90 likes | 235 Views
Kollektive Entscheidung. Eine Fabel über „richtiges“ Wählen*) Teil I „Das Weihnachtsfest des Instituts“.
E N D
Kollektive Entscheidung Eine Fabel über „richtiges“ Wählen*) Teil I „Das Weihnachtsfest des Instituts“ • Jährliches Weihnachtstreffen des Instituts. Es soll – aus Kostengründen – ein gemeinsames Getränk serviert werden. Der Vorstand möchte wissen, was die MitarbeiterInnen trinken wollen. Da er Mikroökonom ist erhebt er die Präferenzen der 15 Institutsmitglieder • 6 sagen MilchWeinBier • 5 sagen BierWeinMilch • 4 sagen WeinBierMilch Die Präferenzen der gesamten Gruppe scheinen klar zu sein: 6 Personen reihen Milch, 5 reihen Bier und 4 Wein an erster Stelle Milch BierWein Der Vorstand bestellt also Milch – das will die Mehrheit (Pluralitätswahl). • Leider gibt es keine Milch – also bestellt der Vorstand – den ermittelten sozialen Präferenzordnung folgend das zweitbeste Getränk für alle: Bier • Während der Weihnachtsfeier gibt es einigen Unmut: 2/3 der Kollegen haben Wein lieber als Bier. • Der Vorstand versucht sich zu rechtfertigen, er hätte ohnedies Milch geordert – diese wäre aber nicht verfügbar • Der Tumult wird immer stärker als Recherchen ergeben, dass Wein offensichtlich das beliebteste Getränk ist – gefolgt von Bier – und, dass eine stark Mehrheit der Institutsmitglieder Milch offensichtlich gar nicht so schätzen wie der Vorstand behauptet • 10 Personen WeinBier • 9 Personen WeinMilch WeinBier Milch (Paarweise Abstimmung) • 9 Personen BierMilch *) G. Saari: Basic Geometry of Voting, Springer Verlag
Kollektive Entscheidung Eine Fabel über „richtiges“ WählenTeil II „Die Institutsversammlung“ • Die MitarbeiterInnen sind nach dieser Weihnachtsfeier höchst aufgebracht . Die Meinungen über den Vorstand gehen dabei weit auseinander. Nach Gesprächen auf dem Gang kristallisieren sich folgende Vorschläge heraus: V1: „Dem Vorstand sollte für seine Bemühungen gedankt werden“ V2: „Der Vorstand sollte zu einem Grundkurs in Public Choice verpflichtet werden“ V3: „Der Dekan sollte den Vorstand auf der Stelle austauschen“ • Es wird eine Institutsversammlung einberufen, bei der diese Vorschläge zur Abstimmung kommen sollen. Um dort konsistente Entscheidungen treffen zu können, werden die Präferenzen der MitarbeiterInnen bezüglich dieser Vorschläge erhoben. 5 Mitglieder geben an: V1V2V3 5 Mitglieder geben an: V2V3V1 5 Mitglieder geben an: V3V1V2 • Der Vorstand – ein alter Hase – schlägt vor zunächst die Vorschläge V2 und V3 gegeneinander abstimmen zu lassen und dann – in einem nächsten Schritt – den Sieger aus dieser Wahl gegen den Vorschlag V1 antreten zu lassen. Wie zu erwarten war gewinnt zunächst V2 gegen V3 mit 10 zu 5 Stimmen. Bei der nächsten Abstimmung gewinnt V1 gegen V2 ebenfalls mit 10 gegen 5 Stimmen. Der Institutskonferenz scheint nichts anderes übrig zu bleiben als dem Vorstand für seine Bemühungen zu danken. Bevor der Vorstand jedoch zum nächsten Tagesordnungspunkt gehen kann, beantragt eine Kollegin eine erneute Abstimmung: V1 soll gegen V3 antreten. Bei der Abstimmung gewinnt V3 mit 2/3 der Stimmen. Daher ergaben sich folgende soziale Präferenzen V1V2V3 V1 V2V3 …. und daher kein Sieger • Der Vorstand verlässt verärgert das Meeting.
Kollektive Entscheidung Eine Fabel über „richtiges“ WählenTeil III „Die Neuwahl des Vorstandes“ • Nachdem der Vorstand das Meeting verlassen hatte, waren sich die verbliebenen 9 Mitarbeiter einig: Es muss ein neuer Vorstand gewählt werden. Um etwaige Schwierigkeiten und Inkonsistenzen zu vermeiden informierte man sich bei Kollegen aus dem Mathematikinstitut, welches das beste Wahlverfahren sei. Die Mathematiker nannten ein Verfahren, das Jean-Charles de Borda im Jahr 1770 vorgeschlagen hatte: Jeder Wähler reiht die Kandidaten und vergibt Punkte. Der Letztgereihte erhält 0 Punkte der Vorletztgereihte 1 Punkt usw. Sieger ist derjenige, der die meisten Punkte erzielt. • Drei Kandidaten erklärten zur Position des Institutsvorstandes zur Verfügung zu stehen: A, B sowie der alte Vorstand (V). Einer informellen Umfrage zur Folge wären die Präferenzen der Mitglieder des Instituts wie folgt: 7 Mitarbeiter wären für A (2) B (1) V 7 Mitarbeiter wären für B (2) A (1) V 1 Mitarbeiter wäre für V (2) A (1) B • Der Borda-Wahl zu Folge hätte A (mit 22 Punkten) einen knappen Vorsprung vor B (mit 21 Punkten). Der alte Vorstand gibt sich selbst 2 Punkte findet aber sonst keine Unterstützung. • Die 7 Anhänger von B wollen dieses knappe Ergebnis konterkarieren und beschließen (entgegen ihren wahren Präferenzen) strategisch zu wählen und den ungeliebten Vorstand vor den Kandidaten A zu ranken. Damit ergäbe sich die modifizierte Präferenz 7 Mitarbeiter wären für A (2) B (1) V 7 Mitarbeiter wären für B (2) V (1) A 1 Mitarbeiter wäre für V (2) A (1) B und damit 21 Punkte für B, 15 Punkte für A und 9 Punkte für den Vorstand • Die 7 Anhänger von A antizipieren die Aktion der B-Wähler und beschließen ebenfalls strategisch zu wählen und ihrerseits den Kandidaten B – entgegen ihren Präferenzen – noch hinter den ungeliebten alten Vorstand zu reihen. Als schlussendlich tatsächlich abgestimmt wird, ergibt sich 7 Mitarbeiter wären für A (2) V (1) B 7 Mitarbeiter wären für B (2) V (1) A 1 Mitarbeiter wäre für V (2) A (1) B und damit 14 Punkte für B, 15 Punkte für A und 16 Punkte für den alten und neuen Vorstand. Mit den Mathematikern wurde der kollegiale Kontakt unterbrochen.
Kollektive Entscheidung Kollektive Entscheidungenund Wahltheorie • Einstimmigkeitsregel • Wichtigste Eigenschaft: Jeder Hat ein Vetorecht • Erfüllt auf jeden Fall das Paretokriterium • Einzelne oder Minderheiten werden nicht dominiert • Einstimmigkeit ist nicht leicht erzielbar • Einstimmigkeit verursacht hohe Suchkosten
Kollektive Entscheidung Mehrheitsregel: Das optimale Quorum • Wie viele müssen zustimmen? • Genügt die Einfache Mehrheit von 50 % • Brauchen wir eine qualifizierte Mehrheit von 60% oder 75% oder …. • Gibt es ein optimales Quorum (Anzahl derer, die zustimmen müssen)? • Jedem, der überstimmt wird, werden Kosten zugefügt – Kosten, die bei Anwendung der Einstimmigkeit nicht angefallen wären externe Kosten (CE) der Mehrheitsregel wachsen mit der Anzahl der dominierten Personen. Bei Einstimmigkeit sind diese externen Kosten 0. In der Diktatur - wenn nur einer bestimmen kann sind diese externen Kosten maximal. C = CS+CE CE CS Optimales Quorum Einstim-migkeit Diktatur • Je größer das Quorum ist, desto höher sind die Suchkosten(CS). • Im optimalen Quorum sind die Gesamtkosten minimal • Wenn die externen Kosten gering und die Suchkosten hoch sind, dann kann das optimale Quorum unter 50% sinken • Ein Quorum unter 50 % führt zu Inkonsistenzen: Angenommen das nötige Quorum sei 30% und 31% stimmen der Frage „wollt ihr Blau“ zu 69% wollen „Blau“ offensichtlich nicht. Stimmt man dann noch einmal ab und fragt „wollt ihr Blau nicht“ so werden beide Abstimmungen das nötige Quorum erreichen.
Kollektive Entscheidung Wahlverfahren • Was macht man, wenn es zu einer Patt-Situation kommt? (Losentscheid) • Was ist, wenn es mehrere Alternativen gibt? • Pluralitätswahl: Die Alternative wird gewählt, welche die meisten Stimmen erhält (Nationalratswahlen). • Die Mehrheit kann dominiert werden. • Jede Stimme für eine wenig aussichtsreiche Partei ist „verschenkt“ Die Pluralitätswahl führt zu einem zwei-Parteien-System (Duvergers Gesetz). • Stichwahl: Hateine Alternative mehr als 50% so wird sie sofort gewählt – wenn nicht so treten die beiden erstgereihten Alternativen an (Bundespräsidentenwahl). Vorteil gegenüber der Stichwahl ist, dass nicht gegen die Mehrheit entschieden werden kann. Findet in 83,6% der Fälle den Condorcet-Sieger • Single Transferable Vote (STV, Cincinnati-Regel): Hateine Alternative mehr als 50% so wird sie sofort gewählt – wenn nicht wird die Alternative, welche die wenigsten Stimmen hat exkludiert und es wird noch einmal gewählt. Dies geschieht solange, bis eine Alternative über 50 % liegt. • Coombs-Wahl: Ähnlich wie STV – jedoch werden nicht die Alternative, welche die wenigsten ersten Plätze – sondern die Alternativen mit den meisten letzten Plätzen eliminiert. • Anerkennungswahl (Approval Voting): Stehen n Kandidaten zur Wahl können n Namen auf den Wahlzettel geschrieben werden. • Ein Name nur dieser eine kommt in Frage. • n -1 Namen der nicht genannte kommt nicht in Frage. • Keinen oder n Namen Stimmenthaltung. • Condorcet-Wahl: Paarweise Abstimmung – die Alternative, die alle anderen schlägt wird gewählt; Problem von zyklischen Mehrheiten das Condorcet-Paradoxon; mehrgipfelige Präferenzen. • Borda-Wahl: Jede Alternative bekommt Punkte. Die letztgereihte Alternative 0 Punkte, die zweitschlechteste einen Punkt, die drittschlechteste 2 Punkte, … Die Alternative mit den meisten Punkten hat gewonnen • Antiplurality: Jede Alternative bekommt einen Punkt – außer der letztgereihten Alternative. Die Alternative mit den meisten Punkten (welche die meisten Wähler für „nicht die Schlechteste“ – bzw. für nicht inakzeptabel halten) hat gewonnen.
Kollektive Entscheidung Ergebnisse alternativer Wahlverfahren Präferenzen 6 Personen MilchWeinBier 5 Personen Bier WeinMilch 4 Personen Wein BierMilch
Kollektive Entscheidung 5 Forderungen an ein soziales Wahlverfahren • Pareto-Effizienz (P): Wenn eine Alternative existiert, die von allen Individuen vorgezogen wird, so soll diese genommen werden • Keine Diktatur (ND): Es darf kein Individuum existieren, dessen Präferenzordnung – ganz gleich wie die Präferenzordnung der anderen Individuen aussieht – identisch ist mit der sozialen Präferenzordnung. • Transitivität (T): Keine zirkulären Präferenzen. • Kein Ausschluss (Unrestricted Domain, UD): Alle möglichen individuellen Präferenzen sind erlaubt. • Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen (UIA): Die soziale Präferenz bezüglich zweier Alternativen darf nur von den individuellen Präferenzen zwischen diesen beiden Alternativen abhängen. Angenommen es gibt drei Alternativen (A, B, C). Wenn ein oder mehrere Individuen ihre Präferenzen hinsichtlich C ändern, so darf das keinen Einfluss auf die soziale Reihung von A und B haben.
Kollektive Entscheidung Die fünf Forderungen und zwei wichtige Wahlverfahren • Das Condorcet-Paradxon: Das Verfahren von Condorcet kann zu zyklischen (intransitiven) Präferenzen führen. • Bei der Borda-Wahl werden u. U. irrelevante Alternativen berücksichtigt. Der Condorcet-Sieger ist A. Bei der Borda-Wahl wäre hingegen B der Sieger (24 Punkte für B und 23 Punkte für A). Würde jedoch nun zwei der 4 Wähler, die C vor A gereiht hatten ihre Meinung ändern und A vor C reihen, dann wäre A mit nun 25 Punkten der Borda-Sieger. Ob im obigen Beispiel A oder B die Borda-Wahl gewinnt hängt von der Position der irrelevanten Alternative C ab.