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BM ‚Politische Systeme‘

BM ‚Politische Systeme‘. Typen politischer Systeme. Gliederung der Vorlesung. Was ist Politik? Was ist ein ‚politisches System‘? Warum und wie vergleicht man politische Systeme? Wie läßt sich politische Macht ausüben und bändigen? Welche Arten politischer Systeme gibt es?

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  1. BM ‚Politische Systeme‘ Typen politischer Systeme TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  2. Gliederung der Vorlesung • Was ist Politik? • Was ist ein ‚politisches System‘? • Warum und wie vergleicht man politische Systeme? • Wie läßt sich politische Macht ausüben und bändigen? • Welche Arten politischer Systeme gibt es? • Versuche der Schaffung einer guten politischen Ordnung • Typologie politischer Systeme • Wie wandeln sich politische Systeme? • Welche Strukturen und Funktionen besitzen die zentralen Elemente moderner politischer Systeme? TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  3. Gliederung des Gedankengangs • Nach welchen Gesichtspunkten lassen sich, ausgehend vom Modell des politischem Systems, halbwegs stabile Herrschaftsformen gliedern? • Was sind die zentralen Merkmale, Untertypen und Entstehungsgründe der drei Haupttypen politischer Systeme? • liberaler demokratischer Verfassungsstaat • autoritäre Diktatur • totalitäre Diktatur TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  4. … ist eine ‚Maschine zum Politikmachen‘. also: Politikwissenschaftler = Ingenieure Das politische System Zweck: Herstellung und Durch-setzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen zentrales politisches Entscheidungs-system Forderungen Entscheidungen / Regeln Legitimität Verwaltung Unterstützung Massenmedien Auswirkungen Rückkoppelung Gesellschaft TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  5. Achtung: So komplizierte Systeme sind höchst voraussetzungsreich und arbeiten nicht störungsfrei! Variationen politischer Systeme korrupt, ineffizient unglaubwürdig zentrales politisches Entscheidungs-system zentrales politisches Entscheidungs-system Forderungen Entscheidungen / Regeln Illegitimität Verwaltung Unterstützung Massenmedien = ein sehr weit verbreiteter Zustand politischer Systeme! Auswirkungen Gesellschaft Rückkoppelung Gesellschaft TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt ‚gescheiterte Staaten‘ / ‚failing states‘

  6. Bandbreite systemprägender Spielregeln Pluralismus • Herrschaft • ‚Obrigkeit‘ oder ‚treuhänderische Geschäftsführung‘? • Rechte der Regierten (‚Menschenrechte‘) • ‚vom Staat gewährt‘ oder ‚von Natur aus besessen‘? • Recht • eher ‚Werkzeug‘ oder ‚Schranke‘ von Politik? • Machtausübung der Regierenden • erleichtern oder erschweren? • politische Teilhabewünsche der Bürger • in Schranken weisen oder fördern? • politische Konkurrenten • ausschalten oder ihre Chancen sichern? Monismus TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  7. Arten politischer Systeme Willensbildung (3) liberaler demokratischer Verfassungsstaat • konkurrierend • monopolisiert politischer Gestaltungsanspruch (1) autoritäre Diktatur • begrenzt • unbegrenzt • gewaltenteilend (2) totalitäre Diktatur Herrschaftsstruktur • monistisch TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  8. Der liberale, demokratische Verfassungsstaat Verfassungsstaatlichkeit = Gewaltenteilung • gewaltenteilende Herrschaftsstruktur (‚Verfassungsstaat‘) • konkurrierende politische Willensbildung unter möglicher Einbeziehung aller Bürger ab einem bestimmten Alter (‚demokratisch‘) • (sehr) begrenzter staatlicher Gestaltungs-anspruch, ggf. allein auf Sicherheit im Inneren und nach außen (‚liberal‘) TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  9. Liberalismus • Grundüberzeugung: Menschen sind fähig zu Vernunft und Eigeninitiative. • Leitidee: Es gibt den Staat des Einzelnen willen, nicht den Einzelnen des Staates willen. • Folgerung: Dem Staat sollen – ganz im Sinn des Subsidiaritätsprinzips – nur solche Aufgaben übertragen, welche notwendig sind und die der Einzelne oder die Gesellschaft gerade nicht selbst erfüllen kann. • Ziel: Nicht der schwache, sondern der schlanke, als solcher aber nachhaltig wirkungsvolle Staat! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  10. Leitgedanken eines rein liberalen Staates • Schaffung von Rechtsstaatlichkeit und innerer Sicherheit als Grundlage freier Selbstorganisation rechtsgleicher Einzelner • Gewährleistung von Sicherheit nach außen als Grundlage freier gesellschaftlicher Entfaltung im Inneren Dabei: • dem freien Einzelnen wird sowohl viel zugetraut als auch abverlangt • der Staat soll wirksam, aber schlank sein! (‚Subsidiarität‘) • Leitidee:Offene Gesellschaft mit freiheitlichem Staat TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  11. Seltenheit des liberalendemokratischen Verfassungsstaats rein liberale demokratische Verfassungsstaaten • sind faktisch selten, ... da sie Voraussetzungen brauchen, die schwer zu schaffen und selten gegeben sind! • werden oft auch normativ abgelehnt mit folgenden Argumentationen: • autoritär: „Liberalismus gefährdet die Stabilität und Gestaltungsmacht des Staates!“ • sozialistisch/sozialdemokratisch: „Liberalismus dient nur den Starken und läßt die sozial Schwachen im Stich!“ • material-rechtsstaatlich: „Der Staat soll nicht nur Gehäuse gesellschaftlicher Selbstorganisation sein, sondern vorstaatliche Werte auch bei gesellschaftlichem Desinteresse an ihnen aktiv in Geltung halten und fördern!“ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  12. Unterschiede zwischen demokratischen Verfassungsstaaten • Regierungssystem präsidentiell ↔ semi-präsidentiell / semi-parlamen-tarisch ↔ parlamentarisch ↔ Proporzsystem • Rolle plebiszitärer Elemente rein repräsentative Demokratie ↔ plebiszitär angereicherte repräsentative Demokratie ↔ Referendumsdemokratie • Rolle politischen Streits Konkurrenzdemokratie ↔ Konkordanzdemokratie (‚Neokorporatismus‘) TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  13. ‚Konkordanzdemokratie‘ = normative Vorstellung bzw. Verfassungspraxis, daß Konflikte … nicht entschieden werden sollen durch … • Parteienwettbewerb und Mehrheitsentscheid sondern durch … • Verhandlung, Kompromiß und Proporz TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  14. Erscheinungsformen von Konkordanzdemokratie entstehen in der Regel bei … • Vielparteiensystemen mit einander überlagernden Konfliktlinien • Koalitionsregierungen • ziemlich symmetrischen Zweikammersystemen • Föderalismus bzw. starker Dezentralismus • starker faktischer Politikverflechtung • Konsenskultur in stark zerklüfteten Gesellschaften Erscheinungsformen: • Bildung und Nutzung informeller Netzwerke • Politik wechselseitigen Gebens und Nehmens in Elitenkartellen Kosten/Nutzen-Relation: • Pro: wirksamer Minderheitenschutz, wirkungsvolle Gesellschaftsintegration, nachhaltige Elitenakkommodation • Contra: gewaltige Transaktionskosten, reduzierte Reaktionsleistung des politischen Systems, verringerter Einfluß von öffentlicher Meinung und von Wahlen auf den politischen Prozeß TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  15. (Neo-) Korporatismus Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und gesellschaftlichen Verbänden dergestalt, daß … • Produzenten-/Arbeitgeberinteressen in starken Dachverbänden organisiert sind, • Gewerkschaften eine politische Schlüsselstellung besitzen, • diese Verbände intern hierarchisch strukturiert sind und – innerhalb ihrer funktional differenzierten Zuständigkeit – ein faktisches Repräsentationsmonopol haben, • Parteiensystem und – so ausgestaltetes – Verbändesystem eng miteinander vernetzt sind, • die Beziehungen zwischen Verbänden und Regierung(en) institutionalisiert sind (z.B. ‚konzertierte Aktion‘, ‚Bündnis für …), • die Regierung eine Art Gewährsträgerschaft für die ausgehandelten Ergebnisse übernimmt. d.h.: Bürger werden in ihrer Eigenschaft als Träger spezifischer Interessen kontinuierlich und wirksam, wenn auch in funktionaler Engführung, gegenüber Parlament und Regierung vertreten TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  16. Präsidentielles und parlamentarisches Regierungssystem Präsident parlamentarisches Regierungssystem präsidentiellesRegierungssystem Präsident ‚alter Dualismus‘ ‚neuer Dualismus‘ Regierung Regierung Parlament Parlament Wahlvolk Wahlvolk TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  17. Das semi-präsidentielle bzw. semi-parlamentarische Regierungssystem Präsident bringt ins Amt Regierung bringt ins Amt Parlament Problemzone problembelastete Beziehungen Wahlvolk TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  18. ‚Parlamentarische‘ Problemlösung im semi-präsidentiellen Regierungssystem Präsident bringt ins Amt zieht sich aufeine überparteilicheRolle alsStaatsoberhauptzurück Regierung Parlament bringt ins Amt Präsident ordnet sich unter regierende Parlamentsmehrheit Wahlvolk nur formaler Akt TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  19. ‚super-präsidentielle‘ Problemlösung im semi-präsidentiellen Regierungssystem wird zum dominierenden politischen Akteur Präsident bringt ins Amt Regierung Parlament bringt ins Amt Regierung wird zum ‚Arbeitsstab‘ des Präsidenten Gleichartigkeit von Parlaments- und Präsidentenmehrheit Wahlvolk TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  20. ‚bonapartistische‘ Problemlösung im semi-präsidentiellen Regierungssystem geringe Handlungsfähigkeit Präsident stützt sich auf plebiszitäre Legitimation bringt ins Amt ? Regierung Präsident dominiert bringt ins Amt Parlament wenig handlungsfähiges Parlament instabile Regierung Wahlvolk TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  21. Proporzdemokratie Parteien sind porportional zur Zahl ihrer Parlaments-mandate in der Regierung Regierung weder ‚alter‘ noch ‚neuer‘ Dualismus! Parlament überparteiliches Staatsoberhaupt ohne echt politische Rolle keine Opposition häufig angereichert um plebiszitäre Elemente Wahlvolk TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  22. zpEs Volk zpEs Volk Plebiszitäre Elemente bewahren klare Ketten politischer Verantwortung • Volksgesetzgebung (‚plebiszitäreDemokratie‘): • Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid • kassatives / abrogatives Referendum • Referendumsdemokratie • (obligatorisches) Verfassungs- oder Gesetzesreferendum ( Vorauswirkung) • fakultative Referenden, initiiert von Verfassungsorganen ermöglichen das Versickern politischer Verantwortung TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  23. Systemkonstruktives Potential plebiszitärer Elemente • Responsivitätssteigerung in einer repräsentativen Demokratie • Auflösung von Systemblockaden im Zug horizontaler Gewaltenteilung (z.B. zwischen Bundestag und Bundesrat) • bonapartistisches Überspielen des Parlaments durch das Staatsoberhaupt oder den Regierungschef: ‚größere demokratische Legitimation‘ von Volksentscheiden • Einschränkung von Pluralismus durch Verweis auf den durch Volksabstimmung festgestellten ‚wahren Volkswillen‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  24. Realistische Demokratievorstellung • (Auch) Demokratie ist eine Form der politischen Arbeitsteilung. Es gibt also Regierende undRegierte. Entstehung von Politik • Demokratie besteht, wenn die Regierenden nicht allzu weit oder allzu lange von dem abweichen können, was die Regierten zu akzeptieren bereit sind. Wiederwahlmechanismus • Jeder kann in den Kreis der Regierenden gelangen, falls er sich in der Konkurrenz mit Rechtsgleichen um Zutritt in diesen Kreis durchsetzt. offene Gesellschaft vorzügliche Möglichkeit,Demokratie zu institutionalisieren: TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt Repräsentation, beruhend auf Pluralismus

  25. Konkurrenzdemokratie Voraussetzung: stabiler Werte-, Verfahrens- und Ordnungskonsens; Tradition fairen Streits offene Austragung politischer Konflikte, abgeschlossen mit Mehrheitsentscheidung klare Konkurrenz von Regierung und Opposition Konkordanzdemokratie angebracht in zerstrittenen Gesellschaften ohne belast-bare Tradition gewaltfreien Streits Konflikte werden in lang-wierigen Diskurs- und Aushandlungsprozessen zu Kompromiß- und Paket-lösungen gebracht Elitenkartelle mit Bereichsopposition ‚Kulturtypen‘ von Demokratie Streit möglichst intern gehalten Streit offen ausgetragen TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  26. Die autoritäre Diktatur • keine gewaltenteilende Herrschaftsstruktur (‚Diktatur‘, ‚Willkürherrschaft‘) • (ziemlich) monopolisierte politische Willensbildung ohne Einbeziehung aller Bürger ab einem bestimmten Alter (‚oligarchisch‘) • (ggf. auf die Sicherung der Herrschaft) begrenzter staatlicher Gestaltungsanspruch (‚autoritär‘) TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  27. Autoritäre Diktaturen Grad der Partizipation ‚schwacher‘ Autoritarismus  ‚Sultanismus‘ • Depolitisierung • Mobilisierung Grad der Ideologisierung vielfältige Misch- und Übergangsformen • Mentalitätspflege • Ideologisierung • ‚synarchische‘ Clanherrschaft ‚starker‘ Autoritarismus  Totalitarismus Grad der Machtteilung • durchstrukturierte Ein-Parteien-Herrschaft TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  28. Diktaturen autoritärer Art • Sultanismus(= ressourcenmäßig begrenzte,oft traditional legitimierte persönliche Macht) • militärisch-bürokratische Herrschaft • ‚Ständestaat‘ (alter oder neuer Prägung: Geburtsstände vs. Berufsstände) • vorgeblendeter Pluralismus • Entwicklungsdiktatur • Erziehungsdiktatur schwacher Autoritarismus starkerAutoritarismus TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  29. Warum sind autoritäre Diktaturen so häufig? • wenig anspruchsvolle und darum oft gegebene Voraussetzungen, weil Beschränkung auf Sicherung von Machtstrukturen • von Regierten oft begrüßt als Überwindung nationaler Machtlosigkeit (‚Modernisierungs-diktatur‘), bürgerkriegsartiger Zustände oder von totalitärer Herrschaft • wenig Verlangen nach Alternativen in ‚traditionellen‘ Herrschaftssystemen • gut stabilisierbar durch ‚Zuckerbrot und Peitsche‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  30. Erster Grund: • wenig anspruchsvolle und darum oft gegebene Voraussetzungen, weil Beschränkung auf Sicherung von Machtstrukturen. • Beispiele: • germanische Eroberungsstaaten der Völkerwanderungszeit • ‚Personenverbandsstaaten‘ des Hochmittelalters • viele postkoloniale Staaten des 20. Jhdts., darunter fast ganz Schwarzafrika TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  31. Zweiter Grund: von Regierten oft begrüßt als Überwindung • nationaler Machtlosigkeit(‚Modernisierungsdiktatur‘) • Beispiele: Türkei Attatürks, Ägypten Nassers, Syrien Assads • bürgerkriegsartiger Zustände • Beispiele: aufsteigender Absolutismus im Frankreich des späten 16. Jhdts., PRI-Diktatur in Mexiko im frühen 20. Jhdt., Spanischer Franco-Faschismus • von totalitärer Herrschaft • Beispiele: Herrschaft Napoleons nach der Instabilität von jakobinischem Terror und Directoire, Chrustschow- und Beschnew-Zeit der SU, Deng-Periode Chinas, derzeit: Islamische Republik Iran TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  32. Dritter Grund: • wenig Verlangen nach Alternativen in ‚traditionellen‘ Herrschaftssystemen. • Beispiele: • ‚Häuptlingsverfassungen‘ neolithischer oder eisenzeitlicher Kulturen • pharaonisches Ägypten, kaiserliches Rom • abendländischer dualistischer Ständestaat, Absolutismus • chinesisches Kaiserreich, Reiche der Azteken und Inka ‚traditionale‘ Legitimierung, nicht ‚rationale‘ oder ‚charismatische‘! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  33. Vierter Grund: • gut stabilisierbar durch ‚Zuckerbrot und Peitsche‘, d.h.: • Eine den Regierten als ausreichend erscheinende staatliche Daseinsvorsorge in Verbindung mit verläßlich wirksamer Repression rät auch Unzufriedenen davon ab, sich auf eine Herausforderung der Regierenden einzulassen. • Beispiele: • Franco-Spanien, Salazar-Portugal, Obristen-Griechenland, Pinochet-Chile • realsozialistische Staaten nach ihren offen totalitären Phasen, darunter: DDR TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  34. Auswege ausautoritären Diktaturen Grad der Partizipation selbstbestimmte Partizipation • Depolitisierung pluralistischer demokratischer Verfassungsstaat sultanistischer Autoritarismus vielfältige Übergangsformen • Mobilisierung Grad der Ideologisierung kritische Haltung zum System • Mentalitätspflege • Ideologisierung • ‚synarchische‘ Clanherrschaft Verfassungsstaatlichkeit ‚Erziehungsdiktatur‘  Totalitarismus Grad der Machtteilung • durchstrukturierte Ein-Parteien-Herrschaft TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  35. Die totalitäre Diktatur • monistische Herrschaftsstruktur (‚Diktatur‘, ‚Willkürherrschaft‘) • (weitgehend) monopolisierte politische Willensbildung ohne Einbeziehung aller Bürger ab einem bestimmten Alter (‚autokratisch‘) • (zeitweise) unbegrenzter staatlicher Gestaltungsanspruch (‚totalitär‘) • Grundlage: monistische a priori – Konzeption des Gemeinwohls TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  36. Gesellschaft Entstehung von Totalitarismus neue Führungsgruppe will neues Werte-system durchsetzen ‚Primärphänomen‘ Widerstand ‚Sekundärphänomen‘ Brechung des Widerstands TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  37. Das Primärphänomen von Totalitarismus • Es entsteht eine Gruppe von politischen Akteuren, die einer Gesellschaft – und zwar auch gegenderen Willen – ein ihr bislang neues handlungsleitendes Wertesystem aufprägen will. • Nach eigener Sichtweise hat sie dazu das Recht aufgrund ... • der Weisheit ihres Führers • einer wissenschaftlichen Weltanschauung • göttlichen Willens. • Diese Gruppe gelangt an die Machtund beginnt mit ihrer voluntaristischen Wirklichkeitskonstruktion. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  38. Sekundärphänomene von Totalitarismus • In der Gesellschaft regt sich Widerstand gegen die Aufprägung des neuen handlungsleitenden Wertesystems. • Gegen diesen Widerstand gehen die Herrschenden tat-kräftig durch geeignete Zwangsmittel vor, u.a. durch... • Zentralisierung aller Machtmittel • Ausschaltung politischer, wirtschaftlicherund kultureller Konkurrenz • Kommunikationskontrolle • Repression • exemplarischen Terror ‚klassisches Totalitarismus-Syndrom‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  39. Totalitarismus und Autoritarismus • ähnlich bis gleichartig: • Die ‚Sekundärphänomene‘, d.h. die – oft brutale – Anwendung geeigneter Repressionsmittel zur nachhaltigen Sicherung von Herrschaft und zur wirksamen Durchsetzung staatlicher Gestaltungsansprüche. • unterschiedlich: • Im Autoritarismus fehlt das totalitäre Primärphänomen, nämlich der engagierte Versuch, in der regierten Gesellschaft selbst gegen deren Widerstreben ein neues System handlungsleitender Werte durchzusetzen. Also erschließt allein die Analyse des staatlichen Repressionsapparats noch keineswegs, ob ein totalitäres oder autoritäres Regime besteht! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  40. Entwicklungspfadevon Totalitarismus • zunächstimmerRadikalisierung: • Reaktion auf Widerstand in der Gesellschaft • sodann eine von drei möglichen Entwicklungen: • Abklingen:Transaktions- und Opportunitätskosten der Systemdurchsetzung werden den Machthabern zu hoch • Störung des Wirtschaftsprozesses • abnehmender Grenznutzen der Systemtransformation • Nötigkeit von freiwilliger, doch nicht nachhaltig erzwingbarer Massenloyalität • Zerstörung:Zusammenbruch von innen oder Niederwerfung von außen • Akzeptanz des neuen Wertesystemsdurch die Gesellschaft: gelungene Neukonstruktion von Wirklichkeit TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  41. Glanz und Elend von Totalitarismus • Totalitarismus entsteht meist aus den besten Absichten. • Totalitarismus kann jederzeit entstehen, wenn verfassungsstaatliche Sicherungen unwirksam werden. • Totalitarismus wird sich stets zu – verfassungsstaatlich ungesicherter! – autoritärer Herrschaft weiterentwickeln. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  42. Damit sollte klar sein, • nach welchen Gesichtspunkten man alle politischen Systeme politikanalytisch sinnvoll gliedern kann • was die zentralen Entstehungsgründe und Merkmale der drei Haupttypen politischer Systeme sind (liberaler demokratischer Verfassungsstaat, autoritäre Diktatur, totalitäre Diktatur) • wie diese drei Formen politischer Systeme sich weiterentwickeln und ineinander übergehen können. weiter mit: ‚Wandel politischer Systeme‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  43. Einführungskurs‚Politische Systeme‘ Noch Fragen? -Bitte! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

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