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Il giovane Thomas Mann

Il giovane Thomas Mann. XVII Buddenbrooks (1901) Tony. »Sie sind grausam, Fräulein Tony... Sind Sie immer grausam? […] Sehen Sie, Sie sind ein verwöhntes, vornehmes Geschöpf... Mokieren Sie sich immer nur über die Leute, die zu Ihren Füßen liegen? Haben Sie wirklich ein kaltes Herz?«

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Il giovane Thomas Mann

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Presentation Transcript


  1. Il giovane Thomas Mann XVII Buddenbrooks (1901) Tony

  2. »Sie sind grausam, Fräulein Tony... Sind Sie immer grausam? […] Sehen Sie, Sie sind ein verwöhntes, vornehmes Geschöpf... Mokieren Sie sich immer nur über die Leute, die zu Ihren Füßen liegen? Haben Sie wirklich ein kaltes Herz?« Nach der kurzen Heiterkeit begann nun plötzlich Tony's Oberlippe zu zittern. Sie richtete ein Paar großer und betrübter Augen auf ihn, die langsam blank von Tränen wurden, und sagte leise: »Nein, Morten, glauben Sie das von mir?... Das müssen Sie nicht von mir glauben.« »Ich glaube es ja auch nicht!« rief Morten mit einem Lachen, in dem Ergriffenheit und mühsam unterdrückter Jubel zu hören war... […] »Und Sie... Sie mokieren sich nicht über mich, wenn ich Ihnen sage, daß... « »Ich weiß, Morten«, unterbrach sie ihn leise, während sie seitwärts auf ihre freie Hand blickte, die langsam den weichen, weißen Sand durch die Finger gleiten ließ. »Sie wissen... ! Und Sie... Sie, Fräulein Tony...« »Ja, Morten. Ich halte große Stücke auf Sie. Ich habe Sie sehr gern. Ich habe Sie lieber als alle, die ich kenne.« (III, 9)

  3. »Arme Tony!« sagte er schließlich, indem er ihre Jacke streichelte. »Du tust mir herzlich leid ... ich verstehe dich so gut, siehst du! Aber was ist da zu tun? Dergleichen muß durchgemacht werden. Glaube mir nur... ich kenne das auch...« »Ach, du kennst gar nichts, Tom!« schluchzte Tony. »Na, sage das nicht. Jetzt steht es zum Beispiel fest, daß ich Anfang nächsten Jahres nach Amsterdam gehe. Papa hat eine Stelle für mich... bei van der Kellen & Camp... Da werde ich Abschied nehmen müssen für lange, lange Zeit...« »Ach, Tom! Ein Abschied von Eltern und Geschwistern! Das ist gar nichts!« »Ja -!« sagte er ziemlich langgedehnt. Er atmete auf, als ob er noch mehr sagen wollte, und schwieg dann. Indem er die Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen wandern ließ, zog er eine Braue empor und wandte den Kopf zur Seite. »Und es dauert ja nicht lange«, fing er nach einer Weile wieder an. »Das gibt sich. Man vergißt...« » Aber ich will ja gerade nicht vergessen!« rief Tony ganz verzweifelt. »Vergessen... ist das denn ein Trost?!« (III, 12)

  4. Tony blickte lange Zeit auf ihren Namen und auf den freien Raum dahinter. Und dann, plötzlich, mit einem Ruck, mit einem nervösen und eifrigen Mienenspiel […] ergriff sie die Feder, tauchte sie nicht, sondern stieß sie in das Tintenfaß und schrieb […]: »...Verlobte sich am 22. September 1845 mit Herrn Bendix Grünlich, Kaufmann zu Hamburg.« (III, 13) Man war im Begriffe, den Schlag zu schließen, als Tony von einer plötzlichen Bewegung überkommen ward. Trotz der Umstände, die es verursachte, wickelte sie sich noch einmal aus der Reisedecke heraus, stieg rücksichtslos über Herrn Grünlichs Knie hinweg, der zu murren begann, und umarmte mit Leidenschaft ihren Vater. »Adieu, Papa ... Mein guter Papa!« Und dann flüsterte sie ganz leise: »Bist du zufrieden mit mir?« Der Konsul preßte sie einen Augenblick wortlos an sich; dann schob er sie ein wenig von sich und schüttelte mit innigem Nachdruck ihre beiden Hände... (III, 14)

  5. Man ging behutsam umher und sprach nicht gerne „davon“… ausgenommen die Hauptperson der ganzen Angelegenheit selbst, die im Gegenteile mit Leidenschaft davon sprach und sich dabei wahrhaft in ihrem Elemente fühlte. […] Tony besaß die schöne Gabe, sich jeder Lebenslage mit Talent, Gewandtheit und lebhafter Freude am Neuen anzupassen. Sie gefiel sich bald in ihrer Rolle als eine von unverschuldetem Unglück heimgesuchte Frau, kleidete sich dunkel, trug ihr hübsches aschblondes Haar glatt gescheitelt wie als junges Mädchen und hielt sich für die mangelnde Geselligkeit schadlos, indem sie zu Hause mit ungeheurer Wichtigkeit und unermüdlicher Freude an dem Ernst und der Bedeutsamkeit ihrer Lage Betrachtungen über ihre Ehe, über Herrn Grünlich und über Leben und Schicksal im allgemeinen anstellte. (IV, 10)

  6. »Ja,das ist nun gut und gern seine zehn Jahre her, seit ich Grünlich nahm... Zehn Jahre! Und nun bin ich wieder soweit und soll wieder jemandem mein Jawort erteilen. Weißt du, Ida, das Leben ist doch furchtbar ernst!... Aber der Unterschied ist, daß damals ein großes Wesen gemacht wurde und alle mich drängten und quälten, und daß sich jetzt alle ganz still verhalten und es als selbstverständlich nehmen, daß ich Ja sage; denn du mußt wissen, Ida, diese Verlobung mit Alois - ich sage schon Alois, denn es soll ja schließlich doch sein - ist gar nichts Festliches und Freudiges, und um mein Glück handelt es sich eigentlich gar nicht dabei, sondern indem ich diese zweite Ehe eingehe, mache ich nur in aller Ruhe und Selbstverständlichkeit meine erste Ehe wieder gut, denn das ist meine Pflicht unserem Namen gegenüber. So denkt Mutter, und so denkt Tom...« (VI, 5)

  7. »Ida, ich kenne das Leben und bin keine Gans mehr und habe meine Augen im Kopf. Mutter... das mag sein, die würde nicht geradezu darauf dringen, denn über fragwürdige Dinge geht sie hinweg und sagt Assez. Aber Tom, der will es. Lehre du mich Tom kennen! Weißt du, wie Tom denkt? Er denkt: „Jeder! Jeder, der nicht absolut unwürdig ist. Denn es handelt sich diesmal nicht um eine glänzende Partie, sondern nur darum, daß die Scharte von damals durch eine zweite Ehe so ungefähr wieder ausgewetzt wird.“ So denkt er. Und sobald Permaneder angekommen war, hat Tom in aller Stille geschäftliche Erkundigungen über ihn eingezogen, da sei überzeugt, und als die ziemlich günstig und sicher lauteten, da war es beschlossene Sache bei ihm... Tom ist ein Politiker und weiß, was er will. Wer hat Christian an die Luft gesetzt?... Obgleich das ein hartes Wort ist, Ida, aber es verhält sich so. Und warum? Weil er die Firma und die Familie kompromittierte, und das tue ich in seinen Augen auch, Ida, nicht mit Taten und Worten, sondern mit meiner bloßen Existenz als geschiedene Frau. Das, will er, soll aufhören, und damit hat er recht, und ich liebe ihn darum bei Gott nicht weniger und hoffe auch, daß das auf Gegenseitigkeit beruht. « (VI, 5)

  8. »Gewiß, du hast deine Überlieferungen, Tom; und jederlei Achtung davor! Sicherlich, Vater hätte sich hierauf nicht eingelassen; bewahre; wer behauptet das?... Aber so dumm ich bin, das weiß ich, daß du ein ganz anderer Mensch bist, als Vater, und daß, als du die Geschäfte übernahmst, du einen ganz anderen Wind wehen ließest als er, und daß du unterdessen manches getan hast, was er nicht getan haben würde. Dafür bist du jung und ein unternehmender Kopf. Aber ich fürchte immer, du hast dich in letzter Zeit durch ein und das andere Mißgeschick einschüchtern lassen« […] » Nun, gleichviel. Es hat mich sehr interessiert. Ich war einerseits erschrocken und betrübt für Maibooms, andererseits aber froh für dich. Ich habe mir gedacht: Tom geht seit einiger Zeit ein bißchen freudelos umher. Früher klagte er, und jetzt klagt er schon nicht einmal mehr. Er hat hie und da Geld verloren, die Zeiten sind schlecht, und das grade jetzt, da meine Lage sich eben wieder durch Gottes Güte verbessert hat und ich mich glücklich fühle. Und dann habe ich mir gedacht: Dies ist etwas für ihn, ein Coup, ein guter Fang.« (VIII, 2)

  9. Hie und da besuchte Frau Permaneder ihren Bruder. Dann gingen die beiden zum Möwenstein oder zum Seetempel spazieren, wobei Tony Buddenbrook aus unbekannten Gründen jedesmal in eine begeisterte und unbestimmt aufrührerische Stimmung geriet. Sie betonte wiederholt die Freiheit und Gleichheit aller Menschen, verwarf kurzerhand jede Rangordnung der Stände, ließ harte Worte gegen Privilegien und Willkür fallen und verlangte ausdrücklich, daß dem Verdienste seine Krone werde. Und dann kam sie auf ihr Leben zu sprechen. Sie sprach gut, sie unterhielt ihren Bruder aufs beste. Dieses glückliche Geschöpf hatte, solange sie auf Erden wandelte, nichts, nicht das geringste hinunterzuschlucken und still zu verwinden gebraucht. Auf keine Schmeichelei und keine Beleidigung, die ihr das Leben gesagt, hatte sie geschwiegen. Alles, jedes Glück und jeden Kummer, hatte sie in einer Flut von banalen und kindisch wichtigen Worten, die ihrem Mitteilungsbedürfnis vollkommen genügten, wieder von sich gegeben. Ihr Magen war nicht ganz gesund, aber ihr Herz war leicht und frei - sie wußte selbst nicht, wie sehr. Nichts Unausgesprochenes zehrte an ihr; kein stummes Erlebnis belastete sie. (X, 6)

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