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Als Erstes war das absolut richtige und total planvolle Reden da. Es war mit Gott ganz eng verbunden, ja, es war sogar selbst Gott. Von Anfang an war es bei Gott. Es hat alles gemacht, was es so gibt. Nichts ist ohne das gemacht worden. Es ist das Leben in Person. Es hat die Menschen aus der Dunkelheit rausgerissen und ihnen die Richtung für ihr Leben gezeigt. Joh 1,1-4, Übersetzung: Volxbibel 3.0
Die Gattung des JohEv – Jesus-Vita • antike Biographie, vita, bios • Plutarch, ParallelbiographienLukian, DemonaxSueton, Kaiserviten
Die Gattung des JohEv – Jesus-Vita • Plutarch: „Ich schreibe nicht Geschichte, sondern zeichne Lebensbilder.“ • Lukian: Richtschnur • Vita will Orientierung für das eigene Leben geben • Joh 20,31: „... damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr als Glaubende das Leben habt in seinem Namen.“
Die Gattung des JohEv – Jesus-Vita • geschichtlichePerson (Fakt) wirdgedeutet(Fiktion) –>Verkündigung • wichtig für Frage der Historizität: historischer Jesus für Gegenwart aktualisiert • eine Person bestimmt die Geschicke ihrer Zeit,hat weltgeschichtliche BedeutungJoh 1,1 „Im Anfang ...“ – Gen 1,1
Aufbau der Jesus-Vita • 1,1-18 Prolog – Herkunft Jesu: direkt von Gott • 1,19-12,50 Jesu Offenbarung in der Öffentlichkeit • 13,1-20,29 Jesu Offenbarung vor den Seinen • 20,30f. Epilog • 21,1-25 Nachtrag und zweiter Epilog
Aufbau der Jesus-Vita 1,19-12,50 Jesu Offenbarung in der Öffentlichkeit ca. 3 Jahre 1,19-2,11 Täuferzeugnis und erste Schüler, Weinwunder 2,12-11,54 Jesus offenbart sich in Worten und Zeichen der Konflikt mit den Juden spitzt sich zu 11,55-12,50 das letzte Passa – der Weg ins Leiden Salbung, Einzug in Jerusalem, Glaube/Unglaube 13,1-20,29 Jesu Offenbarung vor den Seinen wenige Tage 13,1-17,26 Fußwaschung Abschiedsreden Gebet zum Vater 18,1-20,29 Passion und Ostern
Ein eigenwilliger Entwurf Vergleich mit den Synoptikern
Ein eigenwilliger Entwurf • H. Thyen, HNT 2005 • Intertextuelles Spiel mit Texten der Synoptiker • Hermeneutisches Implikat: „höhere“ Christologie?
Ein eigenwilliger Entwurf • Vergleich mit den Synoptikern:anderer Erzählplan, andere Verarbeitung der Jesus-TraditionZeit-/Ort-StrukturMk/Mt/Lk: Handlung innerhalb eines Jahres – Jesuseinmal in Jerusalem (Passa-Fest)Joh: drei Passa-Feste, geographischer Wechsel Galiläa – Jerusalem (4x Jerusalem)
Ein eigenwilliger Entwurf Erzählweise/Rede-TyposMk/Mt/Lk: kürzere Episoden aneinandergereiht Wunder, Szenen, Worte, Gleichnisse Joh: lange Offenbarungsreden thematisch z.B. Joh 6 Lebensbrot 10 Hirtenrede 13-16 Abschiedsreden
Ein eigenwilliger Entwurf letztes MahlMk/Mt/Lk: erzählt, mit Brot- und BecherwortenJoh: nicht erzählt, dafür Fußwaschung Tempelaktion Mk/Mt/Lk: gegen Ende nach Einzug in Jerusalem Joh: am Anfang – programmatisch
Ein eigenwilliger Entwurf Spezifische Erzählungen Weinwunder in Kana 2,1-11 Erweckung des Lazarus Joh 11 Ostererzählungen
Ein eigenwilliger Entwurf Fazit • Eher unabhängig, aber gemeinsame Traditionen • Z.B. M. Theobald, RNT 2009 • „Johannes“: eigenständiger Denker • Eigenständige Gemeinde-Gruppe? Isoliert?
Die Lebenssituation der „johanneischen Gemeinde“ Joh 9: Heilung eines blind geborenen Mannes
Die Lebenssituation der „johanneischen Gemeinde“ • Eltern äußern sich nicht; Begründung in 9,22: • „denn sie fürchteten die Juden; denn die Juden hatten schon vereinbart: wenn jemand ihn (sc. Jesus) als Messias bekenne, werde er zum aposynágogos/aus der Synagoge Ausgestoßenen.“
Die Lebenssituation der „johanneischen Gemeinde“ • Joh 12,42„Dennoch glaubten sogar viele von den Vorstehern an ihn; aber wegen der Pharisäer bekannten sie es nicht, damit sie nicht aposynágogoi/aus der Synagoge Ausgestoßene werden.“ • Joh 16,2„Zu aposynágogoi/aus der Synagoge Ausgestoßenen werden sie euch machen.“
Die Lebenssituation der „johanneischen Gemeinde“ • Exklusivität Jesu als Offenbarer Gottes => Trennungsprozess lokale Synagoge – johanneische Gemeinde • Folgen: Isolation, Bedrängnis, Verlust der Privilegien, Angst • Reaktionen in der Gemeinde: Zweifel, Abkehr – Joh 6,66 scharfe Polemik – Joh 8,44
Die Lebenssituation der „johanneischen Gemeinde“ HistorischerKontext • Umbruchszeit im Judentum nach 70 n.Chr. • Jerusalem/Tempel zerstört • Neue Führungskreise • Bemühung um Identitätssicherung
Die Lebenssituation der „johanneischen Gemeinde“ Zeit • nach 7011,48: Zerstörung Jerusalems vorausgesetztzwischen 60 und 70 Umbruchszeit: bekannte Augenzeugen starben Traditionsfixierung nötig –> Viten • ca. 80-90 (zeitgleich Mt, Lk) • Forschung meist 90-110
Die Verfasserfrage • altkirchliche Tradition (Irenäus von Lyon um 180)geliebter Jünger = Zebedaide Johannes, habe in Ephesus zur Zeit Trajans das Evangelium herausgegeben • aber kaum Augenzeugenachösterliche theologische Sprach- und Denkwelteigenständiger jüdischer Theologeinterpretiert Jesus auf Basis von Traditionen
Die Verfasserfrage • „geliebter Jünger“13,23 – 19,26f. – 20,2, 21,7 – 21,24literarische Fiktion? Personifizierung anonymer apostolischer Anfänge oder (eher) zentrale Gestalt aus Anfangszeit der Gruppe: theologische Autorität
Die Verfasserfrage 21,22f. „Bleiben“ – in seinem Zeugnis, verlässliche Basis 21,24 „dieser ist der Schüler, der über dieses zeugt und der dies schrieb, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist“ –> inclusio: Zeugnis gJ als „Quelle“ der Vita und damit als eigentlicher, „wahrer“ Verfasser eher Traditionsgarant als Verfasserfiktion
Zum Stand der Forschung Der Status quaestionis • dreistufiges Entstehungsmodell1. Quellen/Traditionen2. Grundschrift: Evangelium3. Endredaktion
Zum Stand der Forschung • R. Bultmann 1941 (vgl. J. Becker 1979/81)1. Zeichenquelle (Semeiaquelle), Offenbarungsreden, Passions-/Ostererzählung2. Evangelium: genialer Theologe3. „Kirchliche Redaktion“: ordnet und passt an „großkirchliche“ Theologie an
Zum Stand der Forschung • M. Theobald, RNT 2009vgl. U. Schnelle, ThHNT22000 u.v.a. sekundäre Redaktiondenkt „binnenkirchlich“: Einheit der Kirche Joh 17 Verhältnis Kirche/Weltspricht in innergemeindlichen Dissens: Christologie, von 1 Joh her: Jesus wurde erst in Taufe Erlöser
Zum Stand der Forschung Redaktion • Joh 21 • Joh 6,51c-58 • Texte über geliebten Jünger: 13,23-25; 19,26f. u.a. • z.T. Abschiedsreden 15-17 (14,31 „gehen wir fort“)
Zum Stand der Forschung Rekonstruktion der Gemeinde-Geschichte • Trennung vom Judentum ist Vergangenheit • Gegenwart: Gemeinde v.a. heidenchristlich vgl. 11,52 Sammlung der „versprengten Kinder Gottes“ Erklärung jüdischer Begriffe wie „Messias“ 1,41 • jetzt innerchristliche Konflikte, z.B. Doketismus, Christologie • Zeit: Ende 1./Anfang 2. Jh.
Zum Stand der Forschung Gegenbewegung v.a. H. Thyen 2005 – radikale Synchronie: • einheitliches Werk • keine Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte • keine Einbindung in geschichtlichen Kontext, sondern intertextuelles „Spiel“ mit Prätexten (= Synoptikern)
Zum Stand der Forschung heute weitgehend anerkannt: verschiedene Traditionen • Wundererzählungen (Semeiaquelle unsicher) • Passionserzählung (große Ähnlichkeit zu Synoptikern) • Sammlungen von Worten aus Lehrüberlieferung der Gemeinde • AT
Zum Stand der Forschung Situationsbindung joh Theologie? • situationsgebundenes Buch, eigene Denk- und Sprachwelt • „Hohe Christologie“ (Weiterentwicklung)? • „Intertextuelles Spiel“? • Zeitlose, allgemeingültige Theologie („Kirchenbuch“)?
Zum Stand der Forschung Stellung im Judentum? • innerjüdischer Ablösungsprozess (K. Wengst, Jesus 22004) • oder bereits erfolgte Trennungund Absetzung auch vom Judenchristentum (das sich in Kontinuität mit Israel versteht)(M. Theobald, RNT 2009)? • bleibt innerjüdisch!
Literatur • R. Bultmann (KEK 2), (1941) 211986. • J. Becker (ÖTK 4/1.2), 31991. • R. Schnackenburg (HThK 4/1-4), 71992/51990/31992/31994. • U. Schnelle (ThHK 4), 22000. • K. Wengst (ThKNT 4/1.2), 22004/22007. • H. Thyen (HNT 6), 2005. • M. Theobald (RNT), 2009 (Kap. 1-12). • S. Schreiber, Die Vita des Königs Jesus. Über die Gattung des Johannesevangeliums, in: T. Schmeller (Hg.), Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt (NTOA 69), Göttingen 2009, 127-154.
Analyse – Gattung • Meta-Text • Prolog/Vorredez.B. Proömium einer Rede, Vorwort einer Geschichtserzählung, Prolog im Drama • Intention: Verstehensschlüssel (Leseanweisung)
Analyse – Gattung • Prolog einer Vita => Ursprung und Bedeutung Jesu
Analyse – Struktur/Kohärenz • Story: Logos-Mythos • Plot: Textstruktur zwei Strophen – doppelter Durchgang
Analyse – Traditionsgeschichte • Meist: Lied (Hymnus) der joh Gemeinde, aus Gottesdienst • Indizien: nur hier im JohEv Logos-Gestalt unterschiedlicher Stil (poetisch/Prosa) Johannes-Texte wirken eingefügt
Analyse – Traditionsgeschichte • Rekonstruktionen sehr verschiedenJ. Becker: vier Stufen 2-strophiges Logoslied eine Strophe dazu E ergänzt christologisch R TaufeM. Theobald: Christushymnus + Anfang der Zeichenquelle • große Unsicherheiten; fehlen klare Kriterienwichtig: Primat der Synchronie,
Der frühjüdische Weisheitsmythos • Logos = Weisheit (Weish 9,1f.; Philo) • Weish 2; 7-9; Sir 24 u.a.
Der frühjüdische Weisheitsmythos • Weisheit als erstes Geschöpf Gottes • Wirkte bei Schöpfung mit • Einzigartige Nähe zu Gott – kann offenbaren • Ablehnung in Israel • Orientierung zum gelungenen Leben
Der frühjüdische Weisheitsmythos • Struktur prägt auch den Prolog • Besonderheit: Logos wird geschichtlicher MenschGott ist in Jesus erkennbar, präsent! • Funktion des Weisheitsmythos: legitimiert Denksystem + Schriften Schlüssel zum Traditionsverständnis
Auslegung – Textduktus • v.1.2 „Im Anfang ...“Gen 1,1 lxx: Logos schon vor Schöpfung bei Gott (präexistent) • was bedeutet logos?Goethe, Faust: „Wort“, „Sinn“, „Kraft“, „Tat“
Auslegung – Textduktus • hypostasierte Wirkweise Gotteseigene Gestalt, „ist“, wirkt, tritt auf (vgl. Weish 18,15)entspricht der Weisheit • => personaler Charakter der Offenbarung später mit dem Menschen Jesus identifiziert • Entsprechungen zum Weisheitsmythos: „bei Gott“vor der Schöpfung: Spr 8,22-24; Sir 24,9
Auslegung – Textduktus • v.3 Logos als Schöpfungsmittler • v.4.5 im Logos ist Leben – Spr 8,35f. • Metaphorik von Licht und Finsternis Jesus-Geschichte, Kreuz und Ostern Gemeinde-Geschichte, soziale Spannungen • Καταλαμβάνω – doppeldeutig • kein Dualismus (Prädestination), sondern Entscheidung der Menschen!
Auslegung – Textduktus • v.6-8 Johannes als Zeuge, tritt geschichtlich auf • „gesandt“ – von Gott autorisiert zum Zeugnis • Zeugnis: Glaubwürdigkeit (rechtskräftig) • „glauben“
Auslegung – Textduktus • v.9-11 Kommen in die Welt, aber Ablehnung • „das Eigene“ = die Welt oder speziell Israel (Ex 19,5 Eigentumsvolk Gottes) • „die Eigenen“ – Ablehnung trotz enger Zugehörigkeit
Auslegung – Textduktus • v.12.13 Annahme => neue Existenzweise: Kinder GottesDtn 14,1 • an „Namen“ gebunden = Person „glauben“ = Beziehung • geboren aus Gott – Neuschöpfung • negative Abgrenzung: Blut, Wille des Fleisches, Wille des MannesAbstammung, ethnische Zugehörigkeit relativiertvielleicht auch patriarchale Strukturen – Autoritäten
Auslegung – Textduktus • v.14 Abweichung von Weisheit: logos wird sarx • sarx: Mensch in Vergänglichkeit – Jes 40,6f. • logos wird konkreter Mensch – in ihm zeigt sich doxa=> in diesem Menschen offenbart sich Gott tritt mit den Seinen in Beziehung • „Wir“ (1. Pers.Pl.) wichtig: Bekenntnis der Gemeinde