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1. 1 Sprache und Denken (Carroll, Kap. 14)
2. Sprache & Denken 2
3. Sprache & Denken 3
4. Sprache & Denken 4 Gliederung Die Sapir-Whorf-Hypothese
Interkulturelle Studien
Experimente
Generisches Maskulinum?
5. Sprache & Denken 5 1. Die Sapir-Whorf-Hypothese „Über-setzung“ in eine andere Sprache ist nicht immer einfach und eindeutig
Seit Jahrhunderten Thema der Philosophie
Auch: Leibniz, Humboldt
Ingenieur Whorf, sein akademischer Lehrer Sapir (1925):
Beobachtung: Sorglosigkeit gegenüber leeren Benzinfässern
Sprache bestimmt Denken Kess: Die Hypothese ist nicht neu, wurde zB im Rahmen des europäischen Nationalismus der letzten Jahrhunderte auch von Humboldt vertreten: Sprache zeigt den Geist und nationalen Charakter eines Volkes
Englisch: kurze Wörter zeigen Geiz, harte deutsche Sprache zeigt Militarismus, melodisches Französisch zeigt hohe Kultur…Von solchen „Belegen“ ist nichts zu halten, es gibt zahlreiche Gegenbeispiele.
Keine Hinweise darauf, dass Menschen auf der ganzen Welt individualistischer werden, weil viele englisch lernen, wo es viele Ich-Wörter gibt.
Kess: Die Hypothese ist nicht neu, wurde zB im Rahmen des europäischen Nationalismus der letzten Jahrhunderte auch von Humboldt vertreten: Sprache zeigt den Geist und nationalen Charakter eines Volkes
Englisch: kurze Wörter zeigen Geiz, harte deutsche Sprache zeigt Militarismus, melodisches Französisch zeigt hohe Kultur…Von solchen „Belegen“ ist nichts zu halten, es gibt zahlreiche Gegenbeispiele.
Keine Hinweise darauf, dass Menschen auf der ganzen Welt individualistischer werden, weil viele englisch lernen, wo es viele Ich-Wörter gibt.
6. Sprache & Denken 6 Die Sapir-Whorf-Hypothese Linguistischer Determinismus:
Sprache determiniert nicht-sprachliche kognitive Prozesse
Sprache lernen verändert das Denken
= Kausalzusammenhang
Linguistische Relativität:
Kognitive Prozesse sind in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich
Sprecher/innen unterschiedlicher Sprachen denken (automatisch) unterschiedlich Nach Kess: Es ist uns zwar möglich, Reispflanzen von Reiskörnern und von gekochtem Reis zu unterscheiden, aber wir tun das vielleicht nicht so automatisch wie Philippinos, die dafür 3 unterschiedliche Wörter benutzenNach Kess: Es ist uns zwar möglich, Reispflanzen von Reiskörnern und von gekochtem Reis zu unterscheiden, aber wir tun das vielleicht nicht so automatisch wie Philippinos, die dafür 3 unterschiedliche Wörter benutzen
7. Sprache & Denken 7 Die Sapir-Whorf-Hypothese “We dissect nature along lines laid down by our native languages…“
Nicht „natürlich“ festgelegt
Beispiele
Whorf: Zahlreiche anekdotische Beispiele gesammelt
Lexikalische Differenzierung Kess: auch Skifahrer können sich über unterschiedlichen Schnee gut unterhalten - es ist möglich, in einer Sprache alles auszudrücken, was man in einer anderen Sprache sagen kann, es dauert nur länger und wird komplizierterKess: auch Skifahrer können sich über unterschiedlichen Schnee gut unterhalten - es ist möglich, in einer Sprache alles auszudrücken, was man in einer anderen Sprache sagen kann, es dauert nur länger und wird komplizierter
8. Sprache & Denken 8 Die Sapir-Whorf-Hypothese Grammatikalische Beispiele
Türkisch: Unterscheidung zwischen Fällen mit direkter und indirekter Erfahrung
-di = direkte Erfahrung -mis = indirekt
Lernen türkische Kinder früher, Informationsquellen, Belege und Standpunkte zu unterscheiden? (Gerrig & Banaji, 1994)
Aber: Gegenbeispiele
Zeigen erstere Bspe unseren Glauben an eine höhere Macht, die regnen lässt, an die Bedeutung der Religiosität in unserem Leben (Kess, 1976)?Zeigen erstere Bspe unseren Glauben an eine höhere Macht, die regnen lässt, an die Bedeutung der Religiosität in unserem Leben (Kess, 1976)?
9. Sprache & Denken 9 Die Sapir-Whorf-Hypothese „Sprachen unterscheiden sich in dem, was sie sagen müssen, nicht in dem, was sie sagen können“ (Jakobson)
Das Vorhandensein linguistischer Kategorien erleichtert kognitive Prozesse
Voraussetzung für den Test der Hypothese: Sprache und Denken getrennt voneinander erfassen
„gewohnheitsmäßige Gedankengänge“: Aufmerksamkeit, Kategorisierung, Erinnern
Wie?
10. Sprache & Denken 10
11. Sprache & Denken 11
12. Sprache & Denken 12 Überzeugend?
Testen?
Geschlechtsidentität bei Deutschen vs Amerikaner/innen?
Sexismus: Ist Geschlecht im Deutschen eine automatisch mehr beachtete Kategorie (Gerrig & Banaji, 1994)?
Japanisch: „Ich“-Bezeichnung hängt (auch) vom Geschlecht ab – Geschlechtsrollenkonformität?
Wie testen? Eine Möglichkeit:
Sprachen mit unterschiedlicher Differenzierung zwischen Konzepten Die Sapir-Whorf-Hypothese
13. Sprache & Denken 13 2. Interkulturelle Studien Farbbegriffe: 2 bis sehr viele (Berlin & Kay, 1969)
Hierarchie spricht gegen Relativität
Universelle Struktur von Farbbegriffen
Vergleiche zwischen verschiedenen Sprachen Neurophysiologie des Wahrnehmungssystems bestimmt Sprachen. Neurophysiologie des Wahrnehmungssystems bestimmt Sprachen.
14. Sprache & Denken 14 Interkulturelle Studien Rosch (1973): Fokale Farben
Englisch sprechende Personen können alle 8 fokalen Farben besser erinnern als nicht-fokale
Dani auch, obwohl sie nur 2 Farbbegriffe haben
Paradox: spricht gegen die Whorf’sche Hypothese
Kritik: Unterscheidbarkeit der Farbchips
Neuere Experimente (Kay & Kempton, 1984): Erinnerter Farbton hängt davon ab, wie eine Farbe bezeichnet wurde (in englisch vs Tarahumara)
15. Sprache & Denken 15
16. Sprache & Denken 16 Interkulturelle Studien 2. Zahlen
Ist der Zahlenraum regelmäßiger aufgebaut, so lernen Kinder früher zählen und mit Zahlen umgehen
Chinesisch vs englisch
Zahlen mit Hilfe von Würfeln darstellen
Deutsch: Grundschulkinder sind durch Zahlenaussprache im Lernen zurückgeworfen
Interpretationsproblem: Interkulturelle Studien zeigen höchstens Korrelationen, keine Kausalität
Einfluss der Sprache auf das Denken zeigt sich aber in zahlreichen Experimenten Chinesische Kinder, die 11 als 10+1 lernen etc., lernen frühe zhälen und, Zahlen mit einer minimalen Zahl von Zehner- und Einerwürfeln darzustellen
Aber woher wissen wir, dass sie nicht einfach klüger sind?Chinesische Kinder, die 11 als 10+1 lernen etc., lernen frühe zhälen und, Zahlen mit einer minimalen Zahl von Zehner- und Einerwürfeln darzustellen
Aber woher wissen wir, dass sie nicht einfach klüger sind?
17. Sprache & Denken 17 3. Experimente Bekannt: Präsuppositionseffekte
Denken: Schemagesteuerte Erinnerung
18. Sprache & Denken 18
19. Sprache & Denken 19 Experimente Soziale Kognition: Eindrucksbildung
Personenbeschreibungen waren konsistent
Mit einem Persönlichkeitstyp in englisch oder
Mit einem Persönlichkeitstyp in chinesisch
Zweisprachige VPn
Stereotype Eindrucksbildung nur in der jeweiligen Sprache (Hoffman, Lau & Johnson, 1986, nach Hardin & Banaji, 1993, Gerrig & Banaji, 1994)
20. Sprache & Denken 20 Experimente Boroditsky, 2001:
Im Englischen ist die Metapher für Zeit horizontal („hinkt hinterher, habe ich vor mir“), in Mandarin vertikal
... Im unteren Monat = im folgenden Monat
... Im oberen Monat = im vorangegangenen Monat
Wenn dies das Denken über Zeit beeinflusst, dann sollten Sätze wie „März ist früher als April“
Von Mandarin sprechenden VPn (in englisch) nach vertikalen Primes schneller verifiziert werden können als nach horizontalen
Von englisch sprechenden VPn umgekehrt
21. Sprache & Denken 21 Experimente Fazit:
Unterschiedlicher Sprachgebrauch führt zu unterschiedlichen kognitiven Prozessen
Feine Unterschiede sind z.B. mit Reaktionszeitmaßen zu finden
Sprache zeigt Schichtzugehörigkeit und Herkunft
Elaborierter vs restringierter Code
22. Sprache & Denken 22
23. Sprache & Denken 23 Generisches Maskulinum? Def. laut Duden Grammatik: „Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschlechtes bezeichnen, verwendet man die maskuline Form auch dann, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Man empfindet hier das Maskulinum als neutralisierend bzw. generisch (verallgemeinernd).“
Die Regel gilt auch für die sogenannten Indefinitpronomen: „Wenn auf die indefiniten Pronomen jemand, niemand, wer mit Relativ- oder Possessivpronomen bezug genommen wird, geschieht das standardsprachlich in maskulinen Formen, und zwar unabhängig davon, ob männliche oder weibliche Personen gemeint sind.“
24. Sprache & Denken 24 Generisches Maskulinum? Argument: Sprachliche Formen und Veränderungen haben keine soziale Relevanz
Experiment (Irmen & Köhncke, 1996)
Sätze lesen und dann möglichst schnell dazu Ja-Nein-Entscheidungen treffen
Reaktionszeitmessung
25. Sprache & Denken 25
26. Sprache & Denken 26
27. Sprache & Denken 27 Generisches Maskulinum? Maskuline Personenbezeichnungen werden nicht generisch interpretiert:
mindestens 50% Nein-Antworten
auch bei Ja-Antworten längere Reaktionszeiten bei „Frau“ als bei „Mann“
Kürzere Reaktionszeiten bei „Eine Ärztin…“ – „Frau?“
Einfluss des generischen Maskulinum auf die kognitive Verfügbarkeit der Konzepte „männlich“ und „weiblich“
Illustrationen, Stellenanzeigen, Erinnerungsfehler (vgl. Hardin & Banaji, 1993)
28. Sprache & Denken 28
29. Sprache & Denken 29 Generisches Maskulinum? Wie Sprache verwendet wird, beeinflusst das Denken
Fazit vieler Untersuchungen: „Generisches“ Maskulinum bewirkt die meisten männlichen mentalen Modelle, Sichtbarmachung beider Geschlechter die wenigsten, neutrale Bezeichnungen liegen dazwischen
Strategien:
Generische
Sichtbarkeit
30. Sprache & Denken 30 Zusammenfassung Sapir-Whorf-Hypothese: Unterschiede in der Sprache gehen einher mit Unterschieden im Denken
Anekdotische Beispiele sind keine strengen Tests
Forschungsverlauf zeigt Schwierigkeit eindeutiger empirischer Prüfung (interkulturell)
Es gibt Belege für die moderate Version
In weiten Teilen spiegelt Sprache die universelle Struktur des kognitiven Systems wider
Fazit zu verbalen Bezeichnungen innerhalb einer Sprache:
Umfangreiche Evidenz für Einflüsse sprachlicher Bezeichnungen auf das Denken, Behalten und Erinnern
Entgegen der Aussage des Duden wird das „generische“ Maskulinum nicht verallgemeinernd verstanden
31. Sprache & Denken 31 Literatur Gerrig, R. J., & Banaji, M. R. (1994). Language and thought. In R. J. Sternberg (Ed.), Thinking and problem solving. Handbook of perception and cognition (2nd ed.) (pp. 233-261). San Diego, CA, USA: Academic Press, Inc.
Hardin & Banaji (1993). The influence of language on thought. Social Cognition, 11, 277-308.
Irmen, L., & Köhncke, A. (1996). Zur Psychologie des „generischen“ Maskulinums. Sprache & Kognition, 15, 152-166.