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fbg Forschung und Beratung im Gesundheitswesen Karlsruhe. PsychotherapeutInnen in den neuen Versorgungsformen – Stand, Perspektiven und Handlungsoptionen. Dr. Wolfgang Bürger fbg Forschung und Beratung im Gesundheitswesen Moltkestr. 25 76133 Karlsruhe 0721 625 47 25
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fbg Forschung und Beratung im GesundheitswesenKarlsruhe • PsychotherapeutInnen in den neuen Versorgungsformen – • Stand, Perspektiven und Handlungsoptionen Dr. Wolfgang Bürger fbg Forschung und Beratung im GesundheitswesenMoltkestr. 25 76133 Karlsruhe 0721 625 47 25 fbgbuerger@online.de
Hintergrund • Diverse gesetzliche Veränderungen mit Ziel mehr Wettbewerb • Wettbewerb um Krankenversicherte: Versicherungsmarkt (GSG 1993, freie Wahl der KK) • Wettbewerb um Patienten: Behandlungsmarkt (GRG 2000: auch Krankenhäuser können an der ambulanten Versorgung teilnehmen, z.B. im Rahmen der integrierten Versorgung § 140 SGB V o. § 116b SGB V) • Wettbewerb um Leistungsverträge zwischen Leistungsanbieter u. Krankenkassen: Leistungsmarkt (KV verliert Monopol für ambulante Versorgung über Kollektivvertrag, z.B. Selektivverträge nach § 73 SGB V zwischen Kassen und Leistungsanbietern) • Hoffnung der Bundesregierung: sinkende Beiträge, Preise und bessere Versorgungsqualität
Hintergrund: Entwicklungen im stationären Versorgungssektor • Jede dritte Klinik schreibt 2008 rote Zahlen (Ärztezeitung 30.10. 2008) • Steigende Sach- und vor allem Lohnkosten • Wegfall von Investitionen durch die Länder • Schwierigkeiten von Krankenhäusern, Arztstellen zu besetzen • F Zunehmender Existenzdruck mit Konkurrenzdruck, Klinikschließungen und Fusionen • Kliniken u. Konzerne expandieren zunehmend in ambulanten Bereich, auch um Patientenströme zu lenken
Hintergrund: Entwicklungen im ambulanten Versorgungssektor • Neue Organisationsformen mit Zusammenschlüssen von Leistungsanbietern und Möglichkeiten der Anstellung (MVZ, sektorenübergreifende Versorgung im Rahmen der integrierten Versorgung) • Vermehrt Selektivverträge zwischen Krankenkassen und einzelnen Leistungsanbietern oder Gruppen von Leistungsanbietern • Entwicklung hin zu einer Konzentration von Leistungsanbietern zu größeren Versorgungseinheiten auch im ambulanten Sektor • Abnahme des Monopols des Kollektivvertragssystem
Beschreibung der neuen Versorgungsformen mit Relevanz für KJP/PP • DMP (§ 137 SGB V), Vorläufer der integrierten Versorgung • Integrierte Versorgung (§ 140 SGB V) • Hausarztzentrierte Versorgung (§ 73 b SGB V) • Besondere ambulante Versorgung, Selektivverträge zw. KK und Leistungsanbietern (§ 73 c SGB V) • Modellvorhaben nach § 63 SGB V mit wissenschaftlicher Begleitung • Ambulante Versorgung an Krankenhäusern nach § 116 b SGB V (hoch spezialisierte Leistungen) • Medizinische Versorgungszentren MVZ (§ 95 SGB V) • Neue Kooperationsformen im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VändG) anstelle MVZ, Berufsausübungsgemeinschaften (Früher Gemeinschaftspraxis): Teilgemeinschaftspraxen, überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften, Zweigpraxen • Netzorganisationen (z.B. MEDI)
Disease-Management-Programme (§ 137 SGB V) • DMP für chronisch kranke Versicherte mit hoher Prävalenz und hohen Krankheitskosten (Diabetes mellitus Typ I und II, Chronisch obstruktive Lungenerkrankung und Asthma, Mamma-Karzinom, Koronare Herzerkrankung) • Strukturierte, koordinierte leitliniengestützte Behandlung • Patienten schreiben sich in Programme ein, Verzicht auf freie Arztwahl (innerhalb der Gruppe teilnehmender Ärzte erhalten) • Versicherte erhalten Bonus (Verzicht auf Praxisgebühr) • Versicherte werden durch koordinierende Vertragsärzte betreut, der Leistungen veranlasst und koordiniert • Verträge zwischen KK und KV, aber auch zwischen KK und Leistungserbringern direkt (auch unter Beteiligung von Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen) • KK erhalten für eingeschriebene Versicherte Gelder im Rahmen des Risikostrukturausgleichs RSA • Ärzte erhalten festgelegte außerbudgetäre Vergütung (für Information, Dokumentation, Schulung, Betreuungspauschalen)
Disease-Management-Programme (§ 137 SGB V) • Beteiligung von Psychotherapeuten: • Gemeinsame Bundesausschuss hat Beteiligung von PT nur bei Brustkrebs und koronaren Herzerkrankungen vorgesehen • Kein Mangel an Konzepten einer Beteiligung von Psychotherapeuten auch bei anderen chronischen Erkrankungen • In Verträgen sind Psychotherapeuten lt. aktueller Umfrage bei allen KV‘en nur bei den DMP für Mamma-Carcinom beteiligt und auch das nur bei der KV Bayern (hier sind auch angemessene Vergütungen bis 95 € für 50 min. Gespräch vorgesehen) • Faktisch sind Psychotherapeuten aber auch in Bayern kaum beteiligt, weil Ärzte die Indikation nicht stellen und nicht entsprechend beraten • Allerdings ist begleitend noch psychotherapeutische Regelversorgung möglich
Integrierte Versorgung (§ 140 SGB V, seit 2003) • Weiterentwicklung der DMP • Interdisziplinäre und sektorenübergreifende (z.B. ambulant, stationär, rehabilitativ, Pflege) Versorgung durch einen Zusammenschluss von Anbietern (Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Reha-Einrichtung, Pflegedienste, Apotheken, Managementgesellschaften) • Direktverträge zwischen KK & Leistungsanbietern, sollten lt. Gesetz bevölkerungsbezogen und flächendeckend sein • In den Verträgen können Case-Management-Leistungen (wie bei DMP) oder Einzelleistungen vergütet werden, Strukturen gefördert werden (z.B. Praxiskliniken), Komplexpauschalen für Leistungen oder für die Versorgung über eine gesamte Versorgungskette zu einem festen Betrag vereinbart werden (z.B. Budgetverantwortung für gesamte Versorgung zu einem festen Preis), viele Verträge aber begrenzte Zahl von Versicherten oder regional begrenzt • Patienten schreiben sich freiwillig ein, innerhalb des Netzwerkes besteht Überweisungspflicht (also eingeschränkte Freiheit der Arztwahl) • Oktober 2008 über ca. 6000 Verträge zur integrierten Versorgung • Bis Ende 2008 Anschubfinanzierung mit 1% des Budgets aus dem Kollektivvertragssystems, Geld für IV wird der Gesamtvergütung an KV entzogen • Für 2009 prüfen Kassen bestehende Verträge und kündigen sie, wenn sie nicht wirtschaftlich sind (lt. Ärztezeitung vom 12.11. 2008 schätzt Chef des AOK Bundesverbandes Ahrens, dass nur 50% der Verträge weitergeführt werden, unklar ob neue hinzukommen), für Leistungsanbieter mangelnde Planungssicherheit • Kassen haben zukünftig nur dann Interesse an weiteren IV-Verträgen, wenn dieses Geld dem Kollektivvertraglichen GKV-Versorgungssystem entzogen wird, keine zusätzliche Finanzierung ohne Nachweis der Möglichkeit von Kosten einsparungen (TK nur noch Verträge, die sich rechnen)
Integrierte Versorgung (§ 140 SGB V, seit 2003) • Beteiligung von Psychotherapeuten • Bei integrierter Versorgung von psychischen Erkrankungen sind niedergelassene Psychotherapeuten bislang in eher geringem Umfang beteiligt • Laut MEDI sind in den bestehenden Verträgen lediglich 6 mit Einbindung von ambulanten Psychotherapeuten (Hörsturz, Depression, Akutversorgung) • TK hat in 10 Regionen Deutschlands Verträge zur integrierten Versorgung von Patienten mit depressiven Erkrankungen mit einer Managementgesellschaft (vertritt Berufsverband von Psychiatern und Nervenärzten) vereinbart, dort sind niedergelassenen PP nicht, wohl aber ärztliche Psychotherapeuten beteiligt • TK prüft Möglichkeiten der integrierten Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen unter Beteiligung von Psychotherapeuten mit Approbation, aber ohne Kassenzulassung (aufgrund der langen Wartezeiten)
Integrierte Versorgung (§ 140 SGB V, seit 2003) • Beteiligung von Psychotherapeuten • Saarland Merziger Modell: Vertrag zwischen Ersatzkassen, AOK, Klinikum Merzig und niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten zur Versorgung von Patienten mit Alkoholabhängigkeit und Depressionen seit 2005 • Beratungs- und Koordinierungsstelle am Klinikum Merzig mit Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, PP, Sozialpädagogin, Kauffrau • Zuweisungen zu 90% aus dem ambulanten Sektor • Beratung und Aufklärung, Vermittlung eines Zuganges zu therapeutischen Einrichtungen, Behandlungsbegleitung • Über 50% der Patienten gelangen in die ambulante Psychotherapie, die zum großen Teil (über 1/3) wegen Kapazitätsmängeln bei den Niedergelassenen im Rahmen einer sog. „Psychotherapie sofort“ max. 10 bis max. 20 Stunden erhalten, durch angestellte PP, PP oder Ärzte mit Arztregistereintrag, aber ohne KV-Zulassung • Abbrecherquote von 10%, bei weiteren 2/3 war eine weitere ambulante psychotherapeutische Hilfe im Rahmen der Regelversorgung nicht mehr erforderlich
Integrierte Versorgung (§ 140 SGB V) • Vertrag zur Versorgung von Kindern mit ADHS Deutsche Psychotherapeutenvereinigung und Ersatzkassen (VDAK) in Rheinland-Pfalz seit 2005 • Kinderärzte und Kinderpsychiater, KJP • Jeder, der die erforderliche Qualifikation nachweist, kann an dem Programm teilnehmen • Verpflichtende Teilnahme an Fortbildungen • Psychotherapeutische Leistungen werden über KV abgerechnet • Der Ansprechpartner, der Pat. ins Programm einschreibt (Arzt o. Psychologe) kann Leistungen für Koordination, konsiliarischen Austausch, Diagnostik, Teambesprechung und Elternberatung und Dokumentation einzeln gesondert abrechnen, er ist im Verfahren Ansprechpartner und Koordinator • Programmteilnahme ist für Patienten freiwillig, Dauer 24 Monate, kann verlängert werden • Elterntraining kann auch delegiert werden an Fach- oder Honorarkräfte
Netz für seelische Gesundheit Mainz: Integrierte Versorgung nach § 140b SGB V • Vertrag zwischen TK, Paritätischer Tagesklinik für Psychiatrie u. Psychotherapie, psychiatrische Institutsambulanz, Vertragsärzte und –psychotherapeutInnen, Ergotherapeuten • Patienten mit Schizophrenie und anderen psychotischen Störungen, affektiven Störungen, Angst-, Belastungs- und somatoformen Störungen • Psychiater oder Psychotherapeut weisen Patienten einer Clearing-Stelle im Netz für seelische Gesundheit zu. Dort Klärung, ob multiprofessionelle Versorgung von Patienten erforderlich ist. • Behandlung nach individuellem Behandlungsplan in der Institutsambulanz oder Tagesklinik, umfasst ärztliche Behandlung, Psychotherapie, psychiatrische Pflege, Ergotherapie, Arbeitstherapie, Soziotherapie, Milieutherapie • Multiprofessionelles Team: Ärzte (30 %), Psychotherapeuten (30 %), Sozialarbeiter (15 %), Ergotherapeuten (10 %), sonstige Therapeuten (10 %) und Fachpflegepersonal (5 %). • Während der Zeit findet weiter Behandlung durch niedergelassenen Arzt, Psychotherapeuten oder Ergotherapeuten statt • Gemeinsame regelmäßige Visiten und Fallbesprechungen aller Leistungserbringer mindestens einmal monatlich • Gemeinsame Dokumentation • Vertragliche vereinbarte Anforderungen an die Qualifikation der teilnehmenden Leistungserbringer • Hilfebedarfsgruppen in Abhängigkeit vom Zeitaufwand (6 Stufen von 2.5 bis 15 Stunden/Woche). Pauschale Vergütung für die sechs Bedarfsgruppen, interne Verteilung der Gelder unter Behandlern • Anreiz für Niedergelassene: außerhalb des Praxisbudgets können Patientinnen weiter behandelt werden, so dass die notwendige Behandlungs- und Beziehungskontinuität sicherstellt ist.
Hausarztverträge (§ 73 SGB V) • Verträge zwischen KK und Hausärzten (z.B. Arztverbände wie MEDI) Beteiligung der KV‘en prinzipiell möglich, Sicherstellungsauftrag geht an die KK • Patienten schreiben sich ein, erhalten z.T. Boni (Erlass der Praxisgebühr), verpflichten sich, zunächst als erstes Hausarzt aufzusuchen, der die weitere Steuerung der Behandlung übernimmt • Ärzte erhalten Pauschale für Einschreibung und Steuerung des Patienten • Sollen zeitnah Termine anbieten und v.a. leitliniengesteuert Medikamente verordnen (mehr Generika) • Facharzt darf nur auf Überweisung des Hausarztes aufgesucht werden • Bereinigung der Gesamtvergütung • Recht des freien Zugangs zur psychotherapeutischen Versorgung ist bisher nicht beschnitten (z.B. Bayern Vertrag zwischen LKK und KK, BIG mit KV Berlin) • Bisherige Erfahrungen der KK mit Hausarztverträgen: Führen vor allem zu höheren Kosten, nicht aber zu qualitativ besserer Versorgung, deshalb zukünftig zurückhaltend
Besondere ambulante Versorgung (§ 73 c SGB V) • Selektivvertragliche Vereinbarungen zwischen KK und Leistungsanbietern oder Leistungsanbietergemeinschaften, Trägern von Einrichtungen oder KV • Kann sowohl gesamte ärztliche Versorgung als auch einzelne Bereiche der ambulanten Versorgung betreffen • die KK können diese Leistungen ihren Versicherten freiwillig anbieten Versicherte verpflichten sich ein Jahr lang vertraglich zu dieser Behandlung, z.T. dabei Verzicht auf freie Arztwahl • Bereinigung der Gesamtvergütung ? • Beispiele: • Kassel: gesamte ambulante ärztliche Versorgung MVZ Medikum (inkl. psychotherapeutischer Leistungen) • Akutversorgung Gesundes Kinzigtal (Medi-Verbund und KK, hier auch PP/KJP beteiligt) • Strukturvertrag zw. TK Schleswig-Holstein und KV Schleswig-Holstein zur psychotherapeutischen Direktversorgung ohne Wartezeiten
Besondere ambulante Versorgung (§ 73 c SGB V) • Strukturvertrag TK Schleswig-Holstein und KV Schleswig-Holstein (seit 1. April 2008) • Beteiligte Psychotherapeuten bieten innerhalb von 14 Tagen Termin für Erstgespräch an • Dafür feste Vergütung prob. Sitzungen (72 €) + Bonuszahlungen in Höhe von 50% der Einsparungen durch verhinderte stationäre und medikamentöse Behandlungen, Fehlzeitenreduktion, Vermeidung von Kurz- und Langzeitpsychotherapien • 50% aller niedergelassenen PP sind beigetreten • Mehrfachbelastung mit durchschnittlich 1 probat. Termin pro Quartal gering • Ergebnisse etwa Frühjahr 2009
Modellvorhaben nach § 63 SGB V • Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung • Wissenschaftliche Begleitung zwingend • Beispiel: Psychiatrische Versorgung im Kreis Steinburg • Kreis Steinburg und Kreisstadt Itzehoe (insgesamt ca. 170.000 Einwohner) seit 1976 regionale psychiatrische Vollversorgung durch das Klinikum Itzehohe und das Psychiatrische Centrum Glückstadt • 2003 Modellprojekt für 5 Jahre mit wissenschaftl. Begleitung durch Prof. Angermeier (Uni Leipzig) • Vereinbarung Klinikum u. Krankenkassenverbänden: Keine Vergütung nach Einzelleistungen • feste Pauschale von 52 € pro Einwohner (Durchschnittsbetrag pro Einwohner im Jahre 2002 für stationäre, teilstationäre und ambulante klinisch-psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung). • Für diese Gesamtsumme übernimmt Klinikum die komplette psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung. • Die Zahl der behandelten Patienten muss +/- 6% von 2002 betragen • Wahl der Versorgung zu Hause, ambulant, teilstationär oder stationär je nach von den Kliniken beurteilter Erfordernis. • Die Budgets der niedergelassenen Ärzte, Psychotherapeuten und anderer komplementärer Einrichtungen werden zunächst nicht ins das Budget einbezogen
Krankenhäuser nehmen an ambulanter Versorgung teil (§ 116b SGB V) • Krankenhausärzte können im Krankenhaus mit Zustimmung des Krankenhausträgers und des Zulassungsausschusses der KV an der ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit teilnehmen • Spezialversorgung, die von Vertragsärzten nicht erbracht werden kann • Hochspezialisierte Leistungen, seltene Erkrankungen • Leistungen müssen mit Versorgungsauftrag des Krankenhauses für akutstationäre Behandlung in Einklang stehen • Streit mit niedergelassenen Vertragsärzten über Leistungsausweitung in ambulanten Sektor und darüber, bei welchen Leistungen dies gerechtfertigt ist
Medizinische Versorgungszentren (§ 95 SGB V) • fachübergreifende, ärztlich oder ärztlich und PP geleitete Einrichtungen aus mindestens zwei unterschiedlichen Facharztbereichen an einem Ort (Vertragsarztsitzprinzip, überörtliche MVZ ausgeschlossen) • für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten (Vertragsärzte) die Möglichkeit, Kollegen die in das Arztregister eingetragen sind, anzustellen (diese müssen von der KV zugelassen werden) • MVZ kann gemeinsam mit anderen an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern betrieben werden: also Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken, Krankenhäusern, Pflegediensten, Rehabilitationseinrichtungen, Zahntechnikern, Hebammen Sanitätshäuser betrieben werden, Beteiligungen von nicht Leistungserbringern zum Zwecke der Kapitalbeschaffung wie z.B. Kapitalgesellschaften sind möglich • Gründer eines MVZ: nur Leistungserbringern im Sinne des SGB V. Gründer eines MVZ müssen nicht verschiedenen Fachrichtungen angehören und müssen auch nicht im MVZ tätig werden. • MVZ wird von KV zugelassen und unterliegt der Bedarfsplanung (d.h. in gesperrten Gebieten kann nur eine bestehende Praxis eingebunden oder gekauft werden), rechnet unter einer Abrechnungsziffer mit der KV alle Regelleistungen der entsprechenden Facharztgruppe ab und hat Obergrenze der abrechenbaren Leistungen (bei Psychotherapie Maximalauslastung bei angestellten Kollegen, bei Beibehaltung des Sitzes Individualbudget) • Angestellte Krankenhausärzte können erstmals gleichzeitig in der ambulanten Versorgung in einem MVZ tätig sein (gleiche Tätigkeit im KH und Praxis) • Vertragsärzte oder PP, die ihren Sitz in ein MVZ eingebracht haben, können in ein Angestelltenverhältnis wechseln, dann aber keine Rückkehr mehr in Einzelpraxis • Häufigste Rechtsformen: GmbH, GbR und Partnergesellschaften, bei Beteiligung von Krankenhäusern meist GmbH, dann Ärzte als Angestellte tätig.
Medizinische Versorgungszentren (§ 95 SGB V) • Stark steigende Zahl an MVZ-Gründungen: 1023 ersten Quartal 2008, alleine in Berlin 114 MVZ + 74 ehemaligen Polikliniken (Sana, Helios) • Durchschnittliche Größe: 4-5 Ärzte (davon 75% im Angestelltenverhältnis) • Meist Hausärzte und Internisten, dann Laborärzte und Chirurgen • Trägerschaft: 37% in Trägerschaft von Krankenhäusern, 56% in der Hand von Vertragsärzten, zunehmend gründen auch große Klinikträger wie Asklepios, Helios, Rhön-Kliniken, Sana etc.MVZ, die dann bestehende Arztsitze aufkaufen • niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten befürchten deshalb zunehmenden Verdrängungswettbewerb, Forderungen, Kapitalgesellschaften die Trägerschaft von MVZ zu untersagen, hat BMG abgelehnt • Auch Krankenkassen (TK in Hamburg und Köln im MVZ Atrio-Med) über Betreiber (Health-Care-Manager HCM) indirekt beteiligt
Medizinische Versorgungszentren (§ 95 SGB V) • Psychotherapeuten sind als Gründer von MVZ noch wenig beteiligt (fraglich wie attraktiv für PP), (in Ba-Wue von 60 MVZ 9 mit psychotherapeutischen Leistungen, vor allem ärztliche PT) • PP erbringen als Angestellte psychotherapeutische Leistungen in MVZ, die psychiatrische und somatische Erkrankungen behandeln • Beispiele: • MVZ Falkenried in Hamburg: von niedergelassenen Psychotherapeutin, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin gegründet. • 15 pyschologische Psychotherapeuten und 2 psychotherapeutische tätige Ärzte angestellt, die einzel- und gruppentherapeutische Leistungen in einem verhaltenstherapeutisch orientierten Konzept anbieten. • Regelversorgung und Direktverträge mit Krankenkassen (hier HEK zur intensiveren akutmedizinischen Behandlung ) im Rahmen der integrierten Versorgung
Medizinische Versorgungszentren (§ 95 SGB V) • Beispiele: • St. Franziska-Stift in Bad Kreuznach: Rehabilitationsklinik, Akutkrankenhaus, tagesklinische Behandlung und Ausbildungsinstitut • MVZ gegründet, dort arbeiten angestellte PP (meist ehemalige Ausbildungskandidaten) einzel- und gruppenpsychotherapeutisch • Regelversorgung und Direktverträge mit Krankenkassen auf der Basis der integrierte Versorgung § 140 SGB V, dabei werden tagesklinische und gruppentherapeutische sowie diagnostische Leistungen z.T. deutlich besser vergütet als im Rahmen der Regelversorgung • Flexible Übergänge zwischen Versorgungsangeboten (ambulant, tagesklinisch, akut, rehabilitativ) möglich
Teilgemeinschaftspraxen (TGP) • Zusammenschluss von Ärzten zur gemeinsamen Behandlung von Patienten ohne örtlichen Zusammenschluss, jeder Beteiligte erbringt bestimmtes Leistungsspektrum • Summe der einzelnen Teilleistungen ergibt das Leistungsspektrum der TGP • Einzelne Praxen bleiben bestehen • TGP muss keine eigenen Räume haben, aber ist eigenes Unternehmen • Keine TGP möglich, die nur medizinisch-technische Leistungen auf Veranlassung der übrigen TGP-Mitglieder erbringen (z.B. Laborärzte, Radiologen) • Zuweisung gegen Entgelt ist untersagt • Verteilung des Gewinns aus Teilgemeinschaftspraxen nur entsprechend dem Anteil der persönlich erbrachten Leistungen
(Über-)örtliche Berufsausübungsgemeinschaften • Ortlich=gemeinsamer Standort, Praxen können sich auch überörtlich auf Dauer verbindlich zu einer Berufausübungsgemeinschaft zusammenschließen • Einzelne Praxen und Praxisstandorte bleiben bestehen • Unbegrenzte Zahl von Ärzten oder PP/KJP mit Kassensitz • Zusammenschluss kann einzelne Leistungen oder gesamte Versorgung betreffen • Beteiligten Partner können wechselnd an den verschiedenen Standorten tätig sein (am eigenen Standort mindestens 20 Stunden) • Einheitlicher Betrieb, ein Hauptsitz, mehrere Nebenbetriebsstätten • Alle Einnahmen und Ausgaben, in den jeweiligen Einzelstandorten ermittelt, werden zusammengeführt, Gewinnverteilung nach vereinbartem Schlüssel • Kostenvorteile durch Zusammenlegungen im Verwaltungsbereich, EDV-System, Einkauf, gemeinsame Nutzung von Geräten, Service, einheitliches Marketing
Zweigpraxis (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz VändG seit 2007) • Filiale einer Hauptpraxis • Filiale kann auch in einem anderen KV-Bezirk liegen • Filiale muss zur Verbesserung der Versorgung in entsprechendem KV-Bezirk beitragen • Zusätzliches Abrechnungsbudget wird nicht zugestanden, falls keine Versorgungslücke besteht • KV‘en versuchen zu verhindern, dass zugelassener Vertragsart andere Praxis übernimmt und durch angestellten Arzt fortführen lässt
Netzorganisationen • Zweckverband: Zusammenschluss von Ärzten in einem Praxisverbundnetz um besseres Einkommen zu erzielen (z.B. durch Vermeidung von Mehrfachleistungen, gemeinsamer Einkauf, gemeinsame Kostenkontrolle etc.) • Gesellschaft entwickelt Modelle und verhandelt Verträge mit Kassen (Integrationsversorgung, Hausarztzentrierte Versorgung, besondere Versorgungsformen, Beratertätigkeit) • Netze reichen von regionalen Netzen mit wenigen Beteiligten bis hin zu bundesweit tätigen Großnetzen (z.B. MEDI) • Netze mit Beteiligung der KV (z.B. MEDI), ohne Beteiligung der KV aber mit KK (z.B. Ärztenetz Berlin), Netze ohne KV und ohne KK (z.B. MED-EON) • Freies Unternehmen z.B. mit GmbH Struktur (keine Körperschaft des öffentlichen Rechtes, keine behördliche Überwachung, keine Sozialgerichtsbarkeit) • Netz entscheidet über Aufnahme eines Mitgliedes (ob Aufnahme den Interessen des Unternehmens dient) • Netzmitglieder bleiben i.d.R. auch Mitglieder der KV • Netzwerkvergütungen werden dem KV-System entzogen • Innerhalb der Netze muss das gesetzlich verankerte Erstzugangsrecht zur PP/KJP gewahrt bleiben • Patienten müssen sich in Netzbehandlung einschreiben
Netzorganisationen am Beispiel MEDI • KV ist bei MEDI B-W beteiligt (ist rechtlich umstritten) • Bundesweit 13.000 Mitglieder, 6500 in B-W • Gesellschaft entscheidet über Beitritt eines Mitgliedes (Balance Hausarzt, Facharzt, Verbesserung der Versorgung in einem Gebiet) • MEDI hat mit AOK für Baden-Württemberg Hausärztevertrag geschlossen, 2000 angemeldete Ärzte, dort werden feste Pauschalen statt Einzelleistungen abgerechnet • Zusätzliche direkte Verträge mit einzelnen Kassen (z.B. zur Behandlung vor Hörsturz nach § 140 SGB V seit 4 Jahren, gerade von BKK nach 4 Jahren Laufzeit gekündigt) • Vertrag zur integrierten Versorgung von Depressionen (MEDI & Daimler BKK), Hausärzte, Fachärzte für Psychiatrie u. Psychotherapie, Nervenheilkunde, Psychotherapeuten (steht auch Nichtmitgliedern offen): Komplexpauschalen pro Quartal je nach Schwere der Depression (z.B. PT mit 6 oder 12 Stunden je Quartal, 100 €/Stunde + variablen Vergütungsanteil von 150 bzw. 300 € bei Erreichung von Einsparzielen, wenn mehr Sitzungen: Richtlinienpsychotherapie) • Eigene Software zur Abrechnung
Ausblick auf weitere Entwicklung • Konzentrationen von Leistungsanbietern auch im ambulanten Sektor • Ambulante Versorgung wird vermehrt von Kliniken und MVZ übernommen, die häufiger auch von Kapitalgesellschaften und großen Krankenhäusern betrieben werden (offenbar politisch gewollt) • Evtl. Abnahme der Bedeutung kollektivvertraglicher Vereinbarungen für die ambulante Versorgung • Verstärkte Konkurrenz zwischen Leistungsanbietern und Gruppen von Leistungsanbietern um Verträge mit KK • Krankenkassen schließen zukünftig nur Selektivverträge, die sich ökonomisch rechnen im Sinne von Einsparpotentialen (auch im Sinne von Einsparungen bei anderen Leistungsanbietern) • Abnehmende Planungssicherheit mit Ausweitung von Selektivverträgen bei ambulant tätigen Leistungserbringern
Wachsender Bedarf an Behandlung von psychischen Störungen • Stark steigende Zahlen an psychischen Störungen in den letzten Jahren (z.B. DAK-Report), hohe Kosten durch Fehltage, Behandlungen und Frühberentungen (relevanter Versorgungsbereich, Wachstumsmarkt) • Versorgung erfolgt überwiegend mithilfe Psychotherapie und Medikamenten • Psychotherapeutische Versorgung wird ambulant und stationär geleistet, im internationalen Vergleich dichte und komfortable Versorgung v.a. mit Langzeittherapien und stationären Leistungen • Ambulant: psychosomatische Grundversorgung, Fachärzte mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie (6600), ausschließlich psychotherapeutisch tätige niedergelassene Psychotherapeuten (ca. 15.200) und Ärzte (ca. 4000 ausschließlich Psychotherapie), Ambulanzen in Kliniken und Ausbildungsinstituten, psychosoziale Beratungsstellen (12500), Reha-Kliniken (Nachsorge) • Stationär: Fachabteilungen in Akutkrankenhäusern und Universitätskliniken, Psychiatrische Kliniken und vor allem als internationale Besonderheit viele Psychosomatische Rehabilitationskliniken (Akut- und Reha-Versorgung)
Defizite in der ambulanten psychotherapeutische Versorgung • Bei niedergelassenen Psychotherapeuten und Ärzten: • Problem von Versorgungsengpässen: lange Wartezeiten (insbes. KJP), hohe Ablehnungsraten von Patienten (insbesondere Sucht, Schmerzen und psychiatr. Erkrankungen), kaum Gruppentherapie, unterstützt vermehrten Inanspruchnahme stationärer Behandlungen (z.B. psychosomatische Rehabilitationskliniken) • Defizite hinsichtlich ausreichender psychotherapeutischer Grundversorgung und Akutberatung bzw. Behandlung • Unzureichende differenzierte Indikationsstellung für verschiedene Beschwerdebilder und Psychotherapeutische Verfahren (Psychoanalyse behandelt gleiche Patienten wie VT bei bestenfalls ähnlichen Ergebnissen, nur deutlich mehr Sitzungen) • überwiegend Langzeittherapien und Ausschöpfung des bewilligten Stundenkontingentes • Große Unterschiede in der Versorgungsdichte, schlechtere Versorgung mit ambulanten psychotherapeutischen Leistungen vor allem in ländlichen Regionen • Geringe störungsspez. Vernetzung mit Kliniken, z.T. Hausärzten und Fachärzten
Interessen Krankenkassen • Keine Ablehnung von Versicherten mit psychischen Erkrankungen (Gesetzliche Kassen), da Krankenkassen um Mitglieder ringen und für Versicherte mit psychischen Störungen Ausgleichzahlungen aus RSA erhalten • Wegen stark steigenden Erkrankungszahlen Interesse und Notwendigkeit an besserer und kostengünstiger Versorgung der Mitglieder (weniger stationäre Leistungen, Vermeidung AU, Vermeidung von Chronifizierungen) • Bei weiterhin schwieriger Versorgungslage auch Überlegungen, zusätzliche Leistungsanbieter über Selektivverträge in ambulante Versorgung einzubeziehen • gesonderte Vertragsgestaltungen, um so eine schnellere und evtl. auch kostengünstigere Versorgung für alle mit zunächst begrenzter Dauer zu gewährleisten • Zusammenschluss von einzelnen Krankenkassen (z.B. BKK) auch zum Zweck einer besseren Verhandlung mit Leistungsanbietern
Chancen der gegenwärtigen Entwicklung • Zusammenschluss von Leistungsanbietern: • Zusammenschluss von Leistungsanbietern macht für die Versorgungsqualität dann Sinn, wenn tatsächlich integrative über sektorenübergreifende Versorgung stattfindet (für eine echte inderdisziplinäre Zusammenarbeit fehlen aber noch die Strukturen, Ausnahme Modelle der psychiatrischen Versorgung, z.B. Mainz) • Sektorenübergreifende integrative Versorgung mit schnelleren und einfacheren Übergängen sicher sinnvoll, viele Krankenhäuser verfolgen aber damit auch immer die Zielsetzung der Kontrolle über Patientenströme • Selektivverträge: • Selektivverträge machen vor allem Sinn um zusätzliche innovative, und auch Kosten einsparende Modelle und Leistungen, die so am Markt noch nicht verfügbar sind, zu erproben und zu etablieren, hier bestehen für PP/KJP auch Möglichkeiten zu Innovationen • Im Rahmen von Selektivverträgen können Qualitätsleitlinien (z.B. spez. Ausbildungsvoraussetzungen, Teilnahme an spezifischen Fortbildungen) etabliert werden
Risiken der gegenwärtigen Entwicklung • Zusammenschluss von Leistungsanbietern: • Verdrängungswettbewerb von Einzelpraxen durch KH und „Konzerne“ • PP und KJP verlieren angesichts der mächtigeren Standesvertretungen ihre „gleichberechtigte“ Stellung im System gegenüber Ärzten und werden an vielen Entwicklungen nicht beteiligt (Beispiel DMP, viele IV-Verträge) • Gegenwärtig stehen bei der Entwicklung hin zum Zusammenschluss von Leistungsanbietern zunächst mal vor allem ökonomische Überlegungen im Vordergrund und das Bestreben, „Marktmacht“ zu gewinnen • Gefahr: Zunehmende Ökonomisierung der Leistungserbringung, Qualitätsfragen nachgeordnet (vgl. Entwicklungen in der akutstationäre Versorgung, z.B. Pflege) • Selektivverträge: • Planbarkeit und Versorgungssicherheit bei Selektivverträgen deutlich geringer als im Kollektivvertragssystem (vgl. Psychotherapie im Erstattungsverfahren, Kündigungen von IV-Verträgen) • Konkurrenz zwischen den psychotherapeutisch Tätigen (z.B. Ärzte/PP, PP mit und ohne Kassenzulassung) kann zu Preisverfall oder Beschränkungen von Leistungen führen • Beispiel TK-Modell: paradoxe Situation, dass Selektivverträge geschlossen werden um sinnvolle probatorische Leistungen angemessen zu honorieren, die von den KV‘en gegenwärtig unzureichend bezahlt werden
Situation der niedergelassenen Psychotherapeuten (PP/KJP u. Ärzte) • Gegenwärtig noch komfortable Situation, Konkurrenz untereinander noch gering, mehr Nachfragen als Therapieplätze • Einnahmesituation ab 2009 besser, aber immer noch schlechter im Vergleich mit anderen Fachärzten • Unzureichende Vergütung der Probatorik und bes. bei VT häufige und aufwändige Beantragung der genehmigungspflichtigen Leistungen führen zur Ausschöpfung der bewilligten Stundenkontingente • F gegenwärtig kein akuter Handlungs- oder Veränderungsdruck, eher Interesse an Erhalt der Situation, an Planungssicherheit und langfristig gesichertem Einkommen • im Rahmen eines verstärkten Ausbaus von Netzwerken und Selektivverträgen müssen PP/KJP daran interessiert sein, nicht außen vor zu bleiben • Zusammenschluss von Leistungsanbietern: Niedergelassene betreiben Einzel- und Gemeinschaftspraxen meist mit geringem Verwaltungsaufwand und geringer Kapitalbindung, Zusammenschluss ist finanziell aufwändig bei mäßiger Ertragserwartung und unklarer Zukunftsperspektive
Empfehlungen: PP und KJP • Wichtige Schwachstelle und Angriffspunkt: Keine Konzepte und keine Sicherung der Grundversorgung (zu lange Wartezeiten, bestimmten Patientengruppen ist Zugang zu Psychotherapie erschwert, keine Gruppentherapien, keine saubere Indikationsstellung für Langzeitpsychotherapie, keine Hinweise, wer welche Patienten schwerpunktmässig versorgt mit entsprechenden Qualitäts- und Ausbildungsstandards, ungenügende Vernetzung mit niedergelassenen Ärzten und Kliniken im Sinne der optimalen Versorgung) • Im eigenen langfristigen Interesse: Konzepte und Regelungen entwickeln, diese Schwachstellen zu beseitigen (hier sind Selektivverträge gute Möglichkeiten für innovative Versorgungsangebote) • Kampf um entsprechende Regelungen und Vergütungen auch in der Regelversorgung: angemessene Honorierung der Probatorik, Akutversorgung ohne aufwändiges Gutachterverfahren
Selektivverträge: ja oder nein • Entscheidung für oder gegen Selektivvertrag: • Problem Planungssicherheit: was ist, wenn Selektivverträge gekündigt werden • Selektivverträge nur sinnvoll bei gleichzeitigem Erhalt des Kollektivvertragssystems, Selektivverträge, die Erbringung des üblichen Leistungsspektrum nur für begrenzten Kreis von Anbietern beinhalten, deshalb sehr problematisch • Selektivvertragssystem sinnvoll als mögliche Ergänzung zum Kollektivvertragssystem für spezielle, innovative Leistungen oder besonderes qualitätsgesicherte Leistungen, die so noch nicht Standard sind • Verträge sinnvoll, die auch zukünftig freien Zugang von PP/KJP beinhalten, die gleiche Qualitätskriterien erfüllen
Netzwerke: ja oder nein • Entscheidung für oder gegen Netzwerk: • Da Netzwerke Selektivverträge abschließen, ähnliche Argumente • PP/KJP sollten in Netzwerken vertreten sein, um ihre Interessen zu vertreten
MVZ: niedergelassene PP/KJP ja oder nein • Deutlich erhöhter personeller, zeitlicher und monetärer Aufwand für administrative und Verwaltungsaufgaben (ohne Honorierung dieser Leistungen, Ärztezeitung online vom 19.11.2008: Erhebung in Berlin: Ärzte im MVZ versorgen weniger Patienten), damit stärkere finanzielle Bindung und geringere Flexibilität • In der Regel (außer bei einigen IV-Verträgen) keine oder sehr geringe Honorierung für echte interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzungsleistungen • Zusätzliche (aber beschränkte) Einnahmemöglichkeiten im Bereich Psychotherapie, wenn angestellte Kollegen angemessen bezahlt werden, Situation verbessert sich mit EBM ab 2009 zunächst (weitere Entwicklung unklar) • Stärkere Marktposition möglich bei deutlich höherem (finanziellem) Risiko
Handlungsempfehlungen: Verbände • Selektivverträge nur bei freiem Zugang für alle Leistungserbringer (mit entspr. Qualifikationsanforderungen) fördern, dann Entwurf und Publikation von Modellselektivverträgen • Rechtsberatungen • Beibehaltung des kollektivvertraglichen Systems zumindest als Basissystem • Kampf um Wahrung der Position und angemessenen Würdigung und Beteiligung der PP/KJP innerhalb des ambulanten Versorgungssystems (z.B. Leitungspositionen, Entgelt, Gründerberechtigung) • Beachten, dass gesetzlich garantierter freier Zugang zu psychotherapeutischen Leistungen nicht beschnitten wird • Konzepte für Psychotherapeutische Basisversorgung entwickeln, Indikationsstellung für Langzeitpsychotherapie, Angemessene Vergütung der Probatorik als wichtiger Bestandteil der Behandlung
Perspektiven der weiteren Entwicklung • IGES Studie im Auftrag des Arzneimittelherstellers Janssen-Cilag (Ärztezeitung online 6.11.08) • Befragung von 1000 repräsentativ ausgewählten Bürgern • & Delphi-Befragung von Experten • Szenario A: • Primärversorgung in großen Zentren • Zusammenschluss von Ärzten (z.B. im MVZ) als zentrale Anlaufstelle für hausärztliche Versorgungsaufgaben, koordinieren weitere Behandlung durch Fachärzte oder Krankenhaus • Zentren haben volle Budgetverantwortung für eingeschriebene Patienten • Leistungserbringer entscheidet, wie die Versorgung geleistet wird • Szenario B: • Basisversorgung plus individuelle Ergänzung • Gemeinschaftsversicherung für alle mit Grundversorgung auf evidenzbasierter Grundlage, neue Behandlungsmethoden nur bei klaren Belegen für Nutzen • Versicherer bieten Individualtarife für zusätzliche Leistungen an • Szenario C: • Freie Verträge zwischen (Privaten) Krankenversicherern und Kunden • Versicherer schnüren und versichern im Wettbewerb um Kunden individuelle Leistungspakete und Gruppentarife • Gesetzliche Pflicht für Krankenversicherer, alle medizinisch notwendigen Behandlungen zu zahlen
Perspektiven und Bewertungen: Patienten & Ärzte • Versicherte bevorzugen eindeutig Szenario B: • solidarische Absicherung im Krankheitsfall mit Basisversorgung und freiwillige Wahlmöglichkeiten für zusätzliche Leistungen • Ärzte haben viele Vorbehalte gegen Kapitalgesellschaften als Träger der ambulanten Versorgung und eine zunehmende „Konzernierung“ und Ökonomisierung der Medizin, halten diese Entwicklung aber für wahrscheinlich • Ärzte wünschen sich mehrheitlich Kollektivvertragssystem und Gemeinschaftstarif • Kritisch am Modell B aus Sicht der Ärzte: Wettbewerb um Leistungsqualität fehlt • Modell C wird von Ärzten eindeutig abgelehnt
Perspektiven und Bewertungen von Krankenkassen und Kliniken • GKV-Vertreter und Klinikträger bewerten das Modell A positiv (bis auf Budgetverantwortung von GKV-Vertretern), • Private Krankenversicherer bezweifeln wie niedergelassene Ärzte, ob das Modell A tatsächlich flächendeckend eine bessere Versorgung gegenüber jetzigem System bringt • Modell B wird von GKV und PKV skeptisch beurteilt: innovationsfeindlich, Zwei-Klassen-Medizin, Gefahr der Rationierung von Leistungen, Kosten-Nutzen-Bewertungen schwierig • Modell C wird von Krankenkassen und Klinikträgern für machbar gehalten, aber nicht realistisch F Jeder der Beteiligten möchte möglichst viel Einfluss und Gestaltungsspielraum haben
Situation der angestellten Psychotherapeuten und Ausbildungskandidaten • Arbeitsplätze vergleichsweise sicher wegen hoher Nachfrage • Teilnahme an der ambulanten Versorgung bisher schwierig, Kosten für Psychotherapieausbildung vergleichsweise hoch (v.a. wegen schlechter Bezahlung während dieser Zeit), kaum Niederlassungsmöglichkeiten, Kauf einer Praxis mit hohen Kosten verbunden • In MVZ entstehen neue Möglichkeiten der Anstellung
Situation der Kliniken • allgemeine Tendenzen: Bettenabbau, Schließungen, Aufkauf von Kliniken durch Konzerne • bei psychischen Erkrankungen vergleichsweise komfortable Situation (z.B. psychosomatische Kliniken meist ausgelastet) • Im Bereich der psychiatrischen Versorgung Druck zur Reduktion stationärer Leistungen und Ersatz durch tagesklinische und ambulante Behandlungen • Einstieg in die ambulante Versorgung, Einfluss auf Lenkung von Patientenströmen, Interesse an Abdeckung des gesamten Versorgungssektors (ambulant, tagesklinisch, stationär, rehabilitativ) • Gewinnmöglichkeiten mit ausschließlich psychotherapeutischen Leistungen im ambulanten Sektor begrenzt
Bewertung: Entwicklungen aus der Perspektive der Versorgungsqualität • Prinzipielle Vorteile des Zusammenschlusses verschiedener Leistungsanbieter für die Behandlung einer Erkrankung (kürzere Wege, schnellere Versorgung, Abbau von Schnittstellen, Spezialisierung der Beteiligten) • Sektorenübergreifende Versorgung: gerade bei psychiatrischen Erkrankungen mit wechselnden Verläufen deutliche Vorteile • Zusammenschluss von verschiedenen Leistungsanbietern nützen dem Patienten aber nur, wenn Leistungen tatsächlich koordiniert und interdisziplinär erbracht werden (nicht gegenseitiges Zuschieben von Patienten), dies spielt aber bei der gegenwärtigen Versorgungsdiskussion kaum eine Rolle (solche interdisziplinären Leistungserbringungen sind z.B. in der stationären psychosomatischen Rehabilitation seit vielen Jahren selbstverständlich, auch da ist gerade die interdisziplinäre Abstimmung, weil sie keinen direkten Kostenvorteil bietet, eine Schwäche und wird es unter zunehmendem Finanzdruck immer mehr beschnitten) • Modell der Budgetverantwortung (z.B. Kreis Steinburg) beschränkt Leistungen auf das notwendigste und gewährleistet auch (bei ausreichender Vertragslaufzeit) Nachhaltigkeit, aber Einschränkungen der freien Arztwahl und damit der Kontrolle durch Zweitmeinungen • Einschränkungen der Freiheit der Arztwahl hat Nachteile (z.B. wenn Verdacht besteht, dass sich Beteiligte in einem Netzwerk gegenseitig Leistungen zuschieben, bei denen Versicherte unsicher sind, ob sie erforderlich sind) • Auch z.B. MVZ lösen noch nicht das Problem der Wartezeiten auf Erstberatungstermine oder schnelle Akutbehandlung für alle Patientengruppen
Bewertung: Zusammenschluss von Leistungsanbieter: angestellte PP/KJP und Ausbildungskandidaten • Neue Möglichkeit der Tätigkeit auch im ambulanten Sektor ohne wirtschaftliches Risiko einer eigenen Praxis, evtl. Vorbereitung und Übergang zu eigener Praxistätigkeit • Im MVZ: Vernetzungsleistungen, Fortbildungen etc. werden nicht bezahlt: deutlicher Druck, bestimmte Stundenzahlen zu leisten