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Aktuelle Entwicklungen bei der Gewinnung sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe aus Nebenprodukten der Obst- und Gemüseverarbeitung am Beispiel Traubentrester. Dietmar R. Kammerer , Thorsten Maier, Andreas Schieber, Reinhold Carle Universität Hohenheim
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Aktuelle Entwicklungen bei der Gewinnung sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe aus Nebenprodukten der Obst- und Gemüseverarbeitung am Beispiel Traubentrester Dietmar R. Kammerer, Thorsten Maier, Andreas Schieber, Reinhold Carle Universität Hohenheim Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie Lehrstuhl Lebensmittel pflanzlicher Herkunft Stuttgart
Nebenprodukte der Obst-und Gemüseverarbeitung • Zunehmend restriktive Gesetzgebung auf EU-Ebene • Integrated Pollution Prevention and Control Directive 96/61/EC • Landfill Directive 99/61/EC • Animal By-products Regulation 1774/2002 • Incineration of Waste 2000/76/EC • Ökonomische Motive für die Reststoffverwertung • Hohe Kosten für Entsorgung (´polluter pays´-Prinzip) • Verbrauchererwartung (nachhaltige Produktion) • Möglichkeiten der Wertschöpfung • Gemäß Bio-Abfallverordnung ist das Ausbringen von Trester auf Dauergrünland-flächen seit 01.10.98 verboten.
Nebenprodukte der Obst-und Gemüseverarbeitung • Hoher Wassergehalt der Nebenprodukte aus der Verarbeitung pflanzlicher Lebensmittel • Rascher mikrobieller Verderb • Abfallprodukte, die aus Fermentationsprozessen stammen • Fermentation läuft in den Nebenprodukten weiterhin ab • Endogene Enzymaktivitäten (z.B. Polyphenoloxidasen, Peroxidasen) • Oxidativer Verlust phenolischer Antioxidantien • ►Direkte Weiterverarbeitung oder kostenintensive Trocknung nötig • Lagerungs- und Trocknungsbedingungen beeinflussen die Poly-phenolausbeuten und die antioxidative Aktivität signifikant
Konventionelle Polyphenolextraktion • Verwendung organischer Solventien, insbes. von Alkoholen oder wässrig-alkoholischen Lösungen • Entflammbarkeit • Hohe Kosten für Lösungsmittel • Regulatorische Erfordernisse • Extraktion unter Verwendung von Sulfit, insbes. von Anthocyanen • Gesundheitliche Bedenken (allergenes Potential)
HSO3- ∆T Konventionelle Polyphenolextraktion Reversible Bildung von Sulfonsäureaddukten
Allergen-Kennzeichnungsverordnung (i.d.F. vom 09.10.2006, Anlage 3) Zutaten, die allergische oder andere Unverträglichkeitsreaktionen aus-lösen können: Schwefeldioxid und Sulfite in einer Konzentration von mehr als 10 mg/kg oder 10 mg/L, als SO2 angegeben
Hauptsächliche Nachteile traditioneller Extraktionsverfahren: • Zeitaufwendig • Arbeitsaufwendig • Geringe Selektivität und / oder geringe Extraktionsausbeuten • Verwendung großer Mengen toxischer Solventien Herrero et al., 2006 Traditionelle vs. neuartige Extraktionsmethoden • Vorteile der neuartigen Verfahren: • Höhere Selektivität • Kürzere Extraktionsdauer • Keine Verwendung toxischer organischer Solventien • Umweltfreundlich / keine Umweltgefährdung
Struktur der pflanzlichen Zellwand • Primärwand pflanzlicher Zellen • Polysaccharide • 20 – 30 % Cellulose • 25 – 30 % Hemicellulosen (Xylane, Glucane, Mannane) • 15 – 30 % Pektin (Polygalacturonsäure, Rhamnogalacturonan, Arabinane, Galactane, etc.) • Proteine • 5 % Glycoproteine, Elastin, Extensin • Phenolische Verbindungen • < 1 % Lignin • Enzyme • Peroxidasen, Glucanasen, etc.
Mittellamelle Pektin Primärwand Cellulose Hemicellulose Plasmalemma 50 nm Raven et al., 2000 Struktur der pflanzlichen Zellwand
Enzymatische Extraktion von Polyphenolen • Hydrolyse der Polysaccharide pflanzlicher Zellwände mittels pektinolyti-scher und cellulolytischer Enzympräparate • Erhöhte Gesamtphenolausbeuten aus Traubentrester (Meyer et al., 1998) • Verbesserte Extraktion von Anthocyanen und Gesamtphenolen aus Rückständen der Verarbeitung schwarzer Johannisbeeren (Landbo & Meyer, 2001) • Generell Zunahme der Extraktionsausbeuten, einige phenolische Komponenten wurden durch Enzymnebenaktivitäten negativ be-einflusst (Kammerer et al., 2005)
Studien wurden mit Trauben durchgeführt, um die Polyphenolextraktion in die Moste und Säfte zu forcieren • Schnelle Erhitzung der Trauben auf Temperaturen > 95 °C bei Atmosphärendruck • Anschließend anlegen eines starken Vakuums (> 100 mbar) • Sofortige Verdampfung • Verdampfung induziert Aufbrechen der Zellwände und Abkühlen der Trauben Morel-Salmi et al., 2006 Flash Release Treatment
Die Ergebnisse sind bestimmt durch die Kombination thermischer Effekte mit dem Aufbrechen der Zellwände beim Aufheben des Vakuums • Inaktivierung qualitätsmindernder Enzyme • Verbesserte Solubilisierung aller Klassen phenolischer Verbin-dungen • Verändertes Profil einiger Polyphenolklassen, z.B. der Pro-cyanidine Morel-Salmi et al., 2006 Flash Release Treatment
Typisches Phasendiagramm eines Reinstoffes Druck Überkritisches Fluid pc flüssig fest gasförmig Tc Temperatur Supercritical Fluid Extraction (SFE)
Supercritical Fluid Extraction (SFE) • SFE für die Extraktion von Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie • Traubenkerne: • Polyphenolausbeuten mit überkritischem CO2 und Methanol als Modifier sind höher im Vergleich zur konventionellen Fest-Flüssig-Extraktion (Palma & Taylor, 1999) • Fraktionierung phenolischer Verbindungen ist möglich (Murga et al., 2000) • Traubenhäute / Traubentrester: • Extrakte werden erhalten, die bestimmte Bioaktivitäten aufweisen, z.B. zytotoxische Effekte auf Tumorzellen (Palenzuela et al., 2004)
Subcritical Water Extraction (SWE) SWE: Extraktion mit heißem Wasser unter erhöhtem Druck Parameter: 100 – 374 °C (Tc) 10 – 60 bar Vorteile: Umweltfreundlich Hohe Extraktionsausbeuten Gezielte Variation der Lösungsmittelpolarität möglich
Dielektrische Konstante von Wasser 100 80 60 Dielektrische Konstante 40 20 0 0 100 200 300 400 Temperatur (°C) Herrero et al., 2006 Subcritical Water Extraction (SWE)
Schematische Darstellung eines SWE-Systems Extraktionszelle Extraktgefäß Lösungsmittelreservoir Abfallbehälter Herrero et al., 2006 Subcritical Water Extraction (SWE)
Anlage im Labormaßstab für die SWE Extraktionszelle Lösungsmittelreservoir Extraktbehälter Abfallbehälter Subcritical Water Extraction (SWE)
Zunehmende Beliebtheit als nicht-thermische Prozesstechnologie • Sofortige Wirkung auf die Zellmembran und kurze Prozesszeiten • Reduktion der mikrobiellen Belastung durch Zerstörung bakterieller Zellmem-branen Lade-widerstand Schalter Hochspannungs-quelle Behandlungs-kammer Kondensator zur Energiespeicherung Rastogi, 2003 Pulsed Electric Field Treatment
Induzierung eines Transmembranpotentials in einer Zelle, die einem externen elektrischen Feld ausgesetzt wird Spannungs-quelle Schalter - + - - + + - + - + + - + - Elektrode Elektrode Elektrisches Feld (E0) Rastogi, 2003 Pulsed Electric Field Treatment
Pulsed Electric Field Treatment • Anwendung gepulster elektrischer Felder zur Verlängerung der Produkthalt-barkeit • Inaktivierung von Mikroorganismen (E. coli, S. typhimurium, S. senftenberg, L. monocytogenes…) • Inaktivierung qualitätsmindernder Enzyme (nur begrenzt möglich) • Herstellung von Frucht- und Gemüsesäften • Apfel (Angersbach & Knorr, 1997; Flaumenbaum, 1986; McLellan et al., 1991; Schilling et al., im Druck) • Karotte (Knorr et al., 1994) • Zuckerrübe (Eshtiaghi & Knorr, 2000) • Kokosnuss (Ade-Omowaye et al., 2001)
Pulsed Electric Field Treatment • Extraktion pflanzlicher Sekundärmetabolite aus Zellkulturen (Knorr et al., 1994; Dornenburg & Knorr, 1993) • Extraktion von Pflanzenphenolen aus Abfallprodukten der Obst- und Gemüse-verarbeitung? Pulsed electric fields for the recovery of pigments from wastes of the food industry (F. De Vito, F. Donsì, G. Ferrari; Università degli Studi di Salerno, Italy) 2006 EFFoST Annual Meeting / Total Food 2006 Sustainability of the Agri-Food Chain The Hague, The Netherlands, 7-9 November 2006
Ultrafiltration als Mittel zur Aufreinigung von Rohextrakten • Entfernung hochmolekularer Zellwandbestandteile (Pektine, Cellulose und Hemicellulosen sowie deren Abbauprodukte) • Entfernung von Proteinen • Fraktionierung phenolischer Verbindungen nach ihrem Molekulargewicht • Niedermolekulare Phenole vs. hochmolekulare Tannine • Fraktionen, die unterschiedliche techno- und biofunktionelle Eigen- schaften aufweisen Membrantrennverfahren
Adsorbertechnologie als Verfahren zur Gewinnung phenolischer Verbindungen 1. Adsorption der Polyphenole 3. Gewinnung der phenolischen Verbindungen 2. Entfernung nicht-phenolischer Komponenten 4. Regenerierung des Harzes Adsorbertechnologie
Adsorbertechnologie • Kommerzielle Anwendung der Adsorbertechnologie • Entbitterung von Zitrussäften (Kimball & Norman, 1990; Shaw & Buslig, 1986) • Entfärbung, Standardisierung und Stabilisierung von Saftkonzentraten (Lyndon, 1996) • Entfärbung von Pektin, das aus Apfeltrester extrahiert wurde, und gleichzeitige Gewinnung von Polyphenolen (Carle et al., 2001; Schieber et al., 2003) • Gewinnung natürlicher Farbstoffe oder von bestimmten wertgebenden Substanzen (z.B. Hesperidin) aus Nebenprodukten der Lebensmittelver-arbeitung (Di Mauro et al., 1999, 2000, 2002; Kammerer et al., 2005)
Schematischer Aufbau eines HSCCC-Systems multilayer coil planetary gear axis of rotation axis of revolution stationary sun gear Ito, 2005 High-Speed Counter-current Chromatography (HSCCC)
Mischungszonen Entmischungszonen High-Speed Counter-current Chromatography (HSCCC) Trennprinzip der HSCCC Modi: • Head – Tail • obere Phase = stationäre Phase • Tail – Head • untere Phase = stationäre Phase Ito, 2005
HSCCC-System im Labormaßstab Coils High-Speed Counter-current Chromatography (HSCCC)
Traubentrester als Quelle natürlicher Antioxidantien • Traubentrester weist hohe Gehalte an Polyphenolen auf Phenolgehalte [%]Bemerkungen Stiele 1-4 Shrikhande (2000) Häute 1-2 Trauben; Folin-Ciocalteu Kerne 5-8 Trester; Lu & Foo (1999) ca. 4 17 phenolische Verbindungen + oligomere Procyanidine Rote Traubenhäute 3,76 Bravo & Saura-Calixto (1998) Weiße Traubenhäute 4,48 Trester; Folin-Ciocalteu „Weiße“ Traubenkerne 5,22 • Einsatz phenolischer Verbindungen aus Traubentrester als natürliche Antioxi-dantien in Lebensmitteln möglich (Bonilla et al., 1999) • Ausbeute an phenolischen Verbindungen aus Traubentrester kann durch Ein-satz depolymerisierender Enzyme gesteigert werden (Meyer et al., 1998)
Polyphenole in Traubentrester Anthocyane Paeonidin-3-O- glucosid Detektionswellenlänge: 520 nm Malvidin-3-O- glucosid Petunidin-3-O- glucosid Paeonidin-3-O- cumaroylglucosid Malvidin-3-O- cumaroylglucosid Cyanidin-3-O- glucosid Malvidin-3-O- acetylglucosid Paeonidin-3-O- acetylglucosid Delphinidin-3-O- glucosid
Polyphenole in Traubentrester Phenolcarbonsäuren Detektionswellenlänge: 280 nm Caftarsäure Cutarsäure Gallussäure HMF Vanillinsäure Kaffeesäure Protocatechu- säure p-Hydroxy- benzoesäure Fertarsäure Syringasäure p-Cumarsäure
Polyphenole in Traubentrester Flavanole und Stilbene Detektionswellenlänge: 280 nm Catechin Epicatechingallat Epicatechin Procyanidin B3 Procyanidin B2 Procyanidin B1 Polydatin Resveratrol
Polyphenole in Traubentrester Flavonole Detektionswellenlänge: 370 nm Quercetin-3-O-rhamnosid Isorhamnetin-3-O-glucosid Quercetin-3-O-glucuronid Quercetin-3-O-glucosid Isorhamnetin Quercetin-3-O-galactosid Kämpferol Quercetin Myricetin
Enzymatische Tresterextraktion D-Optimaler Versuchsplan Einflussparameter: • pH-Wert • Temperatur • Enzymdosage (Novoferm 106 / Cellubrix L ; 3 / 1) Faktoren: A B C pH-Wert Temperatur [°C] Enzymdosage ppm] Stufenwerte: 1 3 35 0 2 4 40 1500 3 5 45 3000 4 6 50 4500 5 -- 55 6000 6 -- -- 7500
Enzymatische Tresterextraktion 3-D-Liniendiagramme Phenolcarbonsäuren Anthocyane Maier et al., 2007
Enzymatische Tresterextraktion Malvidin 3-O-coumaroylglucosid Protocatechusäure Päonidin 3-O-coumaroylglucosid Malvidin 3-O-acetylglucosid Gallussäure Päonidin 3-O-acetylglucosid Petunidin 3-O-acetylglucosid Fertarsäure Delphinidin 3-O-acetylglucosid Malvidin 3-O-glucosid Päonidin 3-O-glucosid Cutarsäure Petunidin 3-O-glucosid Cyanidin 3-O-glucosid Caftarsäure Delphinidin 3-O-glucosid B A 0 50 100 150 200 250 300 350 0 20 40 60 80 100 120 140 160 Quercetin 3-O-glucosid Quercetin 3-O-galactosid Epicatechin-gallat Epicatechin Procyanidin B2 Catechin Procyanidin B1 0 50 100 150 200 250 C Maier et al., 2007
Adsorbertechnologie Aufreinigung und Konzentrierung eines ´Cabernet Mitos´-Tresterextraktes Alkohol Säulenbeladung Elution
Adsorbertechnologie Aufreinigung und Konzentrierung eines ´Cabernet Mitos´-Tresterextraktes Kammerer et al., 2004
Isolierung phenolischer Verbindungen mittels HSCCC Trennung von Caftar-, Cutar- und Fertarsäure • Trennung strukturell sehr ähnlicher Substanzen • hohe Ausbeute • geringer Zeitfaktor
Isolierung phenolischer Verbindungen mittels HSCCC Vortrennung • Head-to-Tail-Modus • Lösungsmittelgemisch: • Hexan / Ethylacetat / Methanol / bidest. Wasser / TFA (3 / 7 / 3 / 7 / 0,01; v/v) • Flussraten: 0,5 mL/min (t = 0-260 min) • 1,0 mL/min (t = 260-360 min) Cutar- / Fertarsäure Caftarsäure
Isolierung phenolischer Verbindungen mittels HSCCC Isolierung • Tail-to-Head-Modus • Lösungsmittelgemisch: • TBME / Butanol / ACN / bidest. Wasser / TFA (2 / 1 / 2 / 5 / 0,01; v/v) • Flussrate: 0,5 mL/min Caftarsäure Cutarsäure Fertarsäure
Verwertung von Traubentrester Trester roter und weißer Trauben Enzymatische Extraktion Aufgereinigte Polyphenolfraktionen Getrockneter Rohextrakt Isolierte phenolische Verbindungen Tresterrohextrakt Fraktionierung mittels HSCCC Sprühtrocknung Adsorption
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen • Abfallprodukte werden zunehmend zur Gewinnung phenolischer Verbindungen herangezogen • Konventionelle Extraktionsmethoden weisen einige Nachteile auf, daher werden alternative Technologien benötigt • Mehrere neuartige Technologien stehen heute zur Verfügung, die Effizienz und Rentabilität muss in den meisten Fällen noch bewertet werden • Die Bioaktivitäts-geleitete Extraktion pflanzlicher Abfallprodukte oder die Fraktionierung von Rohextrakten ist möglich • ► Herstellung maßgeschneiderter Polyphenolpräparate
Danksagung Achim Claus Sabine Korhummel Solveigh Sanzenbacher Dieses Vorhaben wurde aus Mitteln der industriellen Gemeinschaftsforschung (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie via AiF) über den Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) gefördert. Projekt AiF 14039 BG.