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Stellvertretung Fachh ochschule für öffentliche Verwaltung NRW 23 . September 2009 Dr. Alexander Schreiber. Dr. Alexander Schreiber. Grundlagen 1. Begriffe 2. Funktionen. Gesamtübersicht. II. Abgrenzung. III. Voraussetzungen im Einzelnen 1. eigene Willenserklärung
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Stellvertretung Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW 23. September 2009Dr. Alexander Schreiber
Dr. Alexander Schreiber • Grundlagen • 1. Begriffe • 2. Funktionen Gesamtübersicht II. Abgrenzung III. Voraussetzungen im Einzelnen 1. eigene Willenserklärung 2. Offenkundigkeitsprinzip 3. Vollmacht a) Arten der Vollmacht b) Form c) Anfechtung d) Fehlen der Vollmacht IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung 2
Dr. Alexander Schreiber I. Grundlagen 1. Begriffe Vertretung ist die Abgabe/ Empfangnahme einer Willenserklärung durch eine Person (Vertreter) im Namen einer anderen Person (Vertretenen). Vertreter: Repräsentant (die tatsächlich aktive Person) Er gibt eine eigene Willenserklärung (WE) ab. Vertretene: Geschäftsherr Diese WE des Vertreters wirkt für und gegen ihn. Vertretungsmacht: Legitimation, für einen anderen gültige rechtsgeschäftliche Regelungen zu treffen. Offenkundigkeit: Der Vertreter muss dem Geschäftspartner erkennen lassen, dass er nicht für sich selbst, sondern für eine andere Person handelt. 3
Dr. Alexander Schreiber • Grundlagen • 1. Begriffe • 2. Funktionen Gesamtübersicht II. Abgrenzung III. Voraussetzungen im Einzelnen 1. eigene Willenserklärung 2. Offenkundigkeitsprinzip 3. Vollmacht a) Arten der Vollmacht b) Form c) Anfechtung d) Fehlen der Vollmacht IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung 4
Dr. Alexander Schreiber I. Grundlagen 2. Funktionen a) Hilfestellung, z.B.: Wahrnehmung von Rechten Eltern für Kinder uä b) räumliche und zeitliche Erweiterung des Wirkungsbereichs, z.B.: Prokura c) Instrument der Arbeitsteilung bei der Rechtsentstehung und –ausübung, z.B.: Ladenangestellte d) Handlungsfähigkeit von Organisation, z.B.: Geschäftsführer, Bürgermeister 5
Dr. Alexander Schreiber • Grundlagen • 1. Begriffe • 2. Funktionen Gesamtübersicht II. Abgrenzung III. Voraussetzungen im Einzelnen 1. eigene Willenserklärung 2. Offenkundigkeitsprinzip 3. Vollmacht a) Arten der Vollmacht b) Form c) Anfechtung d) Fehlen der Vollmacht IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung 1. Das Problem 2. Die Fälle 3. Der Merksatz 6
Dr. Alexander Schreiber IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung • Das Problem • Bei der Stellvertretung ist also eine weitere Person beteiligt. • Ist die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände (z.B. §§ 123, 819, 932 BGB) des Vertreters oder des Vertretenen maßgeblich ? • Darf sich der Vertretene auf die eigene Unwissenheit berufen, wenn die Mitarbeiter doch Kenntnis haben ? • Darf sich der Vertretene auf die Unkenntnis des Vertreters berufen ? 7
Dr. Alexander Schreiber • 2. Die Fälle • Fall 1 Der langjährige Mitarbeiter des Amtes für Baurecht der kreisfreien Stadt D verkauft als deren Vertreter ein Grundstück. Um zugunsten der Stadt einen hohen Kaufpreis zu erzielen, verschweigt er dem Käufer eine Kontamination des Bodens. Der neu gewählte Oberbürgermeister hat davon keine Kenntnis. Kann sich die Gemeinde auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen? • Lösung: • § 444 BGB verbietet bei Arglist die Berufung auf Haftungsausschluss. • Das Wissen der Stadt bestimmt sich zunächst nach dem Wissen der Organe, weil eine Körperschaft öffentl. Rechts wie jede jur. Person selbst nicht wissensfähig ist. Sie kann nur durch Organe handeln, also ist deren Wissen ihr Wissen (sog. Organtheorie). • Die Arglist des Mitarbeiters ist aber ausreichend gem. § 166 Abs. 1 BGB • Die Stadt kann sich nicht auf den Haftungsausschluss berufen. IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung 8
Dr. Alexander Schreiber • Fall 2: Der Bürgermeister hat von der Kontaminierung eines Gemeindegrundstücks erfahren. Daraufhin leitet er den Verkauf des Grundstücks ein, ohne den Erwerber über die Kontaminierung zu informieren. Mit dem Vertragsschluss betraut er einen Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes, der von alledem nichts weiß. Kann sich die Gemeinde auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen? • Lösung: • § 166 Abs. 2 BGB • 1. rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht ? • Betrauung nach § 68 Abs. 3 GO NRW • 2. Handlung nach Weisung ? • „Es genügt, dass der Bevollmächtigte im Rahmen der Vollmacht zu einem bestimmten Rechtsakt schreitet, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber veranlassen wollte.“ (RGZ 161, 153, 161) • Begr: • § 166 Abs. 2 BGB will verhüten, „dass durch die Bevollmächtigung eines arglosen Dritten die gesetzliche Folge der Mangelhaftigkeit eines Rechtsaktes umgangen wird.“ (BGHZ 38, 65, 67) • 3. Ergebnis • Anweisung wird der Gemeinde zugerechnet, § 31 BGB. • Kenntnis des Bürgermeisters ist nach der Organtheorie Kenntnis der Gemeinde. • Sie kann sich nicht auf den Haftungsausschluss berufen. IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung 9
Dr. Alexander Schreiber • Fall 3 Das Landratsamt hat den damaligen Bürgermeister einer Gemeinde 1965 darauf aufmerksam gemacht, dass ein Gebäude baupolizeilich gesperrt wird, wenn nicht bestimmte Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Ohne den Käufer von den erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu informieren, verkaufte die Gemeinde 1982, vertreten durch den aktuellen Bürgermeisters, das Grundstück an einen nichts ahnenden Käufer (BGHZ 109, 327). Kann sich die Gemeinde auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen? • Lösung: • 1. § 166 Abs. 1, 2 BGB (-) • keiner der Beteiligten wusste mehr von der Androhung • 2. Wissenszurechnung durch wertende Beurteilung ? • - Zu unterscheiden ist das Organ als institutionelles Subjekt vom den wechselnden Organvertretern. • - Die Zurechnung ist möglich vom Organvertreter über das Organ zur juristischen Person. Dieses bleibt dann nach der Amtsdauer des Organvertreters erhalten. • Wertungsgesichtspunkte • - Risikoverteilung des Vertrages • - Gleichstellung mit natürlicher Person • 3. Ergebnis: • Die Gemeinde wird als wissend behandelt. Sie kann sich nicht auf den Haftungsausschluss berufen. IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung 10
Dr. Alexander Schreiber IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung • Fall 4 Eine Gemeinde verkauft einen am Hang gelegenen Bauplatz. Sie ließ sich durch einen Stadtamtsrat beim Liegenschaftsamt vertreten. Der Baugrund ist aufgrund von Knollenmergel nur beschränkt bebaubar. Das war nur einem Sachbearbeiter des Baurechtsamtes bekannt (BGHZ 117, 104). Kann sich die Gemeinde auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen? • Lösung: • 1. § 166 Abs. 1 BGB • (-), weil der wissende Sachbearbeiter nicht am Vertragsschluss beteiligt war. • 2. § 166 Abs. 2 BGB • (-), weil der wissende Sachbearbeiter des Baurechtsamtes kein Organ ist. • 3. Wissenszurechnung durch wertende Beurteilung ? • - wirtschaftlich bedeutsamer Vertrag • - hohes Vertrauen gegenüber öffentlicher Hand • a) Erste Schranke • Wissen wird nur von Personen zugerechnet, die nach der Arbeitsorganisation im Rechtsverkehr Aufgaben in eigener Verantwortung erledigen und die dabei gewonnenen Kenntnisse berücksichtigen und weiterleiten. • Hat der Wissensträger den Geschäftsherrn nur intern beraten, wird dessen Wissen nicht zugerechnet. 11
Dr. Alexander Schreiber IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung • b) Zweite Schranke • Die Zurechnung orientiert sich an der Verfügbarkeit der Informationen, also daran, ob die Informationen "typischerweise aktenmäßig festgehalten" werden. Die Nutzung des Aktenwissen steht nicht in ihrem Belieben, sondern unterliegt normativen Verkehrsschutzanforderungen. Die Verantwortung für das einmal erlangte Wissen schließt ein, seine Verfügbarkeit zu organisieren. • Kommt eine juristische Person dieser Rechtspflicht nicht nach, müsse sie sich materiell-rechtlich so behandeln lassen, als habe sie von der Information Kenntnis. • aber: • - keine Pflicht zum allgemeinen Austausch zwischen Behörden (Dienstgeheimnisse und Datenschutz) • - Die Vertragspartner einer kommunalen Körperschaft sind auch nicht besser zu stellen als die einer natürlichen Person. Eine Privatperson besäße auch nicht die Informationen, welche die Gemeinde aufgrund ihrer öffentlichen Aufgaben z.B. als Bauaufsichtsbehörde und als Bauplanungs- oder Tiefbauamt erlangt. • Mitarbeiter sind nur ausnahmsweise gehalten, bei einem anderen Amt Erkundigungen einzuholen. Das ist etwa dann der Fall, wenn der sachliche Zusammenhang der in verschiedenen Ämtern angefallenen Vorgänge allgemein bekannt, ein Informationsaustausch daher möglich und naheliegend ist. • 4. Ergebnis • Gemeinde kann sich auf den Haftungsausschluss berufen. 12
Dr. Alexander Schreiber • Fall 5: Eine Gemeinde verkauft Straßenland zur Nutzung als Gartenland, dass aber wegen 1958 verlegter unterirdischer Versorgungsleitungen weder bebaut noch bepflanzt werden darf. Die Gemeinde forschte im Vorfeld nach Plänen über Versorgungsleitungen und passte den Grundstücksverlauf an den Abwasserkanal an. Weder der Bürgermeister noch die Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes haben von den weiteren Versorgungsleitungen gewusst (OLG Düsseldorf, BauR 2002, 1447). Kann sich die Gemeinde auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen? • Lösung: • 1. § 166 Abs. 1, 2 BGB (-) • keiner der Beteiligten wusste von den weiteren Versorgungsleitungen • 2. Wissenszurechnung (Wissensfiktion) durch wertende Beurteilung ? • - Wissen um die Leitungen war begriffsnotwendig 1958 vorhanden, weil die Leitungen nicht ohne Genehmigung verlegt werden konnten. • - Die Gemeinde sah auch Anlass sich zu erkundigen. (Abwasserkanal) • - Käufer durfte darauf vertrauen, dass Gemeinde sich informiert habe. • 3. Ergebnis • Gemeinde kann sich nicht auf den Haftungsausschluss berufen. IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung 13
Dr. Alexander Schreiber IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung • Fall 6:Bei der Renovierung eines Mehrzweckgebäudes wurde 1955 zur Wärmedämmung Asbest verwendet. Als es der Bürgermeister 2008 veräußerte, klärte er den Käufer darüber nicht auf (BGHZ 132, 30). Kann sich die Gemeinde auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen? • Lösung: • 1. § 166 Abs. 1, 2 BGB (-) • keiner der Beteiligten wusste von den weiteren Versorgungsleitungen • 2. Wissenszurechnung (Wissensfiktion) durch wertende Beurteilung ? • Ob und wie lange die Information über den Umstand überhaupt gespeichert werden muss, hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie später rechtserheblich werden kann. • Zu beurteilen ist das nach dem Zeitpunkt der Wahrnehmung und nicht nach einem erst später erreichten Wissensstand. • Solange etwa Asbest oder bestimmte Lösungsmittel als harmlos galten, durfte man keine Speicherung von Informationen verlangen. • 3. Ergebnis • Gemeinde kann sich auf den Haftungsausschluss berufen. 14
Dr. Alexander Schreiber 3. Der Merksatz: Die Wissensaufspaltung aufgrund der arbeitsteiligen Organisation einer Behörde darf dieser nicht zum Vorteil gereichen, wenn sie mit dem Bürger wie ein Privatmann kontrahiert.Der Bürger darf eine Behördenorganisation voraussetzen, der es möglich ist, auf typischer Weise in der Vergangenheit aktenmäßig festgehaltenes Wissen zurückzugreifen. Allerdings sind auch der Wissenszurechnung persönliche und zeitliche Grenzen gesetzt sind. Für diejenige Person, für die die Zurechnung gelten soll, muss wenigstens eine reale Möglichkeit, aber auch ein Anlass bestehen, sich das Wissen aus dem eigenen Gedächtnis, aus Speichern oder von anderen Personen zu beschaffen. Danach ist entscheidend, ob die Information einerseits im Zeitpunkt der Wahrnehmung überhaupt gespeichert und andererseits bei einem konkreten Anlass abgerufen werden musste. IV. Wissenszurechnung bei der Stellvertretung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 15
Dr. Alexander Schreiber Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 16