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Sozialverhalten und schulische Leistung. Soziale Aspekte sind nicht nur Ziele, sondern auch Mittel von Erziehung und Unterricht. . Rahmenmodell zur Strukturierung pädagogisch bedeutsamer Sachverhalte des Sozialverhaltens. Frühere Entwicklungsbedingungen ↓
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Soziale Aspekte sind nicht nur Ziele, sondern auch Mittel von Erziehung und Unterricht.
Rahmenmodell zur Strukturierung pädagogisch bedeutsamer Sachverhalte des Sozialverhaltens • Frühere Entwicklungsbedingungen • ↓ • Personale Bedingungen anti- und prosozialen Verhaltens • Situative (lokale) Bedingungen • Situative (globale) Bedingungen • ↓ • Sozialverhalten • ↓ • Soziale Folgen des Interaktionsverhaltens (z.B. Beliebtheit bei Mitschülern, Kollegen etc.) • Kognitive Folgen des Interaktionsverhaltens (z.B. Lernerfolg, intellektuelle Entwicklung)
Das Konstrukt der sozialen Kompetenz • Kompetentes Sozialverhalten besteht aus jenen Verhaltensweisen, mit deren Hilfe eine Person ihre Wünsche und Ziele in der Interaktion mit anderen zum Ausdruck bringt und so vertritt, dass sowohl die eigenen Bedürfnisse als auch die der anderen sowie die Normen der Gesellschaft Berücksichtigung finden (vgl. Asendorpf, 1999).
Sozial abweichendes Verhalten • In aggressivem Verhalten werden vor allem die eigenen Ziele verfolgt. • Schüchtern-ängstliches Verhalten zeichnet sich dagegen durch Überkontrolliertheit und soziales Gehemmtsein aus. Die Betroffenen gehen Probleme in sozialen Interaktionen durch Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse an. • Aggression und Rückzug sind gegenläufige problematische Formen der Bewältigung sozialer Anforderungen.
Sozial kompetentes Verhalten • Sozial kompetentes Verhalten ist kaum als Persönlichkeitsvariable zu konzipieren, da eine Abgrenzung dieses Konstrukts von der Intelligenz oder der Extraversion nicht möglich (Asendorpf, 1999). • Zudem handelt es sich nicht um ein situationsübergreifendes Persönlichkeitsmerkmal (Hinsch & Pfingsten, 2002).
Ansatz der sozialen Informationsverarbeitung (Crick & Dodge, 1994) • Interpretation der sozialen Situation. • Generierung von Handlungsalternativen. • Auswahl einer geeigneten Handlungs-alternative sowie ihre Planung und Ausführung. • Kritisch-reflexive Bewertung der Folgen der gewählten Handlung.
Ansatz der sozial-kognitive Teilfähigkeiten • Personwahrnehmung (Vielfalt der Eigenschaften des anderen sehen können) • Affektive Empathie (Gefühle des anderen nacherleben zu können) • Kognitive Empathie (Perspektivenübernahme) • Fähigkeit zur Koordination eigener und fremder Perspektiven.
Sozialverhalten und Lernen • Beliebtheit und schulische Entwicklung • Aggressivität und schulische Entwicklung • Sozialkompetenz als vermittelnde Größe
Beliebtheit und schulische Entwicklung • Meinungsführer und gut integrierte Kinder durchschnittlich bessere Noten als unbeliebte oder auch als wenig beachtete Kinder (Oswald & Krapp, 1995). • Wie könnte man diesen Zusammenhang begründen?
Begründung: zirkulärer Prozess • Wer Anforderungen leichter nachkommen kann, ist bei den Mitschülern meist beliebter, erhält mehr positive Zuwendung, schätzt sich deshalb selbst positiver ein und traut sich auch mehr zu. Daher stellt er häufig höhere Ansprüche an sich, und wenn er sie erfüllt, erfährt er erneut eine gesteigerte Anerkennung seitens der Gleichaltrigen.
Aggressivität und schulische Entwicklung • Kinder, die sozial auffällig sind und von ihren Klassenkameraden abgelehnt werden, weisen in der Regel schlechtere Schulleistungen auf. Sie sind in ihrer weiteren schulischen und beruflichen Laufbahn gefährdet (Fend, 1998).
Aggressivität und schulische Entwicklung • Caspi, Elder & Bem (Längsschnittstudie, 1987) bezeichnen aggressive und antisoziale Verhaltensweisen als Schlüssel für eine „abwärts gerichtete“ Entwicklung, die mit schulischen Leistungsproblemen bis hin zum Schulversagen und diversen emotionalen Problemen beginnt und sich im Erwachsenenalter fortsetzt (unsichere Arbeitsverhältnisse, Partnerschaftsprobleme, Umgang mit den eigenen Kindern).
Vermittlungsmechanismen zwischen sozialem Verhalten und Lernleistung • Intelligenz als Drittvariable: Sie ist eine wesentliche Bedingung für schulischen und beruflichen Erfolg, aber auch für soziale Kompetenzen. • So ist die Anzahl von Freunden und die Beliebtheit von Schülern positiv korreliert mit speziellen sozialen Kompetenzen (z.B. sozial-kognitive und kommunikativen Fähigkeiten, sozialen Konfliktlöse-Strategien, Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Handlungsimpulse).
Vermittlungsmechanismen zwischen sozialem Verhalten und Lernleistung • Spezialfall: Schüler im Jugendalter, die sich an Verhaltensnormen Gleichaltriger orientieren, welche eine Abwertung schulischen Engagements und eine innere Distanzierung von äußeren Anforderungen beinhalten. • Betont desinteressiertes Verhalten bis hin zur Leistungsverweigerung wird von den Freunden durch Anerkennung verstärkt. (Wentzel, 2002).
Vermittlungsmechanismen zwischen sozialem Verhalten und Lernleistung • Nach Pelkner und Boehnke (2003) werden viele Mitschüler als „Streber“ bezeichnet. Hier findet innerhalb der Gleichaltrigengruppe eine Abwertung von Leistung statt, die sich in der Interaktion als Norm manifestiert. • Die EingebundenheitinPeergroups, die abweichendes Verhalten zeigen, erweist sich oft als leistungshemmend.
Bedingungen sozialer Kompetenzen • Erziehung und soziale Entwicklung • Erziehung und moralische Entwicklung • Ressourcen der Familie • Genetische Faktoren • Bedeutung der Gleichaltrigenbeziehung • Gewalt von Lehrern • Strukturelle Bedingungen von Gewalt • Schulleistung und aggressives Verhalten
Erziehung und soziale Entwicklung • Ein Mangel an Responsivität begünstigt unsichere Bindung. • Von der Sicherheit der Bindung hängt es ab, ob sich eher aggressive oder eher prosoziale Wertorientierungen und Verhaltensweisen entwickeln. • Nach Cohn (1990) beeinflusst der Bindungsstil den späteren Umgang mit Freunden und die Zufriedenheit mit den sozialen Beziehungen in der Schule.
Erziehung und soziale Entwicklung • Heute geht man davon aus, dass das Bindungsschema in Abhängigkeit von äußeren Lebensumständen auch im Verlauf der späteren Entwicklung modifizierbar ist (Weinfield, Sroufe & Egeland, 2000).
Erziehung und soziale Entwicklung • Im Kindes- und Jugendalter wird zunehmend wichtiger, ob Heranwachsenden die Möglichkeit gegeben wird, ihre Gefühle adäquat auszudrücken und gegebenenfalls zu reflektieren.
Erziehung und moralische Entwicklung • Ziele im Bereich der Moralerziehung werden am ehesten dann erreicht, wenn Kinder die Vorzüge von Einfühlungsvermögen, Verständnis und Toleranz am eigenen Leib erfahren. • Ein induktiver Erziehungsstil begünstigt die Internalisierung sozialer Normen. • Induktiv erziehen Eltern dann, wenn sie ihre Gebote und Verbote begründen und dabei insbesondere auf die Folgen der betreffenden Handlung für sich selbst und für andere Personen aufmerksam machen (Petermann, 1995).
Erziehung und moralische Entwicklung • Wärme und soziale Eingebundenheit in der Eltern-Kind-Beziehung sowie Eltern, die sozial kompetentes Verhalten vorleben (modellieren) fördern die sozio-moralische Entwicklung. • Liebesentzug als Disziplinierungsmittel fördert eine rigide moralischen Haltung und ängstliches Vermeidung von Verantwortung.
Ressourcen der Familie • Mütter mit vielfältigen und vertrauensvollen sozialen Kontakten genießen das Zusammensein mit ihren Kindern mehr, nehmen sich in ihren Erziehungsbemühungen als erfolgreicher wahr und reagieren angemessener auf Erziehungsprobleme als Mütter, die nur einen sehr eingeschränkten Bekanntenkreis haben (vgl. Melson, Ladd & Hsu, 1993). • Wie könnte man diesen Effekt erklären?
Ressourcen der Familie • Reichhaltige soziale Kontakte der Eltern können durch Unterstützung gegebenenfalls negative Auswirkungen schwieriger Lebenslagen (z.B. Arbeitslosigkeit) abmildern. • Das Kontaktnetz der Eltern ermöglicht Kindern die Gelegenheit zum Umgang mit anderen Erwachsenen, die durch ihren Vorbildcharakter die Ausgestaltung kindlicher Freundschaftsbeziehungen beeinflussen (Modelllernen).
Genetische Faktoren • Interindividuelle Unterschiede im prosozialen und aggressiven Verhalten sind schon im Vorschulalter klar erkennbar und bleiben bis ins Erwachsenenalter relativ stabil (Eisenberg et al., 1995) • Eineiige Zwillinge ähneln sich in ihrer Aggressionsneigung stärker als zweieiige Zwillinge (Plomin et al., 1990).
Genetische Faktoren • Auch vervierfacht sich das Risiko für Adoptivkinder, kriminell zu werden, wenn die leiblichen Eltern – nicht aber die Adoptiveltern – kriminell geworden sind (Bohmann, 1996).
Bedeutung der Gleichaltrigenbeziehung aus strukturgenetischer Sicht • Strukturgenetiker: Interaktionserfahrungen mit Gleichaltrigen sind wichtig für den Aufbau sozialer und intellektueller Fähigkeiten. • Begründung: Symmetrische Struktur der Beziehungen zu Gleichaltrigen.
Bedeutung der Gleichaltrigenbeziehung aus strukturgenetischer Sicht • Symmetrische Struktur der Beziehungen zu Gleichaltrigen: Da die Interaktionssituationen und Rollen hier noch wenig vorstrukturiert sind, müssen Heranwachsende ihre Beziehungen selbst gestalten und aushandeln. • Konsequenz: Sie werden ständig mit neuen Problemen konfrontiert, die (kognitive) Konflikte auslösen können und damit Impulse zur Weiterentwicklung sozial-kognitiver Fähigkeiten geben.
Bedeutung der Gleichaltrigenbeziehung aus kontextualistischer Sicht • Kontextualistischer Ansatz Wygotskis (1978): Entwicklung ist ein natürliches Hineinwachsen in die vorgefundenen kulturellen Überzeugungs- und Denkmuster. • Demnach sollten Kinder vor allem von Interaktionen mit erwachsenen Partnern profitieren. Diese seien zudem eher in der Lage, gezielt individuelle Lernprozesse in der Zone der proximalen Entwicklung anzustoßen.
Bedeutung der Gleichaltrigenbeziehung • Nach Krappmann sind der strukturgenetische und der kontextualistische Ansatz vereinbar: • Erfahrungen in der Sozialwelt der Gleichaltrigen fördern primär den Aufbau sozialer Kompetenzen und moralischer Urteilsfähigkeit. • Interaktionen mit Erwachsenen wirken eher im kognitiven Bereich und hier vor allem bei der Herausbildung komplexer Fähigkeiten und dem Erwerb kulturspezifisch variierender sozialer Normen und Konventionen.
Bedeutung der Gleichaltrigenbeziehung • Außerdem variiert die Funktion Erwachsener und Gleichaltriger mit dem Alter: Während jüngere Kinder in ihrer sozialen Entwicklung stärker von der Anleitung eines sozial erfahrenen Erwachsenen profitieren, suchen ältere Kinder von sich aus eher den Umgang mit Gleichaltrigen.
Gewalt von Lehrern • Krumm (1999) befragte 3000 Studierende aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, ob sie in ihrer Schulzeit unter Lehrern gelitten hätten. • Mehr als 75% berichten über Bespöttelung oder öffentliche Abwertung durch Lehrer. • 55% berichteten Bloßstellung vor anderen • 52% berichten von Beleidigungen • 51% berichten von Anschreien • 30% waren als „dumm“ hingestellt worden.
Gewalt von Lehrern • Krumm spricht von einem „Machtmissbrauch“ der Lehrer, weil sie Zwang ausüben und hierfür keine guten pädagogischen Gründe anführen können. • Manches aggressive Lehrerverhalten ist allerdings lediglich Reaktion auf Schülergewalt.
Strukturelle Bedingungen von Gewalt • Akiba et al. (2002) verglichen 37 Nationen nach dem Einfluss des Schulsystem auf Schulgewalt. • Ergebnis: In Ländern, in denen das Schulsystem große Leistungsunterschiede zwischen Schülern produziert, wird über mehr Gewalt berichtet. • Auch scheint der Gewaltpegel in Ländern höher zu sein, in denen viele Schüler Nachhilfeunterricht bekommen. • Das Zustandekommen dieser Effekte ist noch ungeklärt.
Strukturelle Bedingungen von Gewalt • Trautwein (2003) vermutet, dass schlechte Leistungen – insbesondere in Wettbewerbssituationen mit hohem Leistungsdruck – zu einem niedrigen Selbstwertgefühl führen. • In dieser Lage verbessere ein Ausüben problematischer Verhaltensweisen das Selbstkonzept (Self-Enhancement-Hypothese).
Strukturelle Bedingungen von Gewalt • Nach Wild et al. (2006) hängt das Ausmaß von Gewalt in Schulen vergleichsweise wenig von institutionellen oder organisatorischen Merkmalen des Schulsystems ab. • Hingegen spielen auf die Person des Lehrers bezogenen Faktoren (z.B. didaktische Kompetenz, Umgang mit Schülern) eine zentrale Rolle.
Schulleistung und aggressives Verhalten • Negativer Zusammenhang zwischen Aggression und guten Schulleistungen. • Mögliche Begründung: schlechte Leistungen führen zu Frustrationen, die über Aggressionen abgeleitet werden. • Mögliche Schlussfolgerung: Wenn es der Schule nicht gelingt, die Leistungen schlechter Schüler zu verbessern, dann produziert sie selbst Gewalt in der Schule.
Schulleistung und aggressives Verhalten • Nach Holtappels (1987) ist die Schule in hohem Maße an der Produktion von Schülerproblemen und unerwünschten Devianzeffekten beteiligt. • Stigmatisierung einzelner Schüler durch (Vor-) Urteile von Lehrer und Klassenkameraden → selektive Sensibilität. • Die als Abweichler stigmatisierten Betroffenen zeigen mehr subjektiven Problembelastung und einer steigenden Normdistanz → erhöhte Wahrscheinlichkeit von (neuen) Normverstößen.
Literatur • Wild, E., Hofer, M. & Pekrun, R. (2006). Psychologie des Lerners. In A. Krapp & B. Weidenmann (Hrsg.), Pädagogische Psychologie (5. Aufl.) (S.203-267). Weinheim: Beltz.