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Stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme?. Dr. Ulrich Walwei. Berlin, 23. November 2005. Stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungs-systeme?. Hohe Sozialabgaben: Bremse für Beschäftigung? Makroeffekte Strukturelle Effekte Abgabensenkung im unteren Lohnbereich
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Stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme? Dr. Ulrich Walwei Berlin, 23. November 2005
Stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungs-systeme? • Hohe Sozialabgaben: Bremse für Beschäftigung? • Makroeffekte • Strukturelle Effekte • Abgabensenkung im unteren Lohnbereich • Fazit Vortrag im Rahmen des Workshops „Die Zukunft des deutschen Steuersystems“ des WSI und des IMK in der Hans-Böckler-Stiftung am 23. November 2005 in Berlin
Symptome der Arbeitsmarktkrise • Anhaltend hohe Unterbeschäftigung • Verfestigung der Arbeitslosigkeit • Wachstumsschwäche und mangelnde Beschäftigungs-dynamik • Auch mittel- und längerfristig hoher beschäftigungs-politischer Handlungsbedarf
Wesentliche Ursachen der hohen strukturellen Arbeitslosigkeit • Gebremster Strukturwandel (mangelnde Zukunftsinvestitionen, fehlende Bildungsexpansion, strikte Regulierung und Bürokratie) • Zögerliche Strukturreformen (Arbeitsmarkt, Steuern, Soziales) in makro-ökonomisch instabilem Umfeld (Fehlen eines „double-handed approach“) • Unzureichende Arbeitsmarktflexibilität (Löhne, Arbeitszeiten, Arbeitsrecht), allerdings darf und muss nicht alles flexibel sein • Hoher Abgabenkeil belastet Faktor Arbeit (v.a. am unteren Ende der Lohnskala) • Stockender Aufholprozess in Ostdeutschland auch aufgrund anfangs massiv unterschätzter Anpassungsprobleme
Die Entwicklung des Abgabenkeils in Deutschland Sozialbeiträge Arbeitgeber (einschl. Beiträge an Pensionskassen und Unfallversicherungen sowie Rück-stellungen für Betriebspensionen) Sozialbeiträge Arbeitnehmer Lohnsteuer Nettolohn Anmerkung: bis 1990 früheres Bundesgebiet Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe S.21 (2002) und Reihe 1.3 (1996, 2003)
Gründe für steigende Sozialversicherungsbeiträge • Wachsende Unterbeschäftigung • Finanzierung der Wiedervereinigung und anderer versicherungsfremder Leistungen • Medizinischer Fortschritt und wachsende Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen • Frühverrentungspraxis • Demographische Entwicklung (bereits sichtbar bei Pflege) Vorträge.ppt/AM_uSozialrefo_Ulm_11.1.04,ppt
Senkung der Sozialabgaben:Reformoptionen in der Diskussion • Veränderung der Aufteilung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen • (Teilweise) Lösung der Sozialabgaben vom Faktor Arbeit durch Erweiterung der Bemessungsgrundlage • Stärkere Steuerfinanzierung, z.B. durch Ausgliederung “versicherungsfremder” Leistungen • Mehr Eigenvorsorge durch private Haushalte • Lineare oder degressive Senkung der Abgaben • Erweiterung der Ausnahmetatbestände: Mini- und Midi-Jobs Soz.abg.u.Beschäft_4.5.04_Uni_Halle_.ppt
Arbeitsmarktwirkungen einer Senkung der Sozialabgaben Struktureffekte in Bezug auf Arbeitsmarktparti-zipation und Nachfrage-verhalten (partialanalytische Be-trachtung) Makroeffekte in Bezug auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit (unter Berücksichtigung des Wirtschaftskreislaufs)
Strukturelle Effekte hoher Sozialabgaben • Erhöhung des Produzentenlohns und Verringerung des Konsumentenlohns (Reduzierung von Beschäftigungs- und Arbeitsanreizen) • Wirkung insbesondere zu Lasten niedrig entlohnter Beschäftigung (vor allem in Verbindung mit “großzügigen” Transferleistungen) • Umgehung des sog. “Normalarbeitsverhältnisses” • Zusätzlicher Anreiz für schattenwirtschaftliche Aktivitäten
Eine Senkung der Sozialabgaben um einen Prozent-punkt erhöht bei partialanalytischer Betrachtung • die Arbeitsmarktpartizipation/Erwerbsneigung um 45.000 (davon 60 % Frauen mit Partner) • die Arbeitsnachfrage/Einstellungsbereitschaft um 35.000 bis 60.000 (davon ein Drittel mit geringen Qualifikationsanforderungen) Quelle: Kaltenborn/Koch/Kress/Walwei/Zika (2003)
Erwartete Makroeffekte einer Senkung der Sozial-abgaben ohne Gegenfinanzierung • Entlastung der Arbeitskosten • Erhöhung der Nettoeinkommen der Arbeitnehmer • Höheres Wirtschaftswachstum • Positive Beschäftigungseffekte • Aber: hohe Einnahmenverluste für Sozialversicherungen mit sofortiger Gegenfinanzierung durch Steuererhöhung und/oder Ausgabensenkung • Durch kontraktive Wirkung der Gegenfinanzierung unsicherer Gesamteffekt
Makrowirkungen einer Senkung der Sozialabgaben- Ergebnisse von Simulationsrechungen des IAB • Senkung der Sozialabgaben um 1 %-Punkt kann längerfristig bis zu 150.000 neue Jobs bringen • Differenzierte Effekte je nach Gegenfinanzierung • bei Mehrwertsteuererhöhung sofortige Beschäftigungsgewinne möglich, • bei Ausgabenkürzung anfängliche Beschäftigungsverluste wahrscheinlich, • bei Kopfpauschale ergeben sich die höchsten Beschäftigungseffekte • Beschäftigungsgewinne fallen generell um so höher aus, je weniger in Folge der Abgabensenkung höhere Löhne durchgesetzt werden • Effekte der Abgabensenkung verstärken sich bei spezifischer Entlastung niedriger Einkommen Quelle: Kaltenborn/Koch/Kress/Walwei/Zika (2003)
Abgabensenkung im unteren Lohnbereich- ausgewählte Optionen - • Mini- und Midi-Jobs • Freibetrag in der Sozialversicherung
Mini- und Midi-Jobs- Neuregelungen durch Arbeitsmarktreform • Anhebung der Geringfügigkeitsschwelle von 325 € auf 400 € und Erhöhung der Abgabenpauschale von 22% auf 25% • Aufhebung der vorher geltenden 15 Stunden-Grenze • Geringfügigkeitsarrangement für Nebenerwerb wieder möglich • Mini-Jobs in Privathaushalten (niedrigere Abgabenpauschale von 12% und steuerliche Abzugsmöglichkeit) • Gleitzone von 400 € bis 800 € mit niedrigeren Sozialabgaben der Arbeitnehmer (Midi-Jobs)
Struktur der Mini-Jobs • Von allen geringfügig entlohnten Beschäftigten … • … arbeiten 73,5% im Haupterwerb • … sind 64,5% Frauen • … arbeiten 82,5% im tertiären Sektor • Mini-Jobs konzentrieren sich auf einige Branchen wie … • … das Gastgewerbe (0,9 Mini-Jobber je sozialversicherungs- pflichtig Beschäftigtem) • … die Grundstücks- und Wohnungswirtschaft (0,45) • … den Handel (0,35)
Mini- und Midi-Jobs – Eine erste Bilanz • Starker Zuwachs von Mini-Jobs auch in Privathaushalten von 27.000 in 6/03 auf 103.000 in 12/04 • Midi-Jobs: Ende 2003 ca. 0,67 Mio. Midi-Jobs und damit ca. 2,5% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten; davon 0,16 Mio. „echte“ Fälle und 0,51 Mio. „Mischfälle“ (hoher Frauen- und Teilzeitanteil) • Chancen: wachsende Partizipation (höhere Erwerbstätigenquote) und flexible Möglichkeit der Personalanpassung bzw. des Zuverdienstes • Probleme: Anreiz zur Umgehung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung (jedoch bisher keine Indizien für direkte Substitution); nur selten „Sprungbrett“ für Arbeitslose in „normale“ Beschäftigung (rd. ein Achtel aller Leistungsempfänger mit Mini-Job)
Degressive Senkung der Sozialabgaben:Beispiel Freibetrag von 325 € • Sockelbetrag von bis zu 325 € würde nicht der Abgabenpflicht unterworfen • Freibetrag gilt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber • Freibetrag impliziert Abschaffung geringfügiger Beschäftigung • Annahme für Berechnungen: Beitragsausfälle von 47,0 Mrd. € jährlich (entspricht einer Beitragssenkung um 6 Prozentpunkte) wären aus Steuermitteln zu finanzieren
Bei einer degressiven Senkung der Sozialabgaben durch einen Freibetrag von 325 € im Monat würde im Vergleich zu einer alternativen linearen Senkung um sechs Prozentpunkte • die Arbeitsmarktpartizipation/Erwerbsneigung um etwa ein Drittel höher ausfallen (überwiegend Frauen mit Partnern) • die Arbeitsnachfrage/Einstellungsbereitschaft im Bereich bisheriger sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung um 40% höher ausfallen (zusätzlich: starke Impulse bei bisheriger geringfügiger Beschäftigung); zwei Drittel des Gesamteffekts der Freibetragsvariante wären Stellen mit geringen Qualifikations-anforderungen Quelle: Kaltenborn/Koch/Kress/Walwei/Zika (2003)
Fazit • Geringere Sozialabgaben würden Bereitschaft zur Beschäftigungs-aufnahme und zur Einstellung erhöhen • Bei Gegenfinanzierung der Beitragsausfälle kommt es auf deren Form und mögliche Flankierung an • Wirkungen einer asymmetrischen Senkung höher als bei linearer Ver-ringerung der Sozialabgaben • Asymmetrische Senkung begünstigt niedrig entlohnte Beschäftigte und arbeitsintensive Produkte • „Hartz-Reformen“ schufen neue Ausnahmen; noch immer hoher Abgabenkeil bei „Normalarbeitsverhältnissen“ • Von weitergehenden Reformen (mehr Eigenvorsorge, stärkere Umfinanzierung der sozialen Sicherung durch Steuern) gingen positive Arbeitsmarktimpulse aus