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Psychometrische Verfahren zur Diagnostik und Therapie der Borderline- Störungen. Referenten: Andreas Anton, Sarah Schreiner Seminar: Borderline- Persönlichkeitsstörung (Wutke WS 05/06). Übersicht. DSM-IV Diagnose und Therapie Borderline- spezifische Tests
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Psychometrische Verfahren zur Diagnostik und Therapie der Borderline- Störungen Referenten: Andreas Anton, Sarah Schreiner Seminar: Borderline- Persönlichkeitsstörung (Wutke WS 05/06)
Übersicht • DSM-IV • Diagnose und Therapie • Borderline- spezifische Tests • Bereich der Persönlichkeitsstörungen • Struktur und struktureller Veränderung • Persönlichkeitstest • Adult Attachment Interview • Borderline Spezialinstrumente • Diskussion
1. Operationalisierung durch DSM-IV • Möglichkeit für die Kliniker/ Forscher in versch. Ländern sich auf der Verhaltensebene auszutauschen • Borderlinestörung besteht aus neun Items Konstrukte: - „Kognitive“ Probleme (Identitätsdiffusion, Idealisierung) • Affektive Schwierigkeiten (Stimmungslabilität) • Autodestruktive Verhaltensweisen (sexuelle Promiskuität, Eßstörungen und suizidales Verhalten)
2. Die fünf Bereiche der Diagnose und Therapie 1. Art und Schwere vom suizidalem Verhalten 2. Art und Schwere vom aggressivem Verhalten 3. Über- Ich – Entwicklung 4. Art der Objektbeziehung einschließlich des Sexualverhaltens 5. Fähigkeit zu intimen Beziehungen
Drei Ebenen der Diagnose und Therapie • Symptomatische Ebene • Ebene der Charaktereigenschaften • Ebene der Persönlichkeitsstruktur 4. Motivationsstrukturen 5. Strukturelle Niveau (Hoch: gute Prognose vs. Niedrig: schlechte Prognose)
Tests Allgemein • Erstes Ziel: Symptome herauszufinden (Problem der Differenzierung zwischen den Patienten) • Zweites Ziel: Therapieplanung auf Basis der Symptome und der Persönlichkeitsstruktur • Drittes Ziel: Prognose auf Basis der Symptome und der Persönlichkeitsstruktur
3. Borderline- spezifische Tests • Selbstbeurteilungsfragebögen: IPO; BSI; BPI • Fremdbeurteilungsfragebogen: DIB
Selbstbeurteilung: Inventory of Personality Organisation (IPO) Sb: IPO BSI BPI Fb: DIB • Bestehend aus 214 Items • Zentrale Konstrukte: Identitätsdiffusion, Abwehrmechanismen, Realitätsprüfung • Neben Konstrukte: Muster und Qualität der Objektbeziehungen • Sowohl die inneren Reliabilitätskoeffizienten als auch die Test- Retest- Reliabilität sind zuriedenstellend.
Selbstbeurteilung: Borderline- Syndrom- Index (BSI) Sb: IPO BSI BPI Fb: DIB • Bestehend aus 52 Items • Es stellt einen deskriptiven globalen Indikator für die Borderline- Störung dar. • Trotz hoher interner Reliabilität hat sich der BSI nur wenig durchgesetzt
Selbstbeurteilung: Borderline- Persönlichkeits- Inventar (BPI) Sb: IPO BSI BPI Fb: DIB
Inhalt: • Einleitung • Theoretisches Konzept • Vorform: 100-Item-Version • Verkürzte Fassung • Probleme • Untersuchungen mit dem BPI • Faktorstruktur • Anwendung
Einleitung: Vorteile gegenüber Interviewverfahren: • Ökonomischeres Erleben und Auswerten • Kein Rater-Training • Keine Probleme der Inter-Rater-Übereinstimmung
Theoretisches Konzept • Konzept der Borderline-Persönlichkeitsorganisation von Kernberg • Kriterien von Gunderson und Mitarbeiter
Vorform: 100-Item Version: Erfassung der Bereiche: • Identitäts-Diffusion • Realitätsprüfung • Primitive Abwehrmechanismen • Formen verinnerlichter Objektbeziehungen • Impulskontrolle • Affektive Symptome
Vorform: 100-Item Version Testung an einer Stichprobe von 20 Borderline-Patienten und 23 Patienten mit neurotischen Störungen. Ergebnis: Anhand eines Kriteriums von ≥ 44 Ja-Antworten werden 75% der Borderline-Patienten und 87% der neurotischen Patienten richtig klassifiziert.
Item-Analyse 7 trennschärfste Items: • „Ich habe schon einmal seltsame Gestalten oder Visionen gesehen, obwohl niemand da war.“ • „Ich habe manchmal mörderische Vorstellungen.“ • „Ich habe mir schon einmal selbst absichtlich körperliche Verletzungen zugeführt.“
„Manchmal fällt es mir schwer zu unterscheiden, ob etwas wirklich geschehen ist oder ob ich es mir nur eingebildet habe.“ • „Ich habe schon einmal einen Selbstmord-Versuch begangen.“ • „Manchmal kommt in mir eine andere Person zum Vorschein, die gar nicht zu mir gehört.“ • „Ich habe schon oft Drogen genommen.“
Verkürzte Fassung • 46 Items, die das Kriterium erfüllten • 7 Items aus dem Bereich Realitätsprüfung • Am Schluss 2 Items bzgl. psychotischer Erlebnisse unter Drogen und während einer Psychotherapie
52.“Sind irgendwelcher der in den angegebenen Sätzen beschriebenen Erlebnissen unter Drogen aufgetreten? Wenn ja, geben sie bitte die Nummern der betreffenden Sätze an.“ 53.“Sind irgendwelche der in den angegebenen Sätzen beschriebenen Erlebnissen während einer Psychotherapie aufgetreten? Wenn ja, geben sie bitte die Nummern der betreffenden Sätze an.“
Trennschärfe: • Patienten mit neurotischen Störungen haben einen Mittelwert von 10.83 • Borderline-Patieneten haben einen Mittelwert von 27.60
Probleme: • Transparenz der Messintention • Itempolung und damit Wirkmöglichkeit von JA- bzw. Nein-Sage-Tendenzen
Untersuchungen mit dem BPI • Stationär behandelte Borderline-Patienten (N=20) • „Normale“; v.a. Studenten (N=200) • Schizophrene (N=44) • Stationär behandelte Psychotherapie Patienten (N=231)
Borderline-Patienten vs. Schizophrene • Borderliner weisen einen höheren Wert im Cut-Off als Schizophrene • Relativ hoher Anteil der Schizophrenen erfüllt das Kriterium für eine Borderline-Störung -> Summe der Items kann demnach nicht als Unterscheidungskriterium von Borderline-Patienten und Schizophrenen dienen
Bestimmung der Korrelationen zwischen der Diagnose Borderline vs. Schizophrenie und der Item-Beantwortung: • 24 Items erfüllen das Kriterium Phi ≥ .25 • 20 Items erfüllen das Kriterium Phi ≥ .30 • Mit Ausnahme des Items 12 („Ich habe schon einmal Stimmen gehört, die über mich sprachen, obwohl niemand da war.“) werden alle diese Items häufiger von Borderline-Patieneten bejaht. • Mit beiden Kriterien (Cut-23 ≥12 und Cut-20 ≥10) werden jeweils 85% der Borderline-Patieneten und 84% der Schizophrenen richtig klassifiziert.
Borderline-Patienten vs. Patienten mit neurotischen Störungen • Kann eines der Kriterien (Cut-23 ≥12 und Cut-20 ≥10) auch zwischen Borderline-Patienten und Patienten mit neurotischen Störungen differenzieren? • 231 stationär behandelte Psychotherapie-Patienten (27 Borderliner; 204 Nicht-Borderliner)
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass es möglich ist, das Kriterium Cut-20 ≥10 sowohl zur Trennung von Borderline-Patienten und Schizophrenen, als auch von Borderline-Patieneten und Patienten mit neurotischen Störungen heranzuziehen. • Daher wird das Kriterium Cut-20 ≥10 meist als Cut-Off-Wert genutzt!
Faktorstruktur 1.„primitive Abwehrmechanismen und Objektbeziehungen“ Bsp.. „Meine Gefühle gegenüber anderen schlagen häufig ins Gegenteil um, z.B. von Liebe und Bewunderung zu Hass und Enttäuschung.“
2.“Entfremdungserlebnisse und Identitätsdiffusion“: Bsp.: „Ich frage mich häufig, wer ich eigentlich bin.“
3.“Angst vor Nähe“ Bsp.: „Ich fühle mich eingeengt, wenn andere sich viel um mich kümmern.“
4.“Mangelnde Realitätsprüfung“ Bsp.: „Ich habe schon einmal Stimmen gehört, die über mich sprachen, obwohl niemand da war.
5.“Gesetzeskonflikte und Drogengebrauch“ Bsp.: „Ich bin schon einmal mit dem Gesetzt in Konflikt gekommen.“ 6.“Körperliche Selbstgefährdung“ Bsp.: „Ich habe mir schon einmal selbst absichtlich körperliche Verletzungen zugefügt.“
Anwendung Durchführung: • Guter Kontakt zum Patienten als Vorraussetzung • Dauer: ca. 20 Minuten
Auswertung: • Zusammenzählen der Ja-Antworten • Ordnung nach Skalen und Cut-Off-Wert • Umwandlung in T-Werte • Dauer: höchstens 10 Minuten
Einsatzmöglichkeiten: • Praxisfelder mit klinischer Diagnostik • Erfassung von Therapieeffekten • Forschung
3. Borderline- spezifische Tests • Selbstbeurteilungsfragebögen: IPO; BSI; BPI • Fremdbeurteilungsfragebogen: DIB
Fremdbeurteilungsfragebogen:Diagnostic Interview for Borderline Patients (DIB) Sb: IPO BPI BSI Fb: DIB • Halbstrukturiertes Interview • Funktionsbereiche: Soziale Anpassung, impulsive Handlungsmuster, Affekte, psychotische Erlebnisse, interpersonelle Beziehungen • Kritik: Keine hinreichende Differenzierung zwischen Borderline/ Non- Borderline und stationären und ambulanten Patienten
4. Messung des gesamten Bereichs der Persönlichkeitsstörungen • Zwei Messperspektiven: • Patient • Therapeut und Kostenträger • Selbstbeurteilungsfragebögen: PDQ-4; WISPI-IV • Fremdbeurteilungsinstrument: IPDE
Selbstbeurteilungsfragebögen: Personality Diagnostic Questionnaire- 4(PDQ-4) Sb: PDQ-4 WISPI-IV Fb: IPDE • Verwendet Fragen mit richtig- / falsch- Antworten • Zwei Validitätsskalen => Lügenidentifikation • Vorteil: schnell durchführbar • Nachteil: Patienten stellen ihre Pathologie überzogen dar.
Selbstbeurteilungsfragebögen: Wisconsin Personality Disorders Inventory (WISPI-IV) Sb: PDQ-4 WISPI-IV Fb: IPDE • Bestehend aus 360 Items • Jedes Kriterium wird durch interpersonelle Verhaltensweise repräsentiert. • Vorteil: schnell durchführbar, ins Deutsche übersetzt • Nachteil: keine Differenzierung zw. Patienten und nicht Patienten bezogen auf histrionische und antisoziale Eigenschaften
Fremdbeurteilungsinstrument:International Personality Disorder Examination (IPDE) Sb: PDQ-4 WISPI-IV Fb: IPDE • Die Fragen gruppieren sich nicht um die Störung sondern um die Themengebiete: Arbeit, Selbst, interpersonelle Beziehungen, Affekte, Realitätsprüfung und die Impulskontrolle Das IPDE hat internationale Anerkennung bekommen, ist extrem gut ausgearbeitet und sehr gut konstruiert.
5. Messung von Struktur und struktureller Veränderung • Historische Messinstrumente hatten geringe Reliabilität, enge Konzeptualisierung und geringe Replizierbarkeit. • Aktuelle Instrumente: 1. Scales of Psychological Capacities (SPC) misst die psychologischen Ressourcen. 2. Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD) misst fünf Bereiche: Krankheitserleben; Beziehung; Konflikt; Störungen; Struktur (nur vier Abstufungen => Borderliner immer gering integriert)
Aktuelle Instrumente: 3. Strukturelle Interview nach Kernberg: Klinische Messmethode mit Schwerpunkt auf Geschichte der Symptomatologie des Patienten, Seine Selbstkonzepte und die Qualität der Interaktion zwischen Patient und Therapeut. Strukturelle Diagnose wird aus Reaktion auf Konfrontationen gewonnen.
6. Persönlichkeitstest • NEO-PI-R: geht auf die fünf Faktoren Theorie von Costa & McCrae zurück (240 Items) BIG 5: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Liebenswürdigkeit und Gewissenhaftigkeit Bei Borderlinern: Neurotizismus: Gewissenhaftigkeit: Liebenswürdigkeit: Hoch Niedrig Niedrig
7. Adult Attachment Interview (AAI) • Das Semistrukturierte AAI fokussiert auf frühe Bindungserlebnisse. • Fünf Adjektive + Beispiele nennen Ziel Bindungsstiele klassifizieren • Sicher- autonom • Unsicher- vermeidend • Unsicher- ambivalent • Desorganisiert • Nicht klassifizierbare Kategorie Bei Borderlinern: ängstlich- verwickelten Bindungsuntergruppe
8. Borderline Spezialinstrumente • Tretment History Interview (THI): misst therapeutische Vorerfahrungen des Patienten • Parasuizidal History Inventory (PHI): erfasst minutiös frühere Suizidversuche und Suiziddrohungen (Ablauf/ Häufigkeit/ Art) • Dialy Diary Cards: Patient führt Tagebuch über Suizidgedanken, Selbstverletzung, Alkoholkonsum • Weitere Instrumente: zur Aggression, Impulsivität, Sensationssucht und Eßstörungen