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Erfahrungen mit ökotoxiko-logischen Testsystemen bei der Beurteilung kontaminierter Standorte J. Römbke & S. Jänsch ECT Oekotoxikologie GmbH Flörsheim. Gliederung: 1. Grundlagen einer Beurteilungsstrategie Rechtliche Situation und ISO-Empfehlungen 2. Methodischer Ansatz Das Projekt ERNTE
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Erfahrungen mit ökotoxiko-logischen Testsystemen bei der Beurteilung kontaminierter Standorte J. Römbke & S. Jänsch ECT Oekotoxikologie GmbH Flörsheim
Gliederung: 1. Grundlagen einer Beurteilungsstrategie Rechtliche SituationundISO-Empfehlungen 2. Methodischer Ansatz Das Projekt ERNTE 3 Ökotoxikologische Methoden Terrestrische Verfahren 4. Ergebnisse von Fallstudien Reale Flächen (Hamburg) 5. Schlussfolgerungen und Ausblick Vorstellung einer Handlungsempfehlung
Erster Teil: Grundlagen einer Beurteilungsstrategie Rechtliche Situation und ISO-Empfehlungen
Überblick über mögliche Schutzgüter im Boden In Anlehnung an das BBodSchG (Kördel et al. 2000) Rot: RetentionsfunktionGrün: Habitatfunktion
Bewertung von Boden und Bodensubstrat: Gesetzliche Grundlagen: - Bundesbodenschutzgesetz (1998) - Bundesbodenschutzverordnung (1999) - LAGA (2003): Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen. Ausschließliche Bewertung über die Konzentration einer ausgewählten (und kleinen) Anzahl chemischer Stoffe(d.h. viaRückstandsanalytik) Keine Berücksichtigung biologisch-ökotoxikologischer Methoden, die folgende Vorteile haben: - Integrationder Wirkung allerKontaminanten und ihrer Interaktionen (untereinander und mit dem Boden) - Direkte Beurteilung des jeweiligen Schutzguts
Anforderungen der Praxis: ► Hohe Bedeutung der Rahmenbedingungen der Praxis; d.h. die Einbeziehung ökotoxikologischer Tests sollte: 1. eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Umgangs mit belastetem Boden (z.B. durch eine andere Entsorgung) erlauben; 2. die (Rechts)-Sicherheit bei der Klassifikation von Bodenmaterial erhöhen; 3. die Effizienz bei Sanierungsmaßnahmen (Erst- und Endbeurteilung) verbessern. ► Diese Vorteile müssen unter Praxisbedingungen, z.B. anhand von Pilotstudien, belegt werden, um die Akzeptanz ökotoxikologischer Methoden zu steigern.
Vorstellung einer Beurteilungsstrategie (ISO 17616): Vorgegebene chemische Analysenwerte nach BBodSchV, LAGA bzw. Sanierungsplan überschritten (wenn definiert) ? ja Begrenzung der Verwertung bzw. Sanierungsziel nicht erreicht nein Ökotoxikologische Testung mit Ökotoxikologische Testung mit Boden: Bodeneluat: toxische Effekte nachweisbar ? toxische Effekte nachweisbar ? nein ja ja nein Gefahr eines Schadstoffaustrags bzw. einer Grundwasser-gefährdung gering Lebensraumfunktion gegeben Ursachenidentifikation Verwertung bzw. Einbau als Oberboden möglich Nicht enthalten: Vor-Ort-Analytik Einbau als Unter- boden möglich
Zweiter Teil: Methodischer Ansatz Das Projekt ERNTE
Ziel des BMBF Verbundprojekts ERNTE: Verbesserung der Beurteilung der Qualität von Böden durch den Routine-Einsatz ökotoxikologischer Tests Schaffung der notwendigen Voraussetzungen: - Fortführung der Standardisierung und Normung - Beleg der Vorteile anhand von Fallstudien - Erstellung einer Handlungsempfehlung für potentielle Anwender und Entscheidungsträger Verbundpartner: ECT GmbH RWTH Aachen, FU Berlin, Fraunhofer IME Hölle & Hüttner AG, Dr. Fintelmann & Dr. Meyer GmbH
Handlungsempfehlung Hamburger Fallstudien Automatisierungs- und Auswertesoftware Vor-Ort-Analytik Längerfristige Tests (ISO) Teststandardisierung Module des Forschungsverbunds
Gemeinsamer Hintergrund aller Teilvorhaben: 1. Verwendung gleicher unkontaminierter Böden: 9 repräsentative Böden plus OECD-Kunsterde Abdeckung einer Bandbreite wichtiger Bodeneigenschaften 2. Verwendung gleicher (kontaminierter) Böden: 6 Böden (Schwermetalle, TNT, PAKs usw.) Grosse Bandbreite von realen(Misch)-Kontaminationen 3. Durchführung der gleichen Tests mit: Unkontaminierte Böden Klärung der Bandbreite testbarer Bodeneigenschaften Kontaminierten Böden Feststellung der Praktikabilität der Testmethoden 4. Durchführung aller Tests in einer gemeinsamen Pilotstudie: Hamburg (2 Standorte)
GG I 1 SCH ESo5 BWZ St 2.2 BUR OECD DCU 1 DCU 2 WTTNT 2 SOE SHA HAG SBG SB TBT BRG 0 5 10 15 20 25 30 35 Tonanteil [%] Übereinstimmung zwischen unkontaminierten und kontaminierten Böden: Beispiel Tongehalt: Standort (grün= unkontaminiert;rot= kontaminiert)
Überblick: Ökotoxikologische Testbatterie Ökotoxische Inhaltstoffe Genotoxische Inhaltstoffe Rückhaltefunktion - Tests mit Eluaten Leuchtbakterien- test Algentest Umu-Test Lebensraumfunktion – Biotests mit Feststoffen Standorteigene Testorganismen Zugegebene Testorganismen Bakterienkontakttest Regenwurmfluchttest Nitrifikation Atmung Pflanzentest Regenwurmtest Collembolentest
Dritter Teil: Ökotoxikologische Methoden Terrestrische Verfahren
Testbatterie 1: Bakterien-Kontakttest Richtlinie: ISO 10871 (2009)Spezies: Arthrobacter globiformisTestsubstrat: OECD-Kunsterde Dauer: < 1 Tag Endpunkt: Hemmung der Dehydrogenaseaktivität Wirkkriterium: Neu festgelegt 40 % Unterschied zur Kontrolle
Testbatterie 2: Wachstum höherer Pflanzen Richtlinie: ISO 11269-2 (1995)Spezies: Brassica rapaTestsubstrat: LUFA-Boden Dauer: 14 – 21 TageEndpunkt: Biomasse Wirkkriterium: ISO 17616 (2006): 30 % Unterschied zur Kontrolle
Testbatterie 3: Regenwurmfluchttest Richtlinie: ISO 17512-1 (2007)Spezies: Eisenia fetidaTestsubstrat: OECD-Kunsterde Dauer: 24 - 48 hEndpunkt: Fluchtverhalten Wirkkriterium: ISO 17616 (2006): 80 % Unterschied zur Kontrolle
Testbatterie 4: Regenwurmreproduktionstest Richtlinie: ISO 11268-2 (1998) Spezies: Eisenia fetidaTestsubstrat: OECD-Kunsterde Dauer: 56 dEndpunkt: Anzahl der Jungtiere Wirkkriterium: ISO 17616 (2006): 50 % Unterschied zur Kontrolle
Testbatterie 5: Collembolenreproduktionstest Richtlinie: ISO 11267 (1999)Spezies: Folsomia candidaTestsubstrat: OECD-Kunsterde Dauer: 28 dEndpunkt: Anzahl Jungtiere Wirkkriterium: ISO 17616 (2006): 50 % Unterschied zur Kontrolle
Vierter Teil: Ergebnisse von Fallstudien Reale Flächen (Hamburg)
Durchführung der Bewertung der in ERNTE getesteten beiden Fallstudien in vier Schritten: • Bewertung nach dem heutigen Stand der gesetzlichen Vorgaben (z.B. BBodSchV 1999; LAGA 2003), primär auf der Grundlage rückstandsanalytischer Daten • (nach Gesamtgehalten; unabhängig von der Bodenfunktion) • 2. Bewertung nach Anwendung der in ERNTE erarbeiteten Verfahren zur „Vor-Ort-Analytik“ (Retentions- und Habitatfunktion) • 3. Bewertung nach ISO-Verfahren (= längerfristig) (Retentions- und Habitatfunktion) • 4. Gesamtbewertung: Analytik und Ökotoxikologie (Retentions- und Habitatfunktion)
Standort Grasbrook: Übersicht (1930 und 2003) Standort: 1844–1976 Gaswerkbetrieb AST – Altstandort Belastet: Ober-/Unterboden, Grundwasserleiter Fläche: 45.000 m2 Sanierung: Menge: 375.000 t Deponie nach biologischer Behandlung (Erdenwerk) Direktdeponie, Thermisch Kosten: 20 Mio. Euro
Standort Grasbrook: Belastung Klassifikation der Halden nach der PAK-Belastung I: < 100 mg/kgII: 100 – 200 mg/kgIII: > 200 mg/kg Halden-Code PAK Klasse Halden-Code PAK Klasse [mg/kg] [mg/kg] GBK-1A 10 I GBK-1C 16 I GBK-1D 16 I GBK-1E 22 I GBK-2A 110 II GBK-3A 210 I GBK-2B 220 III GBK-3C 1100 Verbren. GBK-1B 237 III Nach Sanierung 50 I GBK-3B 215 IIINach Sanierung68 I Vorsorgewert (VW) laut BBodSchV (1998) = 3 mg/kg Z.2 Wert der LAGA (2003) = 20 mg/kg
Grasbrook: Bewertung von Haldenmaterial Schritt 1: Rückstandsanalytik – Leitstoff PAKs Deponie-Klassen: - Klasse I (< 100 mg/kg): hellgrau; - Klasse II (100 – 200 mg/kg): mittelgrau; - Klasse III (200 - 1000 mg/kg): dunkelgrau; Material zur Verbrennung (> 1000 mg/kg): schwarz S-Halden: Probennahme nach biologischer Behandlung
Grasbrook: Bewertung von Haldenmaterial Schritt 3: Habitatfunktion (ISO-Tests) Wirkkriterium: - Überschritten = rot - Nicht überschritten = grün
Grasbrook: Bewertung von Haldenmaterial Schritt 4: Gesamtbewertung Chemisch: Klasse I (< 100 mg/kg): Klasse II (100 – 200 mg/kg); Klasse III (200 - 1000 mg/kg); Verbrennung: schwarz; Ökotoxikologisch: A: 0 – 1 Tests positiv = unauffällig; B: 2 Tests positiv = auffällig; ≥ 3 Tests positiv = toxisch.
Standort Schlachthofstr. (Zustand 2005) Hohe Heterogenität von Vegetation und Bodeneigenschaften T 1 T 2 T 3 T 4 Standort und Sanierung: 1924–1945: Ablagerung: Bauschutt, Boden, Schlacken, Schlamm Umfang: 40.000 t, belastet mit Schwermetallen und PAKs Belastete Medien: Ober- / Unterboden, 1. Grundwasserleiter Sanierungsziel: Flächenrecycling / Rückbau
Standort Schlachthofstr.: Feststoff [mg/kg] BBodSchV (1998): Alle definierten Vorsorgewerte überschritten (außer Chrom) In Rot: Maßnahmenwerte für Pflanzenqualität überschritten Probe As Cd Cr Cu Ni T-1 150 50 25 210 30 T-2 260 39 21 400 36 T-3 350 63 18 1600 31 T-4 80 28 19 190 40 Probe Hg Pb Tl Zn ∑PAKs T-1 21 3200 5 6600 53 T-2 18 4200 4 2800 118 T-3 18 11000 3 6100 117 T-4 6,4 1500 2 2400 79 LAGAZ.2 Werte überschritten (außer Cr, Cu (partiell) und Ni)
Schlachthoftstrasse: Beurteilung von Halden Schritt 3: Habitatfunktion (ISO-Tests) Chemie (primär Schwermetalle): Hoch belastet = dunkelgrau; geringer belastet = hellgrau Wirkkriterium: - Überschritten = rot; - Nicht überschritten = grün; Ökotoxikologisch: A: 0 – 1 Tests positiv = unauffällig; B: 2 Tests positiv = auffällig; ≥ 3 Tests positiv = toxisch.
Fünfter Teil: Schlussfolgerungen, weiteres Vorgehen und Ausblick Vorstellung einer Handlungsempfehlung
Lehren aus den beiden Fallstudien I Weitere Beobachtungen: - Sanierungserfolg mit beiden Ansätzen belegbar - Wichtige Rolle der Bioverfügbarkeit - Differenzierte Aussagen der einzelnen Tests
Lehren aus den Fallstudien II „Mehrwert“ durch die ökotoxikologischen Tests: - Identifikation eines bisher übersehenen Gefährdungspotentials, z.B.: Grasbrook 1C - Hinweis auf geringere Gefährdung als durch Analytik angezeigt, z.B.: Grasbrook 2B - Differenzierung der Entsorgung (speziell Verwendung als Unterboden),z.B.: Schlachthofstr. T-4 Beispiele, bei denen biologische Tests NICHT oder NUR EINGESCHRÄNKT sinnvoll sind: - Böden, die laut Rückstandsanalytik extrem belastet sind - Böden, die physikalisch stark gestört sind - Böden bzw. Bodenmaterialien, die zur Wiederverfüllung mit anschließender Versiegelung anstehen - Böden, die mit leichtflüchtigen Stoffen kontaminiert sind
Defizite des chemisch-analytischen Ansatzes Anzahl der behandelten Stoff klein: - z.B. BBodSchV: ca. 15 Halb- und Schwermetalle und ca. 10 Organika (oft nur Summenwerte, z.B. PAKs) - z.B.: LAGA-Liste: ca. 10 Schwermetalle, ca. 5 Organika Keine Berücksichtigungnicht-gemessener Stoffe Wirkungspfade nur ansatzweise (3 von 4) abgedeckt: - Pfad Boden Bodenorganismen nicht berücksichtigt Keine Aussage über Gefährdungssituation möglich Unklarer Bezug zwischen Chemikalienkonzentrationen und Wirkungen Je nach Stoff und Umweltbedingungen unterschiedlicher Anteil bioverfügbar
Der Nutzen einer integrativen Bewertung: Durch den Kombinationsansatz aus chemischer Analytik und biologischen Tests läßt sich eine größere Sicherheit sowie erhöhte Wirtschaftlichkeit bei der Entsorgung (Verwertung, Beseitigung) erreichen, weil: → die Ergebnisse der chemischen Analytik bestätigt werden oder → eine geringere Bioverfügbarkeit von Stoffen angezeigt wird oder → eine differenziertere bzw. effizientere Verwertung möglich ist oder → bisher nicht berücksichtigte Kontaminanten erfasst werden. Der Weg dahin sollte erfolgen über: - eine Handlungsempfehlung als fachliche Basis - die Schaffung der notwendigen rechtlichen Grundlagen.
Weitere Informationen: Publikationen zum Vorhaben ERNTE: Broschüren, Handlungsempfehlung, Endbericht (Buch) Kontakt: J-Roembke@ect.de
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Interaktionen im Verbund ERNTE