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I. Verschiedene Formen der Evidenz für die angenommene Silbenstruktur: 1. Regeln 2. Restriktionen 3. Versprecher > 4.GeheimsprachenII. Geheimsprachen Einführendes Beispiel (alfabeto farfallino) und Erklärung Argumente dafür, dass Geheimsprachen etwas über die Silbenstruktur verraten Weitere Beispiele Zusammenfassung: Charakteristiken von Geheimsprachen Übungen im Buch (6 und 7)
Sprachspiele: Evidenz für die Struktur der Silbe aus Sprachspielen
Angenommene Struktur der Silbe:S/ ⃥Onset Reim / \Nukleus Coda [k r aŋ k]
Evidenz für diese Silbenstruktur: Regeln, die sich auf bestimmte Einheiten der Silbe beziehen: z. B.: Auslautverhärtung im Deutschen: sa[g]en vs. er sagt (er sa[kt]) [+Obstruent] > [-stimmhaft] / __ | Coda
Evidenz für diese Silbenstruktur: Restriktionen, die sich auf bestimmte Einheiten der Silbe beziehen: z. B. Im Italienischen dürfen in einer bestimmen Silbeneinheit nur Sonoranten, [s] und Geminaten stehen: bimbo *bap.da banda *bit.bo
Evidenz für diese Silbenstruktur: Versprecher: nur Untereinheiten der Silben werden miteinander vertauscht: il cartello sul ponte> il partello sul conte oder: il cantello sul porte (*il captello sul ronte)
Evidenz für diese Silbenstruktur Geheimsprachen: (Sprachmanipulationen, die oft von Kindern verwendet werden, damit sie von den Erwachsenen nicht mehr verstanden werden) Beispiel: Alfabeto farfallino: • è venuto presto→ èfe vefenufutofo prefestofo Was passiert hier?
è venuto presto→ èfe vefenufutofo prefestofo Was repräsentieren die schwarzen Buchstaben? Was repräsentieren die roten Buchstaben? Was repräsentieren die grünen Buchstaben?
è venuto presto→ èfe vefenufutofo prefestofo Schwarz:è ve nu to pres to: Einzelne Silben, die als Basis für die Manipulation dienen Grün:è e u o e o: Wiederholte (reduplizierte) Vokale (Nuklei)Rot:f: Invariantes , fixes Segment, das immer die prävokalischen Konsonanten (den Onset) der Basis-Silbe ersetzt
Warum können wir durch Sprachspiele etwas über die Silbenstrukur erfahren? Annahme:Die Spreche manipulieren nicht willkürlich zusammengesetzte Segementsequenzen, sondern nur linguistisch relevante Einheiten (z. B. die Silbe, Untereinheiten der Silbe)
Argumente: Psycholinguistische Experimente mit Kunstwörtern (z. B. Treiman) zeigen: Sequenzen, die eine linguistische Einheit (Repräsentation) bilden, sind leichter zu manipulieren als Einheiten, die verschiedenen Konstituenten angehören: Beispiel:Es ist leichter, den Onset mit dem Reim zu vertauschen als Onset + Nukleus mit der Coda:krint glupt > krupt ist einfacher als z. B.:krint glupt > *kript oder krint glupt >*klupt
>>Psycholinguistische Experimente zeigen also, dass bestimmte Einheiten (phonologische Repräsentationen) in der Sprach- produktion und -verarbeitung eine Rolle spielen >>Es ist davon auszugehen, dass diese linguistisch relevanten Einheiten (phonologischen Repräsentationen) die Möglichkeiten zur Sprachmanipulation in Geheimsprachen beschränken.>>Bestätigung durch eine Typologie existierender Sprachspiele: In fast allen bekannten Geheimsprachen wird auf diese Kategorien Bezug genommen, während es m. W. keine Geheimsprache gibt, die z. B. ein Segment in eine Untereinheit der Silbe einschieben (*p-V-resto)
Wenn wir uns mit Sprachspielen (linguistisch) befassen, stellen wir uns v. a. die folgenden zwei Fragen: Welche linguistischen Objekte (z. B. Silbe, Nukleus etc.) sind betroffen? 2. Welche Veränderungen werden durchgeführt (z. B. Einfügen Austauschen oder Wiederholen von Einheiten) ?
Anwendung auf Alfabeto farfallino:(è venuto presto→ èfe vefenufutofo prefestofo) Frage 1: Welche linguistischen Objekte sind betroffen?- die Silbe: jede einzelne Silbe wird manipuliert z. B.: ve.nu.to>(ve+fe) (nu+fu) (to+fo)- der Nukleus: jeder Nukleus wird wiederholt z. B. presto>pre.fes.to.fo die Spiel-Silbe wird nach dem Nukleus eingesetzt pres.to>pre.-fe-s.to.fo- der Onset: jeder Onset wird durch ein invariantes Segment ersetzt z. B. pres.to>pre.fes.to.fo
-Anwendung auf Alfabeto farfallino:(è venuto presto→ èfe vefenufutofo prefestofo) - der Onset: jeder neue Nukleus wird mit einem invarianten Segment versehen z. B. pres.to>pre.fes.to.fo
Frage 2: Welche Manipulationen sind möglich?- Reduplikation: der Nukleus wird wiederholt (pres.to> pre.fes.to.fo)- Affigierung: eine phonologische Konstituente (d. i. eine offene Silbe) wird infigiert (pres.to>pre+[CV]+s to+[CV])- Ersatz: eine phonologische Konstituente (der Onset) wird durch einen invarianten Onset ersetzt (pres.to>pre.fes.to.fo)Sefe rifiufuscifitefe afa cafapifirefe qufuefestofo tefestofo… (http://www.facebook.com/apps/application.php?id=158088881421)
nächstes Beispiel: Englisch: Pig Latin cat>at-cay break>eak-bray Idiot>idiot-hay holidays>olidays-hay Frage 1: Welche linguistischen Objekte sind betroffen? Frage 2: Welche Veränderung wird durchgeführt?
noch ein Beispiel: dobbel månsing(Norwegisch) grønn.sak>bønnagrøns bakasans for.står>borafons-båraståns grønn.sak>bønn-a-grønsbak-a-sans for.står>bor-a-fonsbår-a-stånsFrage 1: Welche linguistischen Objekte sind betroffen?Frage 2: Welche Manipulationen sind möglich?
Berndeutsch: Matteänglisch: iebileitlime u ielege. ieinkedeirzlechhe fürs ine-e-iegele uf inimeitemeinglische-itese. (Berndeutsch: Liebi Meitli u Giele. I danke härzlech fürs Ineluege uf mini Matteänglisch-Site.) (Standard-Deutsch: Liebe Mädchen und Jungs. Ich danke herzlich fürs Draufschauen auf meine Matteänglisch-Seite) Frage 1: Welche linguistischen Objekte sind betroffen? Frage 2: Welche Manipulationen sind möglich?
Charakteristiken von Geheimsprachen: • Alle Wörter einer Sprache werden verändert.Die Veränderungen betreffen die Morphologie und die Phonologie, aber nicht die Semantik oder die Syntax. • Die Manipulationen: • betreffen typischerweise phonologische Konstituenten (z. B. die Silbe) • imitieren Wortbildungsverfahren (Affigierung) • Die Sprecher machen Gebrauch von abstrakten linguistischen Objekten, von deren Existenz sie oft nichts wissen.
Geheimsprachen existieren in allen Kulturen und zu allen Zeiten ("Räubersprache" Wolfenbüttel Herzog August-Bibliothek, Cod. Helmst. 727., fol. 153 Quelle:http://www.geschichte.uni muenchen.de/GHW/geheimschriften/einf.shtml, 05.11.2006) • Apassipit ipin pripincipiopo sapanctapa mapariapa • (=Assit in principio sancta maria) • "am Anfang möge [uns] die hl. Maria zur Seite stehen" • Wurden v.a. in der Vergangenheit von sozial benachteiligten Schichten benutzt, um sich von der Außenwelt abzugrenzen
Evidenz für diese Silbenstruktur:(Übungen 6 und 7 im Buch S. …)I-hilefi-ch ha-halefa-be-helefe di-hilefi-chEinfügen von drei neuen Silben hinter den Vokal und vor den finalen Konsonanten in jeder Silbe:1. eingefügte Silbe: h+wiederholter Vokal2. eingefügte Silbe: le3. eingefügte Silbe: f+wiederholter Vokal
Meisterklasse: [maɪstɐklasə] • Mais.ter.klas.se • s s s s • R R R R • o n c o n o n c o n • M ai s t [ɐ] kl a s s e • 3. Vertauschen des Onsets in den beiden Teilen des Kompositums • 4. Vertauschen der beiden Teile des Kompositums