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Schuldrecht AT, 01.07.2014. PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.). § 6: Schadensrecht Die ersatzberechtigten Personen
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Schuldrecht AT, 01.07.2014 PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)
§ 6: Schadensrecht • Die ersatzberechtigten Personen Beispiel:Der Regisseur R wird bei der Fahrt zu einem Drehtermin bei einem von X fahrlässig verursachten Unfall verletzt. R muss deshalb im Krankenhaus mehrere Tage behandelt werden. Infolge des Krankenhausaufenthalts müssen mehrere Drehtermine verschoben werden. Der Film-gesellschaft F, die den von R gedrehten Film produziert, entstehen so Mehrkosten von 2 Mio €. Welche Ansprüche haben R und F gegen X? • Schadensersatzansprüche setzen grundsätzlich voraus, dass der Geschädigte in eigenen Rechtsgütern oder Rechten verletzt wird. Eine verletzte Pflicht muss gerade ihm gegenüber bestanden haben.
Dritte, die infolge der Verletzung des unmittelbar Geschädigten einen Vermögensschaden erlitten haben, müssen diesen Schaden grundsätzlich selbst tragen. Ausnahmen im Deliktsrecht: • § 844 I BGB: Ersatz der Beerdigungskosten • § 844 II BGB: Ersatz des Unterhaltsschadens. Angehörige haben einen eigenen Ersatzanspruch bei der Tötung eines Unterhaltsverpflichteten. • § 845 BGB: Schadensersatz wegen entgangener Dienste. War der Verletzte oder Getötete einem Dritten zu Diensten verpflichtet, erhält dieser Dritte einen eigenen Schadensersatzanspruch. Ehegatten sind einander nicht mehr zu Diensten verpflichtet, nur noch Kinder den Eltern (§ 1619 BGB).
Drittschadensliquidation • Das Prinzip, dass nur der Schaden des unmittelbar Verletzten zu ersetzen ist, bedeutet auch, dass der Verletzte grundsätzlich keinen Schaden eines Dritten geltend machen kann. • Infolge vertraglicher Gestaltungen kann es aber dazu kommen, dass sich ein Schaden aus Sicht des Schädigers zufällig vom unmittelbar Verletzten auf einen Dritten verlagert. • Damit der Schädiger durch eine zufällige Schadens-verlagerungnicht unbillig entlastet wird, lässt man in solchen Fällen die Geltendmachung des Schadens des Dritten durch den unmittelbar Verletzten aus-nahmsweisezu (sogenannte Drittschadens-liquidation).
Grundprinzip der Drittschadensliquidation: Voraussetzungen einer Drittschadensliquidation: • S verletzt V, so dass V einen Schadensersatzanspruch gegen S erhält. • V hat aber keinen eigenen Schaden, sondern dieser entsteht, für S zufällig, bei D. • D hat keinen eigenen Schadensersatzanspruch gegen S. Rechtsfolgen der Drittschadensliquidation: • V darf dann ausnahmsweise den Schaden des D von S ersetzt verlangen. • D hat regelmäßig einen Anspruch gegen V auf Herausgabe des von S Erlangten, bzw. auf Abtretung des Schadensersatzanspruchs gegen S.
Der Schaden wird vom Dritten zum Verletzten gezogen.Der Verletzte darf dann den Schaden des Dritten liquidieren: Verletzter Schädiger Schadensersatzanspruch Schaden Anspruch auf Abtretung des Anspruchs gegen den Schädiger bzw. auf Herausgabe des Erlöses. Dritter Schaden
Die Drittschadensliquidation sollte nur restriktiv und nur in anerkannten Fallgruppen angewandt werden! • Obligatorische Gefahrentlastung Beispiel:Der Hamburger Modellbauer M soll ein Modell der Queen Mary für den Münchener K erstellen. Als das Modell fertig ist, beauftragt M den F damit, das Modell zu K nach München zu bringen. Auf der Fahrt ver-ursacht F fahrlässig einen Unfall, bei dem auch das Modell zerstört wird. • V hat zwar Ansprüche aus §§ 662, 280 I BGB und § 823 I BGB gegen F, aber keinen Schaden, weil K bereits die Gefahr trägt (§ 447 BGB). • Bei gewerblichem Transport gibt es Sondervor-schriften, die dem Dritten einen Anspruch geben.
Mittelbare Stellvertretung Beispiel:Der Kommissionär K kauft bei dem Galeristen G im eigenen Namen für Rechnung des X zum Preis von 20.000 € ein Bild. Dabei sichert G dem K zu, dass das Bild ein Original sei. X ist nur vorübergehend von dem Bild begeistert, weil er schnell die Fälschung erkennt. Er ist schwer enttäuscht, weil er schon einen Käufer für das Bild hatte, der 25.000 € geboten hatte. • Bei einer mittelbaren Stellvertretung handelt der mittelbare Stellvertreter im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers. • Der mittelbare Stellvertreter schließt also einen eigenen Vertrag ab, die Folgen treffen aber wirtschaftlich nicht ihn, sondern den Auftraggeber.
Obhut für fremde Sachen Beispiel:A hat den Malermeister M mit dem Streichen seiner Wohnung beauftragt. Der sonst zuverlässige Geselle G des M hantiert bei den Arbeiten einmal etwas ungeschickt und bekleckst dabei ein Buch, das sich A von seinem Freund F geliehen hatte. • Wenn der grundsätzlich ersatzberechtigte Vertrags-partner eine fremde Sache in Obhut hat, die beschä-digt wird, soll er nach h.M. den Schaden an der Sache geltend machen dürfen, weil die Eigentumsver-hältnisse aus Sicht des Schädigers zufällig sind. • M.M.: Der dritte Eigentümer soll einen eigenen Schadensersatzanspruch über die Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte erhalten.
Art und Umfang des Schadensersatzes • Der Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 BGB) § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. • Schadensersatz ist nach dem BGB grundsätzlich nicht in Geld, sondern in Natur zu leisten (Naturalrestitution). • Der Schädiger hat möglichst genau den Zustand herzustellen, der ohne das schadensstiftende Ereignis bestehen würde. • Da das schadensstiftende Ereignis nicht ungeschehen ge- macht werden kann, ist eine exakte Naturalrestitution nie möglich. Es bedarf einer wertenden Entscheidung, was noch als Naturalrestitution angesehen werden kann.
Beispiel:Bei einem von S verschuldeten Unfall ist der Wagen des A vollständig zerstört worden. A verlangt nun von S, dass er ihm einen vergleichbaren Gebrauchtwagen kauft. • § 249 BGB schützt das Erhaltungs- oder Integritäts-interessedes Geschädigten. Er kann Naturalrestitution grundsätzlich auch dann verlangen, wenn die Her-stellungskosten über sein Wertinteresse hinausgehen. • Bei der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache kann der Gläubiger statt der Naturalrestitution gemäß § 249 II 1 BGB auch den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen. • Bei allen anderen Schäden geht dies nach § 250 BGB erst nach einer erfolglosen Fristsetzung durch den Gläubiger.
In den Fällen der §§ 249 II 1, 250 BGB tritt der Schadens-ersatz in Geld an die Stelle der Naturalrestitution. • In den Fällen des §§ 249 II 1, 250 BGB muss eine Naturalrestitution möglich sein. • Geschuldet wird deshalb das Geld, das für eine Naturalrestitution erforderlich wäre. Beispiel:Diesmal hat S fahrlässig den geliebten BMW des A stark beschädigt. Mit großem Aufwand ließe sich der Wagen aber wieder in Stand setzen. Dies kostete aber 50% mehr als der Kauf eines vergleichbaren Ersatzwagens. Was kann A von S verlangen? • Sind mehrere Möglichkeiten der Naturalrestitution möglich, muss der Geschädigte unter ihnen nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit auswählen.
Bei Sachschäden kann der Geschädigte nach h.M. in den Fällen der §§ 249 II 1, 250 BGB frei entscheiden, ob er den Geldbetrag tatsächlich zur Natural-restitution einsetzt. • Umsatzsteuer kann nach § 249 II 2 BGB aber nur ver-langt werden, wenn sie tatsächlich angefallen ist. • Bei Personenverletzungen muss der Geldbetrag da-gegen zur Naturalrestitution eingesetzt werden. Der Gläubiger soll seinen Körper nicht zu Geld machen. Beispiel:V hat den A bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Es gelingt den Ärzten nur durch eine Notoperation, das Leben des A zu retten. Dabei bleiben hässliche Narben am Bauch zurück. A verlangt nun von V die Kosten einer Operation zur Entfernung der Narben.
Entschädigung in Geld (Wertersatz) § 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Ent-schädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen. (2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld ent-schädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnis-mäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heil-behandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnis-mäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. • Bei § 251 BGB geht es nicht wie bei § 249 II BGB um die Kosten einer Naturalrestitution, sondern um den Ersatz des Wertinteresses.
Zu ersetzen ist die Differenz zwischen dem Wert, den das Vermögen des Geschädigten ohne das schadensstiftende Ereignis gehabt hätte, und dem Wert, den das Vermögen gegenwärtig hat. • § 251 BGB regelt den Wertersatz in Geld aus zwei unterschiedlichen Perspektiven: • Abs. 1 sagt, wann der Geschädigte solchen Wertersatz verlangen kann; • Abs. 2 sagt, wann der Schädiger den Geschädigten auf solchen Wertersatz verweisen kann. • § 251 I 1. Fall BGB gibt dem Geschädigten einen Anspruch auf Wertersatz, wenn die Naturalrestitution unmöglich (§ 275 BGB) ist. • Ein Anspruch nach § 249 BGB ist ausgeschlossen, aber der Schuldner soll dadurch nicht entlastet werden.
§ 251 I 2. Fall BGB gibt dem Geschädigten einen Anspruch auf Wertersatz, wenn eine Natural-restitution zur Entschädigung nicht genügend ist. Beispiel:S hat den Neuwagen des O bei einem Unfall fahrlässig stark beschädigt. Zwar kann der Wagen repariert werden. Er hat aber auch nach der Reparatur einen bleibenden Minderwert von 5000 €, weil das Auto nun als Unfallwagen gilt. • Nach § 251 II 1 BGB kann der Schädiger den Gläubiger auf Wertersatz verweisen, wenn eine Naturalrestitution nur mit unverhältnismäßigen Mitteln möglich wäre. • Bei der Heilbehandlung von Tieren gilt die Sondervorschrift des § 251 II 2 BGB.
Beispiel (nach LG Baden-Baden NJW-RR 1999, 609):Der auf andere Rüden häufig aggressiv reagierende Schäferhund Crunch des V verletzte die zarte Promenadenmischung des E bei einer unprovozierten Attacke schwer, so dass E insgesamt 2500 € für die Heilung seines Hundes ausgeben musste. Den Mischling hatte E selbst für 50 € erworben. • Bei Personenverletzungen findet § 251 II 1 BGB keine Anwendung. Die Heilung eines Menschen ist grundsätzlich nicht unverhältnismäßig, solange sie medizinisch möglich ist. Beispiel:Der Fahrradfahrer F hat neulich die Rentnerin R umgenietet, so dass ihre Hüfte hinüber ist. F will keine neue Hüfte „für die Alte Schachtel“ mehr bezahlen.
Der Ersatz immaterieller Schäden Bei der Schädigung immaterieller Güter kann der Geschädigte: • grundsätzlich Naturalrestitution nach § 249 I BGB verlangen. • Entschädigung in Geld gemäß § 253 I BGB nur dann verlangen, wenn dies ausnahmsweise durch das Gesetz ausdrücklich zugelassen wird. • Das BGB ist gegenüber einer Geldentschädigung bei immateriellen Schäden zurückhaltend. • Immaterielle Güter sollen nicht im Wege eines Schadensersatzanspruchs kommerzialisiert werden.
Auch bei der Bestimmung dessen, was als Natural-restitution nach § 249 I BGB möglich ist, sollte die grundsätzlich ablehnende Haltung des BGB gegen-über finanziellen Entschädigungen bei immateriellen Schäden beachtet werden. Beispiel (nach OLGZ 1973, 7):A ist ein begeisterter Großwildjäger. Seine wichtigste Trophäe ist ein großer Bärenschädel, den er auf einer Jagd in Ungarn eigenhändig erlegt hat. Bei Maler-arbeiten gießt der Maler M aus Versehen einen Eimer Farbe über den Schädel aus, so dass dieser irreparable Schäden davonträgt. A ist zutiefst enttäuscht. Er möchte nun von M die Kosten einer neuen Jagd in Ungarn ersetzt bekommen, damit er sich einen neuen Bärenschädel besorgen kann. Zurecht?
Geldersatz bei immateriellen Schäden gibt es: • nach § 651f II BGB bei nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, • nach § 253 II BGB bei der Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbst-bestimmung auch für einen Schaden, der nicht Ver-mögensschaden ist (sogenanntes Schmerzensgeld). • auf der Grundlage von Artt. 1, 2 I GG bei Persönlichkeitsverletzungen. • Der Anspruch nach § 253 II BGB • § 253 II BGB gilt im gesamten Schuldrecht, dh. sowohl im Delikts- als auch im Vertragsrecht sowie in allen anderen Schuldverhältnissen, insbesondere auch bei Tatbeständen der Gefährdungshaftung.
Voraussetzungen des § 253 II BGB • § 253 II BGB gibt keinen eigenständigen Schadensersatzanspruch, sondern setzt eine bestehende Haftungsgrundlage voraus, deren Inhalt durch § 253 II BGB näher geregelt wird. • Neben einer Schadensersatzanspruchsgrundlage verlangt § 253 II BGB noch, dass eines der dort genannten Rechtsgüter verletzt worden ist. Beispiel:A ist mit der Bahn von München nach Hamburg unter-wegs gewesen. Alle Toiletten des Zuges waren aufgrund von „Funktionsstörungen“ ausgefallen, so dass es A schon ab Nürnberg stark pressiert hat. Angekommen in Hamburg und endlich erleichtert verlangt er nun Schmerzensgeld von der Bahn. Zurecht?
Bemessung des Schmerzensgelds • Das Schmerzensgeld erfüllt nach traditioneller Auffassung zwei Funktionen: • Genugtuungsfunktion: Der Geschädigte soll dafür Ersatz bekommen, dass der Schädiger in seine immateriellen Güter eingegriffen hat (nach h.M. nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit von Bedeutung). • Ausgleichsfunktion: Es soll dem Geschädigten einen finanziellen Ausgleich für die immateriellen Verluste gewähren. Beispiel:Der Arzt A führt eine Operation fahrlässig so aus, dass der Patient P im Koma verbleibt. Hat P einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen A?
Entschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen • Der BGH hat einen eigenen Anspruch auf Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet. • Artt. 1, 2 I GG geböten, dass Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht ohne Ersatz bleiben dürften. • Eine Entschädigung in diesen Fällen soll insbesondere auch Präventivfunktionen erfüllen. Beispiel:Caroline von Monaco ist ein beliebtes Ziel von Paparazzi, die ihr und ihren Kindern überall auflauern. Gerade hat wieder jemand ihre Tochter beim Spielen photographiert und das Bild an das Magazin M verkauft, das es sogleich abgedruckt hat. Ansprüche Carolines gegen M?
Literaturhinweise: • Bredemeyer, Das Prinzip "Drittschadensliquidation", JA 2012, 102-107 • Oetker, Versendungskauf, Frachtrecht und Drittschadensliquidation, JuS 2001, 833-841 • Spancken/Schneidenbach, Die Berechnung des zu ersetzenden Schadens anhand der §§ 249 ff. BGB - Ein Leitfaden, JuS 2012, 298-302 • Verweyen, Gegenläufige Entwicklungstendenzen bei der Drittschadensliquidation?, Jura 2006, 571-575