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Schuldrecht AT, 14.07.2014. PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.). § 7: Das Schuldverhältnis bei der Beteiligung mehrerer Personen Der Austausch des Schuldners Grundideen Wie der Gläubiger kann auch der Schuldner bei einem Schuldverhältnis ausgetauscht werden.
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Schuldrecht AT, 14.07.2014 PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)
§ 7: Das Schuldverhältnis bei der Beteiligung mehrerer Personen • Der Austausch des Schuldners • Grundideen • Wie der Gläubiger kann auch der Schuldner bei einem Schuldverhältnis ausgetauscht werden. Beispiel:K hat bei dem Autohändler A einen neuen Luxuswagen bestellt. X, der auch zu gerne so einen Wagen hätte, überredet K, der ihm seinen Vertrag mit A verkauft. A hält das für unwirksam; zumindest bliebe K sein Schuldner. • Da der Wert einer Forderung entscheidend von der Per-son des Schuldners abhängt, ist ein Austausch des Schuld-ners nur mit Zustimmung des Gläubigers möglich.
Eine befreiende Schuldübernahme kann nach BGB auf zwei Arten erfolgen: • Durch Vertrag zwischen Gläubiger und neuem Schuldner (§ 414 BGB) • Durch Vertrag zwischen altem und neuem Schuldner bei Genehmigung durch den Gläubiger (§ 415 BGB) • Vertrag zwischen Gläubiger und neuem Schuldner § 414 Vertrag zwischen Gläubiger und ÜbernehmerEine Schuld kann von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt. • Die Schuldübernahme nach § 414 BGB stellt den alten Schuldner nur besser. Wie bei einer Leistung durch einen Dritten nach § 267 BGB ist eine Zustimmung des Schuldners nicht notwendig.
Alter Schuldner Gläubiger Forderung • Durch den Vertrag zwischen Gläubiger und neuem Schuldner tritt der neue an die Stelle des alten Schuldners. • Die Schuldübernahme nach § 414 BGB ist ein abstraktes Verfügungsgeschäft, es gilt das Abstraktionsprinzip! Dinglich: Über-nahmevertrag(§ 414 BGB) Schuldrechtlicher Vertrag, in dem sich der neue Schuldner zur Übernahme verpflichtet. Forderung Neuer Schuldner
Vertrag zwischen altem und neuem Schuldner § 415 Vertrag zwischen Schuldner und Übernehmer(1) 1Wird die Schuldübernahme von dem Dritten mit dem Schuldner vereinbart, so hängt ihre Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers ab. […] • Eine befreiende Schuldübernahme kann auch durch Vertrag zwischen altem und neuem Schuldner vereinbart werden. • Da durch so einen Vertrag die Interessen des Gläubigers massiv berührt werden, ist die Schuld-übernahme nur mit seiner Zustimmung wirksam. • Nach dem Wortlaut des § 415 I S. 1 BGB genügt nur eine nachträgliche Genehmigung. Nach ganz h.M. ist aber auch eine vorherige Zustimmung (Einwilligung) nach §§ 183, 185 I BGB möglich.
Bis zur Genehmigung durch den Gläubiger ist die Schuldübernahme schwebend unwirksam. • Wenn der Gläubiger genehmigt, wird die Schuldübernahme rückwirkend (§ 184 I BGB) ab dem Zeitpunkt der Vereinbarung wirksam. • Wenn der Gläubiger nicht genehmigt, bleibt allein der alte Schuldner verpflichtet. Der Schuldner kann aber nach § 415 III 2 BGB im Zweifel vom Übernehmer Befriedigung des Gläubigers verlangen. Beispiel:K hat beim Schneider S ein neues Kleid bestellt. S hat gerade viel zu tun und deshalb mit dem Kollegen X vereinbart, dass dieser den Auftrag von K übernehmen soll. K besteht aber auf seinem Vertrag mit S. Was kann S nun von X verlangen?
Rechtsfolgen einer wirksamen Schuldübernahme • Wechsel des Schuldners (§§ 414, 415 I 1 BGB) • Durch eine wirksame Schuldübernahme tritt der neue Schuldner in die Stellung des alten Schuldners ein. • Der alte Schuldner wird von seiner Verpflichtung befreit, der neue Schuldner wird verpflichtet. • Durch eine Schuldübernahme allein wird der neue Schuldner nicht Vertragspartner. Hierzu wäre eine Vertragsübernahme erforderlich. • Der neue Schuldner erhält deshalb durch die Schuldübernahme keine eigenen Ansprüche gegen den Gläubiger. • Der Schuldner kann auch keine Gestaltungsrechte ausüben, die sich aus dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis ergeben.
Einwendungen des Schuldners • Der neue Schuldner tritt in die Pflicht des alten Schuldners ein. • Der Schuldner kann deshalb auch alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die zum Zeitpunkt der Schuldübernahme für den alten Schuldner hinsichtlich der übernommenen Pflicht bestanden (§ 417 I 1 BGB). Beispiel:V hat gehört, dass sein Sohn S mit seinen Mietzahlungen gegenüber X in Rückstand ist. V vereinbart deshalb mit X, dass er die aufgelaufenen Schulden des S in Höhe von 1000 € übernimmt. Als S hiervon erfährt, ist er empört, weil er doch gerade alle seine Schulden bei X bezahlt hatte. Was kann V machen, wenn X Zahlung der 1.000 € von ihm verlangt?
Der neue Schuldner kann allerdings nicht mit einer Forderung des alten Schuldners gegenüber dem Gläubiger aufrechnen (§ 417 I 2 BGB), weil er sonst über ein Recht des alten Schuldners verfügen würde. • Bei eigenen Einwendungen des neuen Schuldners ist zu unterscheiden: • Einwendungen, die sich aus dem Schuldüber-nahmevertragergeben, kann der neue Schuldner ohne weiteres geltend machen, auch wenn die Schuldübernahme nach § 415 BGB durch Vertrag mit dem alten Schuldner erfolgt ist. • Einwendungen, die sich aus dem zugrunde-liegenden Kausalverhältnis ergeben, wirken sich grundsätzlich nicht auf die Schuldübernahme aus (Abstraktionsprinzip!).
Schuldner- und Gläubigermehrheiten • Allgemeines • Bei einem Schuldverhältnis muss es mindestens einen Schuldner und mindestens einen Gläubiger geben. • Bei einem Schuldverhältnis können aber auf beiden Seiten auch mehrere Personen stehen. • Die Fälle der Gläubigermehrheiten sind in der Praxis unbedeutend und kaum relevant. • Sehr viel wichtiger sind dagegen die Fälle der Schuldnermehrheit. Beispiel:Die Freunde A, B und C sind schlecht gelaunt und verprü-geln deshalb den D, dem sie dabei einen Zahn heraus-schlagen. D will nun die Heilungskosten und Schmerzens-geld ersetzt verlangen. An wen kann D sich wenden?
Schuldnermehrheiten Wenn es bei einem Schuldverhältnis mehrere Schuldner gibt, sind drei Konstellationen denkbar: • Jeder einzelne Schuldner schuldet nur einen Anteil an der ganzen Leistung und ist nicht für die Anteile der anderen verantwortlich (Teilschuld). • Alle Schuldner schulden jeweils die ganze Leistung, der Gläubiger kann sie aber nur einmal fordern (Gesamtschuld). • Alle Schuldner schulden zusammen die Leistung, die sie nur gemeinsam erbringen können (gemeinschaftliche Schuld). In der Praxis ist die Gesamtschuld am häufigsten, Fälle der Teilschuld und der gemeinschaftlichen Schuld kommen nur selten vor.
Teilschuld § 420 BGB Teilbare Leistung. Schulden mehrere eine teilbare Leistung […], so ist im Zweifel jeder Schuldner nur zu einem gleichen Anteil verpflichtet […]. • § 420 BGB setzt eine teilbare Leistung voraus, bei tatsächlich oder rechtlich unteilbaren Leistungen gilt die Vorschrift nicht. • Nach Wortlaut und Systematik des § 420 BGB wäre die Teilschuld der Regelfall der Schuldnermehrheit. • Tatsächlich hat § 420 BGB nur geringe Bedeutung, da bei vertraglichen und deliktischen Schulden grundsätzlich Gesamtschuldnerschaft angeordnet ist. • Wenn eine Teilschuld vorliegt, hat der Gläubiger selbständige Ansprüche gegen die einzelnen Schuldner.
Beispiel:A und B wollen eine WG gründen und mieten deshalb eine Wohnung von V. Dabei vereinbaren sie mit V, dass jeder von ihnen nur für die Miete seines Zimmers haften soll. Als A einmal nicht zahlen kann, stundet ihm der V die Miete für einen Monat. Nun meint auch B, dass er solange nicht zu zahlen brauchte. Hat B recht? • Bei einer Teilschuld gilt das sogenannte Prinzip der Einzelwirkung: Alle Einzelpflichten der jeweiligen Schuldner sind in ihrer Entwicklung gesondert zu prüfen. • Gesamtschuld • Die Gesamtschuld ist die praktisch wichtigste Form der Schuldnermehrheit. • Sie ist im Gesetz in den §§ 421-427 BGB auch am ausführlichsten geregelt.
§ 421 BGB. GesamtschuldnerSchulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet. • Bei der Gesamtschuld sind alle Schuldner jeweils zur ganzen Leistung verpflichtet. • Der Gläubiger kann die Leistung von jedem Schuldner nach Belieben ganz oder zum Teil, aber insgesamt nur einmal fordern. • Der Ausgleich der Schuldner untereinander findet intern statt, ohne dass es den Gläubiger interessierte.
Voraussetzungen einer Gesamtschuld • Eine Gesamtschuld liegt zunächst einmal vor, wenn das Gesetz sie ausdrücklich anordnet: • § 427 BGB für vertragliche Verpflichtungen, • § 840 BGB für Ansprüche aus Delikt, • § 431 BGB bei unteilbaren Leistungen, • § 769 BGB bei mehreren Bürgen, u.a. • Eine Gesamtschuld kann bei mehreren Schuldnern auch vorliegen, wenn die allgemeinen Kriterien des § 421 BGB erfüllt sind. Dann müssen alle Schuldner • dasselbe Leistungsinteresse schulden, Beispiel: Architekt und Bauunternehmer schulden beide die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks. • gleichstufig schulden.
Beispiel:S schuldet der X-Bank 100 €. B hat für die Schuld des S eine Bürgschaft übernommen. Haften S und B als Gesamtschuldner gegenüber X? • § 426 BGB sieht bei einer Gesamtschuld einen internen Regress vor. Diese Regel passt nicht, wenn es einen primär haftenden Schuldner gibt. • Rechtsfolgen im Außenverhältnis • Auch bei einer Gesamtschuld hat der Gläubiger jeweils einzelne Ansprüche gegen jeden Schuldner. • Wenn in einem Schuldverhältnis mit einem Schuldner etwas passiert, muss geklärt werden, ob dies Ereignis sich nur gegenüber dem Schuldner (Einzelwirkung) oder gegenüber allen Gesamtschuldnern (Gesamt-wirkung) auswirkt.
Beispiel:A, B und C haben eine WG gegründet und alle gemein-sam den Mietvertrag mit V unterschrieben. Als V den B auffordert, die Miete für Mai zu bezahlen, wendet B ein, dass A die Miete doch schon in der letzten Woche über-wiesen hätte. Zurecht? • §§ 422 – 424 BGB regeln Tatsachen, die Gesamt-wirkunggegenüber allen Schuldnern haben (v.a. Erfüllung und Erfüllungssurrogate, Gläubigerverzug). • Alle nicht in den §§ 422 – 424 BGB genannten Tat-sachen haben gemäß § 425 I BGB im Zweifel nur Einzelwirkung gegenüber dem Schuldner, in dessen Person sie eintreten. • § 425 II BGB nennt einige Tatsachen mit Einzelwirkung.
Rechtsfolgen im Innenverhältnis • Bei der Gesamtschuld kann der Gläubiger die ganze Leistung von jedem einzelnen Schuldner alleine fordern. • Der Schuldner soll aber nicht auf den Kosten sitzen bleiben, sondern erhält Regressansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner. • § 426 BGB gibt dem vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldner zwei Ansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner: • § 426 I BGB gibt einen selbständigen Ausgleichsanspruch. • § 426 II BGB leitet den Anspruch des Gläubigers zum Zweck des Regresses auf den leistenden Schuldner über.
Nach § 426 I BGB sind die Gesamtschuldner im Zweifel zu gleichen Teilen verpflichtet. • Aus dem Schuldverhältnis können sich aber auch andere Anteile ergeben. • Bei § 426 II BGB geht der Anspruch des Gläubigers nur in der Höhe wieder, wie die anderen Schuldner nach § 426 I BGB einen Ausgleich schulden. • § 426 II BGB ist ein Fall der Legalzession. Es finden die §§ 412, 399-404, 406-410 BGB Anwendung. Beispiel:A, B und C haben zusammen den X fahrlässig verletzt. Der Vater V hat sich X gegenüber für die Erstattung der Heilungskosten verbürgt. X nimmt nun den A auf Schadensersatz in Anspruch, der alles bezahlt. Welche Rechte hat A nun gegen B, C und V?
Gemeinschaftliche Schuld Beispiel:A, B, C und D treten zusammen als Acapella-Band „Die Brinzen“ auf. In einem Vertrag mit ihrem Manager M haben sie sich zum Singen bei den Konzerten verpflichtet. Als D an einem Konzertabend aufgrund einer Krankheit nicht singen kann, verlangt M von den übrigen drei, dass sie trotzdem singen. Zurecht? • Die gemeinschaftliche Schuld ist im BGB nicht geregelt. • § 431 BGB passt nicht, weil kein Schuldner die ganze Leistung alleine erbringen kann. • Nach h.M. müssen alle Schuldner gemeinsam in Anspruch genommen werden, die in § 425 II BGB genannten Tatsachen haben Gesamtwirkung.
Literaturhinweise: • Grigoleit/Herresthal, Die Schuldübernahme, Jura 2002, 393-401 • Grigoleit/Herresthal, Der Schuldbeitritt, Jura 2002, 825-833 • Wendehorst, Der Rückgriff, Jura 2004, 505-513 • Zerres, Die Gesamtschuld, Jura 2008, 726-733