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Strafrecht BT Straftaten gegen die Ehre (2. Teil) Vorlesung vom 7. Dezember 2009. HS 2009 Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern. Auswertung der Vorlesungsevaluation. Hauptaussagen Folien Ablesen
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Strafrecht BT Straftaten gegen die Ehre (2. Teil) Vorlesung vom 7. Dezember 2009 HS 2009 Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern
Auswertung der Vorlesungsevaluation Hauptaussagen Folien Ablesen Vollständiger Auswertungsbericht im Netz bei den Materialien zur Vorlesung. Sprechstunde: wie bisher Montag, 16 bis 17 Uhr, d.h. im Anschluss an die Vorlesung, sowie ab sofort zusätzlich Dienstag, 16 bis 17 Uhr, Büro 313, Schanzeneckstrasse 1, 3. Stock (Voranmeldung per E-Mail erwünscht) Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 2
Straftaten gegen die Ehre (3. Titel, Ziffer 1) – Rechtsgut und strafrechtlicher Ehrbegriff • Rechtsgut: Ehre • Ehre = legitimer Achtungsanspruch eines jeden Menschen gegenüber seinen Mitmenschen (normativer Ehrbegriff) • Schutz der Geltung als anständiger Mensch; nicht aber Schutz der speziellen Geltung als Berufsperson, Politiker, etc. • Fallgruppen • Behauptung unsittlichen/unmoralischen Verhaltens • Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens • Verwendung medizinischer Fachausdrücke in diffamierender Weise Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 3
Straftaten gegen die Ehre (3. Titel, Ziffer 1) – Systematik der Tatbestände Eingriff in die Ehre durch Äusserunggegenüber dem Verletzten selbst Dritten (reines) Werturteil Tatsachenbehauptung oder gemischtes Werturteil nicht wider besseres Wissen wider besseres Wissen Beschimpfung(Art. 177) Üble Nachrede(Art. 173) Verleumdung(Art. 174) Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 4
Verleumdung (Art. 174) – Allgemeines Art. 174: Verleumdung 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung wider besseres Wissen verbreitet.(…) • Verleumdung als Qualifikation der Üble Nachrede • Qualifikationsmerkmal: Wissen um die Unwahrheit der Äusserung (Element des subjektiven Tatbestands) • d.h. die Äusserung muss objektiv unwahr sein und der Täter muss subjektiv wissen, dass die Äusserung unwahr ist Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 5
Verleumdung (Art. 174) – Objektiver Tatbestand Art. 174: Verleumdung 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung wider besseres Wissen verbreitet.(…) • Kriterien der Üblen Nachrede • Tatsachenbehauptung oder gemischtes Werturteil • Tatsachen • Eignung zur Rufschädigung • Tathandlung: beschuldigen, verdächtigen oder weiterverbreiten • Form der Kundgabe: mündlich, Schrift, Bild, Fotomontage, Film • Adressat: Drittperson • Vollendung: Kenntnisnahme der Äusserung durch Dritten • plus: Unwahrheit der geäusserten Tatsachenbehauptung Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 6
Verleumdung (Art. 174) – Subjektiver Tatbestand Art. 174: Verleumdung 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung wider besseres Wissen verbreitet.(…) • Vorsatz hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestands • (sicheres) Wissen um die Unwahrheit der Äusserung • Eventualvorsatz genügt nicht: es reicht nicht aus, dass der Täter seine Äusserung für möglicherweise unwahr hält Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 7
Verleumdung (Art. 174) – Qualifikation: planmässiges Vorgehen (Ziff. 2) Art. 174: Verleumdung 2. Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft. (…) • Planmässiges Vorgehen • mögliche Kriterien: Zeitraum, Mehrzahl der Adressaten, Strategie zur Verbreitung,… • gleichgültig, ob es tatsächlich gelungen ist, den Ruf einer Person zu schädigen; planmässiges Vorgehen als solches ist ausreichend • Rechtsfolge: Erhöhung der Strafrahmenuntergrenze von einem Tag auf 30 Tage Freiheitsstrafe Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 8
Verleumdung (Art. 174) – Rückzug der Äusserung (Ziff. 3) Art. 174: Verleumdung (…) 3. Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Richter als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Der Richter stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus. • entspricht Art. 173 Ziff. 4 und 5 • Rückzug muss aus Einsicht und Reue erfolgen • jedoch nur Strafmilderung, keine Strafbefreiung Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 9
Beschimpfung (Art. 177) – Objektiver Tatbestand Art. 177: Beschimpfung 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeitenin seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft. • zwei Tatbestands-Variante • Äusserung ehrverletzender Werturteile gegenüber dem Betroffenen selbst oder gegenüber Dritten • d.h. reine Werturteile sind in jeder Konstellation bloss gemäss Art. 177 strafbar • Äusserung ehrverletzender Tatsachenbehauptungen (und gemischter Werturteile) gegenüber dem Betroffen selbst • nur der Betroffene selbst ist Adressat; d.h. keine Gefahr der Weiterverbreitung; = Spezialkonstellation der Üblen Nachrede bzw. der Verleumdung • Kundgabe des Werturteils auch als Tätlichkeit möglich; ansonsten gleiche Kundgabeformen wie bei übler Nachrede oder Verleumdung Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 10
Beschimpfung (Art. 177) – Subjektiver Tatbestand • betreffend 1. Tatbestands-Variante: Werturteile • Wissen um den Charakter der Äusserung als mindestens möglicherweise ehrverletzendes Werturteil • Wille bzw. Inkaufnahme, das Werturteil gegenüber dem Betroffenen selbst oder einer Drittperson zu äussern • betreffend 2. Tatbestands-Variante: ehrverletzende Tatsachenbehaup-tung gegenüber dem Betroffenen selbst • Bewusstsein, dass die Tatsachenbehauptung mindestens möglicherweise ehrverletzend ist • Wille bzw. Inkaufnahme, die Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen zu äussern Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 11
Beschimpfung (Art. 177) – Zulassung des Entlastungsbeweises • bei Tatsachenbehauptungen und gemischten Werturteilen gegenüber dem Betroffenen selbst: analoge Anwendung von Art. 173 Ziff. 2 und 3 Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 12
Beschimpfung (Art. 177) – Provokation Art. 177: Beschimpfung (…) 2 Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhaltenzu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann der Richter den Täter von Strafe befreien. (…) • Provokation: der Beschimpfte hat durch sein ungebührliches Verhalten zur Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben • Provokation braucht nicht direkt gegen den Täter gerichtet zu sein; kann auch z.B. in einem flegelhaften Benehmen in der Öffentlich-keit bestehen • Unmittelbarkeit: Täter handelt in einer durch das ungebührliche Verhalten hervorgerufenen affektiven Erregung • Rechtsfolge: Möglichkeit der Strafbefreiung Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 13
Beschimpfung (Art. 177) – Retorsion Art. 177: Beschimpfung (…) 3 Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann der Richter einen oder beide Täter von Strafe befreien. • Retorsion: Beschimpfung (oder Tätlichkeit) als unmittelbare Reaktion auf eine vorangegangene Beschimpfung (oder Tätlichkeit) • Rechtsfolge: Möglichkeit der Strafbefreiung für einen oder beide Täter Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 14
Beschimpfung (Art. 177) – Konkurrenzen • Verhältnis zur Tätlichkeit gemäss Art. 126: unechte Konkurrenz; zur Anwendung kommt jener Tatbestand, auf den der Vorsatz gerichtet ist • Verhältnis zu Art. 173 und 174: unechte Konkurrenz; Art. 177 subsidiär • äussert der Täter eine Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen und nimmt dabei in Kauf, dass Dritte sie vernehmen, kommt Art. 173 bzw. Art. 174 zur Anwendung Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 15
Üble Nachrede od. Verleumdung gegen Verstor-benen oder verschollen Erklärten(Art. 175) Art. 175: Üble Nachrede oder Verleumdung gegen einen Verstorbenen oder einen verschollen Erklärten 1 Richtet sich die üble Nachrede oder die Verleumdung gegen einen Verstorbenen oder einen verschollen Erklärten, so steht das Antragsrecht den Angehörigen des Verstorbenen oder des verschollen Erklärten zu. 2 Sind zur Zeit der Tat mehr als 30 Jahre seit dem Tode des Verstorbenen oder seit der Verschollenerklärung verflossen, so bleibt der Täter straflos. • Verschollenerklärung: Art. 35 bis 38 ZGB • erfasst werden nur die üble Nachrede und die Verleumdung; nicht aber die Beschimpfung • erweitertes Rechtsgut: Ehre des Verstorbenen an sich und Pietäts- gefühl der Angehörigen • Übergang des Strafantragsrechts auf Angehörige gemäss Art. 110 Ziff. 2 • Zeitspanne: 30 Jahre; danach Straflosigkeit Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 16
Straftaten gegen die Ehre – Verjährung Art. 178: Verjährung 1 Die Verfolgung der Vergehen gegen die Ehre verjährt in vier Jahren. 2 Für das Erlöschen des Antragsrechts gilt Artikel 31. • Herabsetzung der Verfolgungsverjährungsfrist auf vier Jahre • ordentliche Verjährungsfrist gemäss Art. 97 Abs. 1 lit. c: sieben Jahre Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 17
Straftaten gegen die Ehre – (3. Titel, Ziffer 1) Art. 176: Gemeinsame Bestimmungen Der mündlichen üblen Nachrede und der mündlichen Verleumdung ist die Äusserung durch Schrift, Bild, Gebärde oder durch andere Mittel gleichgestellt. • Formen/Arten der Kundgabe einer Äusserung • Klarstellung, dass neben dem gesprochenen Wort auch der geschrie- bene Text, das Bild, die Gebärde sowie etwa Fotos oder Filme in Betracht kommen • für die Beschimpfung sind die verschiedenen Kundgabeformen in Art. 177 enthalten Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 18
Fall: Wahlkampf B, ein in Bern tätiger Bauingenieur, lässt sich von seiner Partei als Kandidat für die Stadtratswahlen nominieren. Obwohl er als "Quereinsteiger" gilt, rechnet er sich gute Chancen aus, gewählt zu werden. Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Journalistin J steht Bs Kandidatur skeptisch gegenüber und publiziert in der lokalen Tageszeitung einen kritischen Artikel. Darin wirft sie B – der hin und wieder im Liegenschaftshandel tätig ist – vor, er sei ein "Bodenspekulant" und "Immobilienhai". Vor etwa drei Jahren habe er zudem "halb-seidene Geschäfte" und überdies "veritable Betrügereien" begangen: Angestellte von Bs Ingenieurbüros seien um ihren Lohn geprellt worden. Tatsächlich war damals ein Strafverfahren gegen B eröffnet worden, das jedoch mangels Beweisen wieder eingestellt wurde. Nach der Lektüre des Zeitungsartikels fordert der verärgerte B von J, sie müsse ihre Vorwürfe und Anschuldigungen zurücknehmen und sich öffentlich bei ihm entschul-digen. Würde sie seinen Forderungen nicht nachkommen, würde er umgehend Strafanzeige gegen sie erstatten. Zudem würde er sich Schadenersatzansprüche vorbehalten, sollte der Artikel seinem Wahlkampf in irgendwelcher Weise schaden. S weist sämtliche Forderungen entschieden zurück: Ihre Informationen stammten aus verlässlicher Quelle aus dem privaten Umfeld von B, sie sei von der Wahrheit der Informationen hundertprozentig überzeugt. Beurteilen Sie die Strafbarkeit von B und J. Gegebenfalls erforderliche Strafanträge sind gestellt geworden. Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 19
Fall: Dreiecksbeziehung Paul unterhält seit geraumer Zeit eine intime Beziehung zu Manuels Ehefrau. Eines Tages treffen sich Paul und Manuel per Zufall auf der Strasse. Manuel geht auf Paul zu und sagt zu ihm: "Du Schwein; Du warst mit meiner Frau im Bett." Paul erwidert: "Du arbeitest halt zu viel und kümmerst Dich nie um sie." Manuel schreit wutentbrannt: "Du bist ein toter Mann, solltest Du Dich ihr noch einmal auf 50 Meter oder weniger nähern!" Daraufhin dreht sich Paul wortlos und unbeeindruckt um, schlendert zu seinem Fahrrad und fährt davon. Prüfen Sie die Strafbarkeit von Paul und Manuel. Gegebenfalls erforderliche Strafanträge sind gestellt geworden. Straftaten gegen die Ehre (Teil 2) Folie 20