“ (MEW 25, S. 376) G. S.
Fiktives Kapital I: Seine Bildung, seine Arten • „Die Bildung des fiktiven Kapitals nennt man kapitalisieren. Man kapitalisiert jede regelmäßig sich wiederholende Einnahme, indem man sie nach dem Durchschnittszinsfuß berechnet; (…) wenn die jährliche Einnahme = 100 Pfd. St. und der Zinsfuß = 5%, so wären die 100 Pfd.St. der jährliche Zins von 2000 Pfd.St.“(MEW 25, 484) • Arten des fiktiven Kapitals (MEW 25, S. 482ff) • Festverzinsliche Wertpapiere wie Staatspapiere, Schatzwechsel, Unternehmensanleihen (Anleihemärkte) • Aktien als Eigentumstitel (Aktienmärkte) • Sonstiges, ohne zirkulationsfähige Schuld- bzw. Eigentumstitel • Wertpapiere sind Anspruch auf Geld, nicht wirkliches Geld. Sie sind Formen, Geld auszuleihen, nicht aber das Leihkapital selbst. G. S.
Fiktives Kapital II: Selbständige Bewegung (MEW 25, S. 485f) • Schuldtitel und Eigentumstitel sind veräußerbar: Verkauft A an B, dann erhält A von B sein Geld zurück, B erhält den Schuldtitel oder Eigentumstitel von A. Das an Unternehmen, Staat etc. verliehene Geld ist davon nicht betroffen. • Der Preis des zirkulierbaren Titels erhält eine vom Nominalwert verschiedene Bestimmung • Bei Aktien: Kapitalisierter Ertrag; die Erträge sind spekulativ, da hier die erwarteten Erträge zählen • Bei Anleihen: Der Preis verhält sich (Stand des Vertrauens gleichgesetzt) umgekehrt wie der Zinsfuss. G. S.
Märkte für Leihkapital und fiktives Kapital nach heutiger Begrifflichkeit • „Kreditmarkt“: Mit Banken als Gläubigern - Unternehmen, Regierungen und Privatpersonen als Schuldnern. • Geldmarkt: Interbankenhandel (k. o. seit Sommer 2007) • „Klassischer Kapitalmarkt“: Emissionsmarkt (Primärmarkt) für Wertpapierfinanzierung (Ausgabe von Aktien, Anleihen) • Zirkulationsmarkt (Sekundärmarkt für den Wertpapierhandel) • Primär- und Sekundärmarkt Markt für abgeleitete Finanzinstrumente (Derivatehandel) Akteure: Marx spricht allgemein von „Banken und Geldverleihern“. Zu den Geldverleihern gehören: Versicherungen, Investmentfonds, Pensionsfonds, Hedge-Fonds, Private Equity. G. S.
Zyklik beim fiktiven Kapital • Schuldtitel: Der Preis steht im großen und ganzen im umgekehrten Verhältnis zum Zins. • Krisensituation: Preisverfall durch starken Zinsanstieg und wachsende Insolvenzrisiken (besonders Unternehmensanleihen – manchmal Flucht in Staatspapiere) • Aktien: Der Preis folgt dem Ertragswert mit spekulativen Übertreibungen nach oben und unten. • Krisensituation: Kurseinbruch weil der Zins steigt, die Erträge unsicher sind und „weil sie massenhaft auf den Markt geworfen werden, um sie in Geld zu realisieren“. (MEW 25, S. 485) • Kursverluste ändern nicht den Reichtum der Nation (486) G. S.
Zyklik beim kommerziellen Kredit und Geldkredit (MEW 25, S. 496ff) • Im Mittelpunkt steht der Umschlag des Kreditsystems ins Monetarsystem, ein gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Also Krise mit starkem Zinsanstieg. Grund sind Zahlungsschwierigkeiten an etlichen Stellen der Zahlungskette. Der kommerzielle Kredit ist erschüttert; brachliegendes Warenkapital macht ihn überflüssig. • Der kommerzielle Kredit erreicht in der Prosperität seine größte Ausdehnung. Folge: a) Zirkulationsfunktionen werden durch einfache Kreditübertragungen ersetzt b) Flüssigkeit des Reproduktionsprozesses ermöglicht weitgehende Saldierung der Zahlungen (Ersparnis wirklichen Geldes). • Zins ist trotz beschleunigter Akkumulation niedrig, da kommerzieller Kredit kaum des Bankkredits bedarf. G. S.
Zins- und Kreditzyklus G. S.
Zur Macht des „Finanzkapital“ • These: Das Finanzkapital ist mächtig („finanzmarktgetriebenen Kapitalismus“) und instabil (Gefährdung „redlicher Unternehmen“). Zur tatsächlichen Macht des fiktiven Kapitals: • Aktien sind Titel auf wirkliches Kapital. „Indes geben sie keine Verfügung über dies Kapital. Es kann nicht entzogen werden. Sie geben nur Rechtsansprüche auf einen Teil des von demselben zu erwerbenden Mehrwerts.“ (MEW 25, S. 494) • Das wirkliche Kapital existiert neben dem fiktiven Kapital und ändert sich nicht, wenn die Titel die Hände wechseln. • Durch die Aktienemission wandert das Geld ins Unternehmen; der Aktienbesitzer steht jenseits der Kapitalfunktionen und besitzt lediglich Ansprüche auf Mehrwert. Akteur der Reproduktion ist nicht er, sondern die Unternehmung. G. S.
Kredit, fiktives Kapital & wirkliches Kapital. Zur „Autonomie des Finanzsektors“ • Der kommerzielle Kredit korrespondiert mit der Akkumulation • Die Akkumulation des fiktiven Kapitals in Form der Aktien repräsentiert wirkliche Akkumulation, soweit die Aktienemission nicht auf Schwindel beruht. Der Wertbetrag der Aktien kann aber an der Börse fallen oder steigen unabhängig von der Wertbewegung des wirklichen Kapitals. • Gleiches gilt für die Unternehmensanleihen • Anders bei der Staatsschuld: Die staatliche Vergeudung von Reichtum erscheint hier positiv als Kapital. • Der Umfang an Derivaten korrespondiert teilweise mit der wirklichen Akkumulation. Absicherungsgeschäfte der fungierenden Kapitale bilden eine Grundlage, auf der sich ein spekulativer Überbau auftürmt. G. S.