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Zielgerichtete Handlungen, Ataxie und Apraxie. Seminar: neurowissenschaftliche Grundlagen der Kognition WS 2013/ 14 Referat von: Marius Meyer, Helge Schlüter & Kristina Schubert. Gliederung. Organisation zielgerichteter Handlungen 1.1 Handlungsvorbereitung 1.2 Handlungsplan
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Zielgerichtete Handlungen, Ataxie und Apraxie Seminar: neurowissenschaftliche Grundlagen der Kognition WS 2013/ 14 Referat von: Marius Meyer, Helge Schlüter & Kristina Schubert
Gliederung • Organisation zielgerichteter Handlungen 1.1 Handlungsvorbereitung 1.2 Handlungsplan 1.3 Handlungskontrolle • Störungen 2.1 Optische Ataxie 2.2 Apraxie
Gliederung • Diagnostik 3.1 Aufgaben zur Überprüfung spezifischer Apraxien 3.2 Video einer Apraxie-Patientin 3.3 Gebrauch einzelner Werkzeuge und Objekte 3.4 Diagnostische Kriterien 3.5 Das Kölner Apraxie Screening 3.6 Komplexe Handlungsfolgen • Übungsfragen
Was sind Handlungen? • Handlungen: motorische Aktivitäten, die helfen, einen angestrebten Zielzustand zu verwirklichen • Bewegungen: • die motorischen Anteile einer Handlung • motorische Aktivitäten, dienicht zielgerichtet sind ≠
Handlungssteuerung Psychologische Modelle der
Fokus: Handlungssteuerung • Handlungsvorbereitung • Handlungsplan • Handlungskontrolle
1.1 Handlungsvorbereitung Wahrgenommene Umweltmerkmale Auswahl der Bewegung Kodierung eines Handlungsplanes
1.1 Handlungsvorbereitung Wahrgenommene Umweltmerkmale • Wie beeinflussen Umweltinformationen die Bewegungsausführung? • Dual-Route-Modelle B1 B2 B3 …
1.1 Handlungsvorbereitung Wahrgenommene Umweltmerkmale Auswahl der Bewegung Ziel: Greifen eines Glases Ziel B1 B2 B3 Problem der Freiheitsgrade (Bernstein-Problem) …
1.1.1 Problem der Freiheitsgrade Raumkoordinaten des Objektes Orientierung des Objektes Ziel: Handposition und -orientierung = Objektposition und -orientierung B1 Effektorenkopplung oder Kostenminimierung? B2 Ziel Auswahl B3 …
1.1.1 Problem der Freiheitsgrade • Effektorenkopplung: • Effektoren = an der Bewegung beteiligte Körperteile • Effektoren abhängig voneinander und in Synergien (z.B. Reflexe) eingebunden
1.1.1 Problem der Freiheitsgrade • Kostenminimierung: • Auswahl derjenigen Bewegungen, die mit dem geringsten Aufwand einhergehen • Hogan (1984): Glattheit der Bewegungen • Uno et al. (1989): Minimierung der Drehmomente, die auf die Gelenke wirken • Geringste neuronale Aktivierung
1.1 Handlungsvorbereitung Wahrgenommene Umweltmerkmale Auswahl der Bewegung Kodierung eines Handlungsplanes Handposition Handgeschwindigkeit … Kräfte (Muskelaktionen) Planung und Optimierung?
1.2 Handlungsplan • Spezifikation der Merkmale der Bewegung • Verarbeitungszeit abhängig von: • Komplexität • Genauigkeit • Verringerung der Verarbeitungszeit, wenn Merkmale der Bewegung im Voraus bekannt sind • Handlungsplan zeitlich begrenzt verfügbar
1.3 Handlungskontrolle • Sensorisches Feedback • Feedforward-Kontrolle
1.3.1 Sensorisches Feedback • Kontrolle der räumlichen und zeitlichen Genauigkeit von Bewegungen • Korrektur von Fehlern • Aber: Wahrnehmung propriozeptiven Feedbacks erfolgt zeitverzögert
1.3.2 Feedforward-Kontrolle Angestrebte Effektorposition = Errechnete Effektorposition? wenn nein Korrektur der Muskelkommandos VOR Handlungsausführung
1.3.3 Handlungskontrolle • Kontrollprozesse = exekutive Funktionen • sind notwendig bei: • Reaktionen entgegen gewohnter Handlungsmuster • Problemlösen oder Fehlerkorrekturen • Ausführung ungelernter Bewegungen
1.3.4 Das SAS-Modell • Automatische Bewegungsmuster = erlernte Schemata • Bedingungen aktivieren Aktionen • am stärksten aktivierte Aktion wird ausgeführt SAS beeinflusst Bewegungsauswahl, indem es Schemata, die mit übergeordneten Zielen übereinstimmen, zusätzlich aktiviert und inadäquate Schemata hemmt.
2. Störungen Welche Störungen treten bei zielgerichteten Handlungen auf? 2.1 Optische Ataxie 2.2 Apraxie
2.1 Optische Ataxie Beschreibung: • Defizit in Koordination und Genauigkeit visuell geleiteter Handbewegungen zu Zielen im Außenraum • Nicht auf primäre motorische, sensorische oder visuelle Störungen zurückzuführen • Keine Schwierigkeiten Gegenstände im zentralen Gesichtsfeld zu ergreifen • Beeinträchtigtes Ergreifen von Gegenständen im peripheren, kontraläsionalen Gesichtsfeld mit kontraläsionaler Hand oder beiden Händen
2.1 Optische Ataxie Anatomie: • Zentrum der Schädigung: parietookzipitale Übergangsregion (Verbindung zw. intraparietalem Sulcus und oberem Okzipitalkortex) • medial bis zum Präcuneus • unilateral, seltener bilateral • bei linksseitiger Schädigung zusätzlich superiorer Parietallappen
2.1 Optische Ataxie Neuropsychologische Aspekte: • Komponenten der Greifbewegung: • Proximale Komponente: Transport der Hand zum Ziel • Distale Komponente: präzise Handöffnung in Erwartung der Form des zu greifenden Objekts • Meist beide Komponenten in gleichem Ausmaß gestört
2.1 Optische Ataxie Neuropsychologische Aspekte: • Fehler insb. für Zeigen/ Ergreifen mit kontraläsionaler Hand bei Zielen im kontraläsionalen Gesichtsfeld • Nach rechtshemisphärischen Läsionen: beide Hände im kontraläsionalen Gesichtsfeld betroffen >> Gesichtsfeldeffekt • Nach linkshemisphärischer Schädigung: kontraläsionale Hand in beiden Gesichtsfeldhälften betroffen >> Handeffekt -> asymmetrische funktionelle Organisation der linken und rechten parietookzipitalen Übergangsregion
2.1 Optische Ataxie Neuropsychologische Aspekte: • Verbesserte Leistung beim Ergreifen von Objekten, die zum Zeitpunkt des Bewegungsbeginns nicht mehr sichtbar Artikel: Brain activation during immediate and delayed reaching in optic ataxia (Himmelbach, Nau, Zündorf, Erb, Perenin, Karnath, 2009)
2.1 Optische Ataxie Brain activation during immediate and delayed reaching in optic ataxia (Himmelbach et al., 2009) Forschungsfrage: • Welchen Hirnstrukturen ist diese paradoxe Verbesserung der Leistung zuzuschreiben? • Überprüfung der Annahme, dass sofortige Ausführung von Greifbewegungen mit dorsalem Verarbeitungspfad und verzögerte Ausführung mit ventralem Pfad zusammenhängt
2.1 Optische Ataxie Methode: • VPn: • 1 Patientin mit optischer Ataxie (nach bilateraler Schädigung der parietookzipitalen Region) • 16 Gesunde • fMRT • Hirnaktivität bei sofortigem Greifen vs. verzögertem Greifen zur erinnerten Position des Zielreizes
2.1 Optische Ataxie Ergebnisse: Bewegungsfehler für jede Hand und Gesichtsfeldkombination • In 3 Bedingungen: Unterschiede zwischen Leistung der Patientin und Gesunden Patientin: weißeBalken Gesunde: graueBalken
2.1 Optische Ataxie Ergebnisse: Hirnaktivität • Bei Patientin: • intakte okzipitale und parietale Areale, die an verletzte Hirnbereiche angrenzten zeigten gleiche Aktivitätsmuster beim Ergreifen von sichtbaren Zielreizen und erinnerten Positionen • Bei Gesunden: • gleiches visuomotorisches Netzwerk aktiv bei sofortigem und verzögertem Greifen • bilateral in okzipito-parietalen und okzipito-temporalen Bereichen stärkere Signalzunahmen bei Bewegungen auf sichtbare Zielreize
2.1 Optische Ataxie Schlußfolgerung: -> Bei Gesunden und Patientin spielt dorsaler Pfad wichtige Rolle für sofortige und verzögerte Greifbewegungen -> Verarbeitung von verzögerten Aktionen nicht ausschließlich mit ventralem System assoziiert
2.2 Apraxie Beschreibung: • Folge linkshemisphärischer Läsionen • Fehlhandlungen der rechten und linken Körperseite • Meist auch Aphasie • umfasst Störungen: • des Imitierens, • der Ausführung kommunikativer Gesten, • des Gebrauchs von Werkzeugen und Objekten
2.2 Apraxie – Imitieren von Gesten Beschreibung: • Stellung der Hand oder der Punkt wo sich Hand und Gesicht berühren, sind falsch • Zögerliche, unsichere Bewegungen • Bewegungspfad durch Suchbewegungen und Selbstkorrekturen entstellt
2.2 Apraxie – Imitieren von Gesten Anatomie: • Linke Hemisphäre • parietale Läsionen -> Störungen des Imitierens von Handstellungen; Fingerstellungen intakt • inferior frontale und präzentrale Läsionen -> Störungen des Imitierens von Fingerstellungen; Handstellungen intakt Verlauf: • Spontane Rückbildung innerhalb von 3 Monaten bei ca. 50% der Patienten, die im 1. Monat nach Schlaganfall Apraxie des Imitierens zeigten
2.2 Apraxie – Imitieren von Gesten Alltagsrelevanz: • hinderlich für Therapie anderer motorischer Folgen der Hirnschädigung • Keine spezielle Therapie Behandlung: • Können Replikation einzelner Gesten lernen • Lerneffekt bleibt auf geübte Gesten beschränkt • Schrittweises Üben: Führen der Gliedmaßen durch Therapeut, gleichzeitiges Ausführen mit Therapeut, Nachmachen nach Abschluss der Demonstration
2.2 Apraxie – Kommunikative Gesten Beschreibung: • 2 Gestentypen: Embleme und Pantomime • übertragen eigenständige Bedeutungen; ohne Sprache verständlich • Embleme = Gesten mit konventionell festgelegter Form und Bedeutung • Pantomime = Handlung mit einem Objekt vorführen ohne das Objekt in die Hand zu nehmen
2.2 Apraxie – Kommunikative Gesten Anatomie: • Bei Rechtshändern: • strikt an linkshemisphärische Läsionen gebunden • immer mit Aphasie verbunden • inferior frontale und präzentrale Läsionen • Bei Linkshändern können rechtshemisphärische Läsionen Apraxie für kommunikative Gesten ohne Aphasie verursachen Verlauf: • Keine wissenschaftlichen Studien • klinische Erfahrung: in ersten Wochen nach akuter Hirnschädigung starke Verbesserungen, wenn sich bei Patienten mit schweren Aphasien Sprachverständnis bessert
2.2 Apraxie – Kommunikative Gesten Alltagsrelevanz: • Probleme Bedürfnisse und Botschaften zu übermitteln Behandlung: • Schrittweises Üben • Fragliche Generalisierung auf ungeübte Gesten und alltägliche Kommunikation • Empfohlen: • nur Gesten üben, die für Kommunikationsbedürfnisse des Patienten wichtig • Kommunikationspartner mit Therapieinhalten vertraut machen
2.2 Apraxie – Werkzeug und Objektgebrauch Beschreibung: • Fehlhandlungen - z.B. Versuch mit Gabel Brot zu schneiden • 2 Arten von Wissen über richtigen Gebrauch: • funktionelles Wissen im semantischen Gedächtnis • Fähigkeit von Struktur eines Objekts auf mögliche Funktionen zu schließen
2.2 Apraxie – Werkzeug und Objektgebrauch Anatomie: • Temporale Läsionen -> beeinträchtigter Abruf von Wissen über prototypischen Gebrauch einzelner vertrauter Objekte • Läsionen des unteren Parietallappens -> beeinträchtigtes mechanisches Problemlösen und Fähigkeit, von strukturellen Merkmalen auf mögliche Funktionen zu schließen Verlauf: • Keine wissenschaftlichen Studien • Klinische Erfahrung: Fehler beim Gebrauch einzelner, vertrauter Werkzeuge und Objekte bilden sich in den ersten Wochen zurück • Hartnäckigere Probleme mit mehrschrittigen Handlungen
2.2 Apraxie – Werkzeug und Objektgebrauch Alltagsrelevanz: • auffällig • behindern Selbstständigkeit im Alltag Behandlung: • „fehlerfreies Lernen“: fehlerfrei durch Handlung führen • Alternative „kontrollierte Fehler“: Fehler ansatzweise zulassen, rückmelden, zum Ausgangspunkt für verstärktes Üben machen • Generalisierung auf Ausführung mit anderen Exemplaren fraglich • Ratsam: • Nur Tätigkeiten üben, die Betroffene Zuhause oft durchführen • im permanenten Umfeld mit eigenen Geräten üben
Diagnostik Wie werden Apraxien untersucht?
3.1.1 Aufgaben zur Prüfung auf Mund- und Gesichtsapraxie Rümpfen Sie bitte die Nase! Fletschen Sie die Zähne! Strecken Sie die Zunge heraus! Lecken Sie die Lippen! Schmatzen Sie! Zischen Sie! Räuspern Sie sich!
3.1.2 Aufgaben zur Prüfung auf Gliedmaßenapraxie Machen Sie eine Bewegung wie beim Zigarettenrauchen! Tun Sie so, als würden Sie einen Schnaps trinken! Zeigen Sie mir einen Vogel! Winken Sie! Führen Sie eine abweisende Handbewegung aus! Führen Sie eine Bewegung aus wie beim Zähneputzen!
Legen Sie den Handrücken auf die Stirn! Legen Sie die Handfläche an das linke Ohr! Legen Sie die Faust auf die Brust! Machen Sie mit der Hand ein Kreuz in die Luft! Beschreiben Sie mit der Faust einen Kreis in der Luft! Winkeln Sie den Arm an, und stützen Sie die Hand auf die Hüfte! Berühren Sie das Kinn mit den Fingerspitzen! 3.1.3 Aufgaben zur Prüfung auf Gliedmaßenapraxie
Video 3.2 Video
3.3 Gebrauch einzelner Werkzeuge und Objekte Präsentation von Objekten für bestimmte Aufgaben z.B. Schlüssel/Schloss → aufschließen; Kamm → Haare kämmen; Hammer, Nagel, Holzblock → Nagel einschlagen Aufforderung, die Objekte zu benutzen Patienten mit Apraxie halten z.B. den Kamm verkehrt
3.4 Diagnostische Kriterien Beeinträchtigung in Auswahl motorischer Elemente, die eine Bewegung konstituieren Räumlicher und sequenzieller Anordnung der Elemente
3.4 Diagnostische Kriterien Perseveration Substitution Überschussbewegungen Auslassung „Conduite d'approche“ „Body-Part-as-Object“-Fehler
3.5 Kölner Apraxie Screening (KAS) Teil 1: Pantomime des Objektgebrauchs Fotos von Objekten Aufgabe: pantomimisch den Gebrauch des jeweils dargestellten Objektes demonstrieren