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STRAFRECHT BT VERUNTREUUNG Art. 138 StGB. FS 2008 Prof. Dr. H. Vest Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern. VERUNTREUUNGSARTEN – ALLGEMEIN . Der Täter verletzt eine Treuepflicht, indem er sich eine ihm anvertraute bewegliche Sache in Bereicherungsabsicht aneignet
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STRAFRECHT BTVERUNTREUUNG Art. 138 StGB FS 2008 Prof. Dr. H. Vest Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern
VERUNTREUUNGSARTEN –ALLGEMEIN • Der Täter verletzt eine Treuepflicht, indem er sich eine ihm anvertraute bewegliche Sache in Bereicherungsabsicht aneignet • Zwei Arten: • Sachveruntreuung StGB 138 Ziff. 1 Abs. 1 (Aneignungs- bzw. Delikt gegen Verfügungsmacht) • Vermögensveruntreuung StGB 138 Ziff. 1 Abs. 2 (Vermögenswertdelikt)
SACHVERUNTREUUNGStGB 138 Ziff. 1 Abs. 1 • Sachveruntreuung ist unechtes Sonderdelikt: • Täter kann nur sein, wem die Sache anvertraut wurde (BGer, 6S. 321/2005 v. 16.12.2005) • Aussenstehende Mitwirkende: können nicht Täter, wohl aber Teilnehmer sein Bestrafung über StGB 137 Ziff. 1 Abs. 2 (gl.M. BSK Niggli/Rieder, Art.138 N 133 a ff.) • Vermögensveruntreuung ist echtes Sonderdelikt
SACHVERUNTREUUNGOBJ. TB - TATOBJEKT • Fremde (z.B. bei gültig eingetragenem Eigentumsvorbehalt gem. ZGB 715) bewegl. Sache vgl. Aneignungsdelikt • Modus: Anvertrauen = • Treugeber gibtGewahrsam an der Sache vollumfänglichauf und räumt dem Täter mit dessen Willen (sonst Art. 137 Ziff. 2 Abs. 1) die Verfügungsmacht ein • Täter erhält Gewahrsam an der Sache, um diese dem Treugeber zurückzugeben oder an Drittperson weiterzuleiten (BGE 101 IV 163) • Nicht anvertraut ist, was jmd. nicht für einen anderen, sondern für sich selbst empfängt, so z.B. • Leistungen der Krankenkasse an den Versicherten, da/sofern dieser Schuldner bzgl. der medizin. Versorgung bleibt (BGE 117 IV 256) • Akonto-Zahlungen des Mieters für Heizung & Warmwasser (BGE 109 IV 22) • Trinkgelder (h.L.: Niggli/Fiolka, Art. 138 N 60 m.H.; a. M. BGE 98 IV 22)
SACHVERUNTREUUNGOBJ. TB - ANVERTRAUEN • Definitionen (vgl. Niggli/Fiolka, Art. 138 N 36 ff.): • Besondere Verpflichtung, das an der Sache bestehende fremde Eigentum zu erhalten • Überlassung mit rechtlich beschränkter Verfügungsmacht, ohne dass unmittelbare Kontrolle der Verwendung möglich oder üblich • BGer: Empfang mit Verpflichtung, Sache in bestimmter Weise im Interesse eines anderen zu verwenden abzulehnen
SACHVERUNTREUUNGOBJ. TB - TATOBJEKT • Solche Treuepflichtenauf Sach- bzw. Werterhaltung können sich ergeben aus: • Gesetz, z.B. • Ehegatte, Eltern, Vormund (vgl. auch Art. 138 Ziff. 2) • Vertrag, z.B. • Miete, Pacht, Leihe, Leasing (,sofern nicht Kreditkauf) • Auftrag • Hinterlegung • nicht aber beim Abzahlungskauf • Nichtiges bzw. formungültiges Grundgeschäft lässt Eigentums-verhältnisse unberührt • Str., ob bloss tatsächlichesAnvertrauen genügend (so z.B. BGE 92 IV 176). Besser: Bei Widerrechtlichkeit oder Unsittlichkeit zu verneinen (BSK-Niggli/Fiolka, Art. 138 N 82)
SACHVERUNTREUUNGOBJ. TB - TATHANDLUNG • Aneignung der fremden Sache: • Objektive Manifestation des Aneignungswillens: Täter muss seinen Aneignungswillen in äusserlich erkennbarer Weise betätigen, z.B. durch • Verkaufsangebot • Verkauf, Schenkung • Verbrauch, bspw. auch durch Konsum • Verarbeitung • Achtung: blosse Missachtung / Verletzung anderer vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten als derjenigen zur Erhaltung nicht ausreichend, z.B. • Verspätete Rückgabe • Vertragswidrige Zweckverwendung des Eigentums
VERMÖGENSVERUNTREUUNGStGB 138 Ziff. 1 Abs. 2 • Vermögenswerte nicht fremd, da sonst Art.138 Ziff. 1 Abs. 1, d.h. Vermögensveruntreuung ist subsidiär; Sachveruntreuung regelt Aneignung anvertrauter fremder Sachen abschliessend • Echtes Sonderdelikt • (Mit-)Täter kann nur sein, wem Vermögenswerte anvertraut wurden • Teilnehmer sind seit dem Inkrafttreten des neuen AT aus Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 26 (Teilnahme am Sonderdelikt) zu bestrafen (vgl. zum früheren Recht Stratenwerth/Jenny, BT 1 §13 N. 62 m.w.N.)
VERMÖGENSVERUNTREUUNGOBJ. TB - TATOBJEKT • Tatobjekt: in Verfügungsmacht übergegangene eigene Vermögenswerte, die aber wirtschaftlich einem anderem zustehen = wirtschaftlich fremdes Vermögen • Übertragung durch Treugeber oder Drittperson (d.h. mittelbar) mit Willen des Täters (sonst ggf. Art. 141bis) • Anvertraut, (nur) bei vollständiger Übergabe der Verfügungsmacht durch Treugeber und Verpflichtung, sie ständig zu dessen Verfügung zu halten
VERMÖGENSVERUNTREUUNGOBJ. TB - TATOBJEKT • Beispiele: Übertragung • vertretbarer Sachen, die nicht fremd sind (z.B. Bargeld nach Vermischung) • nicht vertretbarer Sachen, die durch indirekte Stellvertretung oder fiduziarische Übereignung ins Eigentum des Täters übergegangen sind • Forderungen und Buchgeld (auch bei direkter Stellvertretung); z.B. Inkassomandat (BGE 101 IV 162) • Nicht: Geschäftsvermögen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften ggü. Organen (BGer, 6S.249/2002) • Behandlung eines rein faktischen Vertrauensverhältnisses strittig – nach BGE 111 IV 21 f. 133 anvertraut – a.A. die h.L.: BSK-Niggli/Riedo, Art. 138 N 94 m.H.
VERMÖGENSVERUNTREUUNGOBJ. TB – ANVERTRAUEN VON DARLEHEN? • Problemfall Darlehen: • i.d.R. nicht anvertraut, in seltenen Ausnahmefällen Werterhaltungs-pflicht des Borgers, z.B. bei gesellschaftsrechtlicher Grundlage oder eindeutig gemeinschaftlichem Zusammenwirken • a.M. BGE 120 IV 117; 124 IV 9 (zustimmend bzgl. letzterem Niggli, Baurecht 1998, 81 ff.; BSK-Niggli/Riedo, Art. 138 N 65 ff.) • BGE 129 IV 257 (sogar bei Darlehen zwecks Begehung eines Betrugs: mit Riedo, AJP 2003, 1483 f. abzulehnen!)
VERMÖGENSVERUNTREUUNGOBJ. TB - TATHANDLUNG • Täter muss Vermögenswerte unrechtmässig in seinem eigenen oder eines anderen Nutzen verwenden (BGE 98 IV 29) dies ist der Fall, wenn die Handlungsweise des Täters eindeutig den Willen manifestiert, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln • Beispiele: • Verheimlichen des Inkassos • Verbrauch oder Verpfändung oder anderweitige Bindung vertretbarer Sachen ohne jederzeitige Ersatzbereitschaft und -fähigkeit • vgl. bzgl. unvertretbarer Sachen die Bsp. zur Aneignung gem. Abs. 1 • Ungeschriebenes Tbmerkmal: Vermögensschaden i.S. eines Gefährdungsschadens? (vgl. BSK-Niggli/Riedo, Art. 138 N 103 f.)
VERUNTREUUNG SUBJEKTIVER TB • Sach- wie auch Vermögensveruntreuung erfordern • Vorsatz • (auch nur vorübergehende) Absicht der unrechtmässigen Bereicherung fehlt, wenn • spätestens im Zeitpunkt der Aneignung der Gegenwert ersetzt wird (oder) • die Aneignung als Verrechnung bestehender Forderungen erfolgt (oder) • der Täter im Zeitpunkt der Aneignung sowohl (obj.) ersatzfähig als auch (subj.) ersatzwillig ist = Ersatzbereitschaft (BGE 118 IV 29f.; vgl. hierzu BSK-Niggli/ Riedo, Art. 138 N 106 ff.)
VERUNTREUUNGQUALIFIKATION - PRIVILEGIERUNG • Qualifikation aufgrund erhöhter Vertrauensposition (Ziff.2; vgl. BSK-Niggli/Riedo, Art. 138 N 144 ff.): • Tat durch Mitglied einer Behörde bzw. als Beamter • Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei behördl. Ermächtigung zur Ausübung von Beruf, Gewerbe bzw. Handelsgeschäft • Privilegierung bei “Familien“-Veruntreuung (Ziff.1 Abs.3)
VERUNTREUUNGKONKURRENZ • Da nach BGer bereits die (Mit-)Verfügungsmöglichkeit genügt, in der Praxis sehr viel weiterer Anwendungsbereich von Art. 138 (BGE 121 IV 24 f.; 119 IV 128; 118 IV 33; 117 IV 434) • Dagegen die wohl h.L.: BSK-Niggli/Riedo, Art. 138 N 90 f. = Veruntreuung erfordere die ausschliessliche Verfügungs- macht. Ggl. Strafbarkeit gem. Art. 158 (ungetreue Geschäfts- besorgung) • Zur Abgrenzung von Art. 138 und Art. 146 (Betrug) BSK-Niggli/Riedo Art. 138 N 193a f.