E N D
2. Warum konzeptionell arbeiten? Ziele, Inhalte und Methoden in der pädagogischen Arbeit
3. Das ungelöste Normproblem der Pädagogik (Legitimationsproblem) früher: Orientierung an der Bibel
heute: Anspruch auf Mündigkeit und Emanzipation als übergeordnete Zielformel der Erziehung? hergeleitet vom Anspruch der Aufklärung (Kant)
4. Was ist Aufklärung? „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ (JANK, Werner/MEYER, Hilbert (2002): Didaktische Modelle. 5. völlig überarbeitete Auflage. Berlin, S. 117 zit. n. Kant A 481; Werke 1966, Bd. VI, S. 53.)
5. Warum ist das Aufklärungspostulat auch für die Didaktik eine vernünftige Option? „Thema der Pädagogik ist die Erziehung, die den Menschen im Zustand der Unmündigkeit antrifft. Erziehung muss diesen Zustand verändern, aber nicht beliebig, sondern orientiert an einer unbedingten Zwecksetzung, an der Mündigkeit des Menschen. Wo aber findet die Pädagogik den Maßstab für Mündigkeit? Nach Auskunft der Geschichte der europäischen Pädagogik ist der Maßstab nicht willkürlich gesetzt, sondern in der Eigenstruktur der Erziehung enthalten. […]
6. Wer pädagogische Verantwortung übernimmt, steht im Kontext der jeweils gegebenen historischen Bedingungen unter dem Anspruch des unbedingten Zweckes der menschlichen Mündigkeit - ob er das will, weiß, glaubt oder nicht, ist sekundär. Die Erziehungswissenschaft aber arbeitet ebendieses als das Primäre heraus: Sie rekonstruiert die Erziehung als den Prozess der Emanzipation, d. h. der Befreiung des Menschen zu sich selbst.“ (JANK/MEYER, 2002, S. 121 zit. n. Blankertz 1982, S. 306f)
7. Folgerung: These: Die einzig vernünftige übergeordnete Norm, an der didaktische Modelle und lehr-lern-praktisches Handeln von Lehrenden und Lernenden zu messen sind, ist die Verpflichtung zur Aufklärung und Mündigkeit.
Begründete Argumentation: Erziehung und Bildung kann ohne ein verbindliches normatives Fundament nicht funktionieren. Wenn dem aber so ist, dann ist die Mündigkeitsnorm immer noch die vernünftigste von allen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 122)
8. Ausgangspunkt für die Lösung der Normfrage Erziehung und Bildung sollen die Mündigkeit des Menschen fördern.
Anders – mit Kant – formuliert: Die Lehrenden sollen ihre Lernenden dazu anleiten, sich ihres Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen.? Das ist schon in der sprachlichen Formulierung eine paradoxe Aufforderung. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 122)
9. Lösung: Sie ist nicht technisch zu lösen, sondern nur dadurch, dass auch im Lehr-Lern-Prozess Aufklärung und Mündigkeit zu den übergeordneten Maximen des Denkens und Handelns gemacht werden. (JANK/MEYER, 2002, S. 122)
Dies hat tief greifende Folgen für die Gestaltung von Erziehung und Bildung. (vgl. ebd.)
10. Die heute allgemein anerkannten obersten Erziehungsziele aus dem Aufklärungspostulat Selbstbestimmung
Mündigkeit
Emanzipation
Partizipation
Solidaritätsfähigkeit= als oberste Maxime didaktischen Handelns … aber welche konkreten Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen folgen aus dieser Prämisse?
11. „Logisches“ Deduzieren funktioniert nicht Beim Kleinarbeiten der Lernziele ist eine Fülle an Entscheidungen notwendig
Zusammenhänge können nicht logisch abgeleitet, sondern nur in einem hermeneutisch vermittelten Diskussionsprozess erfasst werden.
Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen stehen in einer Wechselwirkung zueinander: Schon auf abstrakteren Ebenen müssen die Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen miteinander verknüpft werden und nicht erst auf unterster Stufe (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 124ff.)
12. Es gibt keine Ziele ‚an sich‘, sondern immer nur in Bezug auf bestimmte Inhalte und bestimmte Methoden. Es gibt keine Inhalte ‚an sich‘, sondern immer nur im Blick auf die Ziele, die mit ihrer Hilfe erreicht, und auf die Methoden, mit denen sie im Lehr-Lern-Prozess erschaffen werden sollen. Es gibt auch keine Methoden ‚an sich‘, sondern immer nur ‚eingewickelt‘ in bestimmte Aufgaben, die die Lehrenden und Lernenden lösen wollen oder sollen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 55)
13. = Implikationszusammenhang! Die beschriebenen „Interdependenzen“ finden immer statt; sie konstituieren den Lehr-Lern-Prozess.
Ziele, Inhalte und Methoden können nicht beliebig miteinander kombiniert werden, sondern müssen zueinander passen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 55f.)
14. Das Geschick eines Lehrenden besteht also erstens darin, die „richtige“ Methode für einen bestimmten Inhalt und im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel auszuwählen; zweitens darin, den Inhalt nicht statisch zu betrachten, sondern die Potentiale, die in einer geschickt methodischen Herangehensweise an den Inhalt stecken, voll zu nutzen; und drittens darin, die Ziele durch kluge Inhalts- und Methodenentscheidungen für die Lernenden interessant und erreichbar zu machen – die Ziele aber eventuell auch zu modifizieren, wenn der tatsächliche Lehr-Lern-Verlauf eine andere Richtung nimmt als (ursprünglich) geplant! (JANK/MEYER, 2002, S. 57)
15. Qualität eines Lehr-Lern-Prozesses Sie erwächst aus der Stimmigkeit der Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen und aus der Konsequenz ihrer Umsetzung.
Die Wechselwirkung ist nicht immer gleichförmig.
Die Wechselwirkung findet auf unterschiedlichen Ebenen didaktischen Handelns und Reflektierens andersförmig statt. (JANK/MEYER, 2002, S. 58ff.)
16. Handlungs- und Reflexionsabläufe im Rahmen einer konzeptionellen Realisierung einer Lehr-Lern-Einheit Planungsebene [Handlung (Planung)] ? (Explikationszusammenhang):Bei der Vorbereitung sind die Entscheidungen über Ziele, Inhalte und Methoden und Medien zu treffen. Der Planer „expliziert“ seine Sicht der Dinge, trifft also bewusste Entscheidungen über die wünschenswerte Gestaltung des Prozesses bezogen auf die „Ziel-Inhalt-Methoden-Relation“. Weil es Wechselwirkungen zwischen den Zielen, Inhalten und Methoden gibt, muss bei der Planung eine allgemeine Zielorientierung aller den Lehr-Lern-Prozess bedingenden Faktoren hergestellt werden. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 59f.)
17. Analyseebene [Handlung (Planung) und Reflexion (abgelaufener Prozess!)] ? (Implikationszusammenhang): Die Wechselwirkungsthese macht bewusst, dass Lehr-Lern-Prozesse und –ergebnisse nie monokausal ablaufen oder erklärt werden können, sondern nur aus dem Zusammenwirken vieler Faktoren. Auf dieser Ebene gibt es keine „Ziel-Inhalt-Methode-Hierarchie“, sondern eine systematisch und faktische Gleichwertigkeit. Im Rahmen der Planung VOR der Lehr-Lern-Einheit versucht man herauszuarbeiten (analysieren), wie und warum der geplante Prozess so ablaufen sollte, wie geplant. Im Rahmen der Reflexion NACH der Lehr-Lern-Einheit lässt sich erklären (analysieren), wie und warum die Einheit so und nicht anders ablief. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 59f.)
18. Prozessebene [Handlung (Prozess)] ? (Konstitutionszusammenhang): Durch das leibhaftige didaktisch/methodische Handeln des Lehrenden und der Lernenden wird der Lehr-Lern-Prozess in Gang gesetzt. Durch die geleistete Arbeit werden die Inhalte erstellt (= konstituiert) und die Ziele erreicht. Im Lehr-Lern-Prozess bringen Lehrende und Lernende durch ihr gemeinsames (oder gegenläufiges) Handeln die Wechselwirkungsprozesse hervor. Dabei wird die ursprüngliche Planung modifiziert. Die Wechselwirkungsthese besagt, dass im Lehr-Lern-Prozess alles mit allem zusammenhängt: die Intentionen des Lehrenden und sein tatsächliches Handeln; die Motive der Lernenden und ihre vorhergesehenen und nicht erwarteten Aktionen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 59f.)
19. Wir halten fest: Übergeordnete Zielorientierung ist die Mündigkeit, Selbstbestimmung und Emanzipation des Individuums. Dies soll über die Pädagogik, deren Generalinhalt das Lernen ist, unterstützt werden. Eine Lehr-Lern-Einheit ist eine mehr oder weniger geplante Interaktion von Lehrenden und Lernenden zum Aufbau von Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz. Diese Planmäßigkeit wiederum realisiert sich
a) als didaktisch strukturierte Aufgabe (= Ziele)
b) als didaktisch strukturiertes Thema (= Inhalt)
c) als didaktisch strukturierte Beziehungsarbeit (= Sozialstruktur, Bedingungsanalyse, sozialräumliche Analyse)
d) als didaktisch strukturiertes methodisches Handeln (Methoden/Handeln/Handlungsformen – Aufbau von Methodenkompetenz) Dialektik von Führung und Selbsttätigkeit
e) und als didaktisch strukturierte Analyse des Gesamtprozesses (= Reflexion) (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 62)
20. a) Zielplanung Der Lehrende muss sein eigenes Lehren planen (= Lehrziele/Erziehungsziele).
Der Lehrende muss aber auch den Lernprozess der Lernenden durchdenken und Vorbereitungen treffen, um diesen zu unterstützen (= Handlungsziele der Lernenden). (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 72)
21. Hilfestellung zur Zielplanung Der Lehrende muss die aus seiner Sicht im Lehr-Lern-Prozess zu lösenden Aufgaben definieren (Erziehungsziele).
Der Lehrende muss sich überlegen, welche Handlungsziele die Lernenden verfolgen könnten (hypothetische Vermutung!).
Der Lehrende muss klären, ob – und wenn ja – wie er die Lernenden an der konkreten Festlegung der Aufgaben (= Lernziele) und an ihrer Umsetzung beteiligt/beteiligen will.
Der Lehrende muss sich überlegen, welche inhaltlichen und methodischen Ziele in der Aufgabenstellung und ihrer Umsetzung stecken (Wechselwirkung!).
Der Lehrende muss klären, welche Lernvoraussetzungen für die Zielerreichung gegeben sein müssen und abwägen, ob die Lernenden diese erfüllen (können) oder mitbringen (können).
Der Lehrende muss sich Gedanken machen, wie er seine Zielplanung/Kleinarbeitung der konkreten Lernziele im Lehr-Lern-Prozess umsetzt/umsetzen will und was – und wie – er zu tun gedenkt, wenn die Lernenden anders reagieren, als er dies erwartet hat.
Dieser Prozess der schrittweisen Ausformulierung der Lehr- und Handlungszielen zu den (gemeinsam) vereinbarten Lernzielen kann auch als „Kleinarbeitung“ der Zielstruktur bezeichnet werden. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 73f.)
22. b) Inhaltsplanung Der Planungsprozess beginnt zumeist mit der Themenformulierung. Ihm folgen die Überlegungen, wie das Thema inhaltlich strukturiert ist und wie es erarbeitet werden kann. Im konkreten Lehr-Lern-Prozess wird der Inhalt dann gemeinsam mit den Lernenden „zu Ende konstituiert“. (JANK/MEYER, 2002, S. 74)Wie sucht man sich einen Inhalt? Erst durch die Frage nach der Zugänglichkeit und Signifikanz für die Lernenden werden aus den von der lehrenden Person problemorientiert aufbereiteten Sachzusammenhängen die Themen und Inhalte des Lehr-Lern-Prozesses (Bildungsbegriff zur Analyse der Bildungsin- und gehalte!). In diesem Zusammenhang verknüpft sich beim Begriff der Zugänglichkeit die Inhaltsfrage mit der Frage nach den Zielen und Methoden des Lehr-Lern-Prozesses. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 76)
23. Hilfestellung zur Inhaltsplanung Der Lehrende muss ein zur Aufgabenstellung passendes (meistens schon darin enthaltenes) Thema formulieren.
Der Lehrende muss sich einen Überblick verschaffen, welche Inhalte für die Themenstellung geeignet sind.
Der Lehrende muss die seiner Ziel- und Methodenplanung entsprechenden Inhalte auswählen (Wechselwirkung!).
Der Lehrende muss die die Inhalte strukturieren, also den Gesamtinhalt in Teile zerlegen, die Bedeutungsschichten des Themas erarbeiten, die Verständlichkeit der Teile überprüfen, mögliche Lernklippen durchdenken usw.
Der Lehrende muss sich fragen, ob die Lernenden die Voraussetzungen für das Verstehen des Inhalts mitbringen oder ob er sie im Lehr-Lern-Prozess erst herstellen muss.
Er muss Medien und Material bereitstellen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 77)
24. c) Sozialstruktur/Bedingungsanalyse Hier geht es einerseits um die Heterogenität der Lerngruppe, womit unterschiedlichste individuelle Lernvoraussetzungen einhergehen, andererseits um die sozialräumlichen Lernbedingungen, die in der konkreten Lehr-Lern-Einheit gegeben sind und darüber hinaus auch um die Beziehungsarbeit zwischen Lehrenden und Lernendem in Bezug auf den Lernerfolg. Eine Bedingungsanalyse dient der Voraussetzung und Vorbereitung für sinnvolles, geplantes, und reflektiertes pädagogisches Arbeiten. (vgl. hierzu und zum Folgenden JANK/MEYER, 2002, S. 77f., 80 und SCHILLING, Johannes (1993): Didaktik/Methodik der Sozialpädagogik. Grundlagen und Konzepte. Neuwied – Kriftel – Berlin, S. 49ff.)
25. Hilfestellung zu Bedingungsanalyse Organisationsstruktur/Rahmenbedingungen:Träger der Einrichtung (Ziele der Einrichtung und/oder des Trägers), Zeit, Ort, Teilnehmende
Zielgruppenanalyse/Voraussetzungen:a) Individuelle/anthropogene Voraussetzungen wie z. B. Alter, Geschlecht, Nationalität, besondere Merkmale, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Können, Sprache (bes. bezogen auf den Entwicklungsstand)b) Soziokulturelle Voraussetzungen wie z. B. Wohnsituation, soziales Umfeld, Schule, Kita, Beruf, etc.
26. In Bezug auf den Lernerfolg der Lernenden ist auch das Verhältnis von Lehrendem zu Lernendem wichtig: Die Beziehungsarbeit meint alle Formen der Pflege und Unterstützung der Interaktionskultur im Lehr-Lern-Prozess ? die Beziehungsarbeit des Lehrenden mit den Lernenden schafft zugleich die Grundlagen für die Erziehungsarbeit. Beziehungsarbeit ist dann fruchtbar, wenn Lehrende und Lernende gemeinsam die Verantwortung für den Lehr-Lern-Prozess übernommen haben. Um dies zu erreichen, kann man ein „Arbeitsbündnis“ zusammen eingehen. (vgl. hierzu und zum Folgenden JANK/MEYER, 2002, S. 77f., 81) Sozialstruktur
27. Hilfestellung zu Sozialstruktur Die Lernbereitschaft der Lernenden hängt wesentlich von der „pädagogischen Atmosphäre“ ab.
Ein auf „Mündigkeit und Selbstbestimmung“ abgezielter Lehr-Lern-Prozess kann nur dann funktionieren, wenn die Lernenden gelernt haben, selbständig zu arbeiten, sich also selbst Ziele zu setzen und den eigenen Lernprozess zu organisieren.
28. Insofern kommt auch bei der Überprüfung der Lernvoraussetzungen wieder der Implikationszusammenhang, die Interdependenz zwischen Zielen, Inhalten und Methoden zum Vorschein und beeinflusst wesentlich die diesbezüglichen Entscheidungen. Bei der Überprüfung der Lernvoraussetzungen gilt bei allem Anspruch und Orientierung am „Selbstbestimmungspostulat“ die pädagogische Weisheit, „die Gruppe dort abzuholen, wo sie steht“.
29. d) Methodisches Handeln Lernen vollzieht sich durch Handeln; der Mensch ist ein handelndes Wesen. Wer Lehr-Lern-Prozesse gestalten will, muss sich genau überlegen, wie er selbst handeln und zu welchen Handlungen er seine Lernenden bringen will. Er muss also einen Handlungsplan machen, sprich Methoden und ein methodisches Vorgehen überlegen, das einen klaren Bezug zu den definierten Aufgaben (Zielen) innerhalb der Lehr-Lern-Einheit und den darin zu erschließenden Inhalten und Gehalten hat (Wechselwirkung!). Darüber hinaus stoßen wir hier an den Widerspruch einer jeden pädagogischen Aktion, die sich an der übergeordneten Zielvorgabe von Selbstbestimmung und Mündigkeit orientiert: „Führung zur Selbsttätigkeit!“ Wie kann das aufgelöst werden? Lernen kann nicht erzeugt, sondern nur ermöglicht werden: Der Lehrende kann sich noch so anstrengen, wie er will – er hat nicht in der Hand, was im Lernprozess bei den einzelnen Lernenden herauskommt. Lernen können die Lernenden immer nur selbst. Deshalb ist die „Lernenden-Selbsttätigkeit“ für jeden Lernerfolg konstitutiv. Um erfolgreich methodisch arbeiten zu können, müssen die Lehrenden ebenso wie die Lernenden Reflexions- und Handlungskompetenz erwerben. Diese Kompetenzen können sie nur erwerben, wenn sie soweit es geht, am gesamten Lehr-Lern-Prozess beteiligt werden. Daraus folgt für den Lehrenden und die Lernenden: (vgl. hierzu und zum Folgenden JANK/MEYER, 2002, S. 85f. u. 162f.)
30. Fortsetzung: Methodisches Handeln Die Lehrperson muss den Rahmen dafür setzen, innerhalb dessen Selbsttätigkeit möglich wird.
Die Lernenden müssen eigene didaktische Kompetenzen entwickeln, um zum „Täter ihrer Taten“ (Hugo Gaudig) werden zu können.? Da liegt es nahe, im Lehr-Lern-Prozess für einen wiederholten Wechsel zwischen „lehrendenaktiven“ und „lernendenaktiven“ Phasen zu sorgen und die Lernenden zu Lehrenden zu machen und die Lehrenden zu Lernenden.
Lehren und Lernen stehen also im Lehr-Lern-Prozess in einem dialektischen Verhältnis zueinander! (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 86)
31. An der Orientierung der Zielvorgabe von Selbstbestimmung und Mündigkeit bedeutet methodisches Handeln: Methodisches Handeln kann nur als dialektische Einheit von Lehr- und Lernmethoden verstanden und umgesetzt werden ? Dialektik von Führung und Selbsttätigkeit; Dialektik von Vermittlung und Aneignung:
Die Art und Weise, in der die Lehrenden ihre Vermittlungsaufgaben erfüllen, schlägt sich durch auf die Art und Weise, wie die Lernenden lernen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 251)
32. Beispiel: Wenn das Thema „Gewerkschaftliche Mitbestimmung“ frontal-autoritär vermittelt wird, ohne dass die Lernenden auch nur ansatzweise erfahren haben, was „mitbestimmen“ heißt, dann werden die Ziele der Lehr-Lern-Einheit verfehlt. Inhalt und Methode bedingen einander, weil der Inhalt durch das methodische Handeln der Lehrenden und Lernenden konstituiert wird. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 251)
33. Folge Will man in jedem Lehr-Lern-Prozess auch immer und implizit „Selbstbestimmung und Mündigkeit“ fördern, muss die Planung der Lehr-Lern-Einheit subjektorientiert verlaufen, denn die Lernenden sind Subjekte ihres Aneignungsprozesses:
Lernende bestimmen die Prozessgestaltung einer jeden Lehr-Lern-Einheit mit … egal, ob dies vom Lehrenden begrüßt oder kritisiert wird. Das heißt: Nicht nur Lehrende, sondern auch Lernende müssen didaktische Kompetenz entwickeln. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 255)
34. „Didaktische Kompetenz der Lernenden heißt: Lernende als mitgestaltende, mitentscheidende und mitverantwortende Akteure in das Unterrichtskonzept einzubeziehen, ihre Subjektposition in allen Funktionen des Unterrichts in Ansatz zu bringen und zu respektieren: bei der Planung (insbesondere bei komplexen Lernvorhaben), bei der Unterrichtsgestaltung selbst und bei der kritischen Begleitung und Reflexion didaktischer Prozesse. Der dialogische Charakter des Unterrichts schließt auch das Gespräch von Lehrenden und Lernenden über Inhalte, Methoden, Organisationsformen und Resultate des Unterrichts ein. Es geht also, kurz gesagt. um eine zunehmende Bewusstheit und kritische Verantwortlichkeit von Lehrenden und Lernenden für den Unterricht als einer Sache, die nicht für Schüler veranstaltet, sondern mit ihnen gestaltet wird.“ (JANK/MEYER, 2002, S. 258, zit. n. Klingberg 1990. S. 78; Hervorh. im Orig.)
35. Hilfestellung zum methodischen Handeln in Bezug auf Lehr-Lern-Prozess-Mitentscheidung, -Mitgestaltung, -Mitverantwortung! Der Lehrende muss lernendenaktivierende Methoden einsetzen, d. h.: subjekt- und handlungsorientiert und lernendenzentriert!
Der Lehrende muss sich Methoden überlegen, die den individuellen Aneignungsprozess der Lernenden unterstützen.
Der Lehrende muss sich Methoden überlegen, mit denen sich die Lernenden den zu vermittelnden Inhalt über die Lösung der Aufgaben zur Zielerreichung für sich signifikant erschließen können und zugleich dafür aufgeschlossen werden.
Der Lehrende muss die Handlungen innerhalb des Lehr-Lern-Prozesses so gestalten und planen, dass die Lernenden darüber die nötigen Methoden-, Handlungs- und Reflexionskompetenzen erwerben können, die wiederum für eine Beteiligung der Lernenden am Gesamtprozess vonnöten sind.
36. e) Reflexion Um eine Lehr-Lern-Einheit pädagogisch verantwortbar durchzuführen, muss am Ende eine Reflexion stehen, die wiederum als Ausgangslage für eine neuerliche Planung steht. Hierfür wird eine Reflexionskompetenz benötigt, die sich wiederum in drei Teilkompetenzen aufgliedern lässt:
37. Fachkompetenz: bezeichnet die Fähigkeit, Themenstellungen und Aufgaben fachwissenschaftlich zu fundieren und über das notwendige fachliche Können praktisch zu verfügen
Analysekompetenz: bezeichnet die Fähigkeit, Lehr-Lern-Prozesse auszuwerten und neue Lehr-Lern-Einheiten vorzubereiten und zu planen und im Vorhinein kritisch auf ihre Voraussetzungen und Konsequenzen zu durchdenken.
Planungskompetenz: bezeichnet die Fähigkeit, neue Lehr-Lern-Situationen zu entwerfen und vorzubereiten. Die besondere Befähigung liegt darin, einerseits solide zu planen und andererseits während der Aktion so offen zu sein und die Einheit so offen zu halten, um flexibel reagieren zu können und offen zu sein für die Interessen und Ideen der Lernenden. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 163)
38. Um einen Lehr-Lern-Prozess anschließend konkret auswerten zu können, muss sich die Reflexion an der zuvor durchgeführten Planung ausrichten.
Basis hierfür sind zum einen die tatsächlich kleingearbeiteten Ziele (Lernziele) aller Beteiligten in Bezug auf die konkret methodisch umgesetzten Inhalte der Lehr-Lern-Einheit.
Da all diese Bereich interdependent zusammenhängen sollten sie explizit aufgeführt werden, um sich der Zusammenhänge bewusst zu werden und eine Grundlage für eine neuerliche Planung zu erhalten, die diese Transparenz in bezug auf eine Gesamtplanung darstellen.
Im positivsten Fall sind alle drei Bereiche (Ziele, Inhalte, Methoden) gemeinsam mit den Lernenden vereinbart worden und somit auch Kriterien zur Reflexion dafür in der gemeinsamen Planung aufgestellt worden. Wenn nicht, dann sollte sich zumindest die pädagogisch tätige Person diese Kriterien schon in der Planung mit berücksichtigt und aufgestellt haben.
Darüber hinaus ist es letztlich immer auch noch notwendig – unabhängig vom konkreten Verlauf der Lehr-Lern-Einheit – sich als Lehrender über die eigene Lehrendenrolle, die man innerhalb des Prozesses wahrgenommen hat, bewusst zu werden. Hierfür ist eine wiederum an konkreten Kriterien aufgestellte Reflexion zu planen und durchzuführen.
39. Hilfestellung zur Reflexion Kriterien zur Reflexion werden schon in der Planung aufgestellt.
Kriterien zur Reflexion richten sich an den konkret geplanten Zielen, Inhalten und Methoden und wollen überprüfen, ob diese erreicht wurden (Beachte: Auch die Methodenkompetenz kann zum Inhalt dazu gezählt werden und muss dann entsprechend mitreflektiert werden!).
Eine Reflexion muss wiederum methodisch geplant sein (Reflexionsmethode: Wie will ich überprüfen, ob ich die geplanten Ziele, Inhalte erreicht habe und die für die Erreichung eingesetzten Methoden sinnvoll waren? Konkrete Hinweise, welche Reflexionsmethode sich für die Zielgruppe eignet, können aus der Bedingungsanalyse abgeleitet werden).
In eine Reflexion gehört auch immer die kritische Selbstüberprüfung der eigenen Lehrendenrolle (z.B. Moderator, Berater, Helfer für selbstorganisierte Lernprozesse der Lernenden). Auch hierfür werden die Kriterien und die Methode zur Überprüfung dessen schon in der Planung aufgestellt.
40. Bildungsbegriff/Bildungstheorien – Wie entstehen die konkreten Inhalte? Wir halten fest: Erst durch die Frage nach der Zugänglichkeit und Signifikanz für die Lernenden werden aus den von der lehrenden Person problemorientiert aufbereiteten Sachzusammenhängen die Themen und Inhalte des Lehr-Lern-Prozesses (Bildungsbegriff zur Analyse der Bildungsin- und gehalte!). In diesem Zusammenhang verknüpft sich beim Begriff der Zugänglichkeit die Inhaltsfrage mit der Frage nach den Zielen und Methoden des Lehr-Lern-Prozesses.
41. Materiale, formale und kategoriale Bildung Die Lernprozessplanung lässt sich also von den übergeordneten Zielen ableiten, die wiederum in einem Bildungsbegriff ihre Begründung erfahren. Dieser Bildungsbegriff kann von unterschiedlichsten Bildungsformaten oder –definitionen bzw. –theorien hergeleitet werden.
42. Materiale Bildungstheorien gehen von der jeweils in Frage stehenden ‚Sache‘ aus. Sie fragen, welche Sachverhalte aus der vielfältigen Wirklichkeit so wertvoll und wichtig sind, dass Lernenden sie lernen bzw. erfahren sollen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 212)
43. Formale Bildungstheorien gehen von den zu erziehenden Personen (Lernenden) und ihren (vermuteten) subjektiven und/oder objektiven Bedürfnissen aus. Sie fragen, welche Verhalten und welche Handlungsformen für sie gegenwärtig und zukünftig wichtig sein könnten. Sie beschreiben einen Satz von Methoden und Kompetenzen, die die Menschen brauchen, um in der Welt, in der wie leben, handlungs- und entwicklungsfähig zu werden und zu bleiben. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 213)
45. Kategoriale Bildung heißt bei Klafki die Synthese aus materialer und formaler Bildung als Integrationsversuch und Bildung wird in diesem Verständnis beschrieben als ‚Erschlossensein einer dinglichen und geistigen Wirklichkeit für einen Menschen – das ist der objektive und materiale Aspekt; das heißt aber zugleich auch: Erschlossensein dieses Menschen für diese seine Wirklichkeit – das ist der subjektive oder formale Aspekt‘. (JANK/MEYER, 2002, S. 216)
Kategoriale Bildung ist der Versuch, die objektbezogene (materiale) Seite von Bildungsprozessen mit der subjektbezogenen (formalen) Seite dialektisch zu verschränken. (JANK/MEYER, 2002, S. 217)
46. Klafki gelangt so zu einer im Kern dialektischen Bestimmung „Bildung ist kategoriale Bildung in dem Doppelsinn, dass sich dem Menschen eine Wirklichkeit ‚kategorial’ erschlossen hat und dass eben damit er selbst – dank der selbstvollzogenen ‚kategorialen’ Einsichten, Erfahrungen, Erlebnisse – für diese Wirklichkeit erschlossen worden ist.“ (JANK/MEYER, 2002, S. 216f. zit. n. KLAFKI, 1963 a, S.44)
47. Das ‚Elementare‘, das ‚Fundamentale‘ und das ‚Exemplarische‘ Um nun aus den Inhalten die Gehalte heraus zu arbeiten, ging es zunächst darum, aus den Inhalten, das „Elementare, das Fundamentale und das Exemplarische“ herauszulösen:
Elementar ist, was am besonderen Fall bzw. Beispiel ein dahinter liegendes allgemeines Prinzip erfahrbar gemacht wird.
Fundamental sind Erfahrungen, in denen grundlegende Einsichten auf prägnante Weise gewonnen werden.
Inhalte dürfen insofern pädagogisch-exemplarisch heißen, als sie Fundamentales oder Elementares aufzuschließen vermögen. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 220; vgl. zit. n. zit. n. KLAFKI, 1957, S. 421 u. 1961, S. 191)
48. Gegenwartsbedeutung und der Zukunftsbedeutung des Themas In Bezug auf die „Struktur des Inhaltes“ ist es deshalb wichtig, die Frage nach der Gegenwartsbedeutung und der Zukunftsbedeutung des Themas zu stellen; in Bezug auf die Gegenwartsbedeutung in besonderer Weise fokussiert auf die aktuellen, subjektiven Bedürfnisse, Interessen und Erfahrungen der Lernenden wie auch auf die pädagogisch begründbaren Lehrabsichten des Lehrenden. (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 224f.)
49. Schlüsselprobleme In Klafkis Weiterentwicklung seiner Bildungstheoretischen Didaktik zur Kritisch-Konstruktiven Didaktik entwirft er das „Konzept“ der Schlüsselprobleme. Hierin sieht er eine Antwort auf den Gegensatz zwischen zu stark einseitig betonten materialen und formalen Bildungsansätzen:
„Schlüsselprobleme bestimmen weder einen Inhaltskanon noch allgemein, von Inhalten abgelöste Kompetenzen, sondern stehen zwischen materialen und formalen bildungstheoretischen Aspekten und greifen auf beide hinüber: Zu Problemen werden sie nur an bestimmten Inhalten und ihre Lösung erfordert den Erwerb bestimmter Kompetenzen.“ (JANK/MEYER, 2002, S. 233)
50. Schlüsselprobleme Schlüsselprobleme benennen grundlegende Probleme der Menschen und der Gesellschaft in einer bestimmten Epoche als konkreten, für den […] (Lehr-Lern-Prozess) verbindlichen Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens werden die Entscheidungen über die Themen, Gegenstände und Verfahren in die Hände der Lehrer und Schüler gelegt. Dies entspricht zugleich den grundlegenden Zielen der Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit […]. (JANK/MEYER, 2002, S. 233 vgl. zit. n. KLAFKI 1985 b, S.77)
51. Epochaltypische Schlüsselprobleme Epochaltypische Schlüsselprobleme sieht Klafki für unserer derzeitige Gesellschaft vor allem in der Friedensfrage, Interkulturalität, Umweltproblem, gesellschaftlich produzierte Ungleichheiten (zwischen sozialen Schichten und Klassen, zwischen den Geschlechtern, zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen, zwischen Einheimischen und Migranten, zwischen Menschen mit Arbeit und Menschen ohne Arbeit), das Verhältnis der entwickelten Industriegesellschaften zu den so genannten Entwicklungsländern, Gefahren und Möglichkeiten der neuen technischen Steuerungs-, Kommunikations- und Informationsmedien im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Produktionssystems und Auswirkungen auf z.B. arbeitsplatzbezogene Systeme usw., menschliche Sexualität und das Verhältnis der Geschlechter zueinander bzw. gleichgeschlechtliche Beziehungen (vgl. JANK/MEYER, 2002, S. 232f.)
Hierüber gelangt zum Erwerb der heute immer wieder geforderten Schlüsselqualifikationen: