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Seelsorge im Blick. Sieben Blickrichtungen als Seelsorger/in Mein Versuch in Beziehung zu bleiben . Inhaltsverzeichnis.
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Seelsorge im Blick Sieben Blickrichtungen als Seelsorger/in Mein Versuch in Beziehung zu bleiben Jörg Anschütz
Inhaltsverzeichnis 1.0. Einblick2.0. Meine sieben Blickrichtungen2.1. Kooperative Seelsorge2.2. Begleitende Seelsorge2.3. Priesterliche Seelsorge2.4. Prophetische Seelsorge2.5. Ethische Seelsorge2.6. Missionarische Seelsorge2.7. Therapeutische Seelsorge3.0. Ausblick4.0. Literaturverzeichnis
1.0. Einblick„Wäre das nicht was für Dich ?“ Fragend reicht mir meine Schwester folgenden Aufruf aus dem Internet rüber, den sie auf der Seite ihres Arbeitgebers, dem Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle an der Saale entdeckt hatte:"Es tut so gut mit jemandem zu reden..." Zeit-Spender gesuchtAusbildung von Ehrenamtlichen im seelsorglichen Besuchsdienst des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara. Informations- und Entscheidungstag am 20. September 2008Die Seelsorge im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara bietet ab Oktober 2008 eine Ausbildung für Ehrenamtliche an, die im ehrenamtlichen Besuchsdienst mitarbeiten möchten und so kranken Menschen einen Teil ihrer Zeit zur Verfügung stellen.Hierzu findet am Sonnabend, 20. September 2008 ein Informations- und Entscheidungstag im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara statt.Für viele Patienten ist es wichtig und notwendig, mit einer neutralen Person sprechen zu können. Als Gesprächspartner für Ängste und Verzweiflung, Trauer und Wut sind Angehörige häufig nicht die ersten Gesprächspartner, da die Patienten ihre Familien nicht noch mehr belasten möchten. "Der Besuchsdienst ist hier eine Alternative, die es den Patienten ermöglicht, von dem, was sie belastet zu sprechen und sich Vieles von der Seele zu reden. Die Ärzte und Mitarbeiter in der Pflege begrüßen diese Arbeit dankbar, da sie eine Lücke schließt die von ihnen so nicht gefüllt werden kann." sagt Diakon Reinhard Feuersträter, Krankenhausseelsorger im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara.Die Ehrenamtlichen werden für diese Tätigkeit in einem Kurs ausgebildet. In 8 Ausbildungseinheiten je einmal im Monat (Freitag Abend und Samstag ganztägig), wird in Theorie und Praxis das Thema vertieft, Hilfsmittel an die Hand gegeben und eigene Erfahrungen reflektiert. Die Ausbildung wird im Juni 2009 abgeschlossen.Zeit hatte ich ja genug und meinen Mitmenschen aktiver behilflich sein ? Ja das wollte ich schon seit längerem. „Ich kann die Info-Veranstaltung ja mal besuchen.“ Antwortete ich ihr.Mit dieser Entscheidung begann ich die Seelsorge noch intensiver in Blick zu nehmen.Hier möchte ich sieben Blickrichtungen beschreiben, die mir im Laufe meiner Ausbildung zum Krankenhausseelsorger und während meines Fernstudiums Seelsorger/Seelsorgerin wichtig geworden sind und die mir Hilfestellung bei meinen Besuchen am Krankenbett geben. Sie sind mein Versuch in Kontakt/ in Beziehung zu bleiben, mit mir, mit meinen Mitmenschen, mit meiner Umwelt und mit Gott.
2.1. Kooperative SeelsorgeZunächst möchte ich erst mal den spontanen Gedanken Raum geben:Zusammenarbeit, Gemeinschaft, Verbindung, Geben und Nehmen, Profitieren, Gegenseitigkeit, Hilfst du mir, dann helfe ich dir. Eine Hand wäscht die andere.Gemeinsam sind wir stark, teilen, verteilen, mitteilen, tragen, übertragen, halten, aushalten, dagegenhalten, verständigenDer Mensch ist ein Beziehungswesen. Er ist ständig in Beziehung. Zu sich Selbst, zum Nächsten, zu Gott. Er kommuniziert, durchläuft ständig den Prozess der Verständigung mit sich selbst, mit den Mitmenschen , mit der Umwelt, mit der Natur, mit dem gesamten Mikro- und Makrokosmos, dem Universum, der Materie, dem Bewusstsein, der Schöpfung, mit Gott.Was hat das alles mit Seelsorge zu tun und hier speziell aus dem Blickwinkel kooperativer Seelsorge betrachtet ? Geht das, gibt es überhaupt diesen Blick ?Sicher gibt uns das Verhalten und Handeln von Jesus Christus Orientierung:„Sofort danach ( nach der Speisung von etwa fünftausend Menschen) schickte Jesus seine Jünger zum Boot zurück und befahl ihnen, ans andere Ufer überzusetzen, während er die Menschen nach Hause entließ. Dann stieg er allein in die Berge hinauf, um dort zu beten. Als es dunkel wurde, war er immer noch allein dort oben. In der Zwischenzeit gerieten die Jünger weit weg vom Ufer in Seenot, denn ein starker Wind war aufgekommen, und sie hatten gegen hohe Wellen anzukämpfen. Gegen drei Uhr morgens kam Jesus über das Wasser zu ihnen. Als ihn die Jünger sahen, schrieen sie entsetzt auf, denn sie hielten ihn für einen Geist. Doch Jesus sprach sie sogleich an: „Es ist gut“ sagte er. „Ich bin es! Habt keine Angst.“ Da rief Petrus ihm zu: „Herr, wenn du es wirklich bist, befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen.“ „Dann komm“, sagte Jesus. Und Petrus stieg aus dem Boot und ging über das Wasser, Jesus entgegen. Als er sich aber umsah und die hohen Wellen erblickte, bekam er Angst und begann zu versinken. „Herr, rette mich!“ schrie er. Sofort streckte Jesus ihm die Hand hin und hielt ihn fest. „ Du hast nicht viel Glauben“, sagte Jesus. „ Warum hast du gezweifelt?“ Als sie schließlich zurück ins Boot stiegen, legte sich der Wind. Da beteten ihn die Jünger an. „Du bist wirklich der Sohn Gottes!“ riefen sie. Auf der anderen Seite des Sees gingen sie in Genezareth an Land.“ Matth. 14, 22-34.
Jesus ist immer augenblicklich zur Stelle. Schickt seine Jünger „sofort danach“ zum Boot zurück. Spricht sie in ihrem Entsetzen „sogleich“ an und nimmt die Angst. Reagiert auf Petrus seinen Wunsch übers Wasser zu gehen „prompt“ und streckt ihm die Hand „sofort“ hin, als er zu versinken beginnt. Im Boot zurück legt sich „augenblicklich“ der Wind.Jesus ist dem Menschen immer zugewandt, sucht Beziehung und Verbindung zu ihm. Bleibt immer im Gespräch und lässt nicht zu , das aus Zweifel Verzweiflung werden kann, handelt kooperativ und seelsorglich.Was bedeutet das nun heute aktuell für mich in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Krankenhausseelsorger auf der Krebsstation ( Onkologie) des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara in Halle an der Saale ?Ich betrete ein Krankenzimmer. Der Patient und ich begegnen uns das erste Mal.Es dauert nur Bruchteile von Sekunden einander wahrzunehmen und dieser kurze Augenblick ist entscheidend für den weiteren Verlauf unserer Begegnung.Wirkt mein plötzliches Eindringen in seine derzeitige Lebenssituation erschreckend, ängstigend, bedrohlich oder gelingt es mir wie Jesus zu sagen: „Es ist gut. Ich bin es. Hab keine Angst.“ ? Strahle ich Offenheit, Authentizität, Sicherheit aus ? Gelingt es mir Blickkontakt herzustellen und eine Beziehung aufzubauen ? Fühlt sich der Patient gleich einem Petrus davon animiert und ist bereit sich sofort darauf einzulassen, mir sein Vertrauen zu schenken, „übers Wasser zu gehen“ ? Nehme ich diesen Vertrauensvorschuss an und lade ich ihn ein „zu kommen“ ? Halte ich die Verbindung, auch wenn sie angstbeladen ist und zu unterbrechen droht ? Halte ich mein Gegenüber fest und nehme ihn vertrauensvoll an der Hand, wenn er zu versinken droht ? Kann ich seine Verzweiflung erkennen und aushalten, seine Hilflosigkeit, seine Trauer, seine Wut, seine Fragen, seine Sprachlosigkeit, seine Zweifel, aber auch seine Hoffnung, sein Vertrauen, seinen Mut, seine Kraft und seine Freude wahrnehmen ? Wie gehe ich mit seinen Unzulänglichkeiten, Eigenarten, Macken um ? Bin ich mir bewusst, dass gerade Krebspatienten sehr feinfühlig sind und mit allen Sinnen wahrnehmen ?Darum bete ich immer wieder: Jesus gib mir die Kraft für diesen so wichtigen ersten Augenblick der Begegnung mit dem Nächsten ganz im Hier und Jetzt zu sein. Offen, authentisch, ruhig und sicher stehend, weil ich Dich an meiner Seite weiß. Gib mir das Geschick kooperativ seelsorglich zu handeln, augenblicklich und stetig in Verbindung zu treten und Beziehung zum Nächsten herzustellen.
2.2. Begleitende SeelsorgeAuch hier zunächst Raum für meine spontanen Gedanken:Ich bin nicht allein. Du bist nicht allein. Ich begleite Dich auf Deinem Weg. Wahrnehmen, zuhören, aufmerksam sein, Körpersprache, Mimik, Gestik, Stimme, mit allen Sinnen im Hier und Jetzt, auf Augenhöhe, Ich bin OK. Du bist OK., schön Dich an meiner Seite zu wissen, aktiv zuhören, einzigartig, wertvoll, Grenzen, Nähe und Distanz, Akzeptanz, Toleranz, Loslassen können, Abschied, Wiedersehen, Lass immer eine Brücke entstehen, LiebeDas Wort Begleitung drückt das „gemeinsam mit jemandem einen Weg gehen“ aus (auch im übertragenen Sinn). So besteht z.B. in der Musik die Begleitung aus zusätzlichen Stimmen, die eine Melodie stützen. In der Seelsorge wird die Lebensmelodie besonders des Menschen gestützt, der aufgrund belastendender Lebenssituationen, droht daran zu verzweifeln. Hier ist begleitende Seelsorge gefragt, damit das Gespräch/ die Kommunikation/ Beziehung nicht abbricht, sondern Heil und Heilung erfahren werden kann, in geheilten Beziehungen zum Nächsten, zu Gott und zu sich selbst.Jesus selbst gibt uns ein wunderbares Beispiel von begleitender Seelsorge:In Lukas 24,13-34 lesen wir:Am gleichen Tag waren zwei Jünger von Jesus unterwegs nach Emmaus, einem Dorf, das etwa elf Kilometer von Jerusalem entfernt lag. Auf dem Weg sprachen sie über alles, was geschehen war. Plötzlich kam Jesus selbst, schloss sich ihnen an und ging mit ihnen. Aber sie wussten nicht, wer er war, weil Gott verhinderte, dass sie ihn erkannten. »Worüber redet ihr«, fragte Jesus. »Was beschäftigt euch denn so?« Da blieben sie voller Traurigkeit stehen. Einer von ihnen, Kleopas, sagte: »Du bist wohl der einzige Mensch in Jerusalem, der nicht gehört hat, was sich dort in den letzten Tagen ereignet hat.« »Was waren das für Ereignisse?«, fragte Jesus. »Das, was mit Jesus von Nazareth geschehen ist«, sagten sie. »Er war ein Prophet, der vor Gott und dem ganzen Volk erstaunliche Wunder tat und mit großer Vollmacht lehrte. Doch unsere obersten Priester und die anderen Ältesten haben ihn verhaftet, den Römern ausgeliefert und zum Tod verurteilen lassen, und er wurde gekreuzigt. Wir hatten gehofft, er sei der Christus, der Israel retten und erlösen wird. Das alles geschah vor drei Tagen. Aber heute Morgen waren einige Frauen aus unserer Gemeinschaft schon früh an seinem Grab und kamen mit einem erstaunlichen Bericht zurück. Sie sagten, sein Leichnam sei nicht mehr da, und sie hätten Engel gesehen, die ihnen sagten, dass Jesus lebt! Einige von uns liefen hin, um nachzuschauen, und tatsächlich war der Leichnam von Jesus verschwunden, wie die Frauen gesagt hatten.« Darauf sagte Jesus zu ihnen: »Was seid ihr doch für unverständige Leute! Es fällt euch so schwer zu glauben, was die Propheten in der Schrift gesagt haben. Haben sie nicht angekündigt, dass der Christus alle diese Dinge erleiden muss, bevor er verherrlicht wird?« Und er begann bei Mose und den Propheten und erklärte ihnen alles, was in der Schrift über ihn geschrieben stand. Mittlerweile näherten sie sich ihrem Ziel, dem Dorf Emmaus. Es schien so, als ob Jesus weitergehen wollte, doch sie baten ihn inständig, über Nacht bei ihnen zu bleiben, da es schon dunkel wurde. Da trat er mit ihnen ins Haus. Als sie sich hinsetzten, um zu essen, nahm er das Brot, segnete es, brach es und gab es ihnen. Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn. Doch im selben Augenblick verschwand er! Sie sagten zueinander: »War es uns nicht seltsam warm ums Herz, als er unterwegs mit uns sprach und uns die Schrift auslegte?« Und sofort brachen sie auf und gingen nach Jerusalem zurück, wo die elf Jünger und die, die bei ihnen waren, sich versammelt hatten. Als sie ankamen, wurden sie mit der Nachricht empfangen: »Der Herr ist tatsächlich auferstanden! Er ist Petrus erschienen!«
Wohin lenkt Jesus meinen Blick (hier am Beispiel der Begegnung mit den Emmaus -Jüngern ), um in der Seelsorge Begleiter zu sein ?Jesus gesellt sich zu den Beiden und begleitet sie auf ihrem Weg nach Emmaus. Er erfragt ihre Gefühlslage: Was beschäftigt Euch denn so ? und erkundigt sich nach den Geschehnissen. Zeigt aufmerksames Interesse, fragt nach: Was waren das für Ereignisse ? Hört sich ihre ganze Geschichte geduldig an. Er spürt ihre Traurigkeit und Enttäuschung, ihr Unverständnis. Genau dieses Gefühl greift er auf und benennt es: Was seid ihr doch für unverständige Leute. Es fällt Euch so schwer zu glauben... um ihnen dann seinen Blick auf die Schrift zu zeigen, seine Sicht zu erklären. Am Ziel angekommen, will er weitergehen. Er drängt sich nicht auf, doch sie nötigen ihn über Nacht zu bleiben. Jesus bleibt zum Essen und bricht das Brot mit ihnen. Erst da gibt er sich zu erkennen und entschwindet im selben Augenblick. Er und seine Lehre stehen nicht im Vordergrund, sondern sie und ihre Gefühle. Erst dann gibt er sich kurz zu erkennen. Dieser Impuls genügt. Sie spüren der Bewegung ihrer Herzen nach, bewirkt durch Jesu Begleitung und brechen sofort auf, kehren zu den anderen nach Jerusalem zurück. Sie haben sich entschieden, ihren Weg zu ändern. Jesu Blick auf ihren Weg ergriff ihr Herz und bewirkte diesen Impuls zur Umkehr.Meine Begleitung am Krankenbett ist ebenfalls begrenzt. Ich möchte dem Patienten, das Gefühl geben: Du bist nicht allein. Ich begleite Dich auf Deinem Weg. Wir schauen gemeinsam darauf. Ich höre Dir aufmerksam und geduldig zu, wenn Du mir Deine Gefühle und Deine Lage schilderst. Du bist mir so wertvoll und Deine Lebensgeschichte ist für mich so einzigartig, das ich freudig erregt mehr von Dir erfahren will, bis unsere Herzen zu brennen beginnen. Du fühlst Dich angenommen und verstanden, in Beziehung und geliebt. Du erkennst was zu tun ist. Unser Gespräch gab Dir den Impuls für den nächsten Schritt. Ich habe Dir nicht mein Verständnis und meinen Glauben vordergründig dargestellt, sondern mir ging es um Dich und Deine Beziehungen zu Dir selbst, zu deinen Mitmenschen und zu Gott, wenn Du ihm Vertrauen schenken willst.Wenn ich spüre, dieser Impuls ist übergesprungen, dann ist meine Begleitung beendet und ich traue dem Patienten zu, nun seinen Weg allein weiterzugehen.Auch dieser Abschied bedarf der Übung. Abgrenzung und Loslassen will gelernt sein. Loslassen in die Eigenverantwortung des Patienten, ist auch eigene Seelenpflege. Seelsorgliche Begleitung ist hier auch der richtige Umgang mit Nähe und Distanz.
2.3. Priesterliche Seelsorge Zunächst wieder die spontanen Gedanken: Kirche, Amt, Amtsverständnis, Dienst, Predigt, Sakramente, Weihe, Institution, Verwaltung, Macht, Machtanspruch,Unfehlbarkeit,Exklusivität, Mündigkeit, Priestertum aller Gläubigen, Verkündigung des Evangeliums, Sendungsauftrag Priesterlicher Dienst ist Wortverkündigung und Feier der Sakramente, sowie Leitung der Gemeinschaft in seinen liturgischen, missionarischen und diakonischen Bereichen. Dabei steht der Priester sowohl in der Gemeinde, als auch ihr gegenüber in Vollmacht , d.h. im Auftrag und als Vergegenwärtigung von Jesus Christus. Wie wird priesterlicher Dienst zur priesterlichen Seelsorge ? Schauen wir wieder auf Jesu Handeln: „Auch zwei andere Männer, beides Verbrecher, wurden abgeführt, um mit ihm hingerichtet zu werden. Schließlich kamen sie an einen Ort, der Schädelstätte heißt. Dort wurden alle drei gekreuzigt- Jesus in der Mitte und die zwei Verbrecher rechts und links von ihm. Jesus sagte: „Vater, vergib diesen Menschen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Und die Soldaten würfelten um seine Kleider. Das Volk schaute zu, während die führenden Männer lachten und spotteten. „ Er hat andere gerettet“, sagten sie. „ Soll er sich jetzt doch selbst retten, wenn er wirklich Gottes Auserwählter, der Christus ist.“... Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, spottete: „ Du bist also der Christus ? Beweise es, indem du dich rettest- und uns mit!“ Doch der andere mahnte: „ Hast du nicht einmal Ehrfurcht vor Gott, da du den Tod vor Augen hast ? Wir haben für unsere Vergehen den Tod verdient, aber dieser Mann hat nichts Unrechtes getan.“ Dann sagte er: „ Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Da antwortete Jesus: „ Ich versichere dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Lukas 23, 32-43 Jesus handelt in Vollmacht, inmitten der Menschen, als auch ihnen gegenüber, im Auftrag und als Vergegenwärtigung von Gott. Er sagt nur zwei Sätze. Im Ersten vergibt den Menschen, die an seiner Kreuzigung beteiligt sind und im Zweiten verkündigt er Heil, dem, der sich ihm zuwendet. Jesus handelt priesterlich seelsorglich. Er schafft Vergebung und Heil, selbst im Angesicht des Todes, wo menschliche Verzweiflung, seine und die des zweiten Verbrechers am größten ist. Er trägt Sorge dafür, dass Verzweiflung nicht die letzte Antwort im Leben bleibt, sondern Hoffnung, Zusicherung des Paradieses.
Was treffe ich an, wenn ich als Krankenhausseelsorger die onkologische Station betrete? Menschen im Angesicht des Todes, denen ihre Erkrankung bewusst gemacht hat, dass ihr Leben begrenzt ist, deren Prognose vielleicht nur wenige Tage oder Wochen beträgt. Menschen die voller Angst und auch Wut sind, die voller Verzweiflung wissen wollen: Warum ? Menschen die tief traurig und sprachlos sind, die Antworten suchen, einen Sinn. Die darüber reden wollen, um ihr Leben zu ordnen, um einen sicheren Grund und Halt zu finden, um Hoffnung und Kraft zu schöpfen für ihren letzten Lebensabschnitt, um Loslassen und Abschied nehmen zu können. Menschen die Antwort auf die letzten Fragen suchen, eine höhere Macht suchen, nach Gott fragen. Hier setzt Seelsorge an, um in Verbindung zu bleiben, damit Sprachlosigkeit und Verzweiflung nicht die letzte Antwort bleibt, sondern Hoffnung und Vertrauen darauf, dass ich angenommen und getragen, ja geliebt werde. Selbst im Angesicht des Todes, wo ich nicht weiß, wie es sein wird und was mich danach erwartet. Ob es überhaupt ein Jenseits für mich gibt. Zu vertrauen, zu glauben, ohne zu wissen. Mein Leben loslassen und nicht sehen, wohin ich falle. Hier sehe ich immer ein Bild vor mir, was für mich priesterliche Seelsorge treffend beschreibt: Zwei Bergsteiger hängen in einer Steilwand und klammern sich mit einer Hand aneinander. Sie waren ein ganzes Stück in die Tiefe abgerutscht, weil sich ein Sicherungshaken gelöst hatte. Der Obere noch mit einem Seil gesichert, kann nach unten schauen. Der Untere nur noch an der Hand des anderen hängend, sieht nicht was alles unter ihm ist. Lange können sie sich nicht mehr halten, weil die Kräfte schwinden. Der Obere glaubt einen rettenden Vorsprung, ein Plateau zu sehen: „Du kannst loslassen. Lass dich fallen. Du fällst nicht tiefer, als zum rettenden Plateau.“ „Ich kann es nicht sehen.“ „Vertrau mir.“ Sie schauen sich tief in die Augen. Dann lassen sie beide einander los. Als Seelsorger glaube und erahne ich den rettenden Vorsprung in Jesus Christus. Ich vertraue darauf, dass ich nicht tiefer als in seine Arme fallen werde. Ich handle priesterlich seelsorglich, wenn ich meinen „besseren“ Blick auch mitteile, dem der sich tief in meine Augen schauend, vertrauensvoll an meine Hand „klammert“, um nicht in den ewigen Tod zu stürzen. Jesus konnte in Vollmacht handeln und dem ihm zugewandten Verbrecher das Paradies versichern. Als Christ kann ich auf ihn verweisen, wenn der Patient im Krankenzimmer danach fragt, wie und was sein wird, wenn er sein Leben loslässt und Abschied davon nimmt. So kann ich priesterlich seelsorglich sein.
2.4. Prophetische Seelsorge Welche Gedanken kommen mir spontan ? Zukunft, Visionen, Offenbarung Johannes, Apokalypse, Nostradamus, Da Vinci Code, Wiederkunft Christi, Vollendung des Werkes Gottes mit den Menschen, jüngstes Gericht, neuer Himmel und neue Erde, ewiges Leben, Zukunftshoffnung und Erwartung des Menschen Hier und Heute Von den meisten Menschen wird die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur unserer Welt als ungerecht empfunden. Die Kluft zwischen Arm und Reich, das übertriebene Konsumverhalten auf Kosten von Umweltzerstörung und die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, welche Tod, Vertreibung, Heimatlosigkeit zur Folge haben, können und wollen sie nicht länger hinnehmen. Viele Christen greifen deshalb die sozialkritische Botschaft der Propheten auf und protestieren im Namen Gottes gegen diese Fehlentwicklungen. Sie betonen, dass der Heilige Geist Leben schafft, nicht nur im religiösen Sinne, sondern auf alle Menschen und die gesamte Schöpfung bezogen und verbinden so persönlichen Glauben mit gesellschaftlichem Engagement. Betrachten wir auch in diesem Zusammenhang wieder Jesu Verhalten: „Einige Tage später kehrte Jesus nach Kapernaum zurück. Die Nachricht von seiner Ankunft verbreitete sich schnell in der ganzen Stadt. Es dauerte nicht lange, da war das Haus, in dem er wohnte, von Besuchern überfüllt, sodass kein Einziger mehr Platz hatte, nicht einmal draußen vor der Tür. Und er verkündigte ihnen Gottes Wort. Da kamen vier Männer, die einen Gelähmten auf einer Matte trugen. Es gelang ihnen nicht, durch die Menge zu Jesus vorzudringen, deshalb deckten sie das Dach über ihm ab. Dann ließen sie durch die Öffnung den Kranken auf seiner Matte hinunter. Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“ Doch einige Schriftgelehrte, die dabeisaßen, dachten: „Wie kann er so etwas sagen? Das ist doch Gotteslästerung! Nur Gott allein kann Sünden vergeben!“ Jesus wusste, was in ihnen vorging und sagte: „Warum macht ihr euch in euren Herzen solche Gedanken ? Ist es leichter, zu dem Gelähmten zu sagen, Deine Sünden sind dir vergeben oder Steh auf, nimm deine Matte und geh? Ich werde euch beweisen, dass der Menschensohn auf der Erde die Vollmacht besitzt, Sünden zu vergeben.“ Und er wandte sich dem Gelähmten zu und sagte zu ihm: „Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause, denn du bist geheilt!“ Der Mann sprang auf, nahm die Matte und bahnte sich einen Weg durch die staunende Menge. Da lobten sie alle Gott. „So etwas haben wir noch nie gesehen!“, riefen sie.“ Markus 2, 1-12
Jesus handelt anders als die Menschen es in diesem Moment von ihm erwarten. Ihre Hoffnung und Erwartung ist auf Heilung aus. Jesus erfüllt diese zunächst nicht. Er handelt in Vollmacht und vergibt dem Menschen die Sünden, so wie nur Gott allein es kann. Er handelt über den Augenblick hinaus, der Zukunft zugewandt und schafft Heil, sowie dann auch Heilung für den Augenblick. Als Krankenhausseelsorger bin ich auch nicht in Verbindung mit dem Patienten getreten, um Heilung für den Augenblick zu schaffen oder zu versprechen. Das kann ich auch gar nicht, denn ich bin weder der behandelnde Arzt des Patienten, noch sein Therapeut. Meine Motivation ist die Aufrechterhaltung der Beziehung des Patienten zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen, zu seiner Umwelt, zu Gott. Ich ermuntere zum Gespräch und biete meine ganze Aufmerksamkeit und Zeit an, um dem Patienten zuzuhören. So ermögliche ich es ihm, von dem was ihn belastet zu sprechen und sich so Vieles von der Seele zu reden, sich zu entlasten. Das ist wohltuend und heilsam, schafft geheilte Beziehungen, Heil für die Seele. Und da ich den Menschen immer ganzheitlich betrachte, als eine lebendige Seele, bin ich davon überzeugt, dass geheilte Beziehungen, von Liebe getragene Beziehungen Heilung des ganzen Menschen bewirken können, auch Heilung von Körper und Geist. Wenn ich mit mir und meiner Umwelt im Reinen bin, Frieden und Zufriedenheit gefunden habe, bin ich in der Lage, ist mein Körper in der Lage, seine Selbstheilungskräfte voll zu entfalten und so den Heilungsprozess des Körpers zu unterstützen und sogar die Entartung von Zellen umzukehren. Das Erleben von Zuwendung und Liebe, das Gefühl angenommen und getragen zu sein ist pure Seelenpflege und damit ganzheitliche Pflege des Menschen, über den Augenblick hinaus, der Zukunft zugewandt, schafft Heil und Heilung heute und für die Zukunft. So kann ich mich auch Hier und Heute engagieren, um der Seelsorge mehr Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft zu geben, indem ich mich dafür einsetze, dass Seelsorge nicht verkümmert, sondern mehr Gewicht bekommt. Jeder Mensch ist in der Lage, Seelsorge zu üben. Ob hauptamtlich und geweiht oder ehrenamtlich und entsendet. So sollten mehr Ehrenamtliche ausgebildet und entsendet werden. Im Theologiestudium sollte die Seelsorge viel mehr gewichtet werden, um die geweihten Ämter der Kirche besser zur Seelsorge zu befähigen. Seelsorge ist nicht nur Aufgabe der Kirche als Institution, sondern Aufgabe aller Gläubigen. So kann ich mich auch gesellschaftlich und politisch für ein Menschenbild einsetzen, was auf der Grundlage von Ich bin OK. Du bist OK. aufbaut und Parteien und Organisationen unterstützen, die dieses verinnerlicht haben oder sich darum bemühen. Dieses Menschenbild unterstreicht auch Jesu Aussage: „Liebe Gott über alles. Liebe Deinen Nächsten wie Dich Selbst.“
2.5. Ethische Seelsorge Welche aktuell diskutierten Schlagworte fallen mir spontan zur Ethik ein ? Gentechnik, Klonen, Stammzellenforschung, Organtransplantation, aktive Sterbehilfe, Palliativmedizin, Patientenverfügung Weltwirtschaftskrise, Gier, Banker, Aktienmärkte, Immobilien, Regulierung, Schulden, Arbeitslosigkeit Alkohol, Drogen, Komasaufen, Gewalt, Mobbing, Amok, Zügellosigkeit Globalisierung, Sekularisierung Umweltverschmutzung, Raubbau, CO2-Ausstoß, Klimawandel, Erderwärmung Ethik zielt auf unsere Lebensführung. Ethische Fragen sind Lebensfragen. Ethik ist die Theorie menschlicher Lebensführung. Wir erwarten von ihr nicht Information, sondern Orientierung. Welche Orientierungshilfe gibt uns hierzu Jesus Christus ? Im Johannesevangelium Kapitel 8 lesen wir vom 4.- 11. Vers folgendes: „Meister...diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt worden. Nach dem Gesetz Moses muss sie gesteinigt werden. Was sagst du dazu?“ Damit wollten sie ihn zu einer Aussage verleiten, die sie gegen ihn verwenden konnten. Doch Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger in den Staub. Aber sie ließen nicht locker und verlangten eine Antwort. Schließlich richtete er sich auf und sagte: „Wer von euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein auf sie werfen!“ Damit bückte er sich wieder und schrieb weiter in den Staub. Als die Ankläger das hörten, machten sie sich einer nach dem anderen davon, die Ältesten zuerst. Schließlich war Jesus allein mit der Frau, die noch immer an der gleichen Stelle in der Mitte stand. Da richtete Jesus sich wieder auf und sagte zu ihr: „Wo sind sie ? Hat dich keiner von ihnen verurteilt?“ „Niemand, Herr“ antwortete sie. „Dann verurteile ich dich auch nicht“ erklärte Jesus. „Geh und sündige nicht mehr.“ Die klare Ansage an jeden einzelnen von uns lautet: „Sündige nicht mehr. Sündige nicht mehr an Dir selbst, nicht mehr an Deinem Nächsten, nicht mehr an meiner Schöpfung. Fang bei Dir selbst an und nicht beim Nächsten.“ Ethische Seelsorge lenkt hier den Blick auf sich selbst. Lässt begangene Sünden selbst erkennen, ohne den Nächsten zu verurteilen, doch mit dem klaren Appell künftig nicht mehr zu sündigen.
Dies gilt auch für mich als Krankenhausseelsorger. Bevor ich ein Krankenzimmer betreten kann, muss ich mit mir selbst im Reinen sein. Ich muss mich selbst überprüfen. Wie sind meine Beziehungen zu mir selbst, zu meinen Mitmenschen, zu meiner Umwelt, zur Schöpfung, zu Gott. Ich muss mich orientieren und ausrichten, mich selbst erkennen und beurteilen. Dazu ist es notwendig meinen eigenen Lebensweg zu betrachten und zu schauen, wie gehe ich mit bestimmten Lebenssituationen um, mit Freude und Leid, mit glücklichen Momenten und mit Lebenskrisen. Welche Mechanismen habe ich entwickelt, um damit umzugehen und diese zu verarbeiten. Wie meistere ich Krisen/ Veränderungen ? Wie entwickle ich mich dabei ? Nutze ich sie als Chance ? Stehe ich auf einem festen Grund ? Mein Grund ist Jesus Christus. Ich weiß mich von ihm geliebt und angenommen wie ich bin, besonders auch mit meinen Fehlern und Schwächen. Ich muss nicht perfekt sein. Ich möchte vielmehr authentisch sein. Diese Gewissheit stimmt mich freudig und gelassen, schenkt mir Zufriedenheit und inneren Frieden. Lässt mich offen und freudig erregt auf meine Mitmenschen zugehen, um ihre Lebensgeschichte zu hören. Ich muss nichts erreichen. Allein durch Jesus Christus, durch sein Geschenk der Liebe, habe ich alles was ich brauche: Seine Zuwendung und Nähe im Heute und die lebendige Hoffnung auf ewige Gemeinschaft mit ihm im Morgen. In diesem Vertrauen kann ich auch alle Veränderungen in meinem Leben meistern und bewältigen. Und wenn ich mal versagt habe, werde ich nicht „gesteinigt“, sondern bekomme eine neue Chance, wenn ich meine Sünden erkannt und bereut habe und mich verändern will. Jesus geht es hier um meine Gesinnung, mein Wollen, meine Umkehr und Zuwendung zu ihm. Diese innere Ruhe und Gelassenheit, meine Freude und Zuversicht strahlt dann auch nach außen durch meine offene und wohlwollende Zuwendung meinem Nächsten gegenüber. Hier besonders dem Patienten in der Onkologie. Er spürt dieses Du bist OK. Weil ich mich auch OK fühle. Er fühlt sich angenommen, akzeptiert und wertgeschätzt und ist bereit, mir seine Lebensgeschichte zu berichten und sich damit zu entlasten und beglückt und befreit zu fühlen. Orientierung in der Lebensführung, Ethik, bedeutet seine eigene Lebensführung zu beleuchten und an dem Lebensbild Jesu Ich bin OK. Du bist OK. oder mit seinen Worten: Liebe Gott über alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst, auszurichten. Es bedeutet aus meiner Sicht nicht, sich mit dem anderen zu vergleichen, ihn dann zu verurteilen und verachtend in einer Schublade abzulegen. Es bedeutet auch nicht vergleichend festzustellen, wer ist der Bessere, was unterscheidet uns, sondern vielmehr herauszufinden, was uns miteinander verbindet.
Wenn ich auf die obigen Schlagworte zurückkomme, bringen diese zumeist aktuelle ethische Fragen, wie sie heute diskutiert werden zum Ausdruck, jedoch überwiegend unter dem Aspekt: Wie kann ich mir selbst der Nächste sein. Wenn es mir gelingt, meinen Nächsten und Gott hier mit einzubeziehen, dann wären viele Schlagworte gar kein Thema mehr. Wie z.B. Umweltverschmutzung und Raubbau, was unseren Umgang mit der Natur betrifft. Oder auch Weltwirtschaftkrise und Gier, was unseren wirtschaftlichen Umgang miteinander betrifft. Auch Mobbing und Gewalt würden unseren Umgang miteinander nicht mehr bestimmen oder beeinflussen können. Hier gilt es ethisch seelsorglich mit dazu beizutragen, dem Menschenbild von Ich bin OK. Du bist OK. mehr Gewicht und Kraft zu verleihen, durch eine an Jesus orientierte Lebensführung.
2.6. Missionarische Seelsorge Spontane Gedanken und Stichworte Missionieren, bekehren, an die Hecken und Zäune gehen, Klingelputzen, Kreuzzüge, Kolumbus, dunkles Mittelalter, Ablasshandel, Strafe, Fegefeuer, Hexenverbrennung, Luther, Eisenach, Bibelübersetzung, Buchdruck, weltweite Verbreitung, Internet, moderne Medien, Wir sind Papst, Popstar, Friedensstifter, Interkultureller Dialog, Ökumene, Kirchentage, Kommunikation Die Mission offenbart am schnellsten das Menschenbild ihrer Missionare. Ist es die Botschaft über Gott und den Menschen oder wird geistiger und realer Kolonialismus transportiert ? Grundmotiv christlicher Mission ist die Überzeugung von der Gottebenbildlichkeit aller Menschen. Christen gehen in den Dialog mit anderen Religionen, ihrer eigenen Überzeugung gewiss, aber ohne zwanghafte Bekehrungsabsicht und finden so ein offenes Ohr für die Botschaft Gottes verkörpert in Jesus Christus. Schauen wir auf sein Handeln: „Jesus kam nach Jericho und ging durch die Stadt. Dort lebte ein Mann namens Zachäus. Als einer der mächtigsten Steuereintreiber war er sehr reich. Zachäus hatte versucht, einen Blick auf Jesus zu werfen, aber er war zu klein, um über die Menge hinwegschauen zu können. Deshalb lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerbaum am Wegrand, um Jesus von dort aus vorübergehen zu sehen. Als Jesus kam blickte er zu Zachäus hinauf und rief ihn beim Namen: „ Zachäus!“ sagte er, „komm schnell herunter! Denn ich muss heute Gast in deinem Haus sein.“ Zachäus kletterte so schnell er konnte hinunter und geleitete Jesus voller Aufregung und Freude in sein Haus. Doch den Leuten in der Menge gefiel das nicht. „ Bei einem berüchtigten Sünder kehrt er als Gast ein“, murrten sie. Währenddessen stellte Zachäus sich vor den Herrn hin und sagte: „ Herr, ich werde die Hälfte meines Reichtums den Armen geben, und wenn ich die Leute bei der Steuer betrogen habe, werde ich es ihnen vierfach erstatten!“ Jesus erwiderte: „ Heute hat dieses Haus Rettung erfahren, denn dieser Mann hat sich als Sohn Abrahams erwiesen. Der Menschensohn ist gekommen, um Verlorne zu suchen und zu retten.“ Lukas 19, 1-10 Für Jesus ist jeder Mensch ein Ebenbild Gottes. Er sieht bis ins Herz und nicht nur was augenscheinlich ist. Er wendet sich dem Sünder zu, kehrt bei ihm ein und trifft ihn bis ins Herz. Es ist seine Zuwendung und Liebe, die freudig erregt und den Menschen vollkommen verändert und damit wieder geheiltes menschliches Miteinander schafft und so Rettung erfahren lässt.
Auch in der Krankenhausseelsorge ist jeder Patient, mit dem ich in Verbindung trete ein Ebenbild Gottes, einzigartig in seiner Persönlichkeit, mit seiner Lebensgeschichte und seiner ganz eigenen Lebensmelodie. Diese muss mit meiner nicht harmonieren oder gar im Gleichklang sein. Vielmehr erfreut mich die reiche Vielfalt in der göttlichen Schöpfung und besonders die Vielfalt der Menschen und ihrer Geschichten, von Gott geschaffen zu seinem Ebenbild, vielfältig und als Individuum einzigartig. Da ist es für mich auch nicht von Bedeutung, welcher Konfession mein Gegenüber angehört. Auch ihm die meinige aufzudrücken, ist nicht mein Bestreben. Ich möchte nicht bekehren, in der Form, dass ich dem anderen meine Anschauung aufzwinge . Ich möchte vielmehr akzeptieren und verstehen, die Sicht und den Blickwinkel meines Gesprächspartners kennen lernen. Besonders auch, weil ich mir der Tatsache der Existenz unterschiedlicher Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache bewusst bin. Es macht keinen Sinn diese abzustreiten oder gar darüber zu streiten. Ich möchte mich bekehren, in der Form, dass ich bereit bin, auch aus seiner Sicht, aus der des Erkrankten draufzuschauen. Dazu ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung: Vier Freunde besteigen einen Berg. Einer von Osten her und einer von Westen, einer von Süden her und einer von Norden. Auf dem Gipfel steht ein kleines Gebäude. “Seht Ihr auch schon das gelbe kleine Haus dort oben ?“ meldet sich Franz über das Funkgerät.“ Bist Du sicher“ antwortet Simone, „ich sehe einen roten Turm.“ „Ach Quatsch“ meint Peter, „ ich kann nur dunkle Umrisse erkennen.“ „ Was ihr bloß habt“ freut sich Karin, „ für mich erstrahlt sie in heller Pracht.“ „Wer...sie ?“ rufen die anderen. Mittlerweile am Gipfel angekommen ist sie allen klar sichtbar, die kleine gelbe Kirche mit ihrem roten Kirchturm, von der Sonne angestrahlt in heller Pracht, durch die Sonne geblendet nur dunkel schattenhaft umrissen. Gemeinsam waren sie um die Kirche gegangen, um alle Seiten zu betrachten. Hätten sie zuvor auf ihrem Weg hinauf, darüber streiten sollen ? Ganz sicher hätten sie es gekonnt, aber als Freunde haben sie einander akzeptiert und verstanden, die Sicht des anderen als Tatsache zu fassen und zu begreifen. Zachäus war aus Sicht seiner Mitmenschen, ein Betrüger und Halsabschneider. Aus der Sicht Jesu einer der auch unbedingt Begegnung mit ihm haben, ihn sehen wollte. Jesus hat mehr gesehen, als nur das Augenscheinliche. Er sah sein Verlangen nach ihm. Sicher konnte er sich augenblicklich auch in seine Lage versetzen. So erfüllte Jesus dies, unbeeindruckt von der Meinung der anderen und kehrte bei ihm ein. Diese Begegnung veränderte das Verhalten von Zachäus total, so dass Jesus ihn als einen Sohn Abrahams bezeichnen konnte und als ein Erretteter, der zuvor verloren war. Missionarische Seelsorge von Jesus Christus. So kann ich auch durch mein Verhalten, wenn es geprägt ist von Wohlwollen und Akzeptanz meinem Nächsten gegenüber, Impulse geben und damit missionarisch seelsorglich zur Erweiterung des eigenen und auch des anderen Sichtfeldes beitragen.
2.7. Therapeutische Seelsorge Spontane Gedanken und Stichworte Therapeut, Seelsorger, Widerspruch, Therapie, Heilung, Anspruch, Weg, Seelenklempner, Couch, Reden, Zuhören, Psychologen, Freud, Verhaltenstherapie, Gesprächsprotokolle, Menschenbild, Kindheits-Ich, Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich, Ich bin OK. Du bist OK. Psychotherapie behandelt den in seinen Problemen gefangenen Menschen, zielt auf die Aufhebung von Angst und zielt auf die Veränderung des Selbstverständnisses und die Entwicklung der Beziehungsfähigkeit. Die Erwartung von Psychotherapeuten richtet sich auf die Heilung eines Patienten durch die positiven Energien des Menschen. Seelsorge geht im Ausmaß ihrer Hoffnung darüber hinaus und vertraut auf die heilende und verändernde Kraft Gottes. Schauen wir auch hier auf Jesus Christus: „Inmitten der dicht gedrängten Menge befand sich auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an Blutungen litt. Sie hatte ihr ganzes Vermögen für Ärzte ausgegeben und war dennoch nicht geheilt worden. Nun näherte sie sich Jesus von hinten und berührte den Saum seines Gewandes. Augenblicklich hörte die Blutung auf. „ Wer hat mich berührt ?“, fragte Jesus. Alle stritten ab, ihn berührt zu haben und Petrus meinte: „ Meister, hier sind doch so viele Menschen!“ Doch Jesus sagte: „ Nein, jemand hat mich absichtlich berührt. Ich habe gespürt, dass eine heilende Kraft von mir ausging.“ Als die Frau sah, dass Jesus etwas gemerkt hatte, warf sie sich zitternd vor Angst vor ihm auf die Knie. Alle hörten zu, als sie erklärte, warum sie ihn berührt hatte und dass sie augenblicklich gesund geworden war. „ Tochter“, sagte Jesus zu ihr, „ dein Glaube hat dich gesund gemacht. Geh in Frieden.“ Lukas 8, 43-48 Jesus heilt aufgrund des Glaubens. Schnell hatte sich seinerzeit rumgesprochen, dass er Kranke geheilt hatte. Die Menschen strömten zu ihm, voller Hoffnung auf die heilende Kraft Gottes. Jesus spürte, wie sie von ihm ausging, aufgrund des Glaubens der Betroffenen. Glaube besitzt heilende Kräfte. Jesus unterstreicht das immer wieder: Dein Glaube hat dich gesund gemacht. Jesus nimmt mit allen Sinnen seine Umgebung wahr. Er spürt die kleinste Berührung im Vertrauen auf Heilung und Errettung. Er spürt die Zuwendung, die Verbindung, die Beziehung, die Bewegung von heilsamen Energien.
Dieses Vertrauen zueinander zu entwickeln, ist auch von entscheidender Bedeutung in meiner Tätigkeit als Krankenhausseelsorger. Dazu ist es wichtig, eine Verbindung zueinander herzustellen, in Beziehung zu treten, einander zugewandt zu sein. Dafür ist eine ständige Schärfung der eigenen Wahrnehmung notwendig, die Fähigkeit, mit allen Sinnen hellwach und da zu sein. Dazu gehört auch die eigene Körperwahrnehmung, das Erkennen der eigenen Grenze und auch der des Gegenüber. Denn an dieser Grenze findet auch der Kontakt statt, kommt es zur Verständigung miteinander, zur Kommunikation, nonverbal und verbal, mit Mimik, Gestik, Körpersprache und mit Worten. Die erste Kontaktaufnahme ist entscheidend. In Bruchteilen von Sekunden erkennen wir, ob wir lieber flüchten oder angreifen wollen, ob wir der Begegnung aus dem Weg oder ihr entgegen gehen werden. Bin ich offen, ist meine Grenze eher näher gesteckt, als wenn ich verschlossen bin und lieber einen größeren Abstand bevorzuge. Das lässt sich nur im Kontakt miteinander erspüren und erfahren. Diese Verständigung miteinander ist auch ein ständiger Prozess, muss immer wieder neu ausgelotet und aufrechterhalten werden. Und nur so kann sich auch gegenseitiges Vertrauen aufbauen und entwickeln. Ich werde Dich nicht angreifen, noch vor Dir flüchten und traue Dir das Gleiche zu. Ich spüre die Wirkung unserer Verbindung zueinander, die Kräfte und Energien, die Impulse und die Freude, den Frieden und die Wärme, einfach die darin verborgene heilsame und wohltuende, liebevolle Macht. Die Macht der Liebe, die Macht Gottes. Gott gemacht und Gott gewollt. Ich traue Dir. Du traust mir. Daraus entwickelt sich auch Tragkraft, die Fähigkeit auszuhalten, beizubehalten, zugewandt zu bleiben, auch bei Verständigungsproblemen, bei Zweifel, bei Verzweiflung, bis hin zur Sprachlosigkeit. Sich der eigenen Kräfte bewusst zu bleiben und darüber hinaus die Hoffnung auf die heilende und verändernde Kraft Gottes nicht zu verlieren. Die blutflüssige Frau hat bei der Begegnung mit Jesus, diese Kraft erlebt. Zuvor hatte sie zwölf Jahre die Verbindung gehalten, zu sich selbst, zu den Ärzten. Sie war bereit alles dafür in die Waagschale zu werfen, ihr ganzes Vermögen, um geheilt zu werden, um schließlich ihre ganze Hoffnung, ihr ganzes Vertrauen auf Gott zu setzen, indem sie den Saum des Gewandes von Jesus berührte. Seelsorge hält den Horizont der Hoffnung offen für Gottes heilende und verändernde Kraft und Liebe. Therapeutische Seelsorge erkennt die dem Menschen von Gott gegebenen Selbstheilungskräfte, welche verborgen sind in den von Liebe angefüllten Beziehungen zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zur Umwelt und zu Gott. Therapeutisch seelsorglich handeln, bedeutet aus meiner Sicht ständig in Beziehung zu bleiben und darauf zu achten, das dieser Prozess nicht unterbrochen wird oder da, wo er aus Verzweiflung und Sprachlosigkeit bereits unterbrochen ist, wieder hergestellt werden kann. So können Therapie und Seelsorge dem in seinen Problemen gefangenen Menschen Hand in Hand behilflich sein, das eigene Selbstverständnis zu verändern und die Beziehungsfähigkeit zu verbessern, um zu dem Menschenbild von Ich bin OK. Du bist OK. zu gelangen. Wie bereits mehrfach in dieser Abschlussarbeit erwähnt, hat Jesus es wie folgt ausgedrückt: „ Das wichtigste Gebot ist dies: Höre, o Israel! Der Herr ,unser Gott, ist der einzige Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft lieben. Das zweite ist ebenso wichtig: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden.“ Markus 12,29-31.
3.0. Ausblick Am 28. August 2009 erschien folgender Artikel in der Mitteldeutschen Zeitung: „EHRENAMT Am Elisabeth-Krankenhaus werden wieder freiwillige Seelsorger gesucht und ausgebildet. Die bereits Aktiven sehen ihre Aufgabe für sich als Bereicherung. Wer spendet Patienten Zeit ? HALLE/MZ - Mark Müller kann sich noch ganz genau an sein erstes Gespräch erinnern: Über eineinhalb Stunden schüttete ein gut 70-jähriger Patient dem jungen Mann sein Herz aus. "Er war so glücklich, über sein Leben zu erzählen", sagt der ehrenamtliche Seelsorger am Elisabeth-Krankenhaus. Einmal die Woche, immer dienstags, kommt Mark Müller ins Krankenhaus, um dort Patienten "Zeit zu spenden" -zum Reden oder Schweigen, zum Zuhören oder um einfach nur da zu sein, um Gefühlen Raum zu geben. 20 Männer und Frauen arbeiten bereits ehrenamtlich in der Seelsorge. Jetzt werden weitere Freiwillige gesucht, die sich für Kranke Zeit nehmen möchten. "Wir möchten den Patienten Entlastung bieten durch Gespräche", sagt Diakon Reinhard Feuersträter. Ab September startet deshalb ein neuer Lehrgang, auf dem die "Zeitspender" kostenlos geschult werden. Sie lernen, wie sie mit Aggressionen, Angst und Trauer professionell umgehen können und wie sie verschiedene Konfliktsituationen verarbeiten können. Angesprochen sind alle Hallenser, die kirchlich gebunden sind: "Aber noch entscheidender ist, ob der Interessent eine Sensibilität für spirituelle Fragen hat und glaubt, dass es mehr gibt als nur das für das Auge Sichtbare", erklärt Diakon Feuersträter. Mit dem Kurs gehe der Freiwillige keine Verpflichtung ein, vielmehr soll jeder Ehrenamtliche selbst bestimmen, wie viel Zeit er später mit Patienten verbringen möchte und auf welcher Station er tätig werden will. An acht Wochenenden - jeweils einmal im Monat - geht es in dem Seminar aber nicht nur um eine Vorbereitung für den Besuchsdienst: "Es werden auch eigene Erfahrungen reflektiert und Fragen beantwortet nach den eigenen Reserven", erläutert Feuersträter. Nach Abschluss der Ausbildung im Mai 2010 bietet der Diakon monatlich kostenlos Supervision an, bei der nicht nur über einzelne Fälle gesprochen werden kann, sondern auch Informationen zu Neuerungen etwa bei der Patientenverfügung gegeben werden. Die jetzt schon aktiven ehrenamtlichen Seelsorger sehen ihre Tätigkeit absolut nicht als Einbahnstraße. "Ich fühle mich oft als Beschenkter, weil die Patienten mir etwas geben. Sie öffnen sich, sie erzählen von ihrem Leben", berichtet Jörg Anschütz, der immer freitags auf der Krebsstation ist. Viele Bekannte hätten Ines Liebegott, Mutter von vier Kindern, gefragt, warum sie sich als Ehrenamt "so etwas antut". Doch auch wenn man gelegentlich mit dem Tod konfrontiert werde, so Ines Liebegott, wünschen viele Patienten einfach nur eines: "Ganz normal mit jemand anderem reden." Informationsveranstaltung für Interessenten: 8. September,18 Uhr, im Elisabeth-Krankenhaus, Mauerstraße 5.“
Vor einem Jahr hat mein Einstieg in die Seelsorge mit einem Aufruf im Internet begonnen. Nun hat die Mitteldeutsche Zeitung Interesse an unserer ehrenamtlichen Tätigkeit bekundet und auch gleich die Gelegenheit genutzt, auf einen zweiten Lehrgang dieser Art hinzuweisen. Ich freue mich über die Vielfalt der Blickrichtungen in der Seelsorge, die ich in dieser Zeit entdeckt habe und habe gern davon berichtet. Ich hoffe, dass es auch für diesen neuen Kurs wieder interessierte Zeitspender geben wird und dass sie ihren ganz eigenen Blick in der Seelsorge finden werden. Zusammenfassend sind mir folgende sieben Blickrichtungen wichtig: Der erste Augenblick der Begegnung, die begrenzte Begleitung des Patienten auf seinem Weg, das Loslassen in Hoffnung und Vertrauen, die Gestaltung des Hier und Heute in positiver Erwartung des Morgen, der Blick auf mich selbst und meine Lebensmelodie, der liebevolle und wohlwollende Blick auf mein einzigartiges Gegenüber, der Blick auf die Beziehung zueinander im Ich bin OK. Du bist OK. Ganz sicher werde ich auch noch weitere Blickrichtungen entdecken. Mein derzeitiges Seelsorgeverständnis möchte ich wie folgt auf den Punkt bringen: Brücken bauen Beziehung herstellen Begleitung anbieten BBB Lass immer eine Brücke entstehen- Liebe Liebe Gott über alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst. Ich begleite Dich auf Deinem Weg. Ich bin OK. Du bist OK.
Literaturverzeichnis Neues Leben Die Bibel Hänssler Verlag 2005 Wuppertaler Studienbibel R. Brockhaus 2008 Evangelischer Erwachsenen Katechismus 2006 Katholischer Erwachsenen Katechismus I 1985 Katholischer Erwachsenen Katechismus II 1995 Thomas A. Harris Ich bin o.k. Du bist o.k. 2009 O. Carl Simonton Wieder gesund werden 2007 Dale Carnegie Sorge dich nicht- lebe ! 2007 Rolf Froböse Die geheime Physik des Zufalls