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Sterben und Selbstbestimmung – ein Paradoxon?

Sterben und Selbstbestimmung – ein Paradoxon?. Vortrag von Peter Godzik beim Palliativ-Netzwerk Angeln am 28. September 2011. Das Paradox. Hospizarbeit stärkt die Selbstbestimmung: Der sterbende Mensch steht im Mittelpunkt.

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Sterben und Selbstbestimmung – ein Paradoxon?

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Presentation Transcript


  1. Sterben und Selbstbestimmung – ein Paradoxon? Vortrag von Peter Godzik beim Palliativ-Netzwerk Angeln am 28. September 2011

  2. Das Paradox • Hospizarbeit stärkt die Selbstbestimmung: Der sterbende Mensch steht im Mittelpunkt. • Sterben heißt sich hingeben: Im Sterben hört die Selbstbestimmung auf.

  3. Bibelzitat • Wahrlich, wahrlich ich sage dir: Da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. (Johannes 21,18)

  4. Die Anderen • Angehörige • Freunde • Ärzte • Pflegende • Begleitende

  5. Das Dilemma zwischen Selbstbestimmung und Selbsthingabe erläutert an zwei Beispielen: • Patientenverfügung • Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit

  6. Patientenverfügung Das Problemfeld vor der gesetzl. Regelung Zur Sache • Reichweite • Kasuistik • Aktualität • Willensänderung • Beratung • Beglaubigung • Hinterlegung Zur Person • Arzt • Angehöriger • Notar • Bevollmächtigter • Betreuer

  7. Klaus Dörner 2000 • In der Frage der Patientenverfügung bin ich der Meinung, dass dieser Weg der falsche ist. • Selbstverständlich gelten auch noch am Lebensende Wünsche, aber die Bedeutung von Wünschen tritt immer mehr zurück. • Zum Arzt: „Ich gebe mich in Ihre Hände und wie Sie es für richtig halten, so wollen wir es machen – und nicht, wie ich es für richtig halte!“ • Die Patientenverfügung zerstört den Hospizgedanken! • Ich würde das Vorlegen einer Patientenverfügung als einen völlig unangemessenen Fremdkörper empfinden, der die Beziehung zwischen dem, der im Sterben liegt und mir als Begleiter stört, weil er die Ernsthaftigkeit dieser existentiellen Sterbebegleitung lächerlich macht. • Nicht nur Ärzte, sondern auch die im Hospizteam Tätigen sind eher zu ermutigen, diese schwierige Grauzone nicht unter der Angst der Absicherung zu entwürdigen.

  8. Patientenverfügung 2009 Zur Sache • Keine Reichweiten-beschränkung • Keine ausgefeilte Kasuistik • Keine regelmäßige Erneuerung • Keine Beratung • Keine Beglaubigung • Keine Hinterlegung • Einfache Schriftform • Jederzeit widerrufbar • Mutmaßlicher Wille gleichrangig Zur Person • Betreuer • Bevollmächtigter

  9. Thomas Rentsch 2010 • Aus ethischer Sicht stellt die Patientenverfügung ein Pro-blem dar, denn sie wird vielfach geradezu als Patentlösung angesehen. • Dabei wird nicht genügend beachtet, dass eine Möglichkeit der Vorwegnahme des eigenen Umgangs mit neuen Krisen-situationen besonders störanfällig bleibt. • Falsch ist es aus ethischer Sicht, das Angewiesensein eines Menschen auf Hilfe mit sinnlosem Leben, mit Aussichts-losigkeit gleichzusetzen. • Ebenso falsch ist es zu glauben, das Leben sei nur sinnvoll ohne Angewiesenheit auf Andere. Falsch ist ein ethisches Verständnis guten Lebens, das die Abhängigkeit von anderen als Katastrophe sieht. • Mit dem Bioethiker Giovanni Maio kritisiere ich eine solche „ichbezogene Unabhängigkeitsideologie“, hinter der sich auf prekäre Weise eine „verschleierte Verachtung schwerkranken und behinderten Lebens“ verbirgt.

  10. Thomas Rentsch 2010 • Diese ichbezogene Unabhängigkeitsideologie verkennt auch wiederum die soziale, kommuni-kative, interpersonale Situation des Menschen. • Die Breitenwirksamkeit der Patientenverfügung als Problemlösung ist mit Maio auch „Ausdruck einer verlorengegangenen Kultur des Sterbens“: • „Der moderne Mensch ist kein Mensch der Zuversicht, sondern ein Mensch der Angst, der alles kontrollieren möchte und zugleich mit Bangen erahnt, dass dies nicht möglich ist.“ • Es ist darum besonders wichtig, die Haltung der Gelassenheit beim Sterbenden zu stärken, die Illusion der Kontrollierbarkeit und allumfassenden Verfügbarkeit als Illusion bewusst zu machen.

  11. Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) • Mark & Dan Jury, Gramp 1976/1982 • Johann Christoph Student 2002 • Chabot Boudewijn & Christian Walther 2011

  12. Gramp 1976/1982 • „Am 11. Februar 1974 nahm der einundacht-zigjährige Frank Tugend – geistig zweifellos verwirrt, körperlich jedoch völlig gesund – sein künstliches Gebiß aus dem Mund und erklärte, daß er nichts mehr essen oder trinken wolle. Er starb drei Wochen später, auf den Tag genau.“

  13. Gramp 1976/1982

  14. Gramp 1976/1982 • Beeindruckend: Menschen waren bereit, dem Sterben bewusst ins Auge zu blicken und das Unvermeidliche würdevoll und in gegenseitiger Achtung zu gestalten. • Unterschied zur Situation in Deutschland: der Arzt war zwar regelmäßig anwesend, aber es fehlte der „Tropf“. Der freiwillige Verzicht von Nahrung und Flüssigkeit bei „Gramp“ wurde von allen Beteiligten akzeptiert. • Dehydratation im Sterbeprozess ist ein natürlicher Vorgang, der körpereigene Endorphine freisetzt und die Patienten weitgehend schmerzfrei und zunächst bewusstseinsklar hält, bis schließlich Schläfrigkeit einsetzt und dadurch ein friedliches Sterben im Tiefschlaf ermöglicht wird.

  15. Johann Christoph Student 2002 • Das Reduzieren und schließlich Beenden der Nahrungs-zufuhr bei einem Schwerkranken wird insbesondere von den Angehörigen durchaus mit Sorge gesehen. Dennoch ist es in den meisten Fällen, in denen dies bei einem terminal kranken Menschen von diesem selbst eingeleitet wird, möglich, bei Angehörigen Verständnis für dieses Verhalten als einem allmählichen Rückzug aus dem Leben zu erkennen. Auch bei Ärzten und Pflegern wird diese Situation offenbar in den meisten Fällen toleriert. • Anders sieht es bei der Flüssigkeitszufuhr aus. Das deutliche Reduzieren oder gar Beenden des Trinkens bei einem terminal kranken Menschen löst häufig bei den Angehörigen geradezu Panik aus und wird auch von den beruflich Helfenden (Ärzten wie Pflegenden) mit großer Besorgnis wahrgenommen. Da tauchen insbesondere Bilder der Durstqualen von Wüstenreisenden auf, die unter sengender Sonne ihr Leben beenden müssen.

  16. Johann Christoph Student 2002 • Nach allem, was an physiologischen Unter-suchungen zu diesem Fragenkomplex bekannt ist, bewirkt die mit der Austrocknung einhergehende Elektrolyt-Verschiebung in der Regel auch, daß die Schmerzschwelle eher angehoben wird und damit auf diese Weise sogar eine gewisse Schmerz-stillung erreicht werden kann. • Hinzu kommt, daß durch die Austrocknung die perifokalen Ödeme von Tumoren oder minder durchbluteten Arealen verringert werden und auf diese Weise Druckerscheinungen (auch Hirn-druck) entgegengewirkt wird. Auch dies trägt dazu bei, daß die Patientin bzw. der Patient sich eher wohler fühlen wird.

  17. Johann Christoph Student 2002 • Die einzig unangenehmen Begleiterscheinungen der Austrocknung sind die Trockenheitsgefühle im Bereich der Schleimhäute. Deshalb sollten möglichst all jene Medikamente abgesetzt werden, die die Mundtrockenheit verstärken können. (Hierzu gehören z.B. eine ganze Reihe von Psychopharmaka.) • Vor allem ist es wichtig, daß die Patientin bzw. der Patient in der Phase der Austrocknung ganz besonders intensive Pflege erfährt. • Hierzu gehört in erster Linie eine sorgfältige und sehr häufige Mundpflege, ggf. das Angebot, den Mund wiederholt zu spülen, das Lutschen von Eisstückchen, sofern das als angenehm empfunden wird, Einbringen von 1-2 ml Wasser alle 30-60 Minuten in die abhängige Partie des Mundes und ähnliches.

  18. Johann Christoph Student 2002 • Insgesamt läßt sich sagen, daß die Richtschnur für die Entscheidung, ob eine forcierte Flüssigkeits-zufuhr in der letzten Lebensphase erfolgen soll oder nicht, im ausdrücklichen Willen des sterbenden Menschen liegt. • Seine Wünsche zu achten, auch wenn uns dies unbequem erscheint, sichert ihm im Sterben seine Würde. • Das Austrocknen eines Patienten in diesem Zusammenhang zuzulassen, erfordert ein hohes Maß an pflegerischem Können und einen besonders sensiblen Umgang mit den Angehörigen.

  19. Fazit • Interessant ist für mich neben all den medizi-nischen und pflegerischen Einzelheiten, die es beim freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit am Lebensende zu beachten gilt, die grundsätzliche geschichtliche und philo-sophische Erkenntnis: • Willentliche Verweigerung ausreichender Flüssigkeitsmengen durch die Patientin bzw. den Patienten am Lebensende im Rahmen einer tödlichen Krankheit gehörte in früheren Zeiten zum üblichen Sterberitual und war Teil der „Kunst des Sterbens“.

  20. Fazit • Das hat auch damit zu tun, dass sich nun die Interessen des sterbenden Menschen nicht mehr „nach hinten“ in sein bisheriges Leben richten, sondern „nach vorn“ ausgerichtet sind auf das erhoffte Kommende in Gestalt seines religiösen Glaubens. • Immer weiter essen und trinken und also am Leben bleiben zu wollen, verträgt sich nicht mit dem Sterben, das ein Loslassen alles Irdischen ist. Paulus hat davon gesprochen, dass der äußere Mensch abnimmt, während der innere wächst (2. Korinther 4,16).

  21. Chabot/Walther 2011 • Ausweg am Lebensende. Selbstbestimmtes Sterben durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken. Mit einem Geleitwort von Dieter Birnbacher, München/ Basel: Ernst Reinhardt Verlag 22011 • Dr. med. BoudewijnChabot, PhD, ist Psychiater und Sozialwissenschaftler in Haarlem, Niederlande • Dr. rer. nat. Christian Walther ist emeritierter Neurobiologe und arbeitete am Physiologischen Institut der Universität Marburg. • Ihrem gemeinsamen Buch hat der Professor für Praktische Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Dieter Birnbacher ein Geleitwort gewidmet.

  22. Vorwort Birnbacher 2011 • Der in diesem Buch beschriebene Weg des selbstbestimmten Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit … ist kein leichter und bequemer Weg. Er wird nur teilweise den Erwartungen gerecht, die viele mit der Wunschvorstellung eines sanften und würdigen Todes verbinden. Aber dieser … Weg scheint wie kein anderer geeignet, das bei vielen älteren Menschen vor-handene Autonomiebedürfnis mit den Vorbehalten der Ärzte und der Gesellschaft gegen eine aktive Mitwirkung am Tod eines Menschen zu versöhnen. • Auf der einen Seite eröffnet es dem Einzelnen die Möglichkeit, sich ein Stück weit der Naturverfallenheit seiner körperlichen Existenz zu entziehen und sein Lebensende – in den Grenzen des nach den Umständen Möglichen – in die eigene Hand zu nehmen. • Auf der anderen Seite erspart es ihm selbst und anderen eine gewaltsame oder in anderer Weise ausgeprägt aktive Mit-wirkung an dem zum Tode führenden Geschehen.

  23. Vorwort Birnbacher 2011 • Es überbrückt in gewisser Weise die Kluft, die in unserem Kulturbereich seit alters zwischen der spätantiken und der christlichen Auffassung vom guten Sterben bestand: zwischen dem Ideal einer rational-selbstbewussten Gestaltung des Lebens und Sterbens, die so wenig wie möglich dem Schicksal überlässt, und dem Ideal einer demütig hinnehmenden Haltung dem Leben und Sterben gegenüber, die das Lebensende vertrauensvoll in Gottes Hände legt. • In der Tradition der philosophischen Auseinandersetzung mit Sterben und Tod ist wohl Schopenhauer diesem Weg am nächsten gekommen. Schopenhauer kritisiert an den gewöhnlichen Formen der Lebensbeendigung aus eigenem Willen, dass sie angesichts der mit ihnen verbundenen Gewaltsamkeit in keiner Weise mit dem von ihm vertretenen Ideal einer „Selbstverneinung des Willens“ vereinbar sind. Nur den „aus dem höchsten Grade der Askese freiwillig gewählten Hungertod“ nimmt er von diesem Urteil aus.

  24. Peter Godzik 2011

  25. Peter Godzik 2011

  26. Peter Godzik 2011 • Trauernden nahe sein. Ein Lern- und Lebensweg, Rosengarten b. Hamburg: Steinmann 2011.

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