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Wo der Kunde nicht König ist – Probleme der Fallbearbeitung nach SGB II. Beitrag zur Fachtagung von Beschäftigungspolitik: kommunal e.V. „Erfahrungen aus der lokalen Umsetzung des SGB II – Strukturen, Leistungsprozesse, Handlungsbedarfe“ Leipzig, 3. – 4. Mai 2006.
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Wo der Kunde nicht König ist – Probleme der Fallbearbeitung nach SGB II Beitrag zur Fachtagung von Beschäftigungspolitik: kommunal e.V.„Erfahrungen aus der lokalen Umsetzung des SGB II – Strukturen, Leistungsprozesse, Handlungsbedarfe“ Leipzig, 3. – 4. Mai 2006 Dr. Peter Bartelheimer 2006
Dienstleistungsqualität als „Titelstory“ der neuen Arbeitsmarktgesetze • Gesetze versprechen „moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ • BA will „moderner, professioneller, kundenorientierter Dienstleister am Arbeitsmarkt“ werden • Dienstleistungsqualität als Argument für starke Stellung der Kommunen in der Beschäftigungspolitik • Aber: Dienstleistungsqualität hat Voraussetzungen: • existenzsichernde Einkommensleistungen • gesellschaftliches Interesse an guten, modernen Dienstleistungen für arbeitsuchende Grundsicherungsbezieher • Qualität entscheidet sich bei den Adressat/inn/en • Und: Gute Dienstleistungen verbessern bestenfalls das „Matching“, schaffen keine Beschäftigung Dr. Peter Bartelheimer 2006
Hintergrund der folgenden Überlegungen zu Problemzonen der Fallbearbeitung: • Begleitforschung zum NRW-Modellprojekt Sozialbüros • Sozialberatung für Menschen in prekären materiellen Lebenslagen(1998 - 2000) • Fallmanagement in der Sozialhilfe nach BSHG • Beobachtung der Fallbearbeitung in einem städtischen Sozialamt (2000 – 2001) • Vorstudie „Neue soziale Dienstleistungen nach SGB II“ • Wirkungsforschung des IAB nach § 55 SGB II, laufend • Monitor Arbeitsmarktpolitik • u.a. Auswertung der Wirkungsforschung im Auftrag von Hans-Böckler- und Otto-Brenner-Stiftung • Was folgt, sind Fragestellungen zu Problemzonen, keine definitiven Ergebnisse! Dr. Peter Bartelheimer 2006
Leistungsprozesse nach SGB II – ein neuer Typus arbeitsmarktnaher sozialer Dienstleistungen • Neue Dienstleistungen sind Ergebnis sozialer Praxis, d.h. • nicht vollständig gesetzlich geregelt • folgen nicht automatisch aus Organisations- und Geschäftsmodell • kopieren nicht einfach Verfahren im Versicherungsbereich • „Arbeitsmarktnahe Dienstleistungen“ umfassen • Anspruchsprüfung und Zahlbarmachung von Grundsicherung • Vermittlung und vermittlungsnahe Dienstleistungen (Aktivitäten, um Arbeitsuchende und Arbeitgeber zusammenzuführen) • Sozialintegrative Dienstleistungen (z.B. persönliche Hilfen, § 16 Abs. 2 SGB II) • Zentrale Handlungsform • Informations-, Beratungs-, Vermittlungsgespräch Dr. Peter Bartelheimer 2006
Zwischenergebnis der Wirkungsforschung zur Neuausrichtung der Vermittlung im KuZ • Konflikt zwischen Einzelfallorientierung und standardisiertem Massengeschäft • Standortbestimmung: • kein Tiefenprofiling, sondern Grobsortierung • Kundengruppen und Handlungsprogramme • zielen auf standardisierten Einsatz standardisierter Produkte • schließen Betreuungskunden (28% bis 49%) von Leistungen aus • Eingliederungsvereinbarungen: • weder flächendeckend noch systematisch, oft standardisiert • Verhältnis Arbeitgeber- und Bewerbergeschäft nicht geklärt • „Organisationseffizienz“ steigert nicht notwendig „Servicequalität“ • Dienstleistungsbeziehung bleibt „black box“ für Wirkungsforschung • Keine Erkenntnisse zu Qualität (was ist „gute Vermittlung“) Dr. Peter Bartelheimer 2006
Drei Begriffe, die Verständigung über Leistungsprozesse eher erschweren: • Fallmanagement ... • ist nur eine von mehreren Handlungsformen in der Fallbearbeitung • Bedingungen für Übertragung fachlicher Normen ins SGB II sind nicht geklärt • Kunden ... • zahlende Kunden sind Bund und Kommunen (Gesellschaft?) • Konflikte im Dreieck Fachkräfte, Adressat/inn/en, Kostenträger • Durch Kopplung von Dienstleistung und Geldleistung werden ausAdressat/inn/en „Zwangskunden“ • Aktivierung ... • Arbeitsmarktnahe Dienstleistungen setzen eigenständig handelnde Adressaten voraus: Sie müssen Ziele selbst erreichen Dr. Peter Bartelheimer 2006
Grundproblem von Vermittlung / Fallmanagement: Was gehört zum Auftrag? • Zuweisung: umfassende Zuständigkeit ohne geklärten Auftrag der Adressat/inn/en • Dienstleister und Adressat/inn/en müssen zusammenwirken • Aushandlung von Gegenstand, Ziel, Grenzen der Leistung • Dienstleistungsbeziehung („Arbeitsbündnis“, „Koproduktion“) • Voraussetzungen bei den Adressat/inn/en • Erwartungen an Kompetenz oder Ressourcen der Fachkraft • Handlungsspielraum bei der Zielerreichung • Voraussetzungen bei den Fachkräften • Kompetenzen, Ressourcen müssen passen • Probleme der Adressat/inn/en müssen als Bedarfe anerkannt sein • Handlungsspielraum der Adressat/inn/en als Erfolgskriterium • Üblicher Weg zum Beratungsauftrag durch Beratungspflicht verstellt • Dienstleistungsbeziehung entsteht nur als Umgehungslösung Dr. Peter Bartelheimer 2006
Problemzone 1: Kooperation unter Bedingungen der Ungleichheit • In jeder Dienstleistung sind Kompetenzen ungleich verteilt • Aber: (materielle) Abhängigkeit stört Kommunikation • Vorsicht auf beiden Seiten führt zu unvollständiger und einseitiger Datensammlung • Problemsicht des Trägers „steuert“ die Fallbearbeitung; • Eingliederungsvereinbarung unterstreicht Ungleichheit (Rechtsfolgenbelehrung) • Fachkräfte können schwer „anwaltlich“ für Adressat/inn/en handeln • Sanktionsgewalt geht zu Lasten von Verbindlichkeit • Sanktionen verstärken Kommunikationsstörungen • Strategien der Adressat/inn/en als Ressource ungenutzt; Spielraum für Eigenaktivität wird begrenzt; geringere „innere Einschaltung“ Dr. Peter Bartelheimer 2006
Problemzone 2: Standardisierung versus Individualisierung • Fachkräfte und Adressat/inn/en – wie viel Spielraum im Einzelfall? • Hohe Fallzahlen und Steuerungsinteresse der Träger schaffen Standardisierungsdruck • derzeitige Verfahren wirken standardisierend statt individualisierend • Datensammlung (Profiling, Assessment, Kundendifferenzierung) eher zur Grobsortierung • Geschäftsbereiche sind wenig trennscharf, wenig durchlässig • Problemanmeldungen müssen zum „Repertoire“ (§16 SGB II) passen • Eingliederungsvereinbarung als individualisierte Rechtsbelehrung: je früher, desto schematischer • derzeitige Ressourcen wirken standardisierend • Im Wesentlichen Standardprodukte (Maßnahmen) • Bedarfsinformationen aus Fallbearbeitung „steuern“ selten Angebot Dr. Peter Bartelheimer 2006
Problemzone 3: Einheit des Leistungsprozesses • Keine „einheitliche Anlaufstelle“, keine „Leistung aus einer Hand“ • Kooperationsprobleme zwischen Regelkreisen SGB III und SGB II • Schnittstellenprobleme (z.B. § 67 SGB XII, Jugendhilfe) • Integrationsprobleme in der Grundsicherung: • Leistungssachbearbeitung („passive Leister“), Existenzsicherung kommt beim persönlichem Ansprechpartner nur negativ vor – als Sanktionsinstrument • Verschiedene Geschäftsbereiche: Vermittler / Fallmanager, unter 25, über 50 … • Beauftragte Dritte – Kontrakt statt Kontakt? • Arbeitnehmerorientierte und arbeitgeberorientierte Vermittlung • Fallarbeit mit Einzelnen, nicht mit Bedarfsgemeinschaft • Vor allem Adressat/inn/en bearbeiten das Integrationsproblem Dr. Peter Bartelheimer 2006
Methodische Konsequenzen – für Wirkungsforschung und „Controlling“ • Bisher: Erhebungsinstrumente „umkreisen“ die Dienstleistung • Prozessanalyse der Organisationseffizienz misst „Inputs“, nicht Dienstleistungsqualität • Selbstauskünfte der Führungs- und Fachkräfte geben nur eine Sichtweise wieder (Problem der Selbstbewertung) • Eingliederung als Wirkungsindikator: schwer zuzurechnen • Zufriedenheit als Wirkungsindikator: ebenfalls schwer zuzurechnen • Für Qualitätsfragen unverzichtbar: • Vergleichende Untersuchung verschiedener Dienstleistungsprozesse (z.B. SGB III, SGB II) • Beobachtung und Dokumentation von Leistungsprozessen • Fallsicht von Fachkräften und Adressat/inn/en ermitteln und berücksichtigen Dr. Peter Bartelheimer 2006