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Besch äftigung mit Weltanschauungen (WA). Hauptziel des Ethikunterrichts? Ethik-Lehrgang pht Andreas Schwab . Gliederung. Definition und Konzeption von WA Rationale Elemente von WA Theologische Anmerkungen zum Begriff WA WA als Objekt empirischer Sozialforschung
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Beschäftigung mit Weltanschauungen (WA) Hauptziel des Ethikunterrichts? Ethik-Lehrgang pht Andreas Schwab
Gliederung • Definition und Konzeption von WA • Rationale Elemente von WA • Theologische Anmerkungen zum Begriff WA • WA als Objekt empirischer Sozialforschung • WA als Herausforderung für die Philosophie- und Ethik-Didaktik
Arbeit in Kleingruppen (bis 5 Personen) • Definition von WA • Beispiele für persönliche WA • Ist WA etwas rationales?
Definition • Lebenstragende Überzeugung (Muck) • Besondere Sichtweise des Gewöhnlichen (blik) als theoretisch-praktische Einstellung (Hare) • Grundlegendes theoretisches Koordinatensystem, gemäß dem wir uns im Denken und Handeln orientieren (Muck)
Persönliche vs. explizite WA • Haltung (persönlich gelebt) aus der heraus ein Mensch das ihm Begegnende auffasst und bewertet (Kaufmann) • Unterschied zu ausdrücklich formuliertem System und zu allgemeiner Mentalität • Religionen sind demnach explizite WA, die sich jedoch mit vielen anderen impliziten und expliziten WA überlappen • WA enthält auch eine Einschätzung und Zusammenordnung von Weisen der Meinungsbildung, die sich auch auf die eigene persönliche WA beziehen kann. In wieweit Explikation und Reflexion erstrebt wird ist unterschiedlich
Konzeption • Persönliche WA entsteht durch Bewertung von Alltagserfahrung, Wissenschaften und expliziter WA (z.B. Religion) • Möglichkeit der Vertiefung der deskriptiven Metaphysik durch jede mögliche Erfahrung (Transzendentalphilosophie) – spontane Erkenntnis als Produkt der Aufarbeitung von Gegebenem unter die Dynamik des Erkenntnisstrebens • Persönliche WA ist eine eingeschränkte Weltdeutung mit praktischer Geltung • Verlässlichkeit in bestimmten Kontexten und für bestimmte Zwecke (z.B. kein Irrtum in vertrauten Kontexten zu erwarten) • Bereitschaft für Prüfung (Dialog). Ständige Prüfung durch Streben nach Wahrheit
Funktion • Sichtweisen, Einstellungen, etc. können in Erschließung gründen (Sinnerfahrung), für ihren sprachlichen Ausdruck dient Alltägliches als Modell (Modellerfahrung), das aber durch Qualifikatoren modifiziert wird (Ramsey). Derartige Ausdrücke können als responsive Symbole wirken (Ferré), nicht nur assoziativ. • Bezeugung lebenstragender Überzeugungen (explizite WA) dient dem Zugänglichmachen möglicher Sichtweisen und Gründe für Handeln und somit dem gegenseitigen Verständnis (van Buren) • Integrative Erklärung des im Leben Begegnenden in Hinblick auf das Handeln • Hypothetische und praktische Geltung • Funktion von WA hat Einfluss auf den Inhalt (Erfüllung der Deutungs- und Strukturierungsfunktion)
Rationale Elemente von WA • Im Vergleich mit Wissenschaften wird deutlich, dass auch WA Mindestanforderungen für Rationalität (Widerspruchsfreiheit, Einheitlichkeit, Erfahrungsbezug, Umfassendheit) erfüllen müssen • Kritisch-positive Interpretation auftretender Gegensätze (durch gezieltes Einsetzen von Argumenten im Dialog): • Einschränkung auf das Begründete • Besseres Verstehen und Reifen eigener WA • Unterscheidung zwischen für-wahr-Halten und wahr sein.
Schematische Darstellung einiger Faktoren, die Einfluss auf eineweltanschauliche Überzeugung haben: Muck, Philosophische Gotteslehre. Düsseldorf 1983, Kap.9,182-188)
Theologische Anmerkungen zu WA • Gefahr der ideologischen Gewalt bei Wahrheitsanspruch (z.B.: „Diktatur des Relativismus“ – J. Ratzinger) • Bei Fehlen des Wahrheitsanspruchs: Immunisierung im Dialog, Irrationalität, keine Weiterentwicklung der eigenen WA • Religionen sind nach ihrem Selbstverständnis keine Geschmackskundgebungen; Hoffnung durch Wandel in der katholischen Theologie von der Intoleranz zur Religionsfreiheit • Theologie stellt veränderbare Hypothesen auf, während Glaube selbst uneingeschränkten Wahrheitsanspruch aufweist (Unterschied zwischen „Gott“ und „Vorstellungen von Gott“) • Demnach gilt: Gelebte WA soll erschlossen werden (von der Implizität zur Explizität; jedoch gelebte WA nur zum Teil darstellbar, da operativer Fokus!)
Theologische Anmerkungen zu WA 2 • Religiöses Bekenntnis ist eine explizite WA (Handeln unterzieht explizites Bekenntnis einer kritischen Prüfung) • Gott als „alles bestimmende Wirklichkeit“ (Pannenberg, Tillich); Möglichkeit in explizit, säkulären, agnostischen oder atheistischen Weltanschauungen implizit theologische Gehalte zu entdecken (WA, in denen es um etwas geht, das die Person unbedingt immer angeht.) • Implizite Theologie = theologisch relevante Gehalte einer nur indirekt bewussten, gelebten WA (prinzipiell diskursiv zugänglich und in explizite theologische Aussagen überführbar) • WA erleichtert Transzendenz zwischen Beliebigkeit und Ideologie
WA als Objekte der empirischen Sozialforschung • Erklärung und Erfassung von kausalen Wechselwirkungen durch Daten. Führt oft zu Kategorisierungen, beispielsweise: • Geltungsbereich von WA: öffentlich, gruppen- und szenespezifisch • Dimensionen: religiös-überweltlich, sekulär-innerweltlich, praxiskonstituierend • Ausrichtung/Ausmaß: integrativ (offen), reaktiv (abgrenzend); groß (reichhaltig), klein (begrenzt) • Reduzierung von WA und selektives Vorgehen (Konstruktion einer vereinfachten WA; unsicherer Zugang zu Zusammenhängen durch Statistik)
WA als Objekte der empirischen Sozialforschung 2 • Die Eindeutigkeit der empirisch-wissenschaftlichen Erkenntnis hebt die Vieldeutigkeit der Welt nicht auf • Perspektivisch durch Interessensgebiet geleitet (je komplexer die WA desdo vereinfachter die Darstellung) • Sozialforschung kann keine vollständige Theorie einer WA liefern, bestenfalls einzelne Wechselwirkungen herauslösen • Empirische Sozialforschung kann allerdings einiges leisten, wenn sie sich in ihren Theorien an Beispielen orientiert: • Die „Evangelikalen“ in den deutschen Massenmedien (Erfolg auf Kosten der Amtskirchen nicht auf Daten begründet!) • Religiöser Fundamentalismus als weltanschauliches Amalgam (Vermischung theologischer und wissenschaftlicher Zugänge; moderne Methoden – Bibel als Quelle)
Historisch-situative Herausforderungen an die Philosophie- und Ethikdidaktik (Zimmermann und Runtenberg)
STANDARD: Religionsvertreter sagen oft, das, was Ethik leistet, leistet Religionsunterricht schon lange, Wertevermittlung etc.? Zimmermann: Ich halte die Gegenüberstellung von Ethik und Religion für fatal. Im Zusammenhang mit beiden Fächern wird das Wort Wertevermittlung verwendet, es meint aber jeweils etwas grundsätzlich anderes. Religion ist ein bekenntnisorientiertes Fach, das ein festgelegtes Werte- und Normensystem vermittelt. Über andere Auffassungen wird gesprochen, aber sie sind immer schon Verlierer im Vergleich. Ethik ist eine philosophische Disziplin. Da geht es um einen Dialog unterschiedlicher moralischer Überzeugungen mit dem Ziel der Verständlichmachung, der Suche nach einer gemeinsamen Basis für das Zusammenleben, und das Nachdenken über Sinnvorstellungen. Es geht also vorwiegend um den Erwerb einer philosophischen Argumentationskompetenz. STANDARD: Hat der Ethik-Unterricht Auswirkungen auf den Religionsunterricht? Zimmermann: Religionsunterricht ist in Berlin ein freiwilliges, staatlich finanziertes Unterrichtsangebot der Religionsgemeinschaften in den Räumen der Schule. Der Staat hat zwar die Aufsichtspflicht darüber, dass Inhalte und Methoden mit den Grundprinzipien der Verfassung konformgehen, die Rahmenlehrpläne werden vom Staat geprüft, aber es gibt keine Noten, das Fach ist nicht versetzungsrelevant. Die zwei christlichen Kirchen haben immer als schwerstes Argument gegen den Ethikunterricht genannt, dass damit Religion aus der Schule verbannt würde. Tatsache ist aber, dass der Ethikunterricht eher das Interesse an Religion geweckt hat, sodass nach einem kurzen Rückgang die Teilnehmerzahlen am Religionsunterricht zugenommen haben.
STANDARD: Was soll Ethik-Unterricht leisten? Zimmermann: Der Ethikunterricht soll etwas ganz anderes sein als die übrigen Schulfächer: ein Denkraum, in dem ausgehend von persönlichen und gesellschaftlichen Fragestellungen und Konflikten nach Lösungen gesucht wird, die von Schülern unterschiedlicher religiöser und kultureller Zugehörigkeit akzeptiert werden können. Der Ethikunterricht soll wertgebunden sein, insofern als die Lehrkraft ihre Überzeugung vertreten soll und Wertsetzungen in die Argumentation des Ethikunterrichts einfließen. Er soll aber auch "weltanschaulich neutral" sein, indem viele Weltanschauungen und Religionen zur Sprache kommen und daraufhin geprüft werden, ob sie als Basis für unterschiedlich denkende Menschen geeignet sind. Es geht nicht um die Vermittlung einer Überzeugung, die Überzeugung der Schüler ist nicht Gegenstand der Bewertung. STANDARD: Wie wird Ethik beurteilt? Zimmermann: Bewertet wird im Ethikunterricht, inwieweit die Schüler in der Lage sind, ethisch zu reflektieren, das heißt inwieweit sie die philosophische Methode der Reflexion beherrschen. Konkret bedeutet das, dass sie in der Lage sind, zu verschiedenen Themen und Materialien ethische Fragen zu stellen (z. B.: Was bedeutet das für ...?), sich Hintergrundinformationen zu besorgen und verschiedene Standpunkte daraufhin zu prüfen, auf welche Prämissen sie zurückzuführen sind. Standard-Interview: Lisa Nimmervoll (18.11.2012)
STANDARD: Können oder sollen Religionslehrer auch Ethik unterrichten, oder schließt sich das aus? • Runtenberg: Ich denke, wenn die Lehrerinnen und Lehrer das Fach auch gelernt und studiert haben, schließt sich das nicht unbedingt aus. Qua Religionslehrerausbildung halte ich es aber nicht für besonders gelungen, weil man doch mit den philosophischen Deutungstraditionen und Deutungsangeboten vertraut sein muss, um besser zu hören, was die Kinder so philosophisch denken und sagen. • STANDARD: Gegner kritisieren immer, dass dann der Staat über die Lehrer Werte indoktrinieren würde. VerstehenSiediese Angst? • Runtenberg: Das darf natürlich auf keinen Fall passieren, aber so ist das Verständnis dieses Fachs, ob es Ethik, Philosophie oder Praktische Philosophie heißt, ja auch nicht. Es geht zwar um grundlegende Demokratiewerte oder Aufklärungswerte, ja. Gebildet werden soll ja aber die eigenständige Reflexions- und Urteilskompetenz der Kinder, das heißt, sie sollen in die Lage versetzt werden, Grenzen und Chancen von Werten selber zu reflektieren. Wenn das Fach dies zu seinem Selbstverständnis macht, muss man keine Angst vor Indoktrinierung haben. Standard-Interview: Lisa Nimmervoll (02.11.2012)
Herausforderungen durch die semantischen Implikate des Weltanschauungsbegriffs • Keine Festlegung auf eine WA (auch keine atheistische) im Ethikunterricht (kein Aufstellen normativer Regeln (Normen); zwangloser Zwang des besseren Arguments (Habermas) und Logos) • WA als Fragenpool (Sinnfrage, Konfliktlösung, Selbstbild, Menschenbild, Weltbild); Umfassendes Deutungssystem durch WA; keinen generellen Geltungsanspruch • Moralische Fragen nicht als Rezept für Handeln (kein Aufstellen normativer Regeln (Normen); keine Entwicklung von Tugenden durch Einübung, ansonsten performativer Selbstwiderspruch durch den Freiheitsanspruch als Unterrichtsziel) • Philosophie-basierter Ethikunterricht per se keine WA (Philosophie als Diskurspartner)
Herausforderungen durch die semantischen Implikate des Weltanschauungsbegriffs 2 • Philosophisches Nachdenken über alle Arten von Themen, WA, etc. (keine Tabus); Aufdecken irrationaler Elemente einer WA (für rationalen Diskurs zugänglich machen); Grundannahmen praktischer Philosophen sollen kritisch reflektiert werden • Kompetenz des Philosophierens entwickeln – persönliches, tragfähiges Überzeugungssystem als Lernziel; Entwickeln eines sensorischen Sprachbewusstseins, Übertragung von metaphorischer Sprache (durch offene, tolerante Kommunikationsatmosphäre; keine Postulierung, kein Konsenszwang) • Kategoriensensibilität; Hinterfragen der letzten Zwecke, Andockpunkte an das Leben der Schülerinnen finden
Herausforderungen durch die semantischen Implikate des Weltanschauungsbegriffs 3 • Rationaler Umgang mit Scientia (wider unumstößliches Glauben an die Wissenschaft; Paradigmen; Relativismus, eigene Fragen und Deutungen) • Religionskundliche Elemente (Deutungsangebote werden individuell geprüft; lebendiger Austausch mit fremder WA; interkulturelle Toleranz); Positivismus im Alltag anstatt Religion (Einnahme des „Platzes in der Seele“) • Jedwede WA ist Objekt der Reflexion; Ethikunterricht ist weltanschauungsneutral aber nicht wertneutral (Leitende mit eigener WA auf derselben Ebene wie Schülerinnen; keine Belehren, gemeinsames Erarbeiten (Mäeutik); universal verbindliche vs. persönliche Werte: Konzepte des Zusammenlebens wie Menschenrechte, Entscheidungsgrundlagen, Regeln im Miteinander, etc.)
Herausforderungen durch weltanschauliche Phänomene der gegenwärtigen Welt • Pluralismus und Heterogenität • Relativismus • Fundamentalismus und Sektierertum • Ideologien • Religionslosigkeit • Religionskritik • Atheismus, Agnostizismus, Freidenkertum • Szientismus • Unverständnis gegenüber Religion
Konkrete Möglichkeit der Umsetzung dieser heeren Ziele in der Ethikdidaktik • Das Sokratische Gespräch: • Der Marktplatz als Ort des Philosophierens • Die Verankerung in der Erfahrung • Der Anti-Dogmatismus • Das Selbstvertrauen der Vernunft • Die Mäeutik • Das Begründungskonzept • Das Gesprächsziel des Wahrheitskonsenses • Die Gesprächsgemeinschaft • Das Menschenbild
Quellen Hemminger, Hansjörg (2012). Weltanschauungen als Objekte der empirischen Sozialforschung. Vortrag im Rahmen der Tagung „Weltanschauung“ an der Universität Innsbruck. Muck, Otto (2012). Rationale Elemente von Weltanschauung. Vortrag im Rahmen der Tagung „Weltanschauung“ an der Universität Innsbruck. Raupach-Strey, Gisela (2012). Weltanschauungen als Herausforderungen der Philosophie- und Ethikdidaktik. Vortrag im Rahmen der Tagung „Weltanschauung“ an der Universität Innsbruck. Raupach-Strey, Gisela (2002). Sokratische Didaktik: die didaktische Bedeutung der Sokratischen Methode in der Tradition von Leonard Nelson und Gustav Heckmann. Münster: Lit-Verl. Raupach-Strey, Gisela (2007). Kompetenzorientierung im Ethik- und Philosophieunterricht: Kritisches aus der Perspektive der kritisch-konstruktiven Bildung. In: Koch-Priewe, Barbara et al. (Hrsg.). Das Potenzial der Allgemeinen Didaktik: Stellungnahmen aus der Perspektive der Bildungstheorie von Wolfgang Klafki. Weinheim: Beltz. Riordan, Patrick (2012). Weltanschauung: Das Spannungsfeld zwischen Inhalt und Funktion. Vortrag im Rahmen der Tagung „Weltanschauung“ an der Universität Innsbruck. Wandinger, Nikolaus (2012). Weder Ideologie noch Beliebigkeit: Theologische Anmerkungen zum Begriff der Weltanschauung. Vortrag im Rahmen der Tagung „Weltanschauung“ an der Universität Innsbruck.