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Workshop: Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Quartier. Barrieren und Chancen im Integrationsprozess von jungen Aussiedlern Frankfurt/Main, 27. Februar 2008 Dr. Kerstin Reich Institut für Kriminologie der Universität Tübingen.
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Workshop: Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Quartier Barrieren und Chancen im Integrationsprozess von jungen Aussiedlern Frankfurt/Main, 27. Februar 2008 Dr. Kerstin Reich Institut für Kriminologie der Universität Tübingen
Migration Zuwanderung von Aussiedlern • Zusammenspiel mehrerer Ursachen/Motive • Massenphänomen (Kettenmigration) • Einreise nicht-deutscher Abkömmlinge • Sozialisation der Kinder/Jugendlichen in der Sprache und Alltagskultur des Herkunftslandes
Integration: ein Prozess und ein Zustand • Wechselseitiges Geschehen zwischen Aufnahmegesellschaft und Zuwanderern • Gegenseitige Begegnung mit Interesse, Achtung, Respekt,Toleranz • Ziel: Gleichberechtigte Teilhabe an allen gesellschaftlichen Aspekten ohne Aufgabe der eigenen Identität • Ziel: innere Stabilität, Gleichgewicht des personalen und sozialen Systems
Integration I: Was bedeutet für dich Integration? Neue Kultur annehmen…sich mit dem Nachbar gut verstehen…in die Struktur hineingehen, wie das auf Deutsch heißt „funktionieren“…das ist so. Integrieren heißt auch sich für die neue Gesellschaftsform interessieren. Gleichberechtigt sein mit den Einheimischen, ein glückliches Leben führen wie alle anderen
Integration von Aussiedlern • Ein sachlicher und fachlicher Blick auf die Zielgruppe der jungen Aussiedler fördert wenig Spektakuläres zu Tage. • Wie andere Zuwanderer auch mussten sie ihre vertraute Umgebung verlassen und sich in Deutschland neu entdecken. • Ihre Integrationsprobleme sind eigentlich nichts Besonderes, treffen auf andere Kinder und Jugendliche ebenfalls zu (DJI).
Kriminalität von Aussiedlern Periodischer Sicherheitsbericht der Bundesregierung 2001: „Im Vergleich mit Nichtdeutschen und einheimischen Deutschen liegt generell keine besonders erhöhte oder qualitativ besonders schwere Aussiedlerkriminalität vor.“
Barrieren und Chancen im Integrationsprozess • Migrationserfahrung: Verlust sozialer Beziehungen und Neuorientierung • Gesellschaftliche Bedingungen im Aufnahmeland: Teilhabechancen • Soziokulturellen Prägung: mitgebrachte Wert- und Normvorstellungen z.B. männliche Rollenbilder
Familie I: Was bedeutet für dich Familie? Egal was einer aus der Familie angestellt hat, ist man füreinander bedingungslos da…bei einem Bekannten würde man sagen: ja diese Aktion hat mir nicht gefallen, jetzt brechen wir die Beziehung ab. In der Familie geht das nicht, Familie ist immer für einen da.
Fremdheit und Verlusterleben „Zuhause, zuhause war es eigentlich nicht so gut, weil ich keine Unterstützung erwarten konnte und des hab´ ich irgendwo selber verstanden, weil ich wusste, die Eltern sind total beschäftigt mit der Wohnung, Bruder hatte jetzt eigene Familie, Frau, der hat ein Kind. Da hab´ ich immer selber versucht nach den eigenen Kräften zu helfen und für meine eigenen Sachen oder gar für meine eigenen Themen oder was ich unternommen hab´, war ich praktisch allein da. War schon schwierig, aber dann hast Dir auch mal gesagt, komm des musst Du packen, des geht nicht, Du musst des einfach, weil guck´ mal Deine Eltern an und so aber ...“ „Ja, und dann hast Du eigentlich gedacht, ja komm, ich hab´ meinen Spaß gehabt, ich hab´ schöne Kindheit gehabt und jetzt lass den anderen auch noch Platz (Familie des Bruders). War schon traurig, aber ....“
Beziehung zu Eltern Das Verhältnis zu den Eltern hat sich geändert, weil die es hier auch nicht leicht hatten, sie mussten sich (beruflich) umqualifizieren und waren den ganzen Tag weg. Das heißt der Kontakt ist weniger geworden, nichtsdestotrotz hat man sich immer Unterstützung gegönnt. Wenn es nötig war, hat man sich über Probleme unterhalten und sie gelöst, man konnte sich auf die Familie verlassen.
Freundschaft Ich hatte dort immer Freunde. Wenn ich das vergleiche mit Deutschland, als ich gekommen bin, hatte ich keine Freunde. Wenn ich Probleme hatte, war keiner da, der mir zuhören und mich unterstützen konnte. Ich hatte solche Probleme mit denen ich nie zu meiner Mutter gehen würde. Ohne Freunde ist es enorm schwierig. Ich hatte keinen, den ich um Rat fragen konnte, der mich moralisch unterstützt. Ohne Freunde hat das Leben keinen Sinn.
Soziale Abgrenzung Ich habe am Anfang nur Freundschaften zu den einheimischen Jugendlichen gepflegt. Als ich gekommen bin habe ich auch noch viel Sport gemacht. Und wir gingen immer durch so einen Park nach Hause … dort haben sich ein paar Jungs getroffen. I: Spätaussiedler? Ja. Ich ging so an ihnen vorbei, hab die erst von der Seite angeschaut, dann hab ich mich auch dort aufgehalten … dann passierte das öfter, dass ich mit denen stand. Ich habe dann mein Training verpasst und bin langsam in die Gruppe reingekommen. Die Jungs in dieser Gruppe haben die einheimischen Jugendlichen nicht für gut genug gehalten. Wenn ich in dieser Gruppe bleiben wollte, muss ich diese Regeln einhalten
Schule I Zuerst bin ich in Realschule gegangen, aber da konnte ich nicht. Danach bin in Hauptschule gekommen, konnte aber die Sprache nicht genug und wurde deshalb in das BVJ geschickt. Wenn man die Sprache nicht kann, verliert man schnell das Interesse zu allem, zur Schule…so war das auch bei mir…ich habe die Schule fallen lassen.
Schule II Ich bin die Hauptschule gekommen und bin dort zurückgesetzt worden, weil die Sprache nicht da war. Meine Eltern wollten, dass ich von HS wegkomme und der Direktor hat eine Empfehlung geschrieben. Die Eltern haben den Wechsel angeschoben, aber vom Jugendamt gab es Einwände, dass das Kind überfordert sei mit der Situation und dass es Blödsinn wäre…da ging es schon ziemlich heftig zur Sache.
Freizeit I Ich kann ja auch betonen, das Leben dort und das Leben hier, das ist wie Tag und Nacht, also hier, wenn ich die Kinder angucke, das ist traurig, weil die sitzen mehr vor dem Computer, die haben Fernseher und PC und die Mutter schaut nicht mehr danach, dass er rauskommt an die frische Luft. Als ich nach D. gekommen bin, konnte auf dem Reck hochziehen 30 Mal ohne Verschnaufpause, war ganz normal und überhaupt Laufen, war ich viel schneller als die jetzt und die Ausdauer war besser.
Freizeit II In Deutschland ist es ein anderes Leben und du weißt nicht, was du mit deiner Freizeit anfangen musst. I: Aber in D. gibt es genug Organisationen, Clubs oder Angebote für Aussiedler. Richtig, aber es ist sehr schwierig, sich dazu zu bewegen dahin zu gehen, sich mit den Leuten zu unterhalten. Es sind so Kleinigkeiten, aber das Problem ist das alles zu erarbeiten.
Männlichkeitsbild Männer haben Muskeln Männer sind furchtbar stark Männer können alles Männer sind schon als Baby blau (H.Grönemeyer)
Wann ist ein Mann ein Mann? Ein richtiger Mann ja? Er soll für die Familie da sein und diese beschützen können, wenn es nötig ist. Er soll seine Familie ernähren können und streng sein können und Entscheidungen treffen.
Männlichkeitsbild im Herkunftsland • Familie beschützen • Beitrag zum Unterhalt d. Familie • Stark sein, etwas vertragen • schwere Lasten/Arbeiten übernehmen • mutig sein • Orientierung geben • Entscheidungen fällen
Männliche Sozialisation Mein Gefühl sagt mir, dass von mir erwartet wurde, dass ich selbst meine Probleme löse…bevor ich zu meinen Eltern gehe und um Hilfe bitte…so eine typische Jungenerziehung. Selbst ist der Mann, man weint nicht, man steht auf und geht weiter und wenn irgend etwas nicht passt, dann versucht man es in den Griff zu bekommen, man redet nicht viel drum rum.
Männlichkeitsbild Männer weinen heimlich Männer brauchen viel Zärtlichkeit Männer sind so verletzlich … (H.Grönemeyer)
Einstellungzu Gewalt „Ich hab einen deutschen Freund gehabt, das war guter Freund von mir. … Und dann hat er meinen kleinen Bruder geschlagen, dann hab ich gesagt, hör auf, sonst sagt er‘s mir, wenn der dir was angetan hat oder so. Er hat ein 2. Mal geschlagen, ich hab ihn 2. Mal gewarnt. Nach 3. Mal wollte ich Geld haben von ihm. Bin ich zu ihm gekommen, da hab ich gesagt, wenn er noch einmal das macht, dann machen wir Schlägerei. Dann hat er das gemacht, dann hab ich ihm Kiefer gebrochen. Dann hat er mich angezeigt. Typisch deutsch.“
Resumée „Ihr braucht uns nicht umarmen, ihr braucht uns auch nicht küssen, ihr sollt uns akzeptieren, das werdet ihr auch müssen.“ Kristina 14 Jahre