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Ewa Turkowska, NKJO Radom

Sich treiben lassen oder g egen den Strom rudern? Literatur in der Deutschlehrerausbildung: Bilanz nach 10 Jahren. Literatur und Literaturwissenschaft im Zeichen der Globalisierung. Obrzycko 2009. Ewa Turkowska, NKJO Radom.

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  1. Sich treiben lassen oder gegen den Strom rudern? Literatur in der Deutschlehrerausbildung: Bilanz nach 10 Jahren.Literatur und Literaturwissenschaft im Zeichen der Globalisierung. Obrzycko 2009 Ewa Turkowska, NKJO Radom

  2. „Mein Fall ist, in Kürze, dieser: Es ist mir völlig die Fähigkeit abhanden gekommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen“.Hugo von Hofmannsthal: Brief des Lord Chandos an Francis Bacon, 1902

  3. Probleme der Literaturvermittlung in der Deutschlehrausbildung aus der Perspektive der Fremdsprachenkollegs, einer nicht-universitären Bildungseinrichtung.1. Problemeder literarischen Bildung2. Reaktionen auf die Probleme: neue Vorschläge in der Literaturdidaktik 3. Literaturvermittlung in der Deutschlehrerausbildung zwischen Anpassung an neue Trends und Abwehr gegen Preisgabe des Bewährten 4. Integratives Konzept der Vermittlung des literaturgeschichtlichen und literaturwissenschaftlichen Wissens.

  4. 1. Probleme der literarischen Bildung Zu den wichtigsten Erscheinungen, die von globaler Reichweite sind und Probleme imLiteraturunterricht bereiten, gehören u. a.: • soziale: Dominanz der Pop-Kultur und Schwund der hohen Kultur, großer Einfluss der Massenmedien auf soziales Verhalten und Persönlichkeitsbildung, Verdrängung des schönen Literatur durch Fernsehen, Film und Computer, Bildüberflutung und daraus resultierende Krise des Lesens, Multikulturalität der Gesellschaft, welche unterschiedliche, kulturbedingte Rezeptionsweisen bewirkt, mangelhafte Sprachbeherrschung; • neuro- bzw. lernpsychologische: Überlastung des Gehirns, welche eine zersplitterte Wahrnehmung der Welt und eine flache Verarbeitung von Informationen bewirkt; • psychologische: Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Aggressionen.

  5. Probleme der literarischen Bildung in Polen Die wichtigsten Erscheinungen von globaler (internationaler) Reichweite, die auf die Praxis des Literaturunterrichts in unserem Land heute Einfluss nehmen, sind • die mangelhafte Sprachbeherrschung, die vor allem als Defizite im Leseverstehen den Lernprozess im Literaturunterricht erschwert, • Einfluss der Medien, • lernpsychologische Probleme mit der Verarbeitung und Kontextualisierung der vorhandenen bzw. neu erworbenen Informationen.

  6. Sprachdefizite – global? • Polen: Durchschnittsniveau des Fremdsprachenunterrichts nicht zufriedenstellend (permanente Schulreform) +niedrige Anforderungen in der Abiturprüfung+das demographische Tief = wenige gute Kandidaten • Lerner mit mangelhaften Sprachkenntnissen sind gegenwärtig nicht nur an ausländischen Neuphilologien anzutreffen, sondern auch in Grund- und Oberschulen, sogar an muttersprachigen Philologien in Ländern mit hohen Einwandererraten. • Schweden: Sprachliche Probleme der Studierenden an Pädagogischen Hochschulen beeinträchtigen die Lehrerausbildung. Einwanderer beabsichtigen, Schwedischlehrer zu werden, obwohl ihre Sprachkenntnisse hinter denen ihrer muttersprachigen Schüler stehen. Wenn die Dozenten ihnen ungenügende Noten geben, werden sie des Rassismus angeklagt und müssen, um nicht selbst von der Justiz verfolgt zu werden, die ungenügende Note zurücknehmen (Diskriminierungsgesetz, Herbst 2005)

  7. Sprachdefizite - Folgen • Sprachdefizite erschweren Arbeit am literarischen Text (Verfahren der Texterschließung, inhaltssichernde Verfahren, Interpretationsverfahren): ein Teil der Interpretationsarbeit muss aufgegeben werden: Statt kognitiver Verfahren der direkten Interpretation, des expliziten, begrifflichen Verstehens müssen immer häufiger vorbegriffliche „Latenzformen des Verstehens“ (Th. Zabka) eingesetzt werden. • Der hohe Anteil der Lerner mit diversen Muttersprachen (Immigrantenkinder) bedeutet für die Literaturdidaktik, dass der ursprünglich als muttersprachig geplante Literaturunterricht zum fremdsprachigen Literaturunterricht wird. Das bewirkt eine bisher ungekannte Annäherung der Literaturdidaktik in der Mutter- und Fremdsprache. • Aus demselben Grund kommt es auch zur Annäherung zwischen der fremdsprachigenLiteraturdidaktik undLiteraturdidaktik für Bedürfnisse des Fremdsprachenunterrichts.

  8. Sprachdefizite - Folgen So trifft für die fremdsprachliche Literaturdidaktik genau dasselbe zu, was E. Paefgen von 10 Jahren von der muttersprachlichen Literaturdidaktik bemerkt hat: • „Gegenstände des Faches sind immer einfacher, kürzer und leichter geworden. (...) lagen die vollständigenund ungekürzten Werke unterschiedlichster Zeiten bis in die 1960er Jahre hinein dem Unterricht in den höheren Klassen zugrunde, so muss für die letzten zwanzig bis dreißig Jahren eine • kontinuierliche Erleichterung des literarischen Lernprozesses konstatiert werden. (...) Nicht immer werden vollständige Dramen- oder Romantexte gelesen, sondern Auszüge aus mehreren Werken (...). Wenn ganze Texte gelesen werden, werden nicht selten einfachere oder kürzere Texte gewählt: statt Th. Manns Buddenbrooks eher Tonio Kröger oder Der Tod in Venedig; statt Franz Kafkas Der Prozess oder Das Schloss eher Das Urteil oder Die Verwandlung;( ). Sowohl für die Grundschule als auch für Sekundarstufe I und II werden die Leseanforderungen – was Komplexität und Länge angeht – gesenkt. (...) • Eswird tendenziell weniger, werden kürzere und werden verständlichere Texte gelesen.

  9. LernpsychologischeProbleme • fragmentarische Wahrnehmung und ein zersplittertes Weltbild, • Oberflächlichkeit in der Verarbeitung von Informationen, • kein Bedarf an Systematisierung und Kohärenz der Wissensbereiche, • kleinere Fähigkeit zum Zuordnen und Zusammenfasen, Übersichtlich-Machen und Systematisieren von Informationen. Während Hofmannsthals Klage über die abhanden gekommene Fähigkeit, „die Sachen zusammenhängend zu sehen“ zu Beginn des 20. Jhs. nur noch im Sinne eines poetischen Manifests gedeutet werden konnte, ist sie ein Jahrhundert später zur blanken Wirklichkeit geworden. • Das Wissen wird extern – im Internet und auf CD-ROMs gespeichert, nicht mehr in den Köpfen.

  10. (Medien) • Literatur verliert an Bedeutung im gesellschaftlichen Kommunikationssystem. Sozialisation und Enkulturation erfolgen gegenwärtig primär nicht mehr über Buch und (schöne) Literatur, sondern über Fernsehen und Multimedia. Die traditionellen Printmedien sind in den Hintergrund getreten und dem Computerspielen, dem Internet, der häuslichen Nutzung von Standard- und Übungssoftware (und nach wie vor dem Film und Fernsehen) gewichen. • Literatur ist heute immer öfter Medienverbundliteratur, also die kulturelle Praxis, in die Heranwachsende einzuführen sind, ist eine Praxis des Umgangs mit allen ästhetikfähigen Medien. Ziel: Medienkompetenz. • Medienkompetenz (effektive Informationsentnahme, kritischer Umgang mit Medien). Deutschunterricht: mehr Gewicht auf Umgang mit Medien, nicht zuletzt auf Kosten der Beschäftigung mit Literatur. • Dimensionen der Medienkompetenz: Medienwissen/ Medienbewusstsein, medienspezifische Rezeptionsmuster, medienbezogene Genussfähigkeit, Selektion und Kombination von Mediennutzung, Produktive Partizipationsmuster, Anschlusskommunikationen

  11. 2. Reaktionen auf Probleme: Vorschläge der Literaturdidaktik Literaturdidaktik reagiert mit diversen Vorschlägen auf die durch Globalisierung verursachte neue pädagogische Situation. In der literaturdidaktischen Diskussion gibt es u. a. folgende wichtige Themenkreise: • Folgen der Multikulturalität für den Literaturunterricht, • Zielsetzung des Deutschunterrichts: Literaturkompetenz vs. Medienkompetenz, Einsatz der Medien: Computer, Internet, aber auch des älteren Mediums Film, • Methodenfragen (Methodenpluralismus), • Inhaltsfragen: Texte der neuesten Literatur, neue Literaturformen (vs. deutsche Klassiker) • Entwicklung der Lesekompetenz, • Anregungen seitens der Literaturwissenschaft: Kulturorientierung, Gender-Forschung, Dekonstruktivismus.

  12. (Neue Medien) • Mediendidaktisch orientierte Pädagogen teilen die Überzeugung der Literaturdidaktiker, Lektüre eines Buches sei eine höherwertige Tätigkeit als Musikhören oder Fernsehen, nicht. „Krampfhaftes Bemühen um eine Herausstellung des Mediums Buch als höherwertig oder besonders schützenswert entspricht (...) nicht nur der Wirklichkeit nicht, sondern ist, weil es als Bewährungspädagogik missverstanden werden kann, auch medienpädagogisch kontraproduktiv“ meinen Abraham/ Kepser. • Medienerziehung wird als ein Zeichen der Modernität verstanden, Anpassung an den Wandel der Medienwelt, Beweis für die Öffnung der Schule auf die Lebenswelt der Schüler und Berücksichtigung ihrer alltäglichen Medienerfahrung in dem schulischen Lernprozess. • Schwerpunkte der fachdidaktischen Diskussion: Internet, multimediale Anwendungen, Schreibdidaktik, Übungssoftware.

  13. (Film) • Die Begeisterung für Internet und Multimedia hat das ältere Medium Film aus dem Blickfeld verdrängt. Dabei ist das Thema „Einsatz von Filmen“ keinesfalls erschöpft. • E. Paefgen wies noch 1999 darauf hin, dass der Film noch gar keinen sicheren Ort in der Schule gefunden hat. • Sieben Jahre später wiederholte M. Kepser dasselbe: „Das wachsende Interesse an den neuen Medien ist sicherlich zu begrüßen. Auf der anderen Seite fällt auf, dass kaum Veröffentlichungen zum (Spiel-)Film erschienen sind, obwohl diesem „alten“ Medium eine weitaus größere kulturelle Bedeutung zukommt. Nach wie vor gibt es weder ein institutionell abgesichertes Curriculum zur Filmästhetik noch zur Filmgeschichte, ein kultureller Skandal, der über der Neugier auf die neuen Medien nicht vergessen werden sollte“.

  14. Entwicklung der Lesekompetenz • Grundlegendes Anliegen der Didaktik Deutsch als Mutter- und als Fremdsprache • Lesen wird im internationalen Maßstab als Schlüsselkompetenz definiert: Lesen ist ein notwendiges, basales Kulturwerkzeug, • Auch für Mediennutzung ist Lesen eine Basiskompetenz: Internet ist auch ein Lesemedium. • Leseförderung wird unter dieser Perspektive zur wichtigsten medienpädagogischen Aufgabe überhaupt. • Eine solche systemische Leseförderung müsste alle Schulfächer ins Boot holen, so dass Lesen als persönlich bedeutsame Tätigkeit nicht nur am Model der Lehrkraft für Deutsch und den dafür vorgesehenen Unterrichtsstunden erlebbar wird: fächerübergreifende Leseförderung (Abraham/ Kepser)

  15. 3. Literaturvermittlung in der Deutschlehrerausbildung zwischen Anpassung an neue Trends und Abwehr gegen Preisgabe desBewährten • Inwieweit können wir uns von diesen neuen Trends inspirieren lassen, und inwieweit dürfen wir sie ablehnen? • Einerseits will man der veränderten didaktischen Situation gerecht werden und strebt einen zeitgemäßen, modernen Literaturunterricht an. • Andererseits darf man nicht zulassen, dass Modernität ein Ziel an sich wird und dass die Unterrichtsarbeit im oberflächlichen Aktionismus mündet. • Entscheidungen können nur im Hinblick auf die Zielsetzung des Literaturlehrgangs (diese bleiben konstant: Entwicklung der literarischen Kompetenz, darunter Vermittlung des literarischen Basiswissens als Bestandteil der Fachkompetenz eines Lehrers), die institutionellen Konstanten wie Curriculum, Lehrinhalte, Stundenpensum, Bedürfnisse der Zielgruppe getroffen werden. • So muss man notgedrungen zwischen Anpassung an soziale und didaktische Situation und Abwehr gegen Verlust des Literarischen hin und her pendeln.

  16. Neue Trends – mit dem Strom Was sollen wir nun von den neuen Trends für uns produktiv machen? • Dialog zwischen Kulturen und Epochen als Thema des Literaturunterrichts. Wichtige affektive Ziele sind: offene Haltung gegen Denkweisen und Wertvorstellungen anderer Kulturen und Epochen, Sensibilisierung für Vergänglichkeit und Relativität ästhetischer Urteile, Notwendigkeit ethischer Reflexion, Toleranz, Befähigung zum Leben in der multikulturellen Gesellschaft, die uns bevorsteht. • Verstärkter Einsatz von Medien: Einbeziehung von Multimedia bei der Wissensvermittlung in Literaturtheorie und Literaturgeschichte: Epochen, Werke (Entstehungs- und Wirkungsgeschichte, historischer Stoff, literarischer Stoff), Autoren • Im Präsenzunterricht durch Präsentationen von multimedialen Materialien und didaktischen Filmen; • im Selbststudium durch Recherche im Internet, E-Learning, Aktivität der Lerner online (Literaturforen, Newsgroups, eigene Homepages: Berichte über Theaterbesuche, Freizeitlektüren, Schreiben von eigenen Texten, Kommentieren von anderen Texten). Externalisierung der Wissensaneignung und literaturbezogener Aktivität der Lerner dank Internet.

  17. Neue Trends – mit dem Strom • Verstärkte Beachtung von Literatur in anderen Medien, Ergänzung der Textarbeit um Verfilmungen, Hörspiele, Theaterbesuche, Fernsehtheater, Netzliteratur. • Abwechslungsreiche methodische Unterrichtsgestaltung: Handlungsorientierung bei der Inszenierung des Epochenwissens und der Textinterpretation (auch mit medialer Unterstützung). • Fächerintegration als Prinzip der Unterrichtsgestaltung: Förderung der Sprachkompetenz: LV, Umgang mit Informationen (Aussuchen, Gewichten, Selektion).

  18. (Einsatz der Medien: Multimedia) Für die Bedürfnisse des fremdsprachlichen Literaturunterrichts kann man neue Ideen aus den Vorschlägen der Literaturdidaktik und der Fremdsprachendidaktik schöpfen, da es sich hier um Förderung sowohl der literarischen als auch der Sprachkompetenz handelt (ich gehe dabei von dem integrativen Konzept der Literaturvermittlung aus, in dem Literatur mit Sprachtraining bewusst verbunden werden). Möglichkeiten der Arbeit mit Computermedien sind sehr breit. • Multimedia-Materialien zur Literatur auf CD-ROMs: z. B. Schülerlexikon Basiswissen Literatur, „Geschichte der deutschen Lyrik“ des Reclam Verlags, „Texte. Medien-Literatur des 20. Jahrhunderts“, Cornelsen/FWU • Übungssoftware zur Literatur (? Didaktisch schwer machbar) • Bild/ Text/ (Ton) Präsentationen (Multimediale Collagen) der Studenten mit Assoziationen zu Pflicht-, Wahlpflicht- bzw. Freizeitlektüren • Text-Bild-Präsentationen zu literaturgeschichtlichen, literaturtheoretischen und literaturdidaktischen Themen als Ergänzung zu Vorlesungen der Lehrkraft und Referaten der Studenten (Power Point).

  19. (Einsatz der Medien: WWW) • Das WWW – Wissensquelle, eine gut versorgte Bibliothek. Fundgrube für Informationen aus Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft, für literarische Texte, Sekundärliteratur, Bildmaterial. Auf Bildungsservern sind sogar Vorlesungen zu sehen und zu hören (z. B. in dem E-Learning-Programm www.literaturwissenschaft-online.uni-kiel.de). Das Internet gibt also die Möglichkeit zum autonomen Lernen. • Es gibt Tests und Übungsmaterialien online (z. B. Barock- und Aufklärung-Quiz im E-Learning-Programm der Uni Kiel), • Man kann Schreibprojekte zur Literatur durchführen: Lesetagebücher in Form von Blogs individuell oder kollektiv führen, Kommentare zu Lektüren, Lesetipps und kulturelle Nachrichten austauschen, Kontakt zu einer Studentengruppe aus einer anderen Stadt in Polen oder aus Deutschland aufnehmen und eine Newsgroup bilden. • Teilnahme an existierenden deutschen Literaturforen und Newsgroups über Literatur (Kommentieren, Mitschreiben, eigene Texte hochladen). Im Internet kann man also das kreative Schreiben üben und die Materialien veröffentlichen. • Gestalten einer eigenen Homepage für eigene Texte/ Kommentare/ Lieblingsgedichte/ der Studierenden: authentische Kommunikation zwischen Kulturen kommt zustande. Das Internet bietet also die Möglichkeit zum Informationenaustausch und der direkten Kommunikation über Literatur in authentischen Situationen.

  20. (Neue Medien: Schattenseiten) • Fertige Interpretationen von Kanonwerkentöten eigene Verstehensversuche der Lerner. Da sie immer noch von der Schule her auf eine einzig richtige Interpretation hin ausgerichtet sind, entgehen sie gern dem Risiko einer eigenständigen Sinnentdeckung im Text und bedienen sich gerne der Interpretationsklischees (umso lieber, dass sie wegen Sprachdefizite Schwierigkeiten im Textverstehen haben). Inhaltsangaben, die als Einstieg in die Lektüre zu begrüßen sind, ersetzen ihnen allzu oft die Lektüre des ganzen Textes. • Qualität der didaktischen Bearbeitung der Lernmaterialien und Nicht-Nutzung von multimedialen Darbietungsmöglichkeiten. Sie bestehen fast ausschließlich aus Texten, die häufigste mediale Komponente ist ein statisches Bild. Filme, Animationen, dynamische Visualisierungen sind rar, interaktive Komponenten, mit denen Inhalte variiert werden können – besonders selten. Das größte Defizit bilden interaktive Anwendungen auf dynamischen Seiten, mit denen Lerner Daten und Objekte manipulieren und neue Daten und Objekte generieren können. Die Struktur der Inhalte ist bei einer expositorischen Darstellung stehen geblieben. Präsentation der Inhalte bleibt deduktiv wie in Lehrbüchern, die didaktische Unterstützung des Lernprozesses durch kognitive und konstruktive Werkzeuge ist minimal. Neue technische Möglichkeiten und neue Bedingungen des netzbasierten Lernens sollten doch zu alternativen didaktischen Konzepten führen, die das kognitive und selbstständige, vor allem explorative und entdeckende Lernen unterstützen. „Die didaktische Phantasie bleibt der Schwachpunkt der virtuellen Lehre“ – konstatiert R. Schulmeister. • (Mir bekannte) Tests bestehen aus geschlossenen Aufgaben vor allem Multiple-Choice, Lückenfüllung, Satzergänzung, Zuordnung, Klassifikation und basieren somit auf didaktischen Konzepten, die in die 1960er Jahre zurück reichen. Das interaktive Mitmachen ist auf Anklicken zur Überprüfung der Antwort beschrankt. Sie fördern die Tendenz zum Abschalten des eigenständigen Denkens, die die Lernenden ohnehin zeigen. Der Mangel an offenen Aufgaben nimmt auch Gelegenheit zur sprachlichen Formulierung der Gedanken .

  21. (Einsatz von Filmen) • Spiel- und didaktische Filme zu literarischen Epochen. • Vorteile:Filme bieten eine beliebte Abwechslung in den Unterricht (und haben deshalb eine motivierende Funktion), visualisieren dargestellte Lerninhalte (und sorgen damit für eine effektivere, weil mehrkanalige Informationsaufnahme) und bieten eine gute Gelegenheit zum Üben des Hörverstehens und des Hör-Seh-Versehens. Voraussetzung ist allerdings, dass sie von der Lehrkraft didaktisiert, also mit entsprechenden Übungen versehen werden. Ohne die Begleitaufgaben zum Film erübrigt sich sein Einsatz: Viele Lerner schalten bald ab, so wie sie auch beim Fernsehen zu Hause oft tun. • Verfilmungen von Romanen bzw. Aufführungen von Theaterstücken: produktiv für die Interpretation: Vergleich von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Textvorlage und dem Film (Handlung, Figuren, Aussage). • Da aber der Film ein separates Kunstwerk ist, welches andere Ausdrucksmittel benutzt und Schwerpunkte im Vergleich mit dem Text verschiebt, kann er die Lektüre nicht ersetzen. • Verbreitung von digitalen Kameras macht es auch möglich, eigene Inszenierungen der Lernenden zu literarischen Texten zu verfilmen.

  22. (Methoden) • Wegen der didaktischen Orientierung der Fremdsprachenkollegs ist die Frage nach Methoden des Literaturunterrichts von besonderer Wichtigkeit. • Diskussion um handlungs- und produktionsorientierte Methoden ist für unsere Verhältnisse sehr fruchtbar. + Frage der Lerninhalte, d.h. Ausmaß und Behandlungsweisen der klassischen Werke des 18. und 19. Jahrhunderts. Komplexe Strukturen, die vielschichtige Verstehensleistungen erfordern, sind für die heutige Studentengeneration mit ihrer Patchwork-Mentalität besonders schwer in der Rezeption. Die Notwendigkeit, Klassiker der Literatur in der Schule zwecks der Teilhabe der jungen Generation am kulturellen Erbe der Nation zu behandeln, wurde nie ernsthaft bezweifelt. Die Bemühungen der Literaturdidaktiker waren vielmehr um die Frage konzentriert, wie man den Zugang zum Text erleichtern und Rituale der einseitig kognitiven Interpretationsarbeit verändern kann. • Der Hauptverdienst der handlungs- und produktionsorientierten Didaktik (wie z. B. textproduktive Verfahren, textnahes Lesen, szenische Interpretation) ist, dass sie die totgesagten Klassiker wieder lebendig gemacht und (im Einklang mit gegenwärtigen Positionen der Literaturwissenschaft) neue Sichtweisen auf Interpretation im Klassenzimmer geöffnet hat. Ihre Errungenschaften sind auch für die polnischen Verhältnisse von großer Bedeutung. • Handlungsorientierung – hoch soll sie leben!

  23. Nicht mehr neue Trends Was muss in der Hochschulbildung unveränderlich bleiben, auch wenn es Rudern gegen den Strom bedeutet (d.h. nicht zum Mainstream der gegenwärtigen Literaturdidaktik oder gar als veraltet gilt?) • Textarbeit als Schwerpunkt der Unterrichtsarbeit, inhaltliche und formelle Textanalyse, Interpretation, • Wissensvermittlung: enzyklopädisches Wissen über Epochen, Werke, Autoren (Kenntnis der Fakten, Daten bildet eine Basis und macht erst Verstehen der Zusammenhänge, Prozesse möglich), literaturtheoretisches Wissen, • Kenntnis der Kanonwerke, • kognitive Aktivität der Lerner, • Grund: Literatur für Deutschlehrer hat andere Globalziele als Literatur für niedrigere Bildungsstufen: kognitive Fertigkeiten, Fachwissen: Literaturgeschichte und –theorie, Befähigung zur Textanalyse und Interpretation literarischer Texte für Bedürfnisse des DaF-Unterrichts. • Ich vermisse: Konzepte zur Literaturgeschichte (M. Nutz, 1990er)!

  24. Problem Sprachdefizite (LV) Defizite in Verarbeitung von Informationen (Sammeln, Gewichten, Ordnen, Strukturieren) Gewöhnung an Multimedia, Fernsehen Mangel an Interesse an Literatur Konflikt der Kulturen (Aggressionen, Intoleranz) Lösungsvorschlag Fächerübergreifedes Lesetraining, auch im Literaturunterricht Übungen zum Umgang mit Wissen am Beispiel von literaturwissenschaftlichen (linearen und nichtlinearen) Fachtexten Verstärkter Medieneinsatz zur Wissensvermittlung in der Klasse zum selbstständigen Recherchieren (autonomes Lernen) zur Leistungskontrolle motivierender, methodisch abwechslungsreicher Unterricht Behandlung von Texten, die das thematisieren, affektive Ziele: Toleranz, Gleichwert der Kulturen Fazit:

  25. Grundsätze des zeitgemäßen Literaturunterrichts • Mediale Unterstützung im Präsenzunterricht bei Wissensvermittlung und Einübung des Lernstoffs (Vorlesungen, Studentenreferate, Übungen mit Mutlimedia) • Ergänzung des Präsenzunterrichts mit E-Learning • Fächerübergreifender Unterricht: Integration von literarischen Texten und Inhalten in andere Lernbereiche, v. a. Sprachpraxis (LV), bewusster Sprachtraining im Literaturunterricht (Begleitaufgaben zu Vorlesungen und didaktischen Filmen zum LV bzw. HV = gleichzeitig Verarbeitung von neuen Informationen) und in der Lehrerausbildung um (erlebte) Methodik • Handlungsorientierung, darunter Nutzung von technischen Möglichkeiten der Medienwelt

  26. Literaturvermittlung in der Deutschlehrerausbildung 1999 • hat Aktualität nicht verloren: Fächerübergreifung, Integration mit der Sprachpraxis, erlebte Methodik sowie Handlungsorientierung bleiben aktuell • nur kleine Ergänzung um multimediale Gestaltung und zusätzlicheInhalte – Literaturtheorie • Bildungskonzept der Fremdsprachenkollegs auch heute effektiv, entspricht den aktuellen Bedingungen und Anforderungen an den modernen Literaturunterricht.

  27. (Bildungskonzept der Fremdsprachenkollegs) Die Hauptthesen dieser Bildungskonzeption sind: • Auswahl der zu vermittelnden Lehrinhalte nach dem Prinzip der Brauchbarkeit im Lehrerberuf (z. B. Verzicht auf historische Grammatik, Sprachgeschichte, Einschränkung von Sprachwissenschaft, Einführung der Kinder- und Jugendliteratur sowie der Literaturdidaktik, • Vergrößerung des Stundenpensums für Didaktik/ Methodik Deutsch als Fremdsprache, • Konzentration des Ausbildungsprozesses um die methodich-didaktischen und psychopädagogischen Fächer, die den Kern des Studiums bilden und auch in andere Fächer integriert sind, • Durchführung der Unterrichtsstunden als Beispiel für musterhafte Didaktisierung der einzelnen Themen, • Offener und kreativer Unterricht in allen Fächern, • Koordination aller Studienfächer untereinander, so dass zwischen den Fächern eine Zusammenarbeit in der Realisierung des Studienprogramms auftritt: fächerübergreifender Unterricht, • Fächerintegration

  28. 4. Unterrichtsbeispiel:Fächerübergreifendes Lernen Literaturtheorie +Leseverstehen Inhaltsangabe einer Vorlesung zur Rezeptionsästhetik 1Lies aufmerksam 2damit du 3durch weiße Flecken des Textes 4hinter einer Spitzengardine 5einem löchrigen Fischernetz 6einer rissigen Glasscheibe 7in einem Zerrspiegelsplitter 8dein Gesicht erkennen kannst

  29. (Fächerübergreifendes Lernen: Literaturtheorie +Leseverstehen) Welche Thesen zum literarischen Lesen beziehen sich auf die jeweilige(n) Zeile(n) des obigen Textes? Ordnen Sie zu: • A. Literarische Texte sind inkohärent, sie weisen mehrere Unbestimmtheitsstellen, die sog. Leerstellen auf. Zeile …………….. • B. Literarische Werke werden im Verlauf der Epochen immer offener, d. h. sie weisen immer mehr Leerstellen auf und lassen mehr Freiraum für Ergänzungen und Projektionen des Lesers. Zeile …………….. • C. Ein literarisches Werk bildet nur scheinbar einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit ab. Zeile.... • D. Die Struktur der Werke wird im Verlauf der Epochen loser, fragmentarischer und wirkt zufälliger. Zeile …………….. • E. Lesen ist zwar eine rezeptive, aber gleichzeitig eine äußerst aktive Tätigkeit. Zeile …...... • F. Der Sinn des Textes entsteht immer im Dialog zwischen Text und Leser. Das, was der Leser im Text versteht und wie er ihn versteht, hängt von seinem Weltwissen und seiner Lebenserfahrung ab. Man kann deshalb sagen, dass der Leser immer nur sich selbst im Text trifft. Zeile …........ • G. Literarische Texte aus älteren Epochen beinhalten mehrere Leerstellen, bilden aber insgesamt eine sehr kunstvolle, gut durchdachte Struktur. Zeile …………….. • H. Auch wenn sich ein literarisches Werk einen Realitätsbezug zur Aufgabe stellt, sind fiktive Elemente im Text vorhanden. Es ist kein Sachtext, sondern ein Kunstgebilde. Zeile ……………..

  30. E. Lesen ist zwar eine rezeptive, aber gleichzeitig eine äußerst aktive Tätigkeit A. Literarische Texte sind inkohärent, sie weisen mehrere Unbestimmtheitsstellen, die sog. Leerstellen auf. Lies aufmerksam damit du durch weiße Flecken des Textes hinter einer Spitzengardine einem löchrigen Fischernetz einer rissigen Glasscheibe in einem Zerrspiegelsplitter dein Gesicht erkennen kannst D. Die Struktur der Werke wird im Verlauf der Epochen loser, fragmentarischer und wirkt zufälliger. C. Ein literarisches Werk bildet nur scheinbar einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit ab. F. Der Sinn des Textes entsteht immer im Dialog zwischen Text und Leser. Das, was der Leser im Text versteht und wie er ihn versteht, hängt von seinem Weltwissen und seiner Lebenserfahrung ab. Man kann deshalb sagen, dass der Leser immer nur sich selbst im Text trifft. Graphik 1. Einstiegstext mit Thesen.

  31. Fächerübergreifendes Lernen: Literaturtheorie +Leseverstehen Graphik 2. Das Schema des multilinearen Textes.

  32. (Unterrichtsverlauf: Literaturtheorie +Leseverstehen) • Schritt 1. • Arbeit mit dem Einstiegstext. Formale und inhaltliche Analyse. Hinweis auf verschlüsselte Informationen im Kerntext („Knotenpunkte“ des künftigen multilinearen Textes), die erweitert werden müssen. Globales, dann detailliertes LV. • Schritt 2. • Der Einstiegstext wird als Kern des zu entstehenden multilinearen Textes auf ein großes Papierblatt geklebt. • Zuordnungsübung. Den einzelnen Informationen werden die ausgewählten (stark vereinfachten) Thesen der Rezeptionsästhetik zugeordnet. Die Thesen werden von dem Lehrenden vorbereitet. Selektives LV. • Schritt 3 (auf der Graphik 1 mit nach außen weisenden Pfeilen markiert) • Die vereinfachten Thesen werden mit Textfragmenten authentischer literaturwissenschaftlicher Texte erweitert (hier: der Aufsatz von Wolfgang Iser „Die Appellstruktur der Texte“). Auch in dieser Phase werden die Knotenpunkte noch von der Lehrperson markiert. Die Lerner bekommen Kopien der entsprechenden Seiten aus Isers Artikel, schneiden die passenden Stellen aus und kleben sie auf das Papierblatt. Selektives LV. • Schritt 4 (außerhalb der Graphik 1). • Zusätzliche, weiterführende Informationen. Die Lerner ergänzen die dritte „Schicht“ des multilinearen Textes um eigens recherchierte Informationen, die sie in den Unterricht gebracht haben (Hausaufgabe in der früheren Unterrichtsstunde: Recherche nach den vom Lehrer angegebenen Begriffen). Die Bezugsbegriffe („Knotenpunkte“) bestimmen sie dabei selbst. Sie schneiden passende Textfragmente aus oder schreiben selbst kurze Informationstexte zu selbst ausgewählten Begriffen oder Sätzen. (also auch Textproduktion möglich). Zusatzinformationen bilden die vierte, letzte Schicht des „Hypertextes“

  33. 2014 Kollegs geschlossen: Rückfall in philologische Ausbildung ohne Bezug zur Berufspraxis ?

  34. Nachfolger?Eine berufsbezgene Konzeption der Deutschlehrerausbildung nach der Abschaffung der Kollegs muss entstehen

  35. VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT !

  36. Lernpsychologische Voraussetzungen • Neuropsychologen behaupten, das Gehirn der heutigen Schülergeneration, die der ständigen Reizüberflutung (vor allem Bildüberflutung durch Fernsehen und Computer) ausgesetzt ist, geht auf andere Weise mit Informationen um. • Um die Überlastung mit Informationen- und Bilderflut zu neutralisieren, verkürzt das Gehirn ihre Verarbeitung. Die Schüler eignen sich Informationen schneller an, verarbeiten sie aber sehr oberflächlich und können das erworbene Wissen nicht benutzen. Sie merken sich Informationen, können aber ihre Wichtigkeit nicht einschätzen, Nebensächliches von Grundlegendem nicht unterscheiden, Gemeinsamkeiten oder Ursache-Wirkung-Zusammenhänge nicht erkennen. • Testergebnisse bestätigen diese Erkenntnisse: Die Schüler lösen Multiple-Choice-Aufgaben ohne Schwierigkeiten, versagen aber bei offenen Fragen. Sie haben keine Konzentrationsfähigkeit, machen gerne viele Sachen auf einmal, weil sie nicht im Stande sind, eine zusammengesetzte Tätigkeit, die Aufmerksamkeit erfordert, zu Ende auszuüben (Wiener 2009:30-31). • Heutige Studierende bringen auch neue Lerngewohnheiten mit: Sie sind an einen multimedialen Zugang zum Wissen und interaktives Mitmachen gewöhnt.

  37. Methodenfragen • Ende der Auseinandersetzung in der Methodenfrage: Neuere Einführungen in die Deutsch- bzw. Literaturdidaktik lassen zudem den Eindruck entstehen, dass es keinen „Kampf der Methoden”, sondern eher ein einträchtiges Nebeneinander gibt. • Unterschiede bezüglich der Verfahren im Literaturunterricht betreffen Gewichtung der Textnähe bzw. der individuellen Leserkonstruktionen, die Lese- und Schreibaufgaben verbinden sich dabei vorwiegend mit der rezeptionsorientierten Didaktik. • Zu der Begründung der verschiedenen textproduktiven Verfahren werden die divergierenden literaturtheoretischen Ansätze herangezogen: neben der Rezeptionstheorie auch Konstruktivismus und Dekonstruktivismus. • Die Verfahren dienen sowohl der Entfaltung kreativer und imaginativer Leserpotentiale (so bei Rupp) als auch der Erkenntnis poetischer Strukturen (so Waldmann). • Kontroverse zwischen den analytischen und produktiven Verfahren erwies sich als oberflächlich und scheinbar. Von Interesse ist nun, welche Verstehensprozesse bzw. welche Ebenen des literarischen Verstehens von den gewählten Methoden und Verfahren gefördert werden.

  38. Multikulturalität • Kein didaktischer Faktor: Polen immer noch ein kulturell homogenes Land. • Multikulturalität als Thema der neuesten Literatur gehört allerdings zum Bereich der Lehrinhalte, die auch bei uns präsentiert werden sollen. • Darstellungen multikultureller Gesellschaften in der Literatur sind für polnische Studierende aus dreifachem Grund interessant: • als Beitrag der Literatur zur Landeskunde, da sie ein aktuelles Deutschlandbild vermitteln, • als Beispiel für neue Entwicklung in der Literatur und • als Stoff zur Behandlung im DaF-Unterricht. Deswegen müssen Texte mit solcher Thematik im Literaturlehrgang ihren Platz finden.

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