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Themenblock I: Theorien der klinischen Entwicklungspsychologie

Themenblock I: Theorien der klinischen Entwicklungspsychologie. Entwicklungsmodelle, -aufgaben und -determinanten. Gegenstandsbestimmung. Die klinische Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit den Ursachen und dem Verlauf individueller Muster fehlangepassten Verhaltens,

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Themenblock I: Theorien der klinischen Entwicklungspsychologie

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Presentation Transcript


  1. Themenblock I: Theorien der klinischen Entwicklungspsychologie Entwicklungsmodelle, -aufgaben und -determinanten D.1 Theorien über Entwicklungs- und Lernprozesse und ihre Beeinträchtigungen

  2. Gegenstandsbestimmung • Die klinische Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit den Ursachen und dem Verlauf individueller Muster fehlangepassten Verhaltens, • wie auch immer das Alter beim Auftreten dieser Muster sein mag, • worin auch immer die Ursachen und Veränderungen in der Verhaltensmanifestation begründet sein mögen, • unabhängig davon, wie komplex sich der Verlauf der Entwicklungsmuster darstellt. Definition nach Sroufe & Rutter (1984)

  3. Gegenstandsbestimmung • Jede Beeinträchtigung kann als Abweichung, Störung, „Verformung“ oder Degeneration normaler Funktionen gesehen werden. • Man muss „normales“ Verhalten verstehen, um das „Auffällige“ oder Besondere abgrenzen zu können. • Wir können mehr über die normale Entwicklung lernen, wenn wir die Besonderheiten studieren. • Ausgangspunkt der Entwicklungspsychopathologie: • Integration von Entwicklungspsychologie und Klinischer Psychologie (Ciccetti, 1994)

  4. Gegenstandsbestimmung • Betonung des Prozesscharakters jeder Beeinträchtigung • Untersuchung des Entwicklungsverlaufs • Beachtung von „Vorläufern“ einer Beeinträchtigung, nicht nur deren Zeitpunkt des Ausbruchs. • Betrachtung der gesamten Lebensspanne • Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Gen- und Umweltfaktoren, Individuum und sozialem Kontext bei der Entstehung auffälligen Verhaltens. • biopsychosozialer (interdisziplinärer) Ansatz

  5. Entwicklungspsychopathologie biomedizinisch behavioral soziologisch psycho- dynamisch kognitiv Doppelhelix-Struktur DNS (Watson & Crick) Hebbsche Regel (LTP, Hebb) Klass. Konditionierung (Pawlow) Lernen am Modell (Bandura) Ökologisches Modell (Bronfenbrenner) Attachment-Ansatz (Bowlby) Psychosexuelle Ent- wicklung (Freud) Identitätsstufen (Erikson) Stadien kognitiver Entwicklung (Piaget) Interdisziplinärer Ansatz (nach Achenbach, 1990)

  6. Entwicklungstheorien

  7. Die 3 „Kontroversen“ in der Entwicklungstheorie • Anlage-Umwelt-Debatte • Kann die psychische Entwicklung (kognitiv, emotional, sozial) und biologische Reifung des Menschen eher auf genetische oder auf Umwelteinflüsse zurückgeführt werden? • Kontinuität vs. Diskontinuität • Stellt die Entwicklung von der Geburt bis zum Tod eine graduelle, kumulative Veränderung dar ( Wachstumsmodell)? • Handelt es sich um distinkte Entwicklungsstufen, die über die Lebensspanne durchlaufen werden ( Stufenmodell)? • Stabilität vs. Veränderung • Zeigt ein Mensch mit zunehmendem Alter – erfahrungsunabhängig - grundlegend die gleichen Merkmale? • Wird er erfahrungsbedingt zu einem „neuen“ Menschen?

  8. Entwicklungsmodelle – Ein Klassifikationsschema –

  9. Prägende Entwicklungstheorien • Psychoanalyse / tiefenpsychologische Entwicklungstheorie • Sigmund Freud (1856-1939): • Normalitäts-Abnormalitätskontinuum • Anna Freud (1895-1982) • Begriff der Entwicklungslinien (Kinderpsychopathologie) • John Bowlby (1907-1982) • In problematischen Mutter-Kind-Beziehungen liegen die Wurzeln späterer Psychopathologie • Kognitive Entwicklungstheorie Piagets (1896-1980) • Intelligenzentwicklung als Prozess der Adaptation • Beitrag zur Aufdeckung der kognitiven Prozesse, die zur Psychopathologie führen.

  10. Prägende Ansätze aus der Psychiatrie • Betrachtung der Lebensgeschichte zur Einschätzung der aktuellen Situation • Lebensereignisforschung • Betrachtung von Hoch-Risiko-Gruppen, um risikoerhöhende Bedingungen für die Entstehung von Störungen aufzudecken • Konzept der Risiko- und Schutzfaktoren

  11. Beitrag behavioristischer und Lerntheorien • Behaviorismus (Watson, 1878-1957) • Beachtung des Einflusses der sozialen Umwelt bei der Erklärung menschlicher Entwicklung. • Beispiel: Angst vor Tieren ist nicht angeboren, sondern wird erlernt (Experiment mit dem „kleinen Albert“). • Operantes Konditionieren (Skinner, 1904-1990) • Lernprozesse sind die Basis von Entwicklungsveränderungen. • Verhaltensweisen werden nicht durch einen vorangehenden Stimulus, sondern durch die von ihnen erzeugten Effekte kontrolliert.

  12. Kontextualismus – Ein Metamodell der Entwicklungspsychopathologie • Mensch-Umwelt-Beziehung: • Mensch und Umwelt (Kontext) können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. • Verhalten ohne Kontext ist nicht verstehbar; Kontext ist nur von Bedeutung, wenn er auf ein Verhalten bezogen wird. • Mehrebenen-Kontext: • auf biologischer, physikalischer, psychologischer und sozio-kultureller Ebene wird Verhalten organisiert oder koordiniert. • Reziproke Kausalität: • Der sich verändernde Organismus steht im Austausch mit der sich verändernden Umwelt. • Dynamik des Systems  ineinander greifende, organisierte, sich ständig beeinflussende Komponenten  fortwährende Veränderung

  13. Kontextualismus – Ein Metamodell der Entwicklungspsychopathologie • Entwicklung = Veränderung, die durch eine zunehmende Komplexität und höhere Organisation der Mensch-Umwelt-Beziehung gekennzeichnet ist. • Der Einfluss von Genen ist von der Umgebung abhängig. • Die Wirkung der Umgebung wird von genetischen Dispositionen und der vorausgehenden Entwicklung beeinflusst. • Der Verlauf der Entwicklung wird durch die Struktur der Mensch-Umwelt-Beziehung bestimmt. • Eine Störung kann weder ausschließlich in der Person noch in ihrer Umwelt lokalisiert werden. • Entscheidend ist ihre Übereinstimmung oder die „Passung“ zwischen Kind und Umwelt (Goodness-of-fit, Thomas & Chess, 1977)

  14. Transaktion vs. Interaktion • Annahme des transaktionalen Modells: • Elterliches Verhalten beeinflusst das Verhalten des Kindes und wurde/wird von diesem beeinflusst. • Unterschied zum interaktionalen Modell: • Betonung der zeitlichen Komponente der Verflechtung. • Entwicklung = fortgesetzte qualitative Neuorganisation verhaltensbezogener und biologischer Systeme, die zu einer kontinuierlichen Anpassung des Individuums an seine Umwelt führen. • Vor- und Nachteil transaktionaler Modelle: • Sie bilden den Entwicklungsprozess ziemlich genau ab. • Sie sind aufgrund ihrer Komplexität nur schwer empirisch überprüfbar.

  15. Transaktion vs. Interaktion Umwelt (physisch, sozial, kulturell) Verhalten Neuronale Aktivität Genetische Aktivität Individuelle Entwicklung

  16. Interaktions-/Transaktionsmodell... Systemebene Entwicklungsprozess Störung Kind Früh- geburt Regulations- störungen Entwicklungs- rückstand Hyperaktivität IQ-Minderung Trotz, negat. Selbstbild Über- / Unter- stimulierung, ungünstiges Beziehungsklima Eltern Angst Bindungs- modell Über- forderung Passungs- probleme Konfrontation Ablehnung Umwelt fehlende Unterstützung, Armut, Stress Missbilligung, fehlende Anerkennung Abbildung modifiziert nach Suess & Zimmermann (2001)

  17. Bedeutung für die Diagnostik • Sind bestimmte Verhaltensäußerungen • lediglich Ausdruck vorübergehender, entwicklungsbedingter Zusammenhänge? • erste Anzeichen eines psychopathologischen Befundes? • Eine entwicklungsorientierte Diagnostik sieht mehrfache Messung/Beobachtung über die Zeit vor. • Beeinträchtigungen werden nicht einfach als abweichend von normalen menschlichen Erfahrungen im Leben gesehen, sondern als natürliche Folge bestimmter Entwicklungspfade.

  18. Exkurs: Entwicklungspfade • Waddingtons epigenetische Landschaft • Kugel = Organismus • zurückgelegter Weg = Entwicklungspfad • Landschaft = Einflussfaktoren (Anlage + Umwelt) • Verhalten der Kugel nach dem Prinzip der Selbstorganisation • Einschränkung alternativer Phänotypen durch Kanalisierung

  19. Exkurs: Entwicklungspfade • Entwicklungspfade nach Sroufe (1997) • 4 generelle Entwicklungsverläufe • Kontinuität • kontinuierliche Fehlanpassung  Störung • kontinuierliche positive Anpassung  normale Entwicklung • Diskontinuität • zunächst Fehlanpassung, dann positive Veränderung • zunächst positive Anpassung, dann negative Veränderung

  20. Exkurs: EntwicklungspfadeFünf Hauptannahmen • Störungen sind Abweichungen vom normalen Entwicklungsverlauf, die darauf beruhen, • dass normative Entwicklungsaufgaben nicht erfüllt wurden, • wiederholte Fehlanpassungen das Individuum von einem positiven Entwicklungspfad abbrachten. • Veränderung ist an vielen Punkten möglich. Eine Störung ist kein endgültiger Zustand. • Veränderungsmöglichkeiten werden durch vorangegangene Anpassungsprozesse und die Länge des zurückgelegten Entwicklungspfades eingeschränkt.

  21. Exkurs: EntwicklungspfadeFünf Hauptannahmen • Unterschiedliche Pfade können zu einem ähnlichen Entwicklungsausgang führen (Äquifinalität). • Unterschiedliche Entwicklungsausgänge können auf den gleichen anfänglichen Pfad zurückführbar sein (Multifinalität).

  22. Bedeutung für die Diagnostik • Sich auf den ersten Blick ähnelnde Störungen können sich hinsichtlich ihres Erstmanifestationsalters deutlich unterscheiden (Ausdifferenzierung/Diversifikation). • Beispiel: Dissoziales Verhalten • Trotz eines identischen Erscheinungsbildes im Jugendalter lassen sich unterschiedliche Verläufe nachweisen: • Früher Störungsbeginn  Fortbestehen im Erwachsenenalter • Später Störungsbeginn  deutlich günstigere Prognose • Mitglieder beider Gruppen befinden sich auf unterschiedlichen Entwicklungspfaden und sollten eine entsprechend individualisierte Behandlung erfahren.

  23. Bedeutung für die Diagnostik • Die großen psychiatrischen Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV berücksichtigen Entwicklungsaspekte kaum. • keine Angabe von Altersgrenzen oder nur in geringem Umfang, innerhalb derer bestimmte Verhaltensweisen als normal oder abnorm anzusehen sind. • z.B. treten bestimmte oppositionelle Verhaltensweisen oder Angstsymptome entwicklungsbedingt auf und unterscheiden sich von pathologischen Phänomenen. • Entwicklungsorientierte Diagnostik umfasst • altersspezifische Kriterien, • den Einsatz unterschiedlicher Klassifikationssysteme.

  24. Bedeutung für die Diagnostik ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit)

  25. Bedeutung für die Diagnostik ICF: Das biopsychosoziale Krankheitsmodell

  26. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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