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Beratung und Therapie im Internet. Referat im Rahmen des Blockseminars „Medienunterstützung in der klinisch-psychologischen Intervention“ Seminarleitung: Dipl.Psych. C. Eichenberg Julia Schmitz 24.06.2005. Überblick. Einleitung Unterschied Therapie vs. Beratung
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Beratung und Therapie im Internet Referat im Rahmen des Blockseminars „Medienunterstützung in der klinisch-psychologischen Intervention“ Seminarleitung: Dipl.Psych. C. Eichenberg Julia Schmitz 24.06.2005
Überblick • Einleitung • Unterschied Therapie vs. Beratung • Beratungsthemen / Kontraindikationen • Zielgruppen • Vor- und Nachteile • Ethische Probleme • Therapiemethoden • Theorien zum medialen Kommunikationsverhalten • Praxisbeispiel • Evaluationsstudie • Fazit
Einleitung I • Suchmaschine Onlineberatung 748.000 Treffer Onlinetherapie 305 Treffer Online-therapie 699.000 Treffer Online therapy 16.000.000 Treffer • Wird hier dem klassischen Therapeuten das Klientel geködert? • Ist die Internettherapie die Therapie der Zukunft? • Wo sind die Grenzen der Onlinetherapie? • Was ist in dem speziellen Online-Setting machbar? • Ist das Mögliche auch tatsächlich erwünscht? • Wird Körperkontakt emotet?
Unterschied Therapie vs Beratung (1) II • Def.: Bei der Online-Beratung muss eine formelle Situation hergestellt werden, in der sich eine Beziehung zwischen Ratsuchenden und professionellem Beratendem konstituiert und die Möglichkeit besteht, gemeinsam Problemsituationen und Lösungsvarianten zu explorieren (Döring, 2000). • Def.: Alle psychotherapeutischen Ansätze verschaffen dem Patienten in mehr oder weniger großem Ausmaß die Möglichkeit, unter besonderen Bedingungen neue Beziehungserfahrungen machen zu können, Rückmeldung für das eigene Verhalten zu bekommen, zu irgendwelchen Formen der Realitätstestung angeregt zu werden und neue Kompetenzen einüben zu können
Unterschied Therapie vs. Beratung (2) II • Problem der Trennung Keine trennscharfe Sondierung möglich, sondern teilweise Überlappung und Deckung • problemorientierte, kurzfristige Minitherapie als Spezifikum des Online-Settings • E-Therapie niemals gleich Psychotherapie • IBI als Oberbegriff
Beratungsthemen / Kontraindikationen III • Paarberatung • Sexualberatung • Beratung bei Trauerfällen • bei Depressionen • bei Ängsten • Erziehungsberatung • Beratung spezifischer Gruppen • Jugendliche, HIV-Positive, Drogenabhängige • PTBS • Mobbing • Suizidalität • aktuelle Krisensituation • keine Krisenintervention online! • länger bestehende und tiefer liegende Störungen • z.B. Psychose, Schizophrenie • Gewalttätige Beziehungen • Sexueller Missbrauch
Zielgruppen IV Personen, • die sich herkömmliche Beratung finanziell nicht leisten können. • die anonym bleiben wollen. • die in Regionen mit schlechter psychosozialer Infrastruktur leben & lokal keinen Berater erreichen können. • mit körperlichen Behinderungen / sozialen Ängsten • die eine Beratung außerhalb des Netzes ins Auge gefasst haben, aber zunächst unverbindlichen Kontakt aufnehmen wollen = Anbahnung • denen es leichter fällt, ihr Problem aufzuschreiben • die im Ausland leben die fortlaufende Termine aufgrund des Berufes nicht wahrnehmen können. • die zu den üblichen Öffnungszeiten keine Möglichkeiten haben und lieber einen Termin am Wochenende wahrnehmen.
Vorteile V • Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen • Anonymität (v.a. für intime Probleme) • niederschwellige Kontaktaufnahme • Schreiben als emotionale Entlastung = Katharsis * • ermöglicht schnelle Beratung ohne Termin • Archivierung möglich (Protokoll) • Ökonomie • Keine Vorurteile können wirken • Freie Zugänglichkeit in Raum und Zeit • Hohes Maß an Projektion • Emoticons können Gefühle vermitteln und auflockern • Variationen u. Neuschöpfungen in Internetkommunikation wirken bereichernd • Nutzer können durch adäquate Medienwahl u. kompetentes Kommunikationsverhalten kompensieren! • Alltagsfremde Kommunikation Aufbruch von Verhaltensmustern, gezielte Regression, Phantasie fördern
Nachteile V • Archivierung: Hemmungen bei Formulierungen • Kontraindikationen, z.B. bei Personen in akuten Krisensituationen • Konzeptionelle und empirische Basis für gezielte Indikationen fehlt • durch Distanz z.T. weniger Respekt, mehr kränkende Formulierungen, • bei kleinster Konfrontation/Missverständnis Abbruch möglich • evt. verspätete Rückmeldung bei Krisenintervention • Distanz, relativ wenig Information (keine Gestik, Mimik, Stimme) • Mail ist zeitversetzt Stimmungslage nicht mehr aktuell • Schriftliches Formulieren erfordert hohes Abstraktionsvermögen • Vermeidungstendenz verstärkt • Emoticons nicht differenziert genug -> Missverständnisse • Ethische Probleme
Ethische Probleme VI • Professionalität • Hat man es tatsächlich mit Fachleuten zu tun? • Gütesiegel • Erster Schritt in diese Richtung: Credential Check Service, der Abschluss etc. netzöffentlich beglaubigt = kommerziell • Gütesiegel vom bdp • Vertraulichkeit • Therapeut ist zu Vertraulichkeit verpflichtet, doch Medium schafft Sicherheitslücken • Alle Kommunikatonsprozesse im Netz werden automatisch dokumentiert • Richtlinien sind von Berufsverbänden zu entwickeln • Benutzung von sicheren Verschlüsselungsverfahren • Verbindlichkeit • Keine Versicherung, dass immer Anlaufstelle vorhanden ist • Andere Kommunikationskanäle offen halten
Therapiemethoden VII • Im Ausklang an Therapie noch Mailverbindung erhalten • Inhaltlich ist vieles aus der realen Therapie möglich • Einsetzbar für Familientherapie bei räuml. Trennung • Parallelen zu GT: selbstheilende Wirkung des Tagebuches + therapeutische Unterstützung • Kreative Therapien: Texte=Werke, unverstellter Zugang zur Symbol- und Konstruktwelt Produktion = Erfahrung von Selbstwirksamkeit • VT: z.B. syst. Desensibilisierung für soziale Situationen • Körpertherapien: fehlende physische Kohärenz führt zu Bewusstsein • Supervision = Intervision • Programm, das Gefühle erkennt wird entwickelt
Theorien zur computervermittelten Kommunikation (CvK) VIII Medium Medienmerkmale (B) Medienwahl (A) Nutzungssituation Effekte Mediales Kommunikationsverhalten (C) Person
A Medienwahl VIII Entscheidung PRO Netzmedium und contra anderes • Rationale Medienwahl • Aufgabenangemessenheit einzelner Medien muss kritisch überprüft werden • Normative Medienwahl • Entwicklung einer Mediennutzungskultur in jeweiligen Gruppen, Organisationen u. Netzwerken (z.B. Krankenhäuser) • Interpersonale Medienwahl • Explizites Nachfragen zu Nutzungspräferenzen (von beiden Seiten!)
B Medienmerkmale VIII Von welchen Medienmerkmalen wird Kommunikation besonders beeinflusst? • Kanalreduktion • Nicht pauschal als Negativmerkmal u. Medienkompetenz steigern, jedoch Entfremdung ernst nehmen • Filter-Modell • Anonymität Enthemmung positiv + negativ • Digitalisierungs-Modell • Erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten hinsichtlich Teilnehmerkreis, räumlicher Distanz, Kommunikationsgeschwindigkeit u. Automatisierbarkeit
C Mediales Kommunikationsverhalten VIII Wie agieren die Beteiligten während der CvK? • Soziale Informationsverarbeitung • Kompensatorische Anpassung ist nötig und ggf. zu fördern (Medienkompetenz durch häufige „spielerische“ Nutzung) • Imaginations- und Konstruktionsmodell • Kann gute Übung für Selbsterfahrung/-erprobung sein, muss aber therapeutisch aufgearbeitet werden • Netzkultur-Modell • Bei hohem Stellenwert von netzkulturellen Merkmalen in einer bestimmten Gruppe sollten diese in Ansätzen übernommen werden
Praxisbeispiel: Online-Therapie „Interapy“ IX • Zielgruppe: • Personen, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden • Behandlung: • kognitiv-behavioraler Ansatz: Die Patienten werden dazu angeleitet, sich schriftlich mit dem traumatischen Ereignis zu beschäftigen und es in entlastender Weise neu zu bewerten. • Die Behandlung dauert 5 Wochen.
Programmaufbau von Interapy IX 1. Psycho-education: Zunächst werden Informationen zum Störungsbild online gestellt. 2. Diagnosis and screening: Interessierte können sich zur Online-Therapie anmelden, wobei sie zunächst einige standardisierte diagnostische Fragebögen auszufüllen haben. Bei Erfüllen der Einschlusskriterien bekommt man einen Therapeuten und ein Passwort zur Systemnutzung zugeteilt. Sollte kein Therapieplatz frei sein, wird auf alternative Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen. 3. Treatment: erfolgt nach striktem Ablaufplan: 2 mal / Woche müssen Essays geschrieben werden, die je 45 Min. Zeit in Anspruch nehmen sollen. Dabei werden 3 Foki gesetzt: (1) self-confrontation (2) cognitive reappraisal (3) social sharing
Studie zum Projekt „Interapy“Lange et al. (2001) IX Lange et. al (2001) konnte für das Interapy-Projekt an Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörung (n = 25) positive Effekte dokumentieren. Die Nachhaltigkeit müsste durch Längsschnittstudien jedoch ergänzend belegt werden. * Prozentuale Anteile derjenigen, die Veränderungen in der jeweiligen Symptomatik zeigten
Evaluationsstudie:Ott (2003): Review zu empirischen Befunden X
Evaluationsstudie:Ott (2003): Review zu empirischen Befunden X
Evaluationsstudie:Ott (2003): Review zu empirischen Befunden X • 86,7 % der Untersuchungen wiesen positive Effekt nach • 73,7 % basierten auf kognitiv-behavioralen oder verhaltenstherapeutischen Interventionsprogrammen • Die meisten IBI basierten auf bereits vorhandenen Therapiemanualen bzw. Modulen daraus • Methoden der kognitiven Umstrukturierung, Problemlösetrainings, Selbsstmanagementtrainings, Aufmerksamkeitstrainings • Nachteile: Einzelfallberichte, kleine Stichprobe, spezifische Population; nur eine Studie randomisiert und kontrolliert
Fazit:Ott (2003): Review zu empirischen Befunden X • Im größten Teil der Studien ist Wirksamkeit nachgewiesen, besonders bei Panikstörungen, PTBS, Essstörungen, Adipositas, substanzbezogenen Störungen • Weniger geeignet für depressive Störungen • Nicht evaluiert: Zwangsstörungen, somatoforme Störungen, psychotische und schizophrene Störungen, Persönlichkeitsstörungen Für die Zukunft: • Studien sollten an klinischen Stichproben validiert werden • Prä-post Vergleiche mit langfristigen follow-ups • Zwei Kontrollgruppen realisieren (Warteliste + f2f) • Maße für Compliance und Zufriedenheit miterheben (Moderatorvariabel)
Beispiele X • www.expertenzentrale.de ! • www.sextra.de ! • www.telefonseelsorge.de ! • www.die-couch.de • www.zickpsycho.de • www.stems.de • www.bke-sorgenchat.de • www.beratung-therapie.de • www.psychotherapiepraxis.at • www.paarberatung.ch • www.online-therapie.de • www.screentherapy.de √ • www.interapy.nl √ • www.kummernetz.de √
Fazit XI • Online-Beratung und –Therapie braucht spezifische Methoden und Konzepte, die sich aus dem Online-Setting ergeben. • Prognose: kostenpflichtiger Online-Beratung wird momentan noch nicht häufig in Anspruch genommen, kostenlose Angebote stoßen hingegen auf hohe Akzeptanz. • Ergänzung zu anderen Settings, Kein Ersatz für Psychotherapie • Klienten nicht den nicht-therapeutischen Kollegen überlassen • Erste Fachzeitschriften und Fachgesellschaften haben sich bereits gegründet
Beispiele • www.expertenzentrale.de ! • www.sextra.de ! • www.telefonseelsorge.de ! • www.die-couch.de • www.zickpsycho.de • www.stems.de • www.bke-sorgenchat.de • www.beratung-therapie.de • www.psychotherapiepraxis.at • www.paarberatung.ch • www.online-therapie.de • www.screentherapy.de √ • www.interapy.nl √ • www.kummernetz.de √
Literatur • Bollinger,S. (2004). E-Mail-Kontakte und Psychotherapie. Psychotherapeut, 49, 126-128. • Döring,N. (2000).Selbsthilfe, Beratung und Therapie im Internet. In B. Batinic (Hrsg.), Internte für Psychologen (2. Auflage) (S.509-548). Göttingen: Hogrefe. • Döring, N. (2003). Computervermittelte Kommunikation als therapeutisches Medium. In R. Ott & C. Eichenberg (Hrsg.). Klinische Psychologie im Internet. Potenziale für klinische Praxis, Intervention, Psychotherapie und Forschung (S.117-127). Göttingen: Hogrefe. • Eichenberg, C. (2004). Spezifika der therapeutischen Beziehung im Online-Setting. Psychotherapie im Dialog, 4, 393-396. • Eichenberg, C., Klemme, A. &Theimann, T. (2002, Juli). Beratung und Therapie im Internet. Posterpräsentation auf dem 3. Weltkongress für Psychotherapie, Wien, Österreich. • Lang, J. (2001) Gut beraten im Internet? Psychologische Onlineberatung heute. Psychoscope, 6, 9-13. • Lang, J. (2002). Wie nutzt die Psychologie neue Medien? Beispiel Online-Baratung. In M. Brüstle (Hrsg.), Kommunikation der Zukunft, Zukunft der Kommunikation. Psychologie und neue Medien. 10. Brixener Tage für Psychologen der Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Psychotherapieverbände (S. 88-107). Bonn: Dt. Psychologen Verlag. • Laszig, P. & Eichenberg, C. (2003). Online-Beratung und internetbasierte Psychotherapie. Psychotherapeut, 3, 193-198. • Ott, R. (2003). Klinisch-psychologische Intervention und Psychotherapie im Internet: Ein Review zu empirischen Befunden. In R. Ott & C. Eichenberg (Hrsg.), Klinische Psychologie und Internet. Potenziale für klinische Praxis, Intervention, Psychotherapie und Forschung (S. 128-147). Göttingen: Hogrefe. • Ott, R. & Morschheuser, S. (2003). Konzeption eines videobasierten psychologischen Online-Beratungsangebots. In R. Ott & C. Eichenberg (Hrsg.), Klinische Psychologie und Internet. Potenziale für klinische Praxis, Interventin, Psychotherapie und Forschung (S. 247-254). Göttingen: Hogrefe. • Spielberg, R. & Ottt, R. (19999). Psychotherapie und Beratung im Netz: Was geht, was geht nicht? psychomed, 11, 112-117.